Im Überschwang
Aus meinem Leben
Hannelore Elsner ist die Grande Dame des deutschen Films, die große Schauspielerin, mit allen wichtigen Preisen ausgezeichnet und vom Publikum verehrt. Jetzt blickt sie zurück auf ihr abwechslungsreiches Leben mit all seinen Höhen und...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Im Überschwang “
Hannelore Elsner ist die Grande Dame des deutschen Films, die große Schauspielerin, mit allen wichtigen Preisen ausgezeichnet und vom Publikum verehrt. Jetzt blickt sie zurück auf ihr abwechslungsreiches Leben mit all seinen Höhen und Tiefen. In Worten voll Kraft, Wärme und Zärtlichkeit erzählt sie von ihrer Kindheit, der ersten Liebe, von ihren Erfahrungen als junge Schauspielerin, ihrer Liebe zum französischen Film, von Schmerz und Verlust, vom Glück des Älterwerdens und von ihrem späten Triumph als eine der großartigsten Charakterdarstellerinnen Deutschlands.
Klappentext zu „Im Überschwang “
Hannelore Elsner ist die Grande Dame des deutschen Films, die grosse Schauspielerin, mit allen wichtigen Preisen ausgezeichnet und vom Publikum verehrt. Jetzt blickt sie zurück auf ihr abwechslungsreiches Leben mit all seinen Höhen und Tiefen. In Worten voll Kraft, Wärme und Zärtlichkeit erzählt sie von ihrer Kindheit, der ersten Liebe, von ihren Erfahrungen als junge Schauspielerin, ihrer Liebe zum französischen Film, von Schmerz und Verlust, vom Glück des Älterwerdens und von ihrem späten Triumph als eine der grossartigsten Charakterdarstellerinnen Deutschlands.Ausstattung: mit zahlreichen s/w-Fotos
Lese-Probe zu „Im Überschwang “
Im Überschwang von Hannelore Elsner Wie erinnern?
Der Anfang ist natürlich wahnsinnig schwer. Ich frage mich, warum ich das mache, für wen ich das mache: Für mich? Für die anderen? Für ein etwas längeres Leben?
Was ist eigentlich Erinnern? Welche Arten von Erinnerungen gibt es? Ist es etwas, was aus meinem Inneren herauskommt? Oder ist es ein Erinnern an die Erzählungen anderer, also zweite Hand eigentlich? Was geht da vor sich, wenn einem ein Bild, eine Erinnerung einfällt? Ist es etwas anderes, wenn man sich bewusst zu erinnern versucht? Und sind Erzählungen anderer, an die man sich erinnert, genauso wichtig wie die Bilder, die man selbst in sich bewahrt hat?
Beim Nachdenken über dieses Buch stellen sich mir diese Fragen, sie kommen mir in den Sinn. Und viele weitere schließen sich an: Wie kann ich sicher sein, dass diese Erinnerungsbilder, ihre Farben, ihre Melodie, dem entsprechen, was sich tatsächlich ereignet hat? Spielt es überhaupt eine Rolle, ob diese Bilder wahr sind oder nicht wahr?
Sollte ich nicht vor allem davon erzählen, wie ich geprägt wurde von den Landschaften, den Menschen, den Ereignissen und meinen Träumen?
Soll ich viele kleine Geschichten erzählen oder eine große, chronologisch geordnete Lebensgeschichte? Wie soll ich von den Menschen berichten, die in meinem Leben wichtig waren und sind? Wie kann ich ihnen gerecht werden? Und ist das überhaupt wichtig?
Beim Nachdenken über all diese Fragen hat mir ein Wort, das ich schon immer besonders mochte, sehr geholfen: Zeit-Räume.
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Wenn ich dieses Wort denke, dann öffnen sich in mir ganz viele Türen. Dann befinde ich mich nicht nur in der Zeit, in die ich mich erinnere, sondern auch in den dazugehörigen Räumen. Dann bin ich zum Beispiel wieder die kleine Hannelore, die als Kind durch die Räume der Klosterschule läuft.
Manchmal habe ich den Eindruck, ich sehe einen Film, wenn ich auf mein Leben schaue. Einen Film, der aber nicht ein für alle Mal auf Rollen gebannt ist, sondern der sich immer wieder verändert. Ich kann diesen Film nicht nur unterschiedlich betrachten - zum Beispiel auf der großen Leinwand oder auf der kleinen Leinwand, in Schwarz-Weiß oder in Farbe -, ich kann ihn, während ich ihn sehe, auch verändern. Ich kann ihn schneiden, während ich ihn anschaue: Durch meine Gedanken- schnitte kann ich ihn komplett verändern, wenn ich will. Aber das ist nicht nur eine Freiheit, die ich da habe, sondern fast ein Zwang. Ein Zwang, der sich daraus ergibt, dass ich diesen Film überhaupt erst erschaffe, während ich ihn anschaue.
Und das Ergebnis ist jedes Mal ein anderes, auch wenn das Erlebte - das Drehbuch - vorgegeben ist. Es kommt auf die Sicht an, die ich im Moment des Erinnerns auf bestimmte Zeiten und Räume, auf bestimmte Zeit-Räume habe.
Ich muss da an den berühmten Film »Rashomon« von Akira Kurosawa denken, dessen Handlung von vier Personen und ihren jeweiligen Standpunkten aus erzählt wird. Natürlich kommen dabei vier verschiedenartige Versionen derselben Geschichte heraus. Das, was ist, das, was war, ist ja so viel mehr als nur das eine. Immer ist es sehr viel mehr. Deshalb muss man sich auch andauernd streiten: weil jeder Mensch etwas anderes wahrnimmt und empfindet. Jeder Einzelne nimmt die gleichen Dinge und Erlebnisse ganz verschieden wahr.
Jetzt bin ich selbst mal die eine, mal die andere dieser verschiedenen Personen, die mein Leben erzählt. Ich bin viele. Und weil ich so viele bin, verändere ich den Film. Ich bin ja auch als erwachsene Frau mit in diesen Räumen, in denen ich als junge Frau, als Mädchen, als Kind unterwegs war. Ich sehe und höre mir beim Erinnern zu. Und wenn ich in diesem Buch erzähle, was ich dabei höre und sehe, kann ich beschreiben, wie und was ich als Kind oder als junges Mädchen gefühlt und erlebt habe - aber auch, wie ich mich als erwachsene Frau in diesen Räumen der Kindheit und Jugend fühle und bewege. Ich bin die Erzählerin, ich bin die Analytikerin, ich bin die Psychologin, ich bin das kleine Kind, ich bin die weise Frau, ich bin die Schauspielerin, ich bin die Frau, ich bin der Mann. Und je mehr Ichs ich bin, desto verschiedener stellt sich meine Geschichte dar, desto unterschiedlicher sehe, fühle und empfinde ich sie. Wenn Wahrheiten sich verändern, bleiben sie dennoch immer wahr. Das ist manchmal beängstigend, aber ich glaube inzwischen, dass diese Veränderungen auch etwas Schönes sind: so werden die Geschichten vielfältig und reich. Sich zu bemühen, so zu erzählen, wie es wirklich war, kann wahrscheinlich nur bedeuten, in allen Facetten zu erzählen.
Meine Menschen
Geboren bin ich mitten im Sommer in Burghausen an der Salzach, in Oberbayern, direkt an der Grenze zu Österreich, an einem heißen, schwülen Sonntagnachmittag, und - wie mir meine Mutter erzählte - ist der Himmel schwer gewesen und hatte sich verdunkelt, denn es wütete gerade ein heftiges Gewitter. Mein Köpfchen war bedeckt mit rabenschwarzem Haarflaum und ich soll ausgesehen haben wie Karl Valentin. Und weil ich so besonders lange Fingerchen hatte, sollen die bayerischen Krankenschwestern gesagt haben, mei, die wird bestimmt a Klavierspielerin oder irgendwie a Künstlerin.
Sonst war alles in Ordnung.
Wie ich als Baby war, weiß ich natürlich kaum. Nur, dass ich wohl ziemlich viel geschrien habe und ein totales Papakind gewesen sein soll. Meine Mutter erzählte gerne und oft die Geschichte meines Rauswurfs. Dass es ihr eines Tages zu viel wurde und sie vollkommen zermürbt und entnervt gewesen sei: »Und da hab ich dich gepackt, bin in das Zimmer deines Vaters gerannt, hab dich ihm in die Arme geschmissen und geschrien:
›Da hast du deine Tochter!‹«
Auf der Stelle sei ich still gewesen und hätte gelächelt.
Ihre andere Standardgeschichte über mich war, dass ich unheimlich süß gewesen sei mit meinen vielen, krausen Locken und ausgesehen hätte wie eine kleine Puppe: »wie ein kleines Negerpüppchen«, hat sie gesagt.
Später im Kindergarten wurden sie mir ratzeputz abgeschnitten, weil ich Läuse hatte.
Aber ich weiß vor allem, dass ich nicht allein war. Damit meine ich nicht meine Eltern: Es war mein zwei Jahre älterer Bruder Manfred, der mir alles war. Ich erinnere mich ganz tief daran, dass er der erste Mensch war, den ich wahrscheinlich richtig geliebt und wahrgenommen habe. Es war eine existenzielle Verbundenheit. Wir waren überhaupt nicht auseinanderzubringen. Auf allen Fotos, auf denen wir gemeinsam zu sehen sind, hält er mich an der Hand. Manfred war liebevoll und fürsorglich - so, wie man sich einen großen Bruder vorstellt. Sehr vertraut, sehr männlich, obwohl ich gar nicht wusste, was das ist. Aber in meiner Erinnerung kommt mir das so vor. Mein großer Bruder eben.
Vieles weiß ich vielleicht nur aus Erzählungen meiner Mutter, ich war ja erst zwei Jahre alt. Zum Beispiel die Geschichte mit dem weißen Kleid.
Meine Mutter hatte mich an diesem Nachmittag besonders schön zurechtgemacht, wahrscheinlich wollte die Familie einen Sonntagsausflug machen. Ich trug ein hübsches blütenweißes Kleid und eine weiße Schleife im Haar. Weil unsere Eltern noch nicht fertig waren, schickten sie Manfred und mich nach unten, wir sollten vor dem Haus auf sie warten. Vielleicht wurde mir langweilig und ich wollte im Dreck spielen, Batzknödel machen. Aber Manfred hat mir das nicht etwa verboten, sondern mir einfach mein weißes Kleid ausgezogen, es fein säuberlich über die Hecke gehängt und mich im Dreck spielen lassen.
Irgendwann - ich muss ungefähr eineinhalb Jahre alt gewesen sein - sind wir beide für kurze Zeit in ein Kinderheim gekommen und wurden dort voneinander getrennt. Ob es mit dem Krieg zusammenhing oder familiäre Gründe hatte - ich habe immer vergessen, meine Mutter danach zu fragen. Zum Beispiel, wo mein Vater damals eigentlich war. Ich weiß nur, dass er nicht im Krieg war.
Ich konnte schon laufen und sprechen, als Manfred und ich ins Heim kamen. Aber als wir zurückkehrten, konnte ich gar nichts mehr, da war ich wieder wie ein kleines Baby und hatte fast alles verlernt. Im Heim hatte ich mich allem verweigert, wollte nichts essen, wollte nicht spielen, wollte gar nichts, ich schrie so lange, bis man mich bei meinem Bruder im Bettchen schlafen ließ. Ohne meinen Bruder hätte ich dort wahrscheinlich nicht überlebt.
Das Bild meines Bruders ist tief in mir. In meinem Inneren weiß ich, was für ein großartiger kleiner Mensch Manfred war und wie sehr ich mit ihm verbunden war. Für mich war er alles, der ganz große Vertraute.
Bis heute habe ich diesen Traum in mir, dass Manfred und ich alleine auf einem Hügel in einem kleinen Birkenwäldchen stehen, er hält mich an der Hand und ich weiß, dass ich sterben muss, wenn er meine Hand loslässt. Ob ich das im Schlaf geträumt habe oder ob es einer meiner Tagträume war und immer noch ist oder ob ich diesen Traum wirklich erlebt habe, kann ich nicht sagen. Es scheint mir auch gar nicht mehr wichtig. Meine Seele erinnert sich.
Die Jahre mit meinem kleinen großen Bruder Manfred waren lang und hell und wunderschön. Aber viel zu kurz. Am letzten Tag des Monats März 1945 - er war noch nicht fünf, ich war noch nicht drei Jahre alt und der Krieg war fast vorbei - fuhr er wie so oft von Burghausen nach Neuötting, wo unsere Großmutter wohnte, meine Oma, die Mutter meiner Mutter. Begleitet wurde er von einer der Nachbarstöchter, die für ein bisschen Geld bei uns aushalfen. Meine Mutter nannte sie immer Dienstmädchen, aber eigentlich waren es junge Mädchen aus der Nachbarschaft, die sich ihr Taschengeld aufbesserten.
Mit einem dieser Mädchen fuhr mein Bruder mit dem Zug von Burghausen nach Neuötting. Während der Fahrt wurde der Zug von amerikanischen Tieffliegern bombardiert. Bei diesem Angriff ist Manfred getötet worden. Er wurde erschossen. Das Mädchen hatte sich aus Angst unter die Bänke verkrochen, aber der kleine Manfred war neugierig und schaute aus dem Fenster.
Warum war ich nicht dabei?
In seinem kleinen Körper fand man sechs Patronen, die meine Mutter später in einem Leinensäckchen aufbewahrte, zusammen mit zwei winzigen Holzpferchen, die Manfred immer bei sich hatte. Dieses Leinensäckchen mit den Patronen und den Pferdchen, einem schwarzen und einem hellen, besitze ich immer noch.
Und ein Foto: Mein toter Bruder im offenen Sarg, schön gekämmt, mit halb geschlossenen Lidern und gefalteten Händen. Er sieht so erwachsen aus.
Wie ich vom Tod meines Bruders erfahren habe, ob ich überhaupt schon verstanden habe, was passiert war, weiß ich nicht mehr. Es war ein unsagbarer Schmerz in der ganzen Familie. Meine Mutter war im Krankenhaus und hatte gerade meinen kleinen Bruder Berndi zur Welt gebracht. Er war zwei Tage auf der Welt, als Manfred starb. Es gibt ein Foto von der Taufe meines kleinen Bruders, das von dieser Gleichzeitigkeit von Geburt und Tod, von Freude und Trauer, Leben und Sterben erzählt.
Ob mein Vater das Foto gemacht hat?
Meine Mutter ist zu sehen, ganz in Schwarz, und schwarz verschleiert. Ihr Gesicht ist kaum zu erkennen. Neben ihr steht eine Krankenschwester, das weiße Taufkissen in den Armen, in dem das neue Baby liegt, ganz in das weiße Taufkleid gehüllt. Unter diesem Kissen stehe ich, klein und süß, mit einer weißen Schleife im Haar und lache.
Ich habe immer gelacht.
Bis zu dem Tag, an dem mein Bruder starb, hatten wir kaum etwas vom Krieg mitbekommen. Zumindest Manfred und ich nicht. Nein, ich habe keine Bedrohung gespürt, auch keinen Mangel gelitten. Irgendwie war immer genug da. Und mein Vater und meine Mutter waren sehr oft schick angezogen. Auf Fotos sehen sie aus wie ein Paar aus dem Kino, wie Filmstars. Mein Vater wunderschön, meine Mutter wunderschön - und zwei hübsche kleine Kinder Hand in Hand unterm geschmückten Weihnachtsbaum. Auf einem Foto sitzen wir alle gemeinsam auf einer blühenden Wiese, im Hintergrund sieht man die Berge - wir sehen glücklich aus. Alles ist heil und schön und harmonisch. Doch plötzlich ist nichts mehr, wie es war, das Heile ist zerbrochen.
Eine Geschichte, an die ich mich vielleicht erinnere, die auch meine Mutter immer wieder erzählte, war, dass im Sommer, ein paar Monate nach Manfreds Tod, ein amerikanischer Offizier in unsere Wohnung kam und sie eigentlich beschlagnahmen wollte, aber dass er dann den kleinen Altar mit dem Bild meines Bruders sah, die Kerzen und Blumen und den Trauerflor - das schwarze Band neben Manfreds Gesicht, an der linken Bildecke -, und dass er dann die Wohnung nicht beschlagnahmte, sondern uns oft besuchte und uns jedes Mal kostbare Orangen mitbrachte.
Und ganz manchmal und ganz fein, vielleicht an einem Glückstag wie im Märchen, rieche ich den unwiderstehlichen Duft dieser kostbaren Orangen.
Im Kindergarten soll ich lange Zeit nur mit meinem toten Bruder Manfred gespielt und gesprochen haben, die anderen Kinder hätte ich völlig ignoriert, auch meinen neuen kleinen Bruder Berndi, erzählte mir meine Mutter. Ich konnte einfach nicht akzeptieren, dass Manfred nicht mehr da war. Mein Anführer, mein Begleiter, mein vertrautester Mensch, mein Halt, der Mensch, der mehr war als ich, dem ich vertrauen konnte, der mich gehalten und geführt hat - der mich getragen und am Leben gehalten hat - er war auf einmal verschwunden.
Jetzt war ich die große Schwester. Die war ich dann immer - und die bin ich bis heute geblieben. Berndi ist der »kleine« Bruder. Bald war ich diejenige, die auf jemanden aufpassen musste, die eine Hand halten musste. Aber natürlich konnte ich Berndi nicht das sein, was Manfred mir war.
Irgendwann begann ich, ich war vielleicht vier, all meine Sehnsucht und Liebe auf meinen Vater zu richten. Es war nicht nur Sehnsucht und Liebe, also normale Tochterliebe, es war ein Liebesverlangen. Dieses Verlangen - ich stand da und wusste nicht, wohin damit. Manfred war nicht mehr da. Aber diese übrig gebliebene Liebe war da, diese Inbrunst, dieser Überschwang. Ich hatte mich ja geradezu geschmissen auf meinen Bruder, auf ihn drauf. Wir hatten uns ausgetauscht und jeder vom anderen geschmeckt: die Spucke, den Schweiß, den Urin, die Tränen, das Blut. Wir hatten uns geküsst und liebkost. Wir konnten gar nicht genug von uns kriegen. Und diese Liebesfähigkeit, dieser Liebesüberschwang ging nun auf meinen Vater über.
Mein Vater, mein wunderbarer, großartiger Vater.
Wir waren jetzt oft am Waginger See, meine Mutter, mein kleiner Bruder, mein Vater und ich. Hier habe ich schwimmen gelernt.
Das ist meine schönste Erinnerung an meinen Vater: Er schwimmt im See, ich liege bäuchlings auf seinem Rücken und übe Schwimmbewegungen, irgendwann taucht er unter und ich schwimme oben alleine weiter, kreischend vor Lust. Und wenn ich nicht mehr kann und beinahe untergehe, taucht er auf und ich liege wieder sicher auf seinem Rücken.
Dieses Schwimmen - bis heute ist es ein Lebenselixier für mich.
Das lachende Mädchen mit der Schleife im Haar lebt in einem selbst erfundenen Niemandsland, in dem es vielleicht wieder heil wird, irgendwie. Ich habe ein wehes Gefühl, wenn ich daran denke, aber ich habe überlebt. Diese Zeit, die ich hatte mit meinem Vater, hat mich wieder ein bisschen geheilt. Dieses Schwimmen, diese Kraft, dieses Beschützende, dieses Männliche, das ich gespürt habe, war lebenswichtig für mich: In der Luft rudern, er taucht unter, verschwindet und ich schwimme allein. Ich kann nicht mehr und er taucht auf und ich bin wieder sicher. Gerettet.
Was für ein unendliches Gefühl der Geborgenheit! Und dann ist wieder so eine Wildheit und Schönheit da, wieder so ein Überschwang. Und auf einmal - zwei Jahre später, ich bin sechs Jahre alt - wird das alles wieder unterbrochen. Wieso ziehen wir jetzt um? Warum werde ich plötzlich in Neuötting eingeschult und nicht in Burghausen? Gut, bei der Oma ist es schön, wie Ferien. Aber wo ist eigentlich mein Vater? Wieso ist der nicht mehr da? Wieso redet niemand mit mir?
Und dann gehen wir von Neuötting zu Fuß nach Altötting, fast eine Stunde lang, in ein Spital. Ich sehe meinen Vater von Weitem in einem grünen Zimmer. Es ist ein grausames Grün. Mein Vater ist zart und blass, es geht ihm nicht gut. Ich darf ihn nicht umarmen. Eine ansteckende Krankheit.
Das kannte ich aus der Zeit, als wir alle Typhus hatten, als wir im Haus meiner Oma bleiben mussten und eine Grenzlinie auf der Straße markiert war, die wir nicht überschreiten durften.
Mein Vater hatte Tuberkulose.
Wir sind von Burghausen zu meiner Oma nach Neuötting gezogen, in dieses schöne kleine Bauernhaus, das Häusl. Es lag ganz am Ende einer kleinen Straße, an die sich eine riesige Wiesenlandschaft anschloss. Für mich war das Häusl direkt am Rande der Wildnis. Wiesen und Äcker und kleine Sümpfe, große und kleinere Bäche, unterirdisch, oberirdisch. Und an den verwilderten Bachauen entlang die hohen ausladenden Weidenbäume, die im Frühling die weichen Weidenkätzchen trugen und sich im dunklen Herbst in die unheimlichen Gesichter und Gestalten der Nebelfrauen verwandelten.
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind.
Und hinter jedem Löwenzahn lauert das Grauen.
Im Häusl war es zwar auch wild, es gab nur ein Plumpsklo aus Holz im Eingang, aber es war heimelig, gemütlich. Und es gab eine Ziege und ein paar Hühner und Enten, manchmal auch Hasen oder eine Gans. Hund und Katze sowieso, das war ganz normal, der Hofhund und die Hauskatze, das war nichts Besonderes, so wie in der Stadt. Und es gab einen Blumengarten, einen Obst- und Gemüsegarten, den Schuppen, den Heuschober über dem Stall, im Hof den riesigen Baum mit einem Baumhaus wie ein großes Nest; viele, viele Verstecke für mich. Es war das Paradies.
Alle meine ersten Geburtstage, an die ich mich erinnern kann, habe ich hier gefeiert, mitten im Sommer, im blühenden Garten mit bunten Lampions. Und noch früher, als Manfred noch bei mir war, durfte ich in der Sommerhitze in einer kleinen Blechwanne herumplantschen. Und er hat auf mich aufgepasst.
Wenn ich jetzt an die Zeit dort denke, kommt mir auch in den Sinn, dass mein Vater nicht da war. Er war verschwunden. Das ist schmerzhaft: sich zu erinnern, dass jemand fehlte.
Es war diese Zeit - ich war zwischen sechs und acht Jahre alt -, in der mein Vater immer weg war, in irgendeinem Sanatorium, auf jeden Fall nicht bei mir. Am Anfang seiner Krankheit war mein Vater in dem Spital in Altötting. Dort haben meine Mutter und ich ihn oft besucht. Er stand in diesem grünen Zimmer, ganz hinten, und ich in der Nähe der Tür. Ich konnte nicht zu ihm, ich durfte ihn nicht umarmen. Das böse, kalte Grün des Zimmers empfinde ich noch heute. Es war schrecklich, ihn nur aus der Entfernung zu sehen. Soweit ich mich erinnere, waren es die letzten Male, dass ich meinen Vater besuchen konnte.
Zwei Jahre später ist er gestorben, in einem Sanatorium in München. Ich war inzwischen acht und hatte gerade meine Erstkommunion absolviert. Als es hieß, dass mein Vater sterben würde, sind meine Mutter und ich - wahrscheinlich auch mein kleiner Bruder - nach München geholt worden und haben bei Bekannten meiner Mutter übernachtet. Diese Bekannten waren Tante Feli und Onkel Karl. Wir sollten sie auch so nennen, obwohl wir nicht mit ihnen verwandt waren. Sie wohnten in einem großen Mietshaus, an einer unglaublich großen, lauten Straße.
Für mich war dieser erste Besuch in München ein Schock. Ich weiß noch, wie erschreckend ich den Lärm der Straßenbahn empfand. Dieses Geläute und Gerumpele und Gezische werde ich überhaupt nie vergessen, und in dem fremden Zimmer, in dem wir schliefen, wurde es nie richtig dunkel, weil die Straßenlaternen so grell hereinschienen. Kalte Erinnerungen habe ich da. Lange Zeit konnte ich nachts den Lärm einer Straßenbahn nicht ertragen. Und Lichter von draußen lassen mich bis heute nicht schlafen.
Gleich nach unserer Ankunft in München sind wir in das Sanatorium gegangen. Ich hatte mein Kommunionskleid angezogen. Ob das meine Fantasie ist oder ob es wirklich so war? Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe dieses Bild in mir: ich, in meinem wunderschönen, kostbaren Kommunionskleid aus glänzend weißem Satin, am Sterbebett meines Vaters.
Die Erstkommunion war ein besonderes, ein heiliges Fest. Alles war weiß: das weiße Kleid, das sehr viel Geld gekostet hatte, der weiße Blütenkranz aus kunstvollen Stoffblumen, weiße Strümpfe, weiße Schuhe, kleine weiße gehäkelte Handschuhe; und ich in all dem mit meinen dunkelbraunen Locken. Die weiße, geweihte Kerze, das kleine Gebetbuch und der geweihte Rosenkranz aus weißen Perlen - all das war so kostbar und so schön.
Und wenigstens das weiße Kleid wollte ich meinem Vater zeigen.
Den ganzen Tag und die ganze Nacht saßen wir an seinem Bett. Mein Vater war schon eingeschlafen, er ist nicht mehr aufgewacht. Am nächsten Morgen war er tot. Er ist nur vierzig Jahre alt geworden.
Die Beerdigung in Burghausen war ein großes Ereignis, mein Vater war als Ingenieur bei Wacker Chemie in der kleinen Stadt sehr angesehen. Meine damals beste Freundin Gudrun hatte mir ihren dunklen Mantel geliehen.
Alle haben mich bemerkt, mir kondoliert, ich war wichtig.
Ein Mädchen, dessen Vater gestorben ist, ist etwas Besonderes, etwas Wichtiges. Und in der Schule war ich fast stolz, weil der Tod meines Vaters ein so großes Lebensereignis für mich war. An Tränen kann ich mich nicht erinnern, auch nicht auf der Beerdigung. Es kommt mir so vor, als sei ich ohnmächtig gewesen in dieser Zeit, irgendwie ohne Bewusstsein. Schon seit Manfred weg war, aber erst recht, als mein Vater dann verschwand. Ja, Ohnmacht ist das richtige Wort: Ich bin ohnmächtig durch die Welt gelaufen.
Den dunklen Beerdigungsmantel hatte ich schon einmal an, im Fasching, als Gudrun und ich als »Mann und Frau« gingen. Gudrun war der Mann, sie trug eine Art Anzug und hatte einen Zylinder auf. Ich ging als »Frau« in diesem dunklen Mantel, hatte mir mit dem Lippenstift meiner Mutter knallrote Lippen gemalt, und trug ein spitzes, goldenes Kegelhütchen aus Papier auf dem Kopf, gehalten von einem dünnen Gummi um das Kinn herum.
Für mich war mein Vater der schönste Mann der Welt. Er war so zart und so melancholisch. Er hatte tief liegende schwarze Augen und tiefe dunkle Augenringe. Später, als er krank war, sah er aus wie Franz Kafka. Kafka ist auch an Tuberkulose gestorben.
Ich glaube, dass mein Vater nicht sehr glücklich gewesen ist. Ich glaube, dass er etwas anderes leben wollte als das, was er gelebt hat, dass er von einem anderen Leben geträumt hat - ein Traum, den ich sehr gut kenne. Man sagt ja, dass Tuberkulose die Krankheit ist, mit der man sich aus der Welt begeben möchte. Mit der man flüchtet, wenn man so nicht mehr leben will. Ich bin das Gefühl nie losgeworden, dass mein Vater aus der Welt geflohen ist.
Vielleicht auch, weil in der Ehe meiner Eltern irgendetwas nicht stimmte. Daran, wie mein Vater und meine Mutter zusammen waren, habe ich keine richtige Erinnerung. Ich weiß nicht, wie sie miteinander gesprochen haben, wie sie miteinander waren, weil ich einfach noch zu klein war. Ich erinnere mich an diese Zeit nur durch diese Fotos, auf denen sie zusammen sind und wie Filmstars aussehen. Und doch wusste ich tief in meinem Inneren schon als Kind, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Und dieses Gefühl ist geblieben, auch wenn ich den wahren Grund dafür nie erfahren habe.
Es muss Liebe auf den ersten Blick gewesen sein, zumindest für meinen Vater. Meine Mutter lebte als junges Mädchen in Ungarn, in der Nähe von Budapest. Dort ging sie auf eine Hauswirtschaftsschule. Die Ferien verbrachte sie zu Hause in Neuötting bei ihren Eltern, meinen Großeltern. Und so saß sie eines Tages in dem Zug, der von Budapest über Salzburg nach Bayern fuhr. Mein Vater, der Österreicher war, saß im gleichen Zug und war auf dem Weg nach Salzburg, wo er und seine Familie lebten. Doch er stieg nicht aus in Salzburg, sondern fuhr mit meiner Mutter weiter nach Neuötting. Während der Zugfahrt hatte er sich so sehr verliebt, dass er nicht mehr von ihr lassen konnte und bereit war, von einem Moment auf den anderen sein Leben auf den Kopf zu stellen. Von diesem Tag an waren meine Eltern zusammen.
Als sie heirateten, wurde meine Mutter Österreicherin. Wir Kinder bekamen auch die österreichische Staatsangehörigkeit. Nach dem Tod meines Vaters wurde uns ein Vormund zugewiesen. Das war österreichisches Gesetz. Ich fand es unverschämt, dass man einer Mutter nicht zutraute, ihre Kinder alleine großzuziehen. Der Vormund, Onkel Karl, war glücklicherweise ein Freund der Familie, er und seine Frau, Tante Feli, waren sehr nett und mischten sich kaum ein. Nur später, als die Sache mit der Schauspielerei losging und ich noch lange nicht volljährig war, wollte Onkel Karl das verhindern. Aber da nahm meine Mutter wieder die deutsche Staatsbürgerschaft an, wir Kinder damit auch - und ich konnte zur Schauspielschule gehen.
Als mein Vater starb, ist meine Existenz im tiefsten Grund verletzt worden. Wenn man 16, 17, 18 Jahre alt ist, dann ist das ein großer Schmerz, wenn der Vater stirbt, oder die Mutter, aber man hatte doch zumindest eine Zeit lang einen Vater, eine Mutter. Wenn der Verlust so früh eintritt, in dieser frühen Zeit der unbedingten Liebe und Liebesfähigkeit, ist man eigentlich verloren.
Ich glaube, ich hatte großes Glück, dass das nicht gestorben ist in mir, diese Liebesfähigkeit und dieses Liebesverlangen. Und ich meine jetzt die reine Liebe. Meine Gefühlserinnerungen sind auch körperlich, sind in meinem Körpergedächtnis. Wenn das gestorben wäre, hätte ich nicht mehr weiterleben können, hätte ich nicht mehr existieren können.
»Die Geschichte mit dem Schwimmen auf dem Rücken meines Vaters« - das ist das Geschenk.
Während mein Vater in verschiedenen Sanatorien war, begann meine Schulzeit. Meine Mutter zog von Neuötting wieder zurück nach Burghausen, sie musste sich jetzt um unser Auskommen kümmern und bereitete die Eröffnung eines kleinen Schreibwarengeschäfts vor. Ich bin in Neuötting geblieben bei meiner Oma und kam nach dem Tod meines Vaters in die dortige Klosterschule, in ein Internat der Englischen Fräulein.
Am Anfang habe ich mich dort sehr einsam gefühlt, aber meine Oma besuchte mich regelmäßig und brachte mir immer wieder Sanostol mit. Das ist ein wunderbarer süßer Sirup mit Lebertran. Ich war süchtig danach. Ich hatte das Gefühl, dass ich damit überlebe.
Meine Oma war jetzt mein Zuhause - bei ihr war es immer warm und leicht und schön. Meine Oma war überhaupt wunderbar: eine Bäuerin, klein und kräftig, mit kräftigen Händen, einem festen Gesicht, leuchtenden, dunkelgrauen Augen, einer Brille auf der feinen runden Nase, und langen Haaren bis zum Hintern; lange, graue Haare, die sie zu einem Zopf geflochten und mit Hornnadeln zu einem Knoten im Nacken festgesteckt hatte. Als ich sie wahrgenommen habe, war sie noch gar nicht so alt, ungefähr 62 Jahre, aber sie sah trotzdem so aus, wie man sich eine Oma vorstellt.
Ich habe sie innig und zärtlich lieb gehabt, aber ich kann das fast gar nicht aufschreiben, denn es wurde nie ausgesprochen. Das war überhaupt nicht notwendig und auch nicht üblich, so etwas zu sagen. Ich habe ihr das nie gesagt, und sie mir auch nicht. Die Liebe war einfach da. Das musste man nicht aussprechen.
Sie war eine Großbauerntochter aus Niederbayern. Ihr Vater hatte einen riesigen Hof in der Nähe von Rottach am Inn und fuhr mit seiner Lieblingstochter Karoline, meiner Oma, oft nach Ungarn, um Pferde zu kaufen. Doch als diese Lieblingstochter meinen Opa heiratete, hat er ihr das so übel genommen, dass er sie verstoßen hat. Mein Opa war ein »Häusler«, er besaß nur dieses kleine Häusl in Neuötting, hatte also keinen großen Hof und Landbesitz. Er war nicht die richtige Partie für die Tochter eines Großbauern.
Aber dieses Häusl war mein Zuhause. Meine Oma war mein Zuhause. Und sie war eine wunderbare Geschichtenerzählerin - ihr kleiner, schmächtiger Mann, mein Opa, saß meist auf der Bank vor dem Haus in der Sonne und schnitzte Pfeifen und Flöten.
Sie hat uns alle ernährt, in dem Haus mit der Ziege und den Hühnern. Ich habe zugeschaut, wie sie ein Huhn einfing und ihm auf einem Holzpflock den Kopf abschlug. Das war ein Getöse. Das Huhn lief ohne Kopf weiter. Das war gruselig, aber trotzdem aufregend für mich, ich war hin- und hergerissen. Oder wie sie jeden Abend die Ziege gemolken hat - das Geräusch des Milchstrahls im Blecheimer, der wunderbare Geruch der warmen Ziegenmilch - oder wie sie eine Gans geschlachtet hat.
Und wie selbstverständlich sie meinen Opa betreut hat, der als Kriegsversehrter des Ersten Weltkriegs immer krank war und im Laufe der Zeit ganz klein und mickrig wurde.
Und wie sie den Gemüsegarten, die Salatbeete, den Obstgarten bestellt hat. Die Äpfel kamen von unseren eigenen Bäumen, irgendwie wurde nie etwas gekauft. Wir hatten nie Mangel. Den besten Apfelstrudel der Welt hat sie gemacht, aus unseren Äpfeln, Zwetschgendatschi aus unseren eigenen Zwetschgen. Alles ist da gewachsen: Mohrrüben, Bohnen, Tomaten, Stachelbeeren, Himbeeren, rote und schwarze Johannisbeeren, Kohlrabi, Salat - alles, was wir brauchten, gab es in unserem Garten. Geld hatten wir wahrscheinlich nicht viel. Brauchten wir auch nicht. Eier hatten wir, weil wir Hühner hatten. Milch hatten wir, weil wir eine Ziege hatten. Oma hat die Ziege gemolken und mit der noch lauwarmen Ziegenmilch einen wunderbaren Milchkaffee gemacht, in den wir das Brot eingebrockt haben. Gestöckelte Milch gab es nach dem Gewitter, wenn die Milch gerade sauer geworden war.
Einmal gab es wieder ihren berühmten wunderbaren Apfelstrudel, den Millirahmstrudel, an seinen Seiten hing knusprig der gebräunte Rahm, und alles roch so verführerisch. Mein Bruder Berndi und ich stürzten uns wie immer gierig auf ihn - und er schmeckte entsetzlich: Oma hatte statt Zucker Salz genommen! Das werde ich nie vergessen, es war so komisch, weil wir es nicht fassen konnten. Der Millirahmstrudel schmeckte wirklich scheußlich, aber wir haben ihn trotzdem aufgegessen, weil wir es einfach nicht glauben konnten, weil wir uns mit jedem Bissen neu vergewissern mussten, dass der Strudel, der ja so lecker aussah und roch, tatsächlich salzig war.
Wenn ich versuche, die Trauer, die so früh in mein Leben und das meiner Familie eingebrochen ist, beiseitezulassen, wenn ich versuche, mich einfach nur an die normalen Tage zu erinnern, so wie ich sie erlebt habe - dann hatte ich eine wunderschöne Kindheit. Ich war kein trauriges Kind. Ich war frei und wild, und ich konnte machen, was ich wollte. Eigentlich war ich immer unterwegs, habe mich auf den riesengroßen Wiesen hinter dem Haus meiner Großmutter, auf den Weiden und an den Bächen herumgetrieben. Ich kannte die Namen aller Blumen, aller Gräser auswendig, habe sie gesammelt und getrocknet oder ausgegraben und in meinen eigenen kleinen abgegrenzten Garten wieder eingepflanzt - das ist die Erinnerung an ein ganz großes Glück, an eine große Harmonie. Und mein Opa saß immer in der Sonne auf der Bank und schnitzte kleine Flöten für mich.
Ich erinnere mich an den Geruch der Frühäpfel. Im Haus meiner Oma schlief ich im ersten Stock in einem Zimmer mit Balkon, direkt davor stand ein Apfelbaum. Und wenn es, wie fast jeden Tag im Sommer, ein Gewitter gab, dann purzelten diese leuchtenden, hellgrünen Frühäpfel auf meinen Balkon. Klaräpfel, nannte sie meine Oma. Gewitter waren für mich immer so schauerlich schön, ich hatte so eine Art Lustangst bei Gewittern, rannte raus in den Platzregen und tanzte barfuß in den Pfützen, jubelnd, bis ich klatschnass war und dreckig von oben bis unten.
Und all meine Verstecke! Wir Kinder hatten überall Verstecke: im Heuschober oder im Schuppen, auf dem Baumhaus oder hinten auf der Wiese, einfach überall. Die dunklen Scheunen mochte ich besonders. Ich habe es geliebt, mich in dieser wohligen Dunkelheit einzunisten, mich geborgen zu fühlen, es roch warm nach Heu oder Stroh, manchmal auch ein bisschen feucht und muffelig, die Sonne schien durch die Ritzen der Holzbretter, die goldenen Strahlen waren magisch, wie aus Sonnenstaub - und meine Oma rief zum Essen.
Meine Kindheit kommt mir im Nachhinein unendlich lang vor, lang, schön und frei. Für mich war es das Paradies. Ich war in meinen Wiesen und Feldern unterwegs, ich war in meinen Sommerverstecken, ich war das wilde Mädchen, das sich unendlich wohlgefühlt hat, vor allem während dieser bayerischen Sommer, die so heiß und flirrend waren. In meiner Erinnerung ist es eigentlich immer Sommer, an die Winter kann ich mich gar nicht richtig erinnern. Außer an das Schlittschuhlaufen auf dem Wöhrsee mit seiner buckeligen Eisschicht, wenn er so unordentlich zugefroren war. Oder an meine Oma, wie sie morgens den Ofen angeheizt hat. Der Geruch von kalter Asche und verkohltem Papier. Wie kalt es immer war, wenn noch nicht angeheizt war. Und wie eigentlich den ganzen Tag über irgendetwas zum Kochen auf dem Herd stand. Alles wurde genutzt, keine Hitze wurde vergeudet. Wie sie all die Lebensmittel zubereitet hat.
Dieses bäuerliche Leben hat sich mir eingeprägt, das habe ich in mir. Ich fühle mich wohl in einer bäuerlichen Landschaft, in der alles wächst, was man braucht. Und ich liebe es, wenn ich sehe, wie das geerntet und zubereitet wird. Dieses autarke Leben ist schön für mich und kostbar: dass alles in der eigenen Umgebung wächst, dass man selbst Brot backt, Käse oder Joghurt macht. Überhaupt Lebensmittel, die man nicht kaufen muss, oder die man direkt vom Bauernhof bekommt. Ich werde ganz glücklich, wenn ich irgendwo richtig frische Milch kriege, oder ganz frische Eier.
Meine Oma - ich habe sie sehr geliebt. Ihre Kraft und ihren Lebensmut, ihre Freundlichkeit und ihre Gelassenheit. Wie selbstverständlich und heiter sie mit meinem Opa umging, als er krank geworden war. Und wie klaglos sie später das Haus verkaufte, ihr Häusl, weil meine Mutter das Geld brauchte für das Schreibwarengeschäft in Burghausen. Jetzt hatte sie nur noch ihre kleine Rente, zog rauf in die Stadt Neuötting und wohnte da zur Miete, in einem einzigen Zimmer. Direkt um die Ecke meines Klosters.
Sie nahm alles an, was das Leben ihr abverlangte, jammerte nie. Es ging ihr immer gut. Sie war immer ruhig und immer freundlich.
Mein Leben lang, bis jetzt, weiß ich nicht mehr, wie und wann mein Opa gestorben ist. Ich kann mich einfach nicht erinnern.
Doch jetzt fand ich eine Todesanzeige vom April 1951 und alte Kondolenzbriefe an meine Mutter, in denen Menschen ihr Beileid aussprechen für den Verlust ihres Mannes und ihres Vaters. Mein Opa ist also im selben Monat gestorben wie mein Vater.
In der Zeit, in der ich ohnmächtig durch die Welt gelaufen bin.
Die Englischen Fräulein und die Klosterschule
Ich war eine gute Schülerin, ich habe gerne gelernt. Ich war gerne in der Schule und habe das alles geliebt, von Anfang an: den Geruch des Schulranzens, der Bleistifte, der Hefte und Bücher, den Geruch auch von Klassenräumen und Schulgebäuden. Und ich hatte Spaß an allen Fächern: Schreiben, Lesen, Rechnen, Singen. Schönschrift gab es auch. Ich habe sogar die Sütterlinschrift gelernt, damit ich meiner Oma schreiben und ihre Briefe lesen konnte. Der Religionsunterricht hat mich auch fasziniert, da gab es so viele Geschichten und Gräueltaten und schöne Märchen, die Bilder im Kopf entstehen ließen.
Später im Klosterinternat in Neuötting hatte ich auch Klavierunterricht. Auch das mochte ich, alles, was es zu lernen gab, mochte ich gerne. Aber das Üben war schwierig, weil das Übungsklavier im eiskalten Schlafsaal stand. Und wenn ich nicht fleißig genug übte, wurde mir von der Lehrerin mit einem kleinen harten Stock auf die kalten Finger geschlagen.
Und dann natürlich der Kirchgang: Wir mussten von morgens bis abends beten und in die Kirche rennen. Morgens um halb sieben musste man zur Frühmesse, noch vor dem Frühstück, weil man nüchtern zu sein hatte für die Heilige Kommunion. Und abends noch einmal zur Spätmesse. Aber ich fand das schön, ich liebte den Geruch von Weihrauch, diesen ganzen Pomp, das Gold und Geglitzer, all das Melodrama tische. Auch diese vielen großen Säle in dem alten Klostergebäude mochte ich, die Klassenzimmer, den Speisesaal, den Schlafsaal, die ausladenden Treppen mit den breiten Geländern, die zum Runterrutschen verführten. Oben auf dem Speicher hatten wir alle unsere kleinen Schränke - eigentlich Spinde -, mit Kleidung, Wäsche und Handtüchern. Da durften wir allerdings nur alle drei, vier Wochen hoch, wahrscheinlich, damit wir uns nicht zu viel mit unseren kleinen Schätzen beschäftigen konnten.
Dort im Kloster hatte ich auch meine erste richtige Freundin. Bettina war ein Mädchen aus der großen weiten Welt, sie kam aus München. Ihre Mutter war Bele Bachem, eine kluge, feingliedrige Frau, die ich sehr bewunderte. Sie war damals eine berühmte Malerin und Bühnenbildnerin. Ihre Arbeiten waren während des Nationalsozialismus verboten. Sie konnte erst nach dem Krieg wieder tätig sein, vor allem als Bühnenbildnerin und Illustratorin. Ihre Tochter Bettina wurde also meine Freundin, was sehr aufregend für mich war, weil sie mir viele Dinge beibringen konnte, die ich nicht kannte. Zum Beispiel Spagat. Sie hatte nämlich in München Ballettunterricht und das war für mich überirdisch.
Eigentlich habe ich die Zeit dort genossen, aber ich war auch rebellisch, besonders den Klosterfrauen gegenüber und ihrer verlogenen Moral. Die hatten immer so ein falsches freundliches Lächeln im Gesicht und sprachen in diesem merkwürdigen Plural: Wir gehen jetzt schlafen, wir essen jetzt, wir waschen uns jetzt. Ich dachte immer, nee, du blöde Kuh, ich wasch mich jetzt, ich geh jetzt schlafen, ich esse jetzt. Aber diese Verlogenheit hat mich nicht wirklich gestört, ich habe nur nüchtern registriert, dass diese Ordensschwestern alles mit einem lächelnden Gesicht sagen und dabei sehr autoritär sind. Trotzdem habe ich mich innerlich frei gefühlt, obwohl wir ja geradezu gedrillt wurden mit dieser erzkatholischen Erziehung.
Alles ging auf Glockenschlag, es klingelte und wir mussten essen, es klingelte und wir mussten vom Tisch aufstehen, es klingelte und das Licht ging an, ganz grell, morgens um sechs. Da kam eine der Nonnen in den Schlafsaal gestürzt, bekreuzigte sich und betete laut: »Wir stehen auf im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.« Man musste sofort aufstehen, auf der Stelle. Und wenn man noch einen Moment liegen blieb, wurde einem die Bettdecke weggerissen, ein schreckliches, nacktes Gefühl ohne die schützende Hülle. Dann musste man zum Waschtisch rennen und das Kunststück vollbringen, sich irgendwie unterm Nachthemd zu waschen. Denn wir durften uns beim Waschen, auch beim Baden in der Badewanne, nicht ausziehen.
Kaum vorstellbar: acht- bis zehnjährige Mädchen, die sich im Nachthemd waschen mussten.
Anschließend wurden die Betten gemacht, und zwar so akkurat wie möglich. Ich weiß ja nicht, wie das beim Militär ist, aber ich stelle es mir so ähnlich vor. Man musste es ganz perfekt machen, das Bettlaken irgendwie unter die Matratze zaubern, keine Falte durfte zu sehen sein, und aus dem Oberbett mit den flachen Händen ein rechteckiges Stück herstellen mit exakten Kanten, wie ein liegender Grabstein. Das Kissen wie ein quadratischer, flacher Eisblock.
Direkt an der Tür zum Ausgang des Schlafsaals stand ein großes verschleiertes Bett wie ein gewaltiges Ungeheuer. Darin schlief die Aufpasserin. Ich traute mich oft nicht, nachts auf die Toilette zu gehen. Wenn ich mich doch leise, leise rausschleichen wollte, riss die Klosterfrau mit einem Ruck die Vorhänge auf und ich hörte diesen strengen, vorwurfsvollen Ton: Was machst du da!
Ich konnte nur Nichts, nichts, ich mache gar nichts stottern und mich sofort wieder in mein Bett verkriechen. So habe ich oft ins Bett gemacht vor lauter Angst und das feuchte Betttuch mit meinem Körper trocken gelegt. Auch mein verweintes Kopfkissen.
Ich fand das sehr entwürdigend, aber eigentlich weniger für mich als für die Aufpasserin hinter dem Vorhang.
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Wenn ich dieses Wort denke, dann öffnen sich in mir ganz viele Türen. Dann befinde ich mich nicht nur in der Zeit, in die ich mich erinnere, sondern auch in den dazugehörigen Räumen. Dann bin ich zum Beispiel wieder die kleine Hannelore, die als Kind durch die Räume der Klosterschule läuft.
Manchmal habe ich den Eindruck, ich sehe einen Film, wenn ich auf mein Leben schaue. Einen Film, der aber nicht ein für alle Mal auf Rollen gebannt ist, sondern der sich immer wieder verändert. Ich kann diesen Film nicht nur unterschiedlich betrachten - zum Beispiel auf der großen Leinwand oder auf der kleinen Leinwand, in Schwarz-Weiß oder in Farbe -, ich kann ihn, während ich ihn sehe, auch verändern. Ich kann ihn schneiden, während ich ihn anschaue: Durch meine Gedanken- schnitte kann ich ihn komplett verändern, wenn ich will. Aber das ist nicht nur eine Freiheit, die ich da habe, sondern fast ein Zwang. Ein Zwang, der sich daraus ergibt, dass ich diesen Film überhaupt erst erschaffe, während ich ihn anschaue.
Und das Ergebnis ist jedes Mal ein anderes, auch wenn das Erlebte - das Drehbuch - vorgegeben ist. Es kommt auf die Sicht an, die ich im Moment des Erinnerns auf bestimmte Zeiten und Räume, auf bestimmte Zeit-Räume habe.
Ich muss da an den berühmten Film »Rashomon« von Akira Kurosawa denken, dessen Handlung von vier Personen und ihren jeweiligen Standpunkten aus erzählt wird. Natürlich kommen dabei vier verschiedenartige Versionen derselben Geschichte heraus. Das, was ist, das, was war, ist ja so viel mehr als nur das eine. Immer ist es sehr viel mehr. Deshalb muss man sich auch andauernd streiten: weil jeder Mensch etwas anderes wahrnimmt und empfindet. Jeder Einzelne nimmt die gleichen Dinge und Erlebnisse ganz verschieden wahr.
Jetzt bin ich selbst mal die eine, mal die andere dieser verschiedenen Personen, die mein Leben erzählt. Ich bin viele. Und weil ich so viele bin, verändere ich den Film. Ich bin ja auch als erwachsene Frau mit in diesen Räumen, in denen ich als junge Frau, als Mädchen, als Kind unterwegs war. Ich sehe und höre mir beim Erinnern zu. Und wenn ich in diesem Buch erzähle, was ich dabei höre und sehe, kann ich beschreiben, wie und was ich als Kind oder als junges Mädchen gefühlt und erlebt habe - aber auch, wie ich mich als erwachsene Frau in diesen Räumen der Kindheit und Jugend fühle und bewege. Ich bin die Erzählerin, ich bin die Analytikerin, ich bin die Psychologin, ich bin das kleine Kind, ich bin die weise Frau, ich bin die Schauspielerin, ich bin die Frau, ich bin der Mann. Und je mehr Ichs ich bin, desto verschiedener stellt sich meine Geschichte dar, desto unterschiedlicher sehe, fühle und empfinde ich sie. Wenn Wahrheiten sich verändern, bleiben sie dennoch immer wahr. Das ist manchmal beängstigend, aber ich glaube inzwischen, dass diese Veränderungen auch etwas Schönes sind: so werden die Geschichten vielfältig und reich. Sich zu bemühen, so zu erzählen, wie es wirklich war, kann wahrscheinlich nur bedeuten, in allen Facetten zu erzählen.
Meine Menschen
Geboren bin ich mitten im Sommer in Burghausen an der Salzach, in Oberbayern, direkt an der Grenze zu Österreich, an einem heißen, schwülen Sonntagnachmittag, und - wie mir meine Mutter erzählte - ist der Himmel schwer gewesen und hatte sich verdunkelt, denn es wütete gerade ein heftiges Gewitter. Mein Köpfchen war bedeckt mit rabenschwarzem Haarflaum und ich soll ausgesehen haben wie Karl Valentin. Und weil ich so besonders lange Fingerchen hatte, sollen die bayerischen Krankenschwestern gesagt haben, mei, die wird bestimmt a Klavierspielerin oder irgendwie a Künstlerin.
Sonst war alles in Ordnung.
Wie ich als Baby war, weiß ich natürlich kaum. Nur, dass ich wohl ziemlich viel geschrien habe und ein totales Papakind gewesen sein soll. Meine Mutter erzählte gerne und oft die Geschichte meines Rauswurfs. Dass es ihr eines Tages zu viel wurde und sie vollkommen zermürbt und entnervt gewesen sei: »Und da hab ich dich gepackt, bin in das Zimmer deines Vaters gerannt, hab dich ihm in die Arme geschmissen und geschrien:
›Da hast du deine Tochter!‹«
Auf der Stelle sei ich still gewesen und hätte gelächelt.
Ihre andere Standardgeschichte über mich war, dass ich unheimlich süß gewesen sei mit meinen vielen, krausen Locken und ausgesehen hätte wie eine kleine Puppe: »wie ein kleines Negerpüppchen«, hat sie gesagt.
Später im Kindergarten wurden sie mir ratzeputz abgeschnitten, weil ich Läuse hatte.
Aber ich weiß vor allem, dass ich nicht allein war. Damit meine ich nicht meine Eltern: Es war mein zwei Jahre älterer Bruder Manfred, der mir alles war. Ich erinnere mich ganz tief daran, dass er der erste Mensch war, den ich wahrscheinlich richtig geliebt und wahrgenommen habe. Es war eine existenzielle Verbundenheit. Wir waren überhaupt nicht auseinanderzubringen. Auf allen Fotos, auf denen wir gemeinsam zu sehen sind, hält er mich an der Hand. Manfred war liebevoll und fürsorglich - so, wie man sich einen großen Bruder vorstellt. Sehr vertraut, sehr männlich, obwohl ich gar nicht wusste, was das ist. Aber in meiner Erinnerung kommt mir das so vor. Mein großer Bruder eben.
Vieles weiß ich vielleicht nur aus Erzählungen meiner Mutter, ich war ja erst zwei Jahre alt. Zum Beispiel die Geschichte mit dem weißen Kleid.
Meine Mutter hatte mich an diesem Nachmittag besonders schön zurechtgemacht, wahrscheinlich wollte die Familie einen Sonntagsausflug machen. Ich trug ein hübsches blütenweißes Kleid und eine weiße Schleife im Haar. Weil unsere Eltern noch nicht fertig waren, schickten sie Manfred und mich nach unten, wir sollten vor dem Haus auf sie warten. Vielleicht wurde mir langweilig und ich wollte im Dreck spielen, Batzknödel machen. Aber Manfred hat mir das nicht etwa verboten, sondern mir einfach mein weißes Kleid ausgezogen, es fein säuberlich über die Hecke gehängt und mich im Dreck spielen lassen.
Irgendwann - ich muss ungefähr eineinhalb Jahre alt gewesen sein - sind wir beide für kurze Zeit in ein Kinderheim gekommen und wurden dort voneinander getrennt. Ob es mit dem Krieg zusammenhing oder familiäre Gründe hatte - ich habe immer vergessen, meine Mutter danach zu fragen. Zum Beispiel, wo mein Vater damals eigentlich war. Ich weiß nur, dass er nicht im Krieg war.
Ich konnte schon laufen und sprechen, als Manfred und ich ins Heim kamen. Aber als wir zurückkehrten, konnte ich gar nichts mehr, da war ich wieder wie ein kleines Baby und hatte fast alles verlernt. Im Heim hatte ich mich allem verweigert, wollte nichts essen, wollte nicht spielen, wollte gar nichts, ich schrie so lange, bis man mich bei meinem Bruder im Bettchen schlafen ließ. Ohne meinen Bruder hätte ich dort wahrscheinlich nicht überlebt.
Das Bild meines Bruders ist tief in mir. In meinem Inneren weiß ich, was für ein großartiger kleiner Mensch Manfred war und wie sehr ich mit ihm verbunden war. Für mich war er alles, der ganz große Vertraute.
Bis heute habe ich diesen Traum in mir, dass Manfred und ich alleine auf einem Hügel in einem kleinen Birkenwäldchen stehen, er hält mich an der Hand und ich weiß, dass ich sterben muss, wenn er meine Hand loslässt. Ob ich das im Schlaf geträumt habe oder ob es einer meiner Tagträume war und immer noch ist oder ob ich diesen Traum wirklich erlebt habe, kann ich nicht sagen. Es scheint mir auch gar nicht mehr wichtig. Meine Seele erinnert sich.
Die Jahre mit meinem kleinen großen Bruder Manfred waren lang und hell und wunderschön. Aber viel zu kurz. Am letzten Tag des Monats März 1945 - er war noch nicht fünf, ich war noch nicht drei Jahre alt und der Krieg war fast vorbei - fuhr er wie so oft von Burghausen nach Neuötting, wo unsere Großmutter wohnte, meine Oma, die Mutter meiner Mutter. Begleitet wurde er von einer der Nachbarstöchter, die für ein bisschen Geld bei uns aushalfen. Meine Mutter nannte sie immer Dienstmädchen, aber eigentlich waren es junge Mädchen aus der Nachbarschaft, die sich ihr Taschengeld aufbesserten.
Mit einem dieser Mädchen fuhr mein Bruder mit dem Zug von Burghausen nach Neuötting. Während der Fahrt wurde der Zug von amerikanischen Tieffliegern bombardiert. Bei diesem Angriff ist Manfred getötet worden. Er wurde erschossen. Das Mädchen hatte sich aus Angst unter die Bänke verkrochen, aber der kleine Manfred war neugierig und schaute aus dem Fenster.
Warum war ich nicht dabei?
In seinem kleinen Körper fand man sechs Patronen, die meine Mutter später in einem Leinensäckchen aufbewahrte, zusammen mit zwei winzigen Holzpferchen, die Manfred immer bei sich hatte. Dieses Leinensäckchen mit den Patronen und den Pferdchen, einem schwarzen und einem hellen, besitze ich immer noch.
Und ein Foto: Mein toter Bruder im offenen Sarg, schön gekämmt, mit halb geschlossenen Lidern und gefalteten Händen. Er sieht so erwachsen aus.
Wie ich vom Tod meines Bruders erfahren habe, ob ich überhaupt schon verstanden habe, was passiert war, weiß ich nicht mehr. Es war ein unsagbarer Schmerz in der ganzen Familie. Meine Mutter war im Krankenhaus und hatte gerade meinen kleinen Bruder Berndi zur Welt gebracht. Er war zwei Tage auf der Welt, als Manfred starb. Es gibt ein Foto von der Taufe meines kleinen Bruders, das von dieser Gleichzeitigkeit von Geburt und Tod, von Freude und Trauer, Leben und Sterben erzählt.
Ob mein Vater das Foto gemacht hat?
Meine Mutter ist zu sehen, ganz in Schwarz, und schwarz verschleiert. Ihr Gesicht ist kaum zu erkennen. Neben ihr steht eine Krankenschwester, das weiße Taufkissen in den Armen, in dem das neue Baby liegt, ganz in das weiße Taufkleid gehüllt. Unter diesem Kissen stehe ich, klein und süß, mit einer weißen Schleife im Haar und lache.
Ich habe immer gelacht.
Bis zu dem Tag, an dem mein Bruder starb, hatten wir kaum etwas vom Krieg mitbekommen. Zumindest Manfred und ich nicht. Nein, ich habe keine Bedrohung gespürt, auch keinen Mangel gelitten. Irgendwie war immer genug da. Und mein Vater und meine Mutter waren sehr oft schick angezogen. Auf Fotos sehen sie aus wie ein Paar aus dem Kino, wie Filmstars. Mein Vater wunderschön, meine Mutter wunderschön - und zwei hübsche kleine Kinder Hand in Hand unterm geschmückten Weihnachtsbaum. Auf einem Foto sitzen wir alle gemeinsam auf einer blühenden Wiese, im Hintergrund sieht man die Berge - wir sehen glücklich aus. Alles ist heil und schön und harmonisch. Doch plötzlich ist nichts mehr, wie es war, das Heile ist zerbrochen.
Eine Geschichte, an die ich mich vielleicht erinnere, die auch meine Mutter immer wieder erzählte, war, dass im Sommer, ein paar Monate nach Manfreds Tod, ein amerikanischer Offizier in unsere Wohnung kam und sie eigentlich beschlagnahmen wollte, aber dass er dann den kleinen Altar mit dem Bild meines Bruders sah, die Kerzen und Blumen und den Trauerflor - das schwarze Band neben Manfreds Gesicht, an der linken Bildecke -, und dass er dann die Wohnung nicht beschlagnahmte, sondern uns oft besuchte und uns jedes Mal kostbare Orangen mitbrachte.
Und ganz manchmal und ganz fein, vielleicht an einem Glückstag wie im Märchen, rieche ich den unwiderstehlichen Duft dieser kostbaren Orangen.
Im Kindergarten soll ich lange Zeit nur mit meinem toten Bruder Manfred gespielt und gesprochen haben, die anderen Kinder hätte ich völlig ignoriert, auch meinen neuen kleinen Bruder Berndi, erzählte mir meine Mutter. Ich konnte einfach nicht akzeptieren, dass Manfred nicht mehr da war. Mein Anführer, mein Begleiter, mein vertrautester Mensch, mein Halt, der Mensch, der mehr war als ich, dem ich vertrauen konnte, der mich gehalten und geführt hat - der mich getragen und am Leben gehalten hat - er war auf einmal verschwunden.
Jetzt war ich die große Schwester. Die war ich dann immer - und die bin ich bis heute geblieben. Berndi ist der »kleine« Bruder. Bald war ich diejenige, die auf jemanden aufpassen musste, die eine Hand halten musste. Aber natürlich konnte ich Berndi nicht das sein, was Manfred mir war.
Irgendwann begann ich, ich war vielleicht vier, all meine Sehnsucht und Liebe auf meinen Vater zu richten. Es war nicht nur Sehnsucht und Liebe, also normale Tochterliebe, es war ein Liebesverlangen. Dieses Verlangen - ich stand da und wusste nicht, wohin damit. Manfred war nicht mehr da. Aber diese übrig gebliebene Liebe war da, diese Inbrunst, dieser Überschwang. Ich hatte mich ja geradezu geschmissen auf meinen Bruder, auf ihn drauf. Wir hatten uns ausgetauscht und jeder vom anderen geschmeckt: die Spucke, den Schweiß, den Urin, die Tränen, das Blut. Wir hatten uns geküsst und liebkost. Wir konnten gar nicht genug von uns kriegen. Und diese Liebesfähigkeit, dieser Liebesüberschwang ging nun auf meinen Vater über.
Mein Vater, mein wunderbarer, großartiger Vater.
Wir waren jetzt oft am Waginger See, meine Mutter, mein kleiner Bruder, mein Vater und ich. Hier habe ich schwimmen gelernt.
Das ist meine schönste Erinnerung an meinen Vater: Er schwimmt im See, ich liege bäuchlings auf seinem Rücken und übe Schwimmbewegungen, irgendwann taucht er unter und ich schwimme oben alleine weiter, kreischend vor Lust. Und wenn ich nicht mehr kann und beinahe untergehe, taucht er auf und ich liege wieder sicher auf seinem Rücken.
Dieses Schwimmen - bis heute ist es ein Lebenselixier für mich.
Das lachende Mädchen mit der Schleife im Haar lebt in einem selbst erfundenen Niemandsland, in dem es vielleicht wieder heil wird, irgendwie. Ich habe ein wehes Gefühl, wenn ich daran denke, aber ich habe überlebt. Diese Zeit, die ich hatte mit meinem Vater, hat mich wieder ein bisschen geheilt. Dieses Schwimmen, diese Kraft, dieses Beschützende, dieses Männliche, das ich gespürt habe, war lebenswichtig für mich: In der Luft rudern, er taucht unter, verschwindet und ich schwimme allein. Ich kann nicht mehr und er taucht auf und ich bin wieder sicher. Gerettet.
Was für ein unendliches Gefühl der Geborgenheit! Und dann ist wieder so eine Wildheit und Schönheit da, wieder so ein Überschwang. Und auf einmal - zwei Jahre später, ich bin sechs Jahre alt - wird das alles wieder unterbrochen. Wieso ziehen wir jetzt um? Warum werde ich plötzlich in Neuötting eingeschult und nicht in Burghausen? Gut, bei der Oma ist es schön, wie Ferien. Aber wo ist eigentlich mein Vater? Wieso ist der nicht mehr da? Wieso redet niemand mit mir?
Und dann gehen wir von Neuötting zu Fuß nach Altötting, fast eine Stunde lang, in ein Spital. Ich sehe meinen Vater von Weitem in einem grünen Zimmer. Es ist ein grausames Grün. Mein Vater ist zart und blass, es geht ihm nicht gut. Ich darf ihn nicht umarmen. Eine ansteckende Krankheit.
Das kannte ich aus der Zeit, als wir alle Typhus hatten, als wir im Haus meiner Oma bleiben mussten und eine Grenzlinie auf der Straße markiert war, die wir nicht überschreiten durften.
Mein Vater hatte Tuberkulose.
Wir sind von Burghausen zu meiner Oma nach Neuötting gezogen, in dieses schöne kleine Bauernhaus, das Häusl. Es lag ganz am Ende einer kleinen Straße, an die sich eine riesige Wiesenlandschaft anschloss. Für mich war das Häusl direkt am Rande der Wildnis. Wiesen und Äcker und kleine Sümpfe, große und kleinere Bäche, unterirdisch, oberirdisch. Und an den verwilderten Bachauen entlang die hohen ausladenden Weidenbäume, die im Frühling die weichen Weidenkätzchen trugen und sich im dunklen Herbst in die unheimlichen Gesichter und Gestalten der Nebelfrauen verwandelten.
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind.
Und hinter jedem Löwenzahn lauert das Grauen.
Im Häusl war es zwar auch wild, es gab nur ein Plumpsklo aus Holz im Eingang, aber es war heimelig, gemütlich. Und es gab eine Ziege und ein paar Hühner und Enten, manchmal auch Hasen oder eine Gans. Hund und Katze sowieso, das war ganz normal, der Hofhund und die Hauskatze, das war nichts Besonderes, so wie in der Stadt. Und es gab einen Blumengarten, einen Obst- und Gemüsegarten, den Schuppen, den Heuschober über dem Stall, im Hof den riesigen Baum mit einem Baumhaus wie ein großes Nest; viele, viele Verstecke für mich. Es war das Paradies.
Alle meine ersten Geburtstage, an die ich mich erinnern kann, habe ich hier gefeiert, mitten im Sommer, im blühenden Garten mit bunten Lampions. Und noch früher, als Manfred noch bei mir war, durfte ich in der Sommerhitze in einer kleinen Blechwanne herumplantschen. Und er hat auf mich aufgepasst.
Wenn ich jetzt an die Zeit dort denke, kommt mir auch in den Sinn, dass mein Vater nicht da war. Er war verschwunden. Das ist schmerzhaft: sich zu erinnern, dass jemand fehlte.
Es war diese Zeit - ich war zwischen sechs und acht Jahre alt -, in der mein Vater immer weg war, in irgendeinem Sanatorium, auf jeden Fall nicht bei mir. Am Anfang seiner Krankheit war mein Vater in dem Spital in Altötting. Dort haben meine Mutter und ich ihn oft besucht. Er stand in diesem grünen Zimmer, ganz hinten, und ich in der Nähe der Tür. Ich konnte nicht zu ihm, ich durfte ihn nicht umarmen. Das böse, kalte Grün des Zimmers empfinde ich noch heute. Es war schrecklich, ihn nur aus der Entfernung zu sehen. Soweit ich mich erinnere, waren es die letzten Male, dass ich meinen Vater besuchen konnte.
Zwei Jahre später ist er gestorben, in einem Sanatorium in München. Ich war inzwischen acht und hatte gerade meine Erstkommunion absolviert. Als es hieß, dass mein Vater sterben würde, sind meine Mutter und ich - wahrscheinlich auch mein kleiner Bruder - nach München geholt worden und haben bei Bekannten meiner Mutter übernachtet. Diese Bekannten waren Tante Feli und Onkel Karl. Wir sollten sie auch so nennen, obwohl wir nicht mit ihnen verwandt waren. Sie wohnten in einem großen Mietshaus, an einer unglaublich großen, lauten Straße.
Für mich war dieser erste Besuch in München ein Schock. Ich weiß noch, wie erschreckend ich den Lärm der Straßenbahn empfand. Dieses Geläute und Gerumpele und Gezische werde ich überhaupt nie vergessen, und in dem fremden Zimmer, in dem wir schliefen, wurde es nie richtig dunkel, weil die Straßenlaternen so grell hereinschienen. Kalte Erinnerungen habe ich da. Lange Zeit konnte ich nachts den Lärm einer Straßenbahn nicht ertragen. Und Lichter von draußen lassen mich bis heute nicht schlafen.
Gleich nach unserer Ankunft in München sind wir in das Sanatorium gegangen. Ich hatte mein Kommunionskleid angezogen. Ob das meine Fantasie ist oder ob es wirklich so war? Ich bin mir nicht sicher, aber ich habe dieses Bild in mir: ich, in meinem wunderschönen, kostbaren Kommunionskleid aus glänzend weißem Satin, am Sterbebett meines Vaters.
Die Erstkommunion war ein besonderes, ein heiliges Fest. Alles war weiß: das weiße Kleid, das sehr viel Geld gekostet hatte, der weiße Blütenkranz aus kunstvollen Stoffblumen, weiße Strümpfe, weiße Schuhe, kleine weiße gehäkelte Handschuhe; und ich in all dem mit meinen dunkelbraunen Locken. Die weiße, geweihte Kerze, das kleine Gebetbuch und der geweihte Rosenkranz aus weißen Perlen - all das war so kostbar und so schön.
Und wenigstens das weiße Kleid wollte ich meinem Vater zeigen.
Den ganzen Tag und die ganze Nacht saßen wir an seinem Bett. Mein Vater war schon eingeschlafen, er ist nicht mehr aufgewacht. Am nächsten Morgen war er tot. Er ist nur vierzig Jahre alt geworden.
Die Beerdigung in Burghausen war ein großes Ereignis, mein Vater war als Ingenieur bei Wacker Chemie in der kleinen Stadt sehr angesehen. Meine damals beste Freundin Gudrun hatte mir ihren dunklen Mantel geliehen.
Alle haben mich bemerkt, mir kondoliert, ich war wichtig.
Ein Mädchen, dessen Vater gestorben ist, ist etwas Besonderes, etwas Wichtiges. Und in der Schule war ich fast stolz, weil der Tod meines Vaters ein so großes Lebensereignis für mich war. An Tränen kann ich mich nicht erinnern, auch nicht auf der Beerdigung. Es kommt mir so vor, als sei ich ohnmächtig gewesen in dieser Zeit, irgendwie ohne Bewusstsein. Schon seit Manfred weg war, aber erst recht, als mein Vater dann verschwand. Ja, Ohnmacht ist das richtige Wort: Ich bin ohnmächtig durch die Welt gelaufen.
Den dunklen Beerdigungsmantel hatte ich schon einmal an, im Fasching, als Gudrun und ich als »Mann und Frau« gingen. Gudrun war der Mann, sie trug eine Art Anzug und hatte einen Zylinder auf. Ich ging als »Frau« in diesem dunklen Mantel, hatte mir mit dem Lippenstift meiner Mutter knallrote Lippen gemalt, und trug ein spitzes, goldenes Kegelhütchen aus Papier auf dem Kopf, gehalten von einem dünnen Gummi um das Kinn herum.
Für mich war mein Vater der schönste Mann der Welt. Er war so zart und so melancholisch. Er hatte tief liegende schwarze Augen und tiefe dunkle Augenringe. Später, als er krank war, sah er aus wie Franz Kafka. Kafka ist auch an Tuberkulose gestorben.
Ich glaube, dass mein Vater nicht sehr glücklich gewesen ist. Ich glaube, dass er etwas anderes leben wollte als das, was er gelebt hat, dass er von einem anderen Leben geträumt hat - ein Traum, den ich sehr gut kenne. Man sagt ja, dass Tuberkulose die Krankheit ist, mit der man sich aus der Welt begeben möchte. Mit der man flüchtet, wenn man so nicht mehr leben will. Ich bin das Gefühl nie losgeworden, dass mein Vater aus der Welt geflohen ist.
Vielleicht auch, weil in der Ehe meiner Eltern irgendetwas nicht stimmte. Daran, wie mein Vater und meine Mutter zusammen waren, habe ich keine richtige Erinnerung. Ich weiß nicht, wie sie miteinander gesprochen haben, wie sie miteinander waren, weil ich einfach noch zu klein war. Ich erinnere mich an diese Zeit nur durch diese Fotos, auf denen sie zusammen sind und wie Filmstars aussehen. Und doch wusste ich tief in meinem Inneren schon als Kind, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Und dieses Gefühl ist geblieben, auch wenn ich den wahren Grund dafür nie erfahren habe.
Es muss Liebe auf den ersten Blick gewesen sein, zumindest für meinen Vater. Meine Mutter lebte als junges Mädchen in Ungarn, in der Nähe von Budapest. Dort ging sie auf eine Hauswirtschaftsschule. Die Ferien verbrachte sie zu Hause in Neuötting bei ihren Eltern, meinen Großeltern. Und so saß sie eines Tages in dem Zug, der von Budapest über Salzburg nach Bayern fuhr. Mein Vater, der Österreicher war, saß im gleichen Zug und war auf dem Weg nach Salzburg, wo er und seine Familie lebten. Doch er stieg nicht aus in Salzburg, sondern fuhr mit meiner Mutter weiter nach Neuötting. Während der Zugfahrt hatte er sich so sehr verliebt, dass er nicht mehr von ihr lassen konnte und bereit war, von einem Moment auf den anderen sein Leben auf den Kopf zu stellen. Von diesem Tag an waren meine Eltern zusammen.
Als sie heirateten, wurde meine Mutter Österreicherin. Wir Kinder bekamen auch die österreichische Staatsangehörigkeit. Nach dem Tod meines Vaters wurde uns ein Vormund zugewiesen. Das war österreichisches Gesetz. Ich fand es unverschämt, dass man einer Mutter nicht zutraute, ihre Kinder alleine großzuziehen. Der Vormund, Onkel Karl, war glücklicherweise ein Freund der Familie, er und seine Frau, Tante Feli, waren sehr nett und mischten sich kaum ein. Nur später, als die Sache mit der Schauspielerei losging und ich noch lange nicht volljährig war, wollte Onkel Karl das verhindern. Aber da nahm meine Mutter wieder die deutsche Staatsbürgerschaft an, wir Kinder damit auch - und ich konnte zur Schauspielschule gehen.
Als mein Vater starb, ist meine Existenz im tiefsten Grund verletzt worden. Wenn man 16, 17, 18 Jahre alt ist, dann ist das ein großer Schmerz, wenn der Vater stirbt, oder die Mutter, aber man hatte doch zumindest eine Zeit lang einen Vater, eine Mutter. Wenn der Verlust so früh eintritt, in dieser frühen Zeit der unbedingten Liebe und Liebesfähigkeit, ist man eigentlich verloren.
Ich glaube, ich hatte großes Glück, dass das nicht gestorben ist in mir, diese Liebesfähigkeit und dieses Liebesverlangen. Und ich meine jetzt die reine Liebe. Meine Gefühlserinnerungen sind auch körperlich, sind in meinem Körpergedächtnis. Wenn das gestorben wäre, hätte ich nicht mehr weiterleben können, hätte ich nicht mehr existieren können.
»Die Geschichte mit dem Schwimmen auf dem Rücken meines Vaters« - das ist das Geschenk.
Während mein Vater in verschiedenen Sanatorien war, begann meine Schulzeit. Meine Mutter zog von Neuötting wieder zurück nach Burghausen, sie musste sich jetzt um unser Auskommen kümmern und bereitete die Eröffnung eines kleinen Schreibwarengeschäfts vor. Ich bin in Neuötting geblieben bei meiner Oma und kam nach dem Tod meines Vaters in die dortige Klosterschule, in ein Internat der Englischen Fräulein.
Am Anfang habe ich mich dort sehr einsam gefühlt, aber meine Oma besuchte mich regelmäßig und brachte mir immer wieder Sanostol mit. Das ist ein wunderbarer süßer Sirup mit Lebertran. Ich war süchtig danach. Ich hatte das Gefühl, dass ich damit überlebe.
Meine Oma war jetzt mein Zuhause - bei ihr war es immer warm und leicht und schön. Meine Oma war überhaupt wunderbar: eine Bäuerin, klein und kräftig, mit kräftigen Händen, einem festen Gesicht, leuchtenden, dunkelgrauen Augen, einer Brille auf der feinen runden Nase, und langen Haaren bis zum Hintern; lange, graue Haare, die sie zu einem Zopf geflochten und mit Hornnadeln zu einem Knoten im Nacken festgesteckt hatte. Als ich sie wahrgenommen habe, war sie noch gar nicht so alt, ungefähr 62 Jahre, aber sie sah trotzdem so aus, wie man sich eine Oma vorstellt.
Ich habe sie innig und zärtlich lieb gehabt, aber ich kann das fast gar nicht aufschreiben, denn es wurde nie ausgesprochen. Das war überhaupt nicht notwendig und auch nicht üblich, so etwas zu sagen. Ich habe ihr das nie gesagt, und sie mir auch nicht. Die Liebe war einfach da. Das musste man nicht aussprechen.
Sie war eine Großbauerntochter aus Niederbayern. Ihr Vater hatte einen riesigen Hof in der Nähe von Rottach am Inn und fuhr mit seiner Lieblingstochter Karoline, meiner Oma, oft nach Ungarn, um Pferde zu kaufen. Doch als diese Lieblingstochter meinen Opa heiratete, hat er ihr das so übel genommen, dass er sie verstoßen hat. Mein Opa war ein »Häusler«, er besaß nur dieses kleine Häusl in Neuötting, hatte also keinen großen Hof und Landbesitz. Er war nicht die richtige Partie für die Tochter eines Großbauern.
Aber dieses Häusl war mein Zuhause. Meine Oma war mein Zuhause. Und sie war eine wunderbare Geschichtenerzählerin - ihr kleiner, schmächtiger Mann, mein Opa, saß meist auf der Bank vor dem Haus in der Sonne und schnitzte Pfeifen und Flöten.
Sie hat uns alle ernährt, in dem Haus mit der Ziege und den Hühnern. Ich habe zugeschaut, wie sie ein Huhn einfing und ihm auf einem Holzpflock den Kopf abschlug. Das war ein Getöse. Das Huhn lief ohne Kopf weiter. Das war gruselig, aber trotzdem aufregend für mich, ich war hin- und hergerissen. Oder wie sie jeden Abend die Ziege gemolken hat - das Geräusch des Milchstrahls im Blecheimer, der wunderbare Geruch der warmen Ziegenmilch - oder wie sie eine Gans geschlachtet hat.
Und wie selbstverständlich sie meinen Opa betreut hat, der als Kriegsversehrter des Ersten Weltkriegs immer krank war und im Laufe der Zeit ganz klein und mickrig wurde.
Und wie sie den Gemüsegarten, die Salatbeete, den Obstgarten bestellt hat. Die Äpfel kamen von unseren eigenen Bäumen, irgendwie wurde nie etwas gekauft. Wir hatten nie Mangel. Den besten Apfelstrudel der Welt hat sie gemacht, aus unseren Äpfeln, Zwetschgendatschi aus unseren eigenen Zwetschgen. Alles ist da gewachsen: Mohrrüben, Bohnen, Tomaten, Stachelbeeren, Himbeeren, rote und schwarze Johannisbeeren, Kohlrabi, Salat - alles, was wir brauchten, gab es in unserem Garten. Geld hatten wir wahrscheinlich nicht viel. Brauchten wir auch nicht. Eier hatten wir, weil wir Hühner hatten. Milch hatten wir, weil wir eine Ziege hatten. Oma hat die Ziege gemolken und mit der noch lauwarmen Ziegenmilch einen wunderbaren Milchkaffee gemacht, in den wir das Brot eingebrockt haben. Gestöckelte Milch gab es nach dem Gewitter, wenn die Milch gerade sauer geworden war.
Einmal gab es wieder ihren berühmten wunderbaren Apfelstrudel, den Millirahmstrudel, an seinen Seiten hing knusprig der gebräunte Rahm, und alles roch so verführerisch. Mein Bruder Berndi und ich stürzten uns wie immer gierig auf ihn - und er schmeckte entsetzlich: Oma hatte statt Zucker Salz genommen! Das werde ich nie vergessen, es war so komisch, weil wir es nicht fassen konnten. Der Millirahmstrudel schmeckte wirklich scheußlich, aber wir haben ihn trotzdem aufgegessen, weil wir es einfach nicht glauben konnten, weil wir uns mit jedem Bissen neu vergewissern mussten, dass der Strudel, der ja so lecker aussah und roch, tatsächlich salzig war.
Wenn ich versuche, die Trauer, die so früh in mein Leben und das meiner Familie eingebrochen ist, beiseitezulassen, wenn ich versuche, mich einfach nur an die normalen Tage zu erinnern, so wie ich sie erlebt habe - dann hatte ich eine wunderschöne Kindheit. Ich war kein trauriges Kind. Ich war frei und wild, und ich konnte machen, was ich wollte. Eigentlich war ich immer unterwegs, habe mich auf den riesengroßen Wiesen hinter dem Haus meiner Großmutter, auf den Weiden und an den Bächen herumgetrieben. Ich kannte die Namen aller Blumen, aller Gräser auswendig, habe sie gesammelt und getrocknet oder ausgegraben und in meinen eigenen kleinen abgegrenzten Garten wieder eingepflanzt - das ist die Erinnerung an ein ganz großes Glück, an eine große Harmonie. Und mein Opa saß immer in der Sonne auf der Bank und schnitzte kleine Flöten für mich.
Ich erinnere mich an den Geruch der Frühäpfel. Im Haus meiner Oma schlief ich im ersten Stock in einem Zimmer mit Balkon, direkt davor stand ein Apfelbaum. Und wenn es, wie fast jeden Tag im Sommer, ein Gewitter gab, dann purzelten diese leuchtenden, hellgrünen Frühäpfel auf meinen Balkon. Klaräpfel, nannte sie meine Oma. Gewitter waren für mich immer so schauerlich schön, ich hatte so eine Art Lustangst bei Gewittern, rannte raus in den Platzregen und tanzte barfuß in den Pfützen, jubelnd, bis ich klatschnass war und dreckig von oben bis unten.
Und all meine Verstecke! Wir Kinder hatten überall Verstecke: im Heuschober oder im Schuppen, auf dem Baumhaus oder hinten auf der Wiese, einfach überall. Die dunklen Scheunen mochte ich besonders. Ich habe es geliebt, mich in dieser wohligen Dunkelheit einzunisten, mich geborgen zu fühlen, es roch warm nach Heu oder Stroh, manchmal auch ein bisschen feucht und muffelig, die Sonne schien durch die Ritzen der Holzbretter, die goldenen Strahlen waren magisch, wie aus Sonnenstaub - und meine Oma rief zum Essen.
Meine Kindheit kommt mir im Nachhinein unendlich lang vor, lang, schön und frei. Für mich war es das Paradies. Ich war in meinen Wiesen und Feldern unterwegs, ich war in meinen Sommerverstecken, ich war das wilde Mädchen, das sich unendlich wohlgefühlt hat, vor allem während dieser bayerischen Sommer, die so heiß und flirrend waren. In meiner Erinnerung ist es eigentlich immer Sommer, an die Winter kann ich mich gar nicht richtig erinnern. Außer an das Schlittschuhlaufen auf dem Wöhrsee mit seiner buckeligen Eisschicht, wenn er so unordentlich zugefroren war. Oder an meine Oma, wie sie morgens den Ofen angeheizt hat. Der Geruch von kalter Asche und verkohltem Papier. Wie kalt es immer war, wenn noch nicht angeheizt war. Und wie eigentlich den ganzen Tag über irgendetwas zum Kochen auf dem Herd stand. Alles wurde genutzt, keine Hitze wurde vergeudet. Wie sie all die Lebensmittel zubereitet hat.
Dieses bäuerliche Leben hat sich mir eingeprägt, das habe ich in mir. Ich fühle mich wohl in einer bäuerlichen Landschaft, in der alles wächst, was man braucht. Und ich liebe es, wenn ich sehe, wie das geerntet und zubereitet wird. Dieses autarke Leben ist schön für mich und kostbar: dass alles in der eigenen Umgebung wächst, dass man selbst Brot backt, Käse oder Joghurt macht. Überhaupt Lebensmittel, die man nicht kaufen muss, oder die man direkt vom Bauernhof bekommt. Ich werde ganz glücklich, wenn ich irgendwo richtig frische Milch kriege, oder ganz frische Eier.
Meine Oma - ich habe sie sehr geliebt. Ihre Kraft und ihren Lebensmut, ihre Freundlichkeit und ihre Gelassenheit. Wie selbstverständlich und heiter sie mit meinem Opa umging, als er krank geworden war. Und wie klaglos sie später das Haus verkaufte, ihr Häusl, weil meine Mutter das Geld brauchte für das Schreibwarengeschäft in Burghausen. Jetzt hatte sie nur noch ihre kleine Rente, zog rauf in die Stadt Neuötting und wohnte da zur Miete, in einem einzigen Zimmer. Direkt um die Ecke meines Klosters.
Sie nahm alles an, was das Leben ihr abverlangte, jammerte nie. Es ging ihr immer gut. Sie war immer ruhig und immer freundlich.
Mein Leben lang, bis jetzt, weiß ich nicht mehr, wie und wann mein Opa gestorben ist. Ich kann mich einfach nicht erinnern.
Doch jetzt fand ich eine Todesanzeige vom April 1951 und alte Kondolenzbriefe an meine Mutter, in denen Menschen ihr Beileid aussprechen für den Verlust ihres Mannes und ihres Vaters. Mein Opa ist also im selben Monat gestorben wie mein Vater.
In der Zeit, in der ich ohnmächtig durch die Welt gelaufen bin.
Die Englischen Fräulein und die Klosterschule
Ich war eine gute Schülerin, ich habe gerne gelernt. Ich war gerne in der Schule und habe das alles geliebt, von Anfang an: den Geruch des Schulranzens, der Bleistifte, der Hefte und Bücher, den Geruch auch von Klassenräumen und Schulgebäuden. Und ich hatte Spaß an allen Fächern: Schreiben, Lesen, Rechnen, Singen. Schönschrift gab es auch. Ich habe sogar die Sütterlinschrift gelernt, damit ich meiner Oma schreiben und ihre Briefe lesen konnte. Der Religionsunterricht hat mich auch fasziniert, da gab es so viele Geschichten und Gräueltaten und schöne Märchen, die Bilder im Kopf entstehen ließen.
Später im Klosterinternat in Neuötting hatte ich auch Klavierunterricht. Auch das mochte ich, alles, was es zu lernen gab, mochte ich gerne. Aber das Üben war schwierig, weil das Übungsklavier im eiskalten Schlafsaal stand. Und wenn ich nicht fleißig genug übte, wurde mir von der Lehrerin mit einem kleinen harten Stock auf die kalten Finger geschlagen.
Und dann natürlich der Kirchgang: Wir mussten von morgens bis abends beten und in die Kirche rennen. Morgens um halb sieben musste man zur Frühmesse, noch vor dem Frühstück, weil man nüchtern zu sein hatte für die Heilige Kommunion. Und abends noch einmal zur Spätmesse. Aber ich fand das schön, ich liebte den Geruch von Weihrauch, diesen ganzen Pomp, das Gold und Geglitzer, all das Melodrama tische. Auch diese vielen großen Säle in dem alten Klostergebäude mochte ich, die Klassenzimmer, den Speisesaal, den Schlafsaal, die ausladenden Treppen mit den breiten Geländern, die zum Runterrutschen verführten. Oben auf dem Speicher hatten wir alle unsere kleinen Schränke - eigentlich Spinde -, mit Kleidung, Wäsche und Handtüchern. Da durften wir allerdings nur alle drei, vier Wochen hoch, wahrscheinlich, damit wir uns nicht zu viel mit unseren kleinen Schätzen beschäftigen konnten.
Dort im Kloster hatte ich auch meine erste richtige Freundin. Bettina war ein Mädchen aus der großen weiten Welt, sie kam aus München. Ihre Mutter war Bele Bachem, eine kluge, feingliedrige Frau, die ich sehr bewunderte. Sie war damals eine berühmte Malerin und Bühnenbildnerin. Ihre Arbeiten waren während des Nationalsozialismus verboten. Sie konnte erst nach dem Krieg wieder tätig sein, vor allem als Bühnenbildnerin und Illustratorin. Ihre Tochter Bettina wurde also meine Freundin, was sehr aufregend für mich war, weil sie mir viele Dinge beibringen konnte, die ich nicht kannte. Zum Beispiel Spagat. Sie hatte nämlich in München Ballettunterricht und das war für mich überirdisch.
Eigentlich habe ich die Zeit dort genossen, aber ich war auch rebellisch, besonders den Klosterfrauen gegenüber und ihrer verlogenen Moral. Die hatten immer so ein falsches freundliches Lächeln im Gesicht und sprachen in diesem merkwürdigen Plural: Wir gehen jetzt schlafen, wir essen jetzt, wir waschen uns jetzt. Ich dachte immer, nee, du blöde Kuh, ich wasch mich jetzt, ich geh jetzt schlafen, ich esse jetzt. Aber diese Verlogenheit hat mich nicht wirklich gestört, ich habe nur nüchtern registriert, dass diese Ordensschwestern alles mit einem lächelnden Gesicht sagen und dabei sehr autoritär sind. Trotzdem habe ich mich innerlich frei gefühlt, obwohl wir ja geradezu gedrillt wurden mit dieser erzkatholischen Erziehung.
Alles ging auf Glockenschlag, es klingelte und wir mussten essen, es klingelte und wir mussten vom Tisch aufstehen, es klingelte und das Licht ging an, ganz grell, morgens um sechs. Da kam eine der Nonnen in den Schlafsaal gestürzt, bekreuzigte sich und betete laut: »Wir stehen auf im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.« Man musste sofort aufstehen, auf der Stelle. Und wenn man noch einen Moment liegen blieb, wurde einem die Bettdecke weggerissen, ein schreckliches, nacktes Gefühl ohne die schützende Hülle. Dann musste man zum Waschtisch rennen und das Kunststück vollbringen, sich irgendwie unterm Nachthemd zu waschen. Denn wir durften uns beim Waschen, auch beim Baden in der Badewanne, nicht ausziehen.
Kaum vorstellbar: acht- bis zehnjährige Mädchen, die sich im Nachthemd waschen mussten.
Anschließend wurden die Betten gemacht, und zwar so akkurat wie möglich. Ich weiß ja nicht, wie das beim Militär ist, aber ich stelle es mir so ähnlich vor. Man musste es ganz perfekt machen, das Bettlaken irgendwie unter die Matratze zaubern, keine Falte durfte zu sehen sein, und aus dem Oberbett mit den flachen Händen ein rechteckiges Stück herstellen mit exakten Kanten, wie ein liegender Grabstein. Das Kissen wie ein quadratischer, flacher Eisblock.
Direkt an der Tür zum Ausgang des Schlafsaals stand ein großes verschleiertes Bett wie ein gewaltiges Ungeheuer. Darin schlief die Aufpasserin. Ich traute mich oft nicht, nachts auf die Toilette zu gehen. Wenn ich mich doch leise, leise rausschleichen wollte, riss die Klosterfrau mit einem Ruck die Vorhänge auf und ich hörte diesen strengen, vorwurfsvollen Ton: Was machst du da!
Ich konnte nur Nichts, nichts, ich mache gar nichts stottern und mich sofort wieder in mein Bett verkriechen. So habe ich oft ins Bett gemacht vor lauter Angst und das feuchte Betttuch mit meinem Körper trocken gelegt. Auch mein verweintes Kopfkissen.
Ich fand das sehr entwürdigend, aber eigentlich weniger für mich als für die Aufpasserin hinter dem Vorhang.
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Autoren-Porträt von Hannelore Elsner
Hannelore Elsner, geboren 1942 in Burghausen/ Oberbayern, begann nach ihrer Schauspielausbildung in München Ende der Fünfziger Jahre ihre Karriere mit ersten Filmauftritten. In den Sechzigern folgten Engagements an Theatern, Rollen in Unterhaltungsfilmen, auch die deutschen Autorenfilmer wurden früh auf sie aufmerksam. Ab den Siebziger Jahren feierte Hannelore Elsner Erfolge mit Kino- und Fernsehfilmen, grosse Popularität erlangte sie ab 1994 als Titelfigur der ARD-Serie "Die Kommissarin". Ihr Aufsehen erregendes Kino-Comeback erlebte sie im Jahr 2000 mit Oskar Roehlers "Die Unberührbare". Für ihre Verkörperung der Schriftstellerin Hanna Flanders wurde sie vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Filmpreis. Neben der Goldenen Kamera, dem Telestar und dem Grimme-Preis erhielt sie zahlreiche Auzeichnungen und Ehrungen für ihre Rollen in "Mein letzter Film" (2002), "Alles auf Zucker" (2005), "Kirschblüten - Hanami" (2007) und "Das Blaue vom Himmel" (2011). Im selben Jahr erhielt sie den Ehrenpreis des Bayerischen Filmpreises. Hannelore Elsner starb am 21. April 2019 an den Folgen einer Krebserkrankung.
Bibliographische Angaben
- Autor: Hannelore Elsner
- 2013, 2. Aufl., 301 Seiten, mit zahlreichen Schwarz-Weiss-Abbildungen, mit Abbildungen, Masse: 12 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442156378
- ISBN-13: 9783442156375
- Erscheinungsdatum: 21.01.2013
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