"Ich liebte eine Bestie"
Die Frauen der Serienmörder
Kann eine Frau einen Mann lieben, ohne zu ahnen, dass er ein Mörder, ja sogar ein Serienmörder, ist? Und wenn sie etwas ahnt, wie kommt sie damit klar? Kriminalhauptkommissar Stephan Harbort hat mit Frauen von Serienkillern gesprochen und erzählt ihre Geschichten.
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Produktinformationen zu „"Ich liebte eine Bestie" “
Kann eine Frau einen Mann lieben, ohne zu ahnen, dass er ein Mörder, ja sogar ein Serienmörder, ist? Und wenn sie etwas ahnt, wie kommt sie damit klar? Kriminalhauptkommissar Stephan Harbort hat mit Frauen von Serienkillern gesprochen und erzählt ihre Geschichten.
Klappentext zu „"Ich liebte eine Bestie" “
Kann eine Frau einen Mann lieben und nicht ahnen, dass er ein Serienmörder ist? Mit ihm zusammenleben, ohne etwas von seinen Verbrechen zu wissen? Und wenn sie etwas ahnt: Wie kann sie mit dem Gedanken weiterleben? Der Kriminalist und Bestsellerautor Stephan Harbort hat mit den Frauen von Serienmördern gesprochen und erzählt ihre erschreckenden und doch faszinierenden Geschichten.
Lese-Probe zu „"Ich liebte eine Bestie" “
Ich liebte eine Bestie von Stephan Harbort... mehr
Es ist 6.15 Uhr, als es an der Haustür klingelt. Eichendorffstraße 65 in Bottrop, einer etwa 120.000 Einwohner zählenden Stadt im Nordwesten des Ruhrgebiets. Sechs-Parteien-Haus. Arbeitersiedlung. Hanna und Klaus Komanek sitzen gerade in der Küche ihrer 73 Quadratmeter großen Drei-Zimmer-Wohnung und frühstücken. Es ist der 23. November 1999, ein Dienstag. Sie schmiert Butterbrote für ihren Mann, er trinkt Kaffee. Die dreijährige Tochter Jeanette schläft noch. Ihre Eltern wundern sich. Besuch? Um diese Uhrzeit?Schließlich steht Hanna Komanek auf und öffnet die Tür einen Spaltbreit. Sie ist überrascht. Da stehen zwei fremde Männer vor ihr im Treppenhaus.
Einer der beiden zeigt ihr eine goldbraune, elipsenförmige Metallplakette, auf der deutlich „KRIMINALPOLIZEI" geschrieben steht, und fragt höflich: „Guten Morgen, sind Sie Frau Komanek?"
Die Ermittler nennen ihre Namen und sagen, sie seien von der Kripo Recklinghausen und Korbach. „Ist Ihr Mann da? Dürfen wir mal reinkommen?" Hanna ist verdutzt. Sie lässt die Beamten eintreten. Die 32-Jährige ahnt bereits jetzt, dass etwas nicht stimmt - auch wenn sie noch nicht weiß, warum die Kommissare gekommen sind. Wegen ihr wohl nicht. Wahrscheinlich wegen Klaus. Bestimmt wegen Klaus. Denn seit anderthalb Jahren wird ihre Tante vermisst. Schon mehrfach musste Klaus deswegen bei der Kripo aussagen. Passiert ist nichts. Gibt es jetzt Neuigkeiten? Hat man sie gefunden?
Nachdem sich die drei Männer bekannt gemacht haben, sagt einer der Kommissare ganz unaufgeregt Sätze, die das Leben der Familie Komanek schlagartig auf den Kopf stellen: „Es geht um die Tötung einer Frau im Jahre 1994 an der Autobahn Arnheim - Utrecht. An der Leiche sind Spermaspuren gefunden worden. Wir verdächtigen Sie, Herr Komanek, mit der Sache etwas zu tun zu haben." Der Beamte zieht ein Blatt Papier aus seiner Schreibkladde und gibt es dem 30-jährigen Dachdecker. „Das ist ein richterlicher Beschluss, der Sie verpflichtet, eine Speichelprobe für eine DNA-Vergleichsuntersuchung abzugeben."
Hanna Komanek erinnert sich dunkel an eine Begebenheit, kurz bevor sie geheiratet haben. Klaus hat tatsächlich mal etwas von einer Anhalterin erzählt, die er mitgenommen haben will. Die sei wohl auch zu Tode gekommen. Ein tragischer Unfall. Aber das war doch nur ein übler Scherz; eine dieser Schauergeschichten, mit denen ihr Mann sie immer mal wieder erschreckt hat. Gerede. Blödsinn.
„Sie können sich die aufwendigen Untersuchungen sparen."
Blickkontakt zwischen Hanna und Klaus Komanek. „Ich habe die Frau getötet."
Hanna Komanek erstarrt. Das kann nicht wahr sein. „Sag, dass das nicht wahr ist!", schreit sie ihren Mann an. „Sag, dass das nicht wahr ist!" Sie schlägt die Hände vors Gesicht. Plötzlich steht Jeanette in der Küche und will in den Arm genommen werden. Klaus Komanek streichelt seiner Tochter über das Kopfhaar und nimmt sie hoch. Er sagt kein Wort. Doch seine Blicke verraten Hanna Komanek, dass ihr Mann nicht mehr wiederkommen wird. Abschied. Trennung. Dann wird Klaus Komanek aufgefordert, die Beamten zu begleiten.
Hanna Komanek läuft in der Wohnung auf und ab - wie ein Raubtier vor den Gitterstäben seines Käfigs, aus dem es doch nicht entkommen kann. Die bohrenden Fragen der Tochter kann und will sie nicht beantworten. „Papa muss was erledigen. Der kommt heute Abend wieder." Ausflüchte. Hanna Komanek ist schockiert und zutiefst verunsichert. Doch sie hält die Beschuldigung der Kripo besser für einen Irrtum. Das wird sich alles aufklären, hofft sie. Jeder, aber doch nicht mein Klaus!
Die folgenden Tage erlebt Hanna Komanek, als wäre sie von einem Grauschleier umgeben. Die Tochter hat sie bei ihrer Mutter untergebracht. Hanna Komanek will sich nicht von ihrer verletzlichen Seite zeigen. Nicht vor Jeanette. Vor niemandem. Hanna Komanek braucht Hilfe, doch die verweigert sie. Sie ruft nicht einmal ihre beste Freundin an. Sie geht auch nicht aus dem Haus. Sie schämt sich. Sie verkriecht sich förmlich. Dafür betet sie: Lieber Gott, lass es nicht wahr sein, bitte.
Es vergehen einige Tage, bis Hanna Komanek doch zum Telefonhörer greift. Schon zwei Stunden später kommt eine Dame zu ihr, die vor allem zwei Voraussetzungen für ein so intimes Gespräch erfüllt: Anonymität, Vertraulichkeit. Die Frau ist Telefonseelsorgerin und macht in dringenden Fällen auch Hausbesuche.
Schnell kommen die Frauen ins Gespräch. Während der mehrstündigen Unterhaltung erfährt Hanna Komanek menschliche Nähe, Zuwendung, Verständnis. Da ist jetzt endlich jemand, mit dem sie sprechen kann. Über alles. Und sie redet, redet, redet. Mit jedem Satz, den sie loswerden kann, verringert sich die Beklemmung, die bleischwer auf ihr lastet, die sie lähmt. Es ist wie ein Auftauchen, nach Luft schnappen, atmen, leben. Vielleicht war der Tod dieser Anhalterin doch ein Unfal4 macht sie sich neuen Mut, nachdem die Frau gegangen ist. Hanna Komanek ahnt nicht, dass ihr noch grauenhafte Dinge bevorstehen, die sie bis an die Grenze ihrer körperlichen und seelischen Belastbarkeit führen werden - und weit darüber hinaus.
Vier Tage nach der Verhaftung ihres Mannes stehen an einem Samstagmorgen wieder zwei Kriminalbeamte vor der Tür, diesmal bitten sie Hanna Komanek, mit aufs Präsidium zu kommen. „Sie müssen jetzt verdammt stark sein", sagt einer der Beamten, „Ihr Mann wird Ihnen gleich von weiteren Morden erzählen." Der Kommissar gibt Hanna Komanek auf dem Weg ins Präsidium einige Verhaltensratschläge: „Widersprechen Sie Ihrem Mann nicht. Weinen Sie nicht. Schreien Sie nicht." Erst jetzt drängt sich ihr eine Frage auf: ‚Weshalb muss ich denn dabei
sein?" Der Fahnder antwortet, ihr Mann habe darauf bestanden, er wolle nur ihr von den Taten erzählen.
Und das soll Klaus Komanek im Zimmer Nummer 211 tun, dem Vernehmungsraum der Mordkommission. Langsam geht Hanna Komanek auf ihren Mann zu, streicht ihm über den Kopf, küsst ihn auf die Stirn. Klaus Komaneks Gesicht ist aschfahl. Ein Kripomann versorgt alle Anwesenden mit Kaffee. „Ich habe noch zwei Frauen umgebracht", sagt Klaus Komanek plötzlich in die bedrückende Stille hinein. Er wirkt noch etwas unentschlossen, zögerlich. „Zwei Prostituierte vom Straßenstrich." Er kann und will seine Frau nicht ansehen. Auch Hanna Komanek scheut den Blickkontakt und starrt lieber auf ihre Kaffeetasse, die unberührt vor ihr auf dem Tisch steht. Dann beginnt ihr Mann von jenem Tag zu erzählen, an dem er zum Mörder werden sollte.' Es ist seine Version. Eine Geschichte.
„Das war im Herbst 1994", beginnt Klaus Komanek sein Geständnis. „Zwei Tage, bevor meine Freundin aus der Türkei zurückkam. Am Telefon hatte sie mir schon gesagt, dass sie zu ihrem Ex-Freund zurückkehren würde, sobald sie wieder in Deutschland wäre. Damals habe ich noch bei meiner Oma gewohnt. Nach dem Anruf bin ich erst mal nach Hause gefahren. Ich habe meiner Oma von der Sache mit meiner Freundin erzählt. Sie meinte, ich sollte nicht so viel Selbstmitleid haben
und mich in den Wagen setzen und ein bisschen herumfahren. Einfach mal auf andere Gedanken kommen."
Am Abend des 8. September sei er ziellos im Bereich des Autobahnkreuzes „Kaiserberg" unterwegs gewesen, das an diesem Punkt die Autobahnen 40 und 3 miteinander verbindet. Komanek, damals 25-jährig, habe seinen roten Mazda 323 benutzt, der mit Oberhausener Kennzeichen auf seine Mutter zugelassen gewesen sei. Es habe zu dieser Zeit heftig geregnet.
„Dann habe ich diese Frau gesehen, die wollte trampen. Da habe ich gedacht: Ein Mädchen alleine um diese Uhrzeit, das kann gefährlich werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keinen Hintergedanken. Sie sah auch klatschnass und ziemlich fertig aus."
Komanek erzählt, er habe angehalten und die Anhalterin aufgenommen. Es ist Katherine Jackson, eine aus Südafrika stammende Studentin. Die Frau habe ihm auf Englisch gesagt, dass sie aus Österreich komme und nach Leiden in den Niederlanden wolle. Die 28-Jährige jobbt jeweils einige Monate im Norden der Niederlande, in der übrigen Zeit trampt sie quer durch Europa oder studiert. Katherine will die Welt kennenlernen. Und die Menschen. Sie ist sehr kontaktfreudig.
„Ich habe sie gefragt, ob sie hungrig wäre, und ihr angeboten, ihre Klamotten zu trocknen. Das hat sie freudig bejaht."
Die beiden seien zunächst zur Raststätte „Bottrop" an der Autobahn 2 gefahren und hätten dort gegessen und sich unterhalten. Als Katherine erfahren habe, dass Komanek nur einige Kilometer von der Raststätte entfernt wohnte, sei ihm von der Frau spontan angeboten worden, mit ihr bei ihm zu Hause Sex zu haben. Anderthalb Stunden lang hätten sie in der Wohnung seiner Oma verbracht und seien dabei auch intim geworden. Irgendwann habe Komanek der Frau angeboten, sie bis nach Leiden zu fahren. Die Frau habe den Vorschlag gerne angenommen. Nach einigen Minuten Fahrt habe Komanek den Wagen stoppen müssen. Pinkelpause. Wenig später sei es zur Katastrophe gekommen.
„Als ich fertig war, bin ich um den Wagen herumgegangen, auf die Beifahrerseite, und es war klar, in zehn Minuten ist sie weg. Ich wollte mich einfach für den wahnsinnig netten Abend bedanken. Ich hatte den Abend wie ein Geschenk angesehen. Sie stand noch vor der Beifahrertür, da bin ich auf sie zu, habe sie umarmt und habe ihr mit meinem gestammelten Englisch zu verstehen gegeben, dass ich mich dafür bedanken wollte. Sie hat mich auch umarmt. Und auf einmal schlug die ganze Situation radikal um.
Plötzlich hatte sie meine Pistole in der Hand. Die hatte ich dabei und trug sie im offenen Gürtelhalfter. Sie hatte die Waffe auf mich gerichtet. Ich war völlig perplex. Sie forderte Geld. Ich habe meine Brieftasche rausgenommen. Zuerst einmal ganz langsam von den Bewegungen her habe ich ihr die vor die Füße geworfen. Mit Bedacht das Ganze. Ich dachte, wenn irgendetwas fällt, verfolgt sie das mit den Augen. Das hat sie auch getan, und dieser Moment hat ausgereicht, dass ich zuschlagen konnte. In einem kleinen Gerangel habe ich ihr die Waffe abgenommen. Ich war durch die ganze Situation ziemlich aufgeregt. Sie dann aber auch, als ich ihr die Waffe abgenommen hatte. Da hat sie gekreischt. Ich stand dann vor ihr und habe geflattert. Ich habe ihr gesagt, sie solle ihre Sachen aus dem Wagen herausnehmen, sie solle verschwinden.
Dann hat sie sich auch in Richtung Wagen begeben, hat hinten die Sachen rausgeholt, und nachdem sie fertig war, war sie auf einmal wie umgewandelt: absolut ruhig, während sie vorher ziemlich hysterisch war. Sie sagte so sinngemäß, dass wir analen und vaginalen Sex gehabt hätten und ich niemals würde beweisen können, dass sie das gewollt hätte. Ich habe das so aufgefasst, wie es wohl auch gemeint gewesen war: Wenn du mich hier aussetzt, zeige ich dich an wegen Vergewaltigung. Da war mir klar, über die DNA-Nachweismöglichkeiten könnte ich mich gegen diesen Vorwurf in keiner Weise wehren. Und bei mir ist die Aufregung einfach in einen ganz tiefen und dumpfen Zorn umgeschlagen. Ohne großartig nachzudenken, was ich da überhaupt mache, hatte ich die Waffe, die ich vorher auf Bauch- oder Brusthöhe gehalten hatte, hochgenommen und klipp und klar auf die Stirn gezielt und abgedrückt. Sie brach sofort zusammen. Es hat eine ganze Zeit lang gedauert, bis ich realisiert habe, was passiert war. Es hat mir wahnsinnig leidgetan, denn ich habe sie wirklich gemocht."
Schließlich erzählt Komanek noch, wie er der Leiche mit einem Teppichmesser den Kopf und die Hände abgeschnitten und den toten Körper missbraucht habe. Nach einer Zeit habe er den Leichnam „bearbeitet wie ein Metzger", also mehrere unterschiedlich tiefe Schnitte an Brüsten, Bauch und im Lendenbereich gesetzt. Das Opfer sei von ihm in Rückenlage mit leicht gespreizten Beinen und abgewinkelten Armen am Straßenrand liegen gelassen worden - eine bewusste Provokation. Er habe die Menschen schockieren wollen. Die abgetrennten Leichenteile und die Bekleidung des Opfers habe er danach an verschiedenen Stellen abgelegt, um der Polizei die Arbeit zu erschweren. Erst danach sei er wieder „in die Normalität zurückgekehrt".
Die kann es für seine Frau nun nicht mehr geben. Hanna Komanek ist plötzlich mit einem Serienmörder verheiratet, der ihr kurz darauf zwei weitere Gräueltaten aus den Jahren 1996 und 1998 beichtet. Mit monotoner Stimme und ohne erkennbare Erregung schockiert und quält er seine Frau mit weiteren Einzelheiten, die das menschliche Vorstellungsvermögen übersteigen und aus einem besonders üblen Horrorfilm stammen könnten, aber doch wahr sind. Hanna Komanek ist entsetzt. „Nicht noch mehr Details", bittet sie ihren Mann. Doch der zeigt sich unbeeindruckt und erzählt weiter. Hanna Komanek hört die sonst so
vertraute Stimme ihres Mannes wie durch einen dichten Nebel, teilweise kann sie ihn kaum verstehen. Als Klaus Komanek endlich zum Ende kommt, zeigt seine Frau auch körperliche Reaktionen: Sie kann nicht weinen, ihr wird schlecht, der Kreislauf versagt. Die Beruhigungsspritze des herbeigerufenen Notarztes stabilisiert sie wenigstens physisch. Trotz alledem gibt sie Klaus später noch einen Abschiedskuss; genau jenem Mann, der ihr und der Tochter die Zukunft genommen und auch sie zu seinen Opfern gemacht hat.
Es ist 6.15 Uhr, als es an der Haustür klingelt. Eichendorffstraße 65 in Bottrop, einer etwa 120.000 Einwohner zählenden Stadt im Nordwesten des Ruhrgebiets. Sechs-Parteien-Haus. Arbeitersiedlung. Hanna und Klaus Komanek sitzen gerade in der Küche ihrer 73 Quadratmeter großen Drei-Zimmer-Wohnung und frühstücken. Es ist der 23. November 1999, ein Dienstag. Sie schmiert Butterbrote für ihren Mann, er trinkt Kaffee. Die dreijährige Tochter Jeanette schläft noch. Ihre Eltern wundern sich. Besuch? Um diese Uhrzeit?Schließlich steht Hanna Komanek auf und öffnet die Tür einen Spaltbreit. Sie ist überrascht. Da stehen zwei fremde Männer vor ihr im Treppenhaus.
Einer der beiden zeigt ihr eine goldbraune, elipsenförmige Metallplakette, auf der deutlich „KRIMINALPOLIZEI" geschrieben steht, und fragt höflich: „Guten Morgen, sind Sie Frau Komanek?"
Die Ermittler nennen ihre Namen und sagen, sie seien von der Kripo Recklinghausen und Korbach. „Ist Ihr Mann da? Dürfen wir mal reinkommen?" Hanna ist verdutzt. Sie lässt die Beamten eintreten. Die 32-Jährige ahnt bereits jetzt, dass etwas nicht stimmt - auch wenn sie noch nicht weiß, warum die Kommissare gekommen sind. Wegen ihr wohl nicht. Wahrscheinlich wegen Klaus. Bestimmt wegen Klaus. Denn seit anderthalb Jahren wird ihre Tante vermisst. Schon mehrfach musste Klaus deswegen bei der Kripo aussagen. Passiert ist nichts. Gibt es jetzt Neuigkeiten? Hat man sie gefunden?
Nachdem sich die drei Männer bekannt gemacht haben, sagt einer der Kommissare ganz unaufgeregt Sätze, die das Leben der Familie Komanek schlagartig auf den Kopf stellen: „Es geht um die Tötung einer Frau im Jahre 1994 an der Autobahn Arnheim - Utrecht. An der Leiche sind Spermaspuren gefunden worden. Wir verdächtigen Sie, Herr Komanek, mit der Sache etwas zu tun zu haben." Der Beamte zieht ein Blatt Papier aus seiner Schreibkladde und gibt es dem 30-jährigen Dachdecker. „Das ist ein richterlicher Beschluss, der Sie verpflichtet, eine Speichelprobe für eine DNA-Vergleichsuntersuchung abzugeben."
Hanna Komanek erinnert sich dunkel an eine Begebenheit, kurz bevor sie geheiratet haben. Klaus hat tatsächlich mal etwas von einer Anhalterin erzählt, die er mitgenommen haben will. Die sei wohl auch zu Tode gekommen. Ein tragischer Unfall. Aber das war doch nur ein übler Scherz; eine dieser Schauergeschichten, mit denen ihr Mann sie immer mal wieder erschreckt hat. Gerede. Blödsinn.
„Sie können sich die aufwendigen Untersuchungen sparen."
Blickkontakt zwischen Hanna und Klaus Komanek. „Ich habe die Frau getötet."
Hanna Komanek erstarrt. Das kann nicht wahr sein. „Sag, dass das nicht wahr ist!", schreit sie ihren Mann an. „Sag, dass das nicht wahr ist!" Sie schlägt die Hände vors Gesicht. Plötzlich steht Jeanette in der Küche und will in den Arm genommen werden. Klaus Komanek streichelt seiner Tochter über das Kopfhaar und nimmt sie hoch. Er sagt kein Wort. Doch seine Blicke verraten Hanna Komanek, dass ihr Mann nicht mehr wiederkommen wird. Abschied. Trennung. Dann wird Klaus Komanek aufgefordert, die Beamten zu begleiten.
Hanna Komanek läuft in der Wohnung auf und ab - wie ein Raubtier vor den Gitterstäben seines Käfigs, aus dem es doch nicht entkommen kann. Die bohrenden Fragen der Tochter kann und will sie nicht beantworten. „Papa muss was erledigen. Der kommt heute Abend wieder." Ausflüchte. Hanna Komanek ist schockiert und zutiefst verunsichert. Doch sie hält die Beschuldigung der Kripo besser für einen Irrtum. Das wird sich alles aufklären, hofft sie. Jeder, aber doch nicht mein Klaus!
Die folgenden Tage erlebt Hanna Komanek, als wäre sie von einem Grauschleier umgeben. Die Tochter hat sie bei ihrer Mutter untergebracht. Hanna Komanek will sich nicht von ihrer verletzlichen Seite zeigen. Nicht vor Jeanette. Vor niemandem. Hanna Komanek braucht Hilfe, doch die verweigert sie. Sie ruft nicht einmal ihre beste Freundin an. Sie geht auch nicht aus dem Haus. Sie schämt sich. Sie verkriecht sich förmlich. Dafür betet sie: Lieber Gott, lass es nicht wahr sein, bitte.
Es vergehen einige Tage, bis Hanna Komanek doch zum Telefonhörer greift. Schon zwei Stunden später kommt eine Dame zu ihr, die vor allem zwei Voraussetzungen für ein so intimes Gespräch erfüllt: Anonymität, Vertraulichkeit. Die Frau ist Telefonseelsorgerin und macht in dringenden Fällen auch Hausbesuche.
Schnell kommen die Frauen ins Gespräch. Während der mehrstündigen Unterhaltung erfährt Hanna Komanek menschliche Nähe, Zuwendung, Verständnis. Da ist jetzt endlich jemand, mit dem sie sprechen kann. Über alles. Und sie redet, redet, redet. Mit jedem Satz, den sie loswerden kann, verringert sich die Beklemmung, die bleischwer auf ihr lastet, die sie lähmt. Es ist wie ein Auftauchen, nach Luft schnappen, atmen, leben. Vielleicht war der Tod dieser Anhalterin doch ein Unfal4 macht sie sich neuen Mut, nachdem die Frau gegangen ist. Hanna Komanek ahnt nicht, dass ihr noch grauenhafte Dinge bevorstehen, die sie bis an die Grenze ihrer körperlichen und seelischen Belastbarkeit führen werden - und weit darüber hinaus.
Vier Tage nach der Verhaftung ihres Mannes stehen an einem Samstagmorgen wieder zwei Kriminalbeamte vor der Tür, diesmal bitten sie Hanna Komanek, mit aufs Präsidium zu kommen. „Sie müssen jetzt verdammt stark sein", sagt einer der Beamten, „Ihr Mann wird Ihnen gleich von weiteren Morden erzählen." Der Kommissar gibt Hanna Komanek auf dem Weg ins Präsidium einige Verhaltensratschläge: „Widersprechen Sie Ihrem Mann nicht. Weinen Sie nicht. Schreien Sie nicht." Erst jetzt drängt sich ihr eine Frage auf: ‚Weshalb muss ich denn dabei
sein?" Der Fahnder antwortet, ihr Mann habe darauf bestanden, er wolle nur ihr von den Taten erzählen.
Und das soll Klaus Komanek im Zimmer Nummer 211 tun, dem Vernehmungsraum der Mordkommission. Langsam geht Hanna Komanek auf ihren Mann zu, streicht ihm über den Kopf, küsst ihn auf die Stirn. Klaus Komaneks Gesicht ist aschfahl. Ein Kripomann versorgt alle Anwesenden mit Kaffee. „Ich habe noch zwei Frauen umgebracht", sagt Klaus Komanek plötzlich in die bedrückende Stille hinein. Er wirkt noch etwas unentschlossen, zögerlich. „Zwei Prostituierte vom Straßenstrich." Er kann und will seine Frau nicht ansehen. Auch Hanna Komanek scheut den Blickkontakt und starrt lieber auf ihre Kaffeetasse, die unberührt vor ihr auf dem Tisch steht. Dann beginnt ihr Mann von jenem Tag zu erzählen, an dem er zum Mörder werden sollte.' Es ist seine Version. Eine Geschichte.
„Das war im Herbst 1994", beginnt Klaus Komanek sein Geständnis. „Zwei Tage, bevor meine Freundin aus der Türkei zurückkam. Am Telefon hatte sie mir schon gesagt, dass sie zu ihrem Ex-Freund zurückkehren würde, sobald sie wieder in Deutschland wäre. Damals habe ich noch bei meiner Oma gewohnt. Nach dem Anruf bin ich erst mal nach Hause gefahren. Ich habe meiner Oma von der Sache mit meiner Freundin erzählt. Sie meinte, ich sollte nicht so viel Selbstmitleid haben
und mich in den Wagen setzen und ein bisschen herumfahren. Einfach mal auf andere Gedanken kommen."
Am Abend des 8. September sei er ziellos im Bereich des Autobahnkreuzes „Kaiserberg" unterwegs gewesen, das an diesem Punkt die Autobahnen 40 und 3 miteinander verbindet. Komanek, damals 25-jährig, habe seinen roten Mazda 323 benutzt, der mit Oberhausener Kennzeichen auf seine Mutter zugelassen gewesen sei. Es habe zu dieser Zeit heftig geregnet.
„Dann habe ich diese Frau gesehen, die wollte trampen. Da habe ich gedacht: Ein Mädchen alleine um diese Uhrzeit, das kann gefährlich werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keinen Hintergedanken. Sie sah auch klatschnass und ziemlich fertig aus."
Komanek erzählt, er habe angehalten und die Anhalterin aufgenommen. Es ist Katherine Jackson, eine aus Südafrika stammende Studentin. Die Frau habe ihm auf Englisch gesagt, dass sie aus Österreich komme und nach Leiden in den Niederlanden wolle. Die 28-Jährige jobbt jeweils einige Monate im Norden der Niederlande, in der übrigen Zeit trampt sie quer durch Europa oder studiert. Katherine will die Welt kennenlernen. Und die Menschen. Sie ist sehr kontaktfreudig.
„Ich habe sie gefragt, ob sie hungrig wäre, und ihr angeboten, ihre Klamotten zu trocknen. Das hat sie freudig bejaht."
Die beiden seien zunächst zur Raststätte „Bottrop" an der Autobahn 2 gefahren und hätten dort gegessen und sich unterhalten. Als Katherine erfahren habe, dass Komanek nur einige Kilometer von der Raststätte entfernt wohnte, sei ihm von der Frau spontan angeboten worden, mit ihr bei ihm zu Hause Sex zu haben. Anderthalb Stunden lang hätten sie in der Wohnung seiner Oma verbracht und seien dabei auch intim geworden. Irgendwann habe Komanek der Frau angeboten, sie bis nach Leiden zu fahren. Die Frau habe den Vorschlag gerne angenommen. Nach einigen Minuten Fahrt habe Komanek den Wagen stoppen müssen. Pinkelpause. Wenig später sei es zur Katastrophe gekommen.
„Als ich fertig war, bin ich um den Wagen herumgegangen, auf die Beifahrerseite, und es war klar, in zehn Minuten ist sie weg. Ich wollte mich einfach für den wahnsinnig netten Abend bedanken. Ich hatte den Abend wie ein Geschenk angesehen. Sie stand noch vor der Beifahrertür, da bin ich auf sie zu, habe sie umarmt und habe ihr mit meinem gestammelten Englisch zu verstehen gegeben, dass ich mich dafür bedanken wollte. Sie hat mich auch umarmt. Und auf einmal schlug die ganze Situation radikal um.
Plötzlich hatte sie meine Pistole in der Hand. Die hatte ich dabei und trug sie im offenen Gürtelhalfter. Sie hatte die Waffe auf mich gerichtet. Ich war völlig perplex. Sie forderte Geld. Ich habe meine Brieftasche rausgenommen. Zuerst einmal ganz langsam von den Bewegungen her habe ich ihr die vor die Füße geworfen. Mit Bedacht das Ganze. Ich dachte, wenn irgendetwas fällt, verfolgt sie das mit den Augen. Das hat sie auch getan, und dieser Moment hat ausgereicht, dass ich zuschlagen konnte. In einem kleinen Gerangel habe ich ihr die Waffe abgenommen. Ich war durch die ganze Situation ziemlich aufgeregt. Sie dann aber auch, als ich ihr die Waffe abgenommen hatte. Da hat sie gekreischt. Ich stand dann vor ihr und habe geflattert. Ich habe ihr gesagt, sie solle ihre Sachen aus dem Wagen herausnehmen, sie solle verschwinden.
Dann hat sie sich auch in Richtung Wagen begeben, hat hinten die Sachen rausgeholt, und nachdem sie fertig war, war sie auf einmal wie umgewandelt: absolut ruhig, während sie vorher ziemlich hysterisch war. Sie sagte so sinngemäß, dass wir analen und vaginalen Sex gehabt hätten und ich niemals würde beweisen können, dass sie das gewollt hätte. Ich habe das so aufgefasst, wie es wohl auch gemeint gewesen war: Wenn du mich hier aussetzt, zeige ich dich an wegen Vergewaltigung. Da war mir klar, über die DNA-Nachweismöglichkeiten könnte ich mich gegen diesen Vorwurf in keiner Weise wehren. Und bei mir ist die Aufregung einfach in einen ganz tiefen und dumpfen Zorn umgeschlagen. Ohne großartig nachzudenken, was ich da überhaupt mache, hatte ich die Waffe, die ich vorher auf Bauch- oder Brusthöhe gehalten hatte, hochgenommen und klipp und klar auf die Stirn gezielt und abgedrückt. Sie brach sofort zusammen. Es hat eine ganze Zeit lang gedauert, bis ich realisiert habe, was passiert war. Es hat mir wahnsinnig leidgetan, denn ich habe sie wirklich gemocht."
Schließlich erzählt Komanek noch, wie er der Leiche mit einem Teppichmesser den Kopf und die Hände abgeschnitten und den toten Körper missbraucht habe. Nach einer Zeit habe er den Leichnam „bearbeitet wie ein Metzger", also mehrere unterschiedlich tiefe Schnitte an Brüsten, Bauch und im Lendenbereich gesetzt. Das Opfer sei von ihm in Rückenlage mit leicht gespreizten Beinen und abgewinkelten Armen am Straßenrand liegen gelassen worden - eine bewusste Provokation. Er habe die Menschen schockieren wollen. Die abgetrennten Leichenteile und die Bekleidung des Opfers habe er danach an verschiedenen Stellen abgelegt, um der Polizei die Arbeit zu erschweren. Erst danach sei er wieder „in die Normalität zurückgekehrt".
Die kann es für seine Frau nun nicht mehr geben. Hanna Komanek ist plötzlich mit einem Serienmörder verheiratet, der ihr kurz darauf zwei weitere Gräueltaten aus den Jahren 1996 und 1998 beichtet. Mit monotoner Stimme und ohne erkennbare Erregung schockiert und quält er seine Frau mit weiteren Einzelheiten, die das menschliche Vorstellungsvermögen übersteigen und aus einem besonders üblen Horrorfilm stammen könnten, aber doch wahr sind. Hanna Komanek ist entsetzt. „Nicht noch mehr Details", bittet sie ihren Mann. Doch der zeigt sich unbeeindruckt und erzählt weiter. Hanna Komanek hört die sonst so
vertraute Stimme ihres Mannes wie durch einen dichten Nebel, teilweise kann sie ihn kaum verstehen. Als Klaus Komanek endlich zum Ende kommt, zeigt seine Frau auch körperliche Reaktionen: Sie kann nicht weinen, ihr wird schlecht, der Kreislauf versagt. Die Beruhigungsspritze des herbeigerufenen Notarztes stabilisiert sie wenigstens physisch. Trotz alledem gibt sie Klaus später noch einen Abschiedskuss; genau jenem Mann, der ihr und der Tochter die Zukunft genommen und auch sie zu seinen Opfern gemacht hat.
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Autoren-Porträt von Stephan Harbort
Harbort, StephanStephan Harbort, geboren 1964 in Düsseldorf, ist Kriminalhauptkommissar und Deutschlands bekanntester Serienmord-Experte. Er entwickelte international angewandte Fahndungsmethoden zur Überführung von Serienmördern und ist als Fachberater für TV-Beiträge tätig.
Bibliographische Angaben
- Autor: Stephan Harbort
- 2011, 304 Seiten, Masse: 12 x 18,9 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548373577
- ISBN-13: 9783548373577
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