Ich habe den Todesengel überlebt
Ein Mengele-Opfer erzählt
Mit nur zehn Jahren werden Eva Mozes Kor und ihre Zwillingsschwester ins KZ gebracht. Dort geraten sie in die Hände des grausamen Arztes Mengele, der "Experimente" an den Mädchen durchführt.
Eine wahre und äußerst schockierende Geschichte.
Eine wahre und äußerst schockierende Geschichte.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Ich habe den Todesengel überlebt “
Mit nur zehn Jahren werden Eva Mozes Kor und ihre Zwillingsschwester ins KZ gebracht. Dort geraten sie in die Hände des grausamen Arztes Mengele, der "Experimente" an den Mädchen durchführt.
Eine wahre und äußerst schockierende Geschichte.
Eine wahre und äußerst schockierende Geschichte.
Klappentext zu „Ich habe den Todesengel überlebt “
Berührend und authentisch - eine der letzten Zeitzeuginnen erzählt. In »Ich habe den Todesengel überlebt« berichtet Eva Mozes Kor davon, wie sie mit ihrer Zwillingsschwester die menschenverachtenden Experimente des KZ-Arztes Mengele überlebte.Eva Mozes Kor ist zehn Jahre alt, als sie mit ihrer Familie nach Auschwitz verschleppt wird. Während die Eltern und zwei ältere Geschwister in den Gaskammern umkommen, geraten Eva und ihre Zwillingsschwester Miriam in die Hände des KZ-Arztes Mengele, der grausame »Experimente« an den Mädchen durchführt. Für Eva und ihre Schwester beginnt ein täglicher Überlebenskampf ...
Die wahre Geschichte einer Frau mit einem unbezwingbaren Überlebenswillen und dem Mut, die schlimmsten Taten zu vergeben.
Ein einmaliger Blick auf den Holocaust aus der Sicht einer Überlebenden des »Todesengels« Josef Mengele. Ausgestattet mit zahlreichen Fotos und einem bewegenden Nachwort der Autorin zu ihrem Engagement für Frieden und Freiheit in der Welt.
Ausstattung: Mit s/w Fotos
Lese-Probe zu „Ich habe den Todesengel überlebt “
Ich habe den Todesengel überlebt von Eva Mozes Kor und Lisa R. BuccieriProlog
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Die Waggontüren wurden zum ersten Mal seit vielen Tagen vollständig aufgerissen, das Tageslicht fiel wie ein Segen auf uns. Dutzende von Juden waren in diesen winzigen Viehwaggon gepfercht worden, der durch die Landschaft ratterte und uns immer weiter von unserer rumänischen Heimat fortbrachte. Verzweifelt drängten die Menschen nach draußen.
Ich hielt mich an der Hand meiner Zwillingsschwester fest, während wir auf die Rampe geschubst wurden, und wusste nicht, ob ich mich über unser Freikommen freuen oder vor dem Bevorstehenden fürchten sollte. Die frühe Morgenluft war eisig, ein kalter Wind biss durch den dünnen Stoff unserer exakt gleich geschneiderten weinroten Kleider hindurch in unsere bloßen Beine.
Ich wusste sofort, dass es sehr früh am Morgen war, die Sonne war noch kaum über den Horizont gestiegen. Wohin ich auch sah, standen hohe, spitze Stacheldrahtzäune. Hoch aufragende Wachtürme, aus denen SS-Männer lehnten und mit ihren Gewehren auf uns zielten. Wachhunde, die von anderen SS-Soldaten geführt wurden, zerrten an ihren Leinen, bellten und knurrten wie jener tollwütige Hund, den ich einmal auf dem Hof gesehen hatte, mit Schaum vor dem Mund und blitzend weißen scharfen Zähnen. Ich fühlte mein Herz hämmern. Die Hand meiner Schwester presste sich verschwitzt und warm an meine. Meine Eltern und unsere beiden großen Schwestern Edit und Aliz standen direkt neben uns, und ich hörte, wie meine Mutter meinem Vater laut zufl üsterte:
»Auschwitz? Das ist Auschwitz? Was für ein Ort ist das? Das ist doch nicht in Ungarn?«
»Wir sind im Deutschen Reich«, bekam sie zur Antwort.
Wir hatten die Grenze zum deutschen Territorium überschritten. Tatsächlich waren wir in Polen, aber die Deutschen hatten Polen besetzt. Im deutschen Polen befanden sich die Konzentrationslager. Man hatte uns nicht zum Arbeiten in ein ungarisches Arbeitslager gebracht, sondern zum Sterben in ein Konzentrationslager der Nazis. Bevor wir Zeit hatten, mit dieser Neuigkeit fertig zu werden, merkte ich, wie ich an den Schultern zur einen Seite der Rampe geschoben wurde.
»Schnell! Schnell!« Die SS-Wachen beorderten die verbleibenden Gefangenen aus dem Viehwaggon auf die große Rampe.
Miriam drängte sich noch dichter an mich, während wir herumdirigiert wurden. Das schwache Tageslicht wurde verdeckt und dann wieder sichtbar, weil größere Leute zuerst neben uns gepfercht und dann von den Wachen zur einen oder anderen Seite verfrachtet wurden. Es sah so aus, als würden sie einige von uns Gefangenen für eine Sache und einige für eine andere auswählen. Aber für was?
Unterdessen wurde es um uns herum immer lauter. Die NS-Wachen packten weitere Leute und zerrten sie nach rechts oder links auf die Selektionsrampe. Hunde knurrten und bellten. Die Menschen aus dem Viehwaggon fingen an zu weinen, zu rufen und zu schreien, alles gleichzeitig; jeder suchte nach Familienmitgliedern, da alle auseinandergerissen wurden. Männer wurden von Frauen getrennt, Kinder von Eltern. Der Morgen explodierte in ein einziges Chaos. Um uns bewegte sich alles immer schneller. Es war ein Tollhaus.
»Zwillinge! Zwillinge!« Unmittelbar darauf blieb ein Wachmann, der gerade vorbeigeeilt war, vor uns stehen. Er musterte Miriam und mich in unseren gleichen Kleidern.
»Sind das Zwillinge?«, fragte er Mama.
Sie zögerte. »Ist das gut?«
»Ja«, sagte der Wachmann.
»Sie sind Zwillinge«, antwortete Mama.
Ohne ein Wort packte er Miriam und mich und riss uns fort von Mama.
»Nein!«
»Mama! Mama! Nein!«
Miriam und ich schrien und weinten, reckten die Hände nach unserer Mutter, die ebenfalls mit ausgestreckten Armen darum kämpfte, uns zu folgen, aber von einem Wachmann festgehalten wurde. Er schleuderte sie roh zur anderen Seite der Rampe.
Wir brüllten.
Wir weinten.
Wir flehten, unsere Stimmen verloren inmitten von Chaos, Lärm und Verzweifl ung.
Doch wie sehr wir auch weinten, wie laut wir schrien, es änderte nichts. Wegen jener gleich geschneiderten weinroten Kleider, weil wir als eineiige Zwillinge so leicht in der Menge schmutziger, erschöpfter jüdischer Gefangener auszumachen waren, hatte man Miriam und mich herausgepickt. Bald würden wir Josef Mengele Auge in Auge gegenüberstehen, dem NS-Arzt, der als »Todesengel« bekannt war. Er war es, der selektierte, wer auf der Rampe leben oder sterben sollte. Aber das wussten wir noch nicht. Wir wussten nur, dass wir urplötzlich allein waren. Wir waren erst zehn Jahre alt.
Und wir sahen Papa, Mama, Edit und Aliz nie wieder.
Erstes Kapitel
Miriam und ich waren eineiige Zwillinge, die jüngsten von vier Geschwistern. Hörte man meine älteren Schwestern neidvoll die Geschichte unserer Geburt erzählen, so wusste man sofort, dass wir beiden die Lieblinge der Familie waren. Was ist süßer, was niedlicher als eineiige Zwillingsmädchen?
Wir kamen am 31. Januar 1934 zur Welt, in dem kleinen Ort Portz im rumänischen Siebenbürgen, nahe der Grenze zu Ungarn. Seit unserer frühesten Kindheit liebte es unsere Mutter, uns mit identischen Kleidern auszustatten und riesige Schleifen in unsere Haare zu binden, damit die Leute sofort erkennen konnten, dass wir kleinen Leute Zwillinge waren. Sie setzte uns sogar zu Hause auf den Fenstersims; Passanten hielten uns dann für kostbare Puppen, nicht für lebendige Menschen.
Wir glichen einander so sehr, dass sie uns mit Kennzeichnungen versehen musste, um uns auseinanderzuhalten. Tanten, Onkel, Cousins oder Cousinen, die unseren Bauernhof besuchten, spielten gerne Ratespiele mit uns, sie versuchten herauszufi nden, wer von uns wer war. »Welche von euch ist Miriam? Welche ist Eva?«, rätselte ein verwirrter Onkel augenzwinkernd. Meine Mutter lächelte, voller Stolz über ihre perfekten Püppchen, und unsere beiden älteren Schwestern stöhnten wahrscheinlich. Übrigens rieten die meisten Leute falsch.
Als wir älter wurden und zur Schule gingen, nutzten wir unsere Eigenschaft als Zwillinge, um andere hinters Licht zu führen, was für uns ein Riesenspaß war. Und wir machten uns, wann immer wir konnten, zunutze, dass wir etwas so Kostbares und Einzigartiges waren.
Obwohl Papa streng war und uns und unsere Mutter an die Gefahren übertriebener Eitelkeit erinnerte - er hob hervor, dass selbst die Bibel davor warnte -, legte Mama besonderen Wert auf unser Äußeres. Sie ließ eigens für uns Kleider schneidern, so wie es heute die Reichen bei Modedesignern machen lassen. Sie bestellte Stoffe in der Stadt, und wenn sie eintrafen, nahm sie Miriam und mich und unsere beiden älteren Schwestern, Edit und Aliz, ins benachbarte Dorf Szeplak zu einer Schneiderin mit. In deren Haus durften wir Mädchen sehnsuchtsvoll Magazine studieren, in denen Models, nach der neuesten Mode gekleidet, abgebildet waren. Doch war es unsere Mutter, welche die letzte Entscheidung bezüglich Schnitt und Farbe unserer Kleider traf; zu jener Zeit trugen Mädchen ja nur Kleider, nie Hosen oder Latzhosen wie die Jungen. Und immer wählte unsere Mutter weinrot, hellblau und rosa für uns. Nachdem die Schneiderin an uns Maß genommen hatte, vereinbarten wir einen Termin zur Anprobe, und wenn wir dann wieder kamen, waren die Kleider für uns fertig zum Anziehen. Der Schnitt und die Farbe beider Kleider war stets genau gleich, zwei Teile, die ein perfekt übereinstimmendes Paar ergaben.
Mochten andere Leute sich auch von unserem Aussehen als eineiige Zwillinge verwirren lassen, unser Vater konnte Miriam und mich aufgrund unserer Persönlichkeit auseinanderhalten. An der Art, wie ich mich bewegte, einer Geste, die ich machte, oder sobald ich den Mund zum Reden öffnete, war ihm klar, wer ich war. Obwohl meine Schwester als Erste auf die Welt gekommen war, war ich die Anführerin. Ich nahm auch kein Blatt vor den Mund. Und jedes Mal, wenn wir Papa um etwas bitten mussten, schickte meine älteste Schwester Edit mich vor.
Mein Vater, ein strenggläubiger Jude, hatte immer einen Jungen gewollt, denn damals konnte nur ein Sohn am öffentlichen Gottesdienst teilnehmen und das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprechen, wenn ein Mensch gestorben war. Papa aber hatte keinen Sohn, nur meine Schwestern und mich. Da ich die jüngere der beiden Zwillinge und sein letztes Kind war, schaute er mich oft an und sagte: »Du hättest ein Junge werden sollen.« Ich glaube, er wollte damit sagen, ich sei seine letzte Chance gewesen, einen Jungen zu bekommen. Mein Charakter untermauerte das unmittelbar: Ich war stark und mutig und sagte meine Meinung recht deutlich - genau, wie er sich wohl einen Sohn vorgestellt haben mag.
Während mich diese stärkere Persönlichkeit von den anderen abhob, hatte sie auch ihre Schattenseiten. Ich hatte das Gefühl, dass mein Vater alles an mir verkehrt fand; nichts, was ich tat, schien ihm zu gefallen. So manches Mal stritten und debattierten wir, wobei auch ich nicht bereit war nachzugeben. Für mich reichte es nicht als Antwort, dass mein Vater recht hatte, nur weil er ein Mann und mein Vater und der Vorstand des Haushalts war. Wir schienen also nie einer Meinung zu sein, Papa und ich.
Ich erhielt eindeutig mehr Aufmerksamkeit von ihm als Miriam oder meine anderen Schwestern, doch war es nicht immer die Art von Aufmerksamkeit, die ich mir gewünscht hätte. Ich hatte nie gelernt, die Wahrheit mit harmlosen kleinen Lügen zu umgehen, deshalb war ich ständig in Schwierigkeiten. Ich erinnere mich, wie ich manchmal auf Zehenspitzen im Haus umherschlich, um meinem Vater aus dem Weg zu gehen, weil er mich und mein vorlautes Mundwerk zweifellos oft satthatte.
Rückblickend allerdings wird mir bewusst, dass meine Streitigkeiten mit Papa mich abhärteten, mich noch stärker machten. Ich lernte, Autoritäten ein Schnippchen zu schlagen. Diese Kämpfe mit meinem Vater bereiteten mich, ohne dass ich es wusste, auf das Kommende vor.
Meine Mutter war ganz anders als mein Vater. Sie war recht gebildet für eine Frau in der damaligen Zeit, denn nicht alle Mädchen durften ja zur Schule gehen. Insbesondere unter gläubigen Juden erwartete man zu jener Zeit von den Mädchen und Frauen meist, dass sie sich um Heim und Familie kümmerten, während Bildung und Studium den Jungen vorbehalten waren. Und während meine Mutter dafür sorgte, dass wir lesen, schreiben und rechnen lernten und uns Geschichtswissen und Sprachen aneigneten, lehrte sie uns doch gleichzeitig, uns auch um andere in unserer Gemeinde zu kümmern.
Wir waren die einzige jüdische Familie in Portz, unserem Dorf, und pflegten mit allen freundlichen Umgang. Meine Mutter erfuhr alle lokalen Neuigkeiten, und häufig half sie unseren Nachbarn, vor allem schwangeren jungen Frauen, wenn sie in Not waren. Sie brachte ihnen Nudeln oder Kuchen, half ihnen im Haushalt, wenn sie krank waren, gab ihnen Ratschläge zur Kindererziehung und las ihnen Unterweisungen oder Briefe von anderen Familienmitgliedern vor. Mich und meine Schwestern lehrte sie, ihrem Beispiel zu folgen und den weniger Wohlhabenden unsere Hilfe anzubieten, insbesondere da es uns besser ging als vielen anderen Leuten in unserem kleinen Bauerndorf.
Dennoch verbreitete sich schon fast seit unserer Geburt Antisemitismus in Rumänien, unserem Land. Das bedeutete, dass die meisten Menschen um uns herum keine Juden mochten, ganz einfach weil sie Juden waren. Wir Kinder waren uns des Antisemitismus nie bewusst, bis 1940, als die ungarische Armee kam.
Einmal erzählte uns mein Vater von einem antisemitischen Vorfall, etwas, das ihm selbst 1935 zugestoßen war, als Miriam und ich gerade ein Jahr alt waren. In jenem Jahr schürte die Eiserne Garde - eine gewaltbereite, antisemitische Partei, die die dörflichen Amtsstuben, die Polizei und die Zeitungen kontrollierte - Hass gegen Juden, indem sie unwahre Geschichten über deren Verderbtheit erfand, wonach sie, die Juden, andere zu betrügen trachteten und nach der Weltherrschaft strebten. Mein Vater und sein Bruder Aaron wurden von der rumänischen Eisernen Garde ins Gefängnis geworfen unter der Anklage, Steuern hinterzogen zu haben. Dabei war dies eine reine Lüge; sie hatten stets ihre Steuern bezahlt. Sie wurden nur deshalb herausgegriffen und eingesperrt, weil sie Juden waren.
Papa erzählte uns, dass er und Aaron, als sie aus dem Gefängnis kamen, nach Palästina zu reisen beschlossen - sie wollten sehen, ob sie sich dort eine Existenz aufbauen konnten. Palästina war einst eine Landfläche im Mittleren Osten gewesen, auf der die Juden vor ihrer Vertreibung zur Zeit des Römischen Reichs lebten; vor allem in Zeiten der Verfolgung wurde Palästina stets von vielen Juden als Heimat betrachtet. Ein Teil der Landfläche war zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts für jüdische Einwanderer reserviert worden, und 1948 wurde dort schließlich der unabhängige Staat Israel gegründet.
Mein Vater und Onkel Aaron blieben ein paar Monate in Palästina und kamen dann nach Rumänien zurück. Nach ihrer Heimkehr verkauften Onkel Aaron und seine Frau ihre gesamten Ländereien und Habseligkeiten und planten ihre Auswanderung oder ihren Wegzug.
Papa drängte Mama, ebenfalls das Land zu verlassen und sich in Palästina anzusiedeln. »Es ist gut dort«, sagte er. »Das Land ist warm. Es gibt jede Menge Arbeitsstellen.«
»Nein«, protestierte sie. »Mit vier kleinen Kindern kann ich nicht umziehen.«
»Wir müssen jetzt fort, bevor es hier für uns schlimmer wird«, drängte mein Vater, der in Sorge war wegen der Nachrichten, die er über zunehmende Judenverfolgung im gesamten Land und in Europa hörte.
»Was soll ich dort? Wie würden wir uns zurechtfinden? Ich habe keine Lust, in der Wüste zu leben«, sagte meine Mutter. Und wie Mütter manchmal sind, sprach sie ein Machtwort und weigerte sich zu gehen. Ich habe mich oft gefragt, wie unser Leben verlaufen wäre, hätte sie eingelenkt.
In unserem kleinen rumänischen Dorf lebten wir in einem freundlichen Haus auf einem weitläufigen Gehöft. Wir hatten mehrere hundert Hektar Felder mit Weizen, Mais, Bohnen und Kartoffeln. Wir hatten Kühe und Schafe, von denen wir Käse und Milch gewannen. Wir hatten einen großen Weinberg und produzierten Wein. Wir hatten hektarweise Obstgärten, die uns Äpfel, Pflaumen und Pfirsiche schenkten und saftige Kirschen in dreierlei Farben: rot, schwarz und weiß. Im Sommer verwandelten sich diese Kirschen für uns in wunderschöne Ohrringe, mit denen wir so taten, als seien wir schick herausgeputzte Damen. Mama liebte auch ihren Blumengarten vor dem Haus und ihren Gemüsegarten dahinter, dazu ihre Kühe, Hühner und Gänse.
Was ihr aber am meisten zu schaffen machte, war der Gedanke, ihre Mutter zurückzulassen. Wir Kinder liebten es, Großmutter und Großvater Hersh zu besuchen. Und meine Mutter fühlte sich als einzige Tochter dafür verantwortlich, sich um Großmutter Hersh zu kümmern, die nicht bei bester Gesundheit war und oft Mamas Hilfe brauchte.
»Abgesehen davon sind wir hier sicher«, sagte meine Mutter. Sie glaubte wirklich, die Gerüchte, Juden würden von den Deutschen und ihrem neuen Staatsoberhaupt Adolf Hitler verfolgt, seien eben nur dies: Gerüchte. Sie sah keine Notwendigkeit, nach Palästina oder Amerika zu fliehen, Orte der Sicherheit für jüdische Menschen wie uns. Also blieben wir in Portz.
Portz, ein überwiegend christliches Dorf mit einhundert Familien, hatte einen Pfarrer. Die Tochter des Pfarrers, Luci, war unsere beste Freundin; sowohl Miriam als auch ich liebten es, mit ihr zu spielen. Im Sommer kletterten wir in die Bäume des Obstgartens, lasen Geschichten und führten Stücke in einem kleinen Theater auf, das wir errichteten, indem wir ein Betttuch zwischen zwei Bäumen aufspannten. Im Winter halfen wir Luci sogar, ihren Weihnachtsbaum zu schmücken - das verschwiegen wir unserem Vater, denn er wäre nicht damit einverstanden gewesen.
...
Übersetzung: Barbara Küper
© 2012 cbj Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Die Waggontüren wurden zum ersten Mal seit vielen Tagen vollständig aufgerissen, das Tageslicht fiel wie ein Segen auf uns. Dutzende von Juden waren in diesen winzigen Viehwaggon gepfercht worden, der durch die Landschaft ratterte und uns immer weiter von unserer rumänischen Heimat fortbrachte. Verzweifelt drängten die Menschen nach draußen.
Ich hielt mich an der Hand meiner Zwillingsschwester fest, während wir auf die Rampe geschubst wurden, und wusste nicht, ob ich mich über unser Freikommen freuen oder vor dem Bevorstehenden fürchten sollte. Die frühe Morgenluft war eisig, ein kalter Wind biss durch den dünnen Stoff unserer exakt gleich geschneiderten weinroten Kleider hindurch in unsere bloßen Beine.
Ich wusste sofort, dass es sehr früh am Morgen war, die Sonne war noch kaum über den Horizont gestiegen. Wohin ich auch sah, standen hohe, spitze Stacheldrahtzäune. Hoch aufragende Wachtürme, aus denen SS-Männer lehnten und mit ihren Gewehren auf uns zielten. Wachhunde, die von anderen SS-Soldaten geführt wurden, zerrten an ihren Leinen, bellten und knurrten wie jener tollwütige Hund, den ich einmal auf dem Hof gesehen hatte, mit Schaum vor dem Mund und blitzend weißen scharfen Zähnen. Ich fühlte mein Herz hämmern. Die Hand meiner Schwester presste sich verschwitzt und warm an meine. Meine Eltern und unsere beiden großen Schwestern Edit und Aliz standen direkt neben uns, und ich hörte, wie meine Mutter meinem Vater laut zufl üsterte:
»Auschwitz? Das ist Auschwitz? Was für ein Ort ist das? Das ist doch nicht in Ungarn?«
»Wir sind im Deutschen Reich«, bekam sie zur Antwort.
Wir hatten die Grenze zum deutschen Territorium überschritten. Tatsächlich waren wir in Polen, aber die Deutschen hatten Polen besetzt. Im deutschen Polen befanden sich die Konzentrationslager. Man hatte uns nicht zum Arbeiten in ein ungarisches Arbeitslager gebracht, sondern zum Sterben in ein Konzentrationslager der Nazis. Bevor wir Zeit hatten, mit dieser Neuigkeit fertig zu werden, merkte ich, wie ich an den Schultern zur einen Seite der Rampe geschoben wurde.
»Schnell! Schnell!« Die SS-Wachen beorderten die verbleibenden Gefangenen aus dem Viehwaggon auf die große Rampe.
Miriam drängte sich noch dichter an mich, während wir herumdirigiert wurden. Das schwache Tageslicht wurde verdeckt und dann wieder sichtbar, weil größere Leute zuerst neben uns gepfercht und dann von den Wachen zur einen oder anderen Seite verfrachtet wurden. Es sah so aus, als würden sie einige von uns Gefangenen für eine Sache und einige für eine andere auswählen. Aber für was?
Unterdessen wurde es um uns herum immer lauter. Die NS-Wachen packten weitere Leute und zerrten sie nach rechts oder links auf die Selektionsrampe. Hunde knurrten und bellten. Die Menschen aus dem Viehwaggon fingen an zu weinen, zu rufen und zu schreien, alles gleichzeitig; jeder suchte nach Familienmitgliedern, da alle auseinandergerissen wurden. Männer wurden von Frauen getrennt, Kinder von Eltern. Der Morgen explodierte in ein einziges Chaos. Um uns bewegte sich alles immer schneller. Es war ein Tollhaus.
»Zwillinge! Zwillinge!« Unmittelbar darauf blieb ein Wachmann, der gerade vorbeigeeilt war, vor uns stehen. Er musterte Miriam und mich in unseren gleichen Kleidern.
»Sind das Zwillinge?«, fragte er Mama.
Sie zögerte. »Ist das gut?«
»Ja«, sagte der Wachmann.
»Sie sind Zwillinge«, antwortete Mama.
Ohne ein Wort packte er Miriam und mich und riss uns fort von Mama.
»Nein!«
»Mama! Mama! Nein!«
Miriam und ich schrien und weinten, reckten die Hände nach unserer Mutter, die ebenfalls mit ausgestreckten Armen darum kämpfte, uns zu folgen, aber von einem Wachmann festgehalten wurde. Er schleuderte sie roh zur anderen Seite der Rampe.
Wir brüllten.
Wir weinten.
Wir flehten, unsere Stimmen verloren inmitten von Chaos, Lärm und Verzweifl ung.
Doch wie sehr wir auch weinten, wie laut wir schrien, es änderte nichts. Wegen jener gleich geschneiderten weinroten Kleider, weil wir als eineiige Zwillinge so leicht in der Menge schmutziger, erschöpfter jüdischer Gefangener auszumachen waren, hatte man Miriam und mich herausgepickt. Bald würden wir Josef Mengele Auge in Auge gegenüberstehen, dem NS-Arzt, der als »Todesengel« bekannt war. Er war es, der selektierte, wer auf der Rampe leben oder sterben sollte. Aber das wussten wir noch nicht. Wir wussten nur, dass wir urplötzlich allein waren. Wir waren erst zehn Jahre alt.
Und wir sahen Papa, Mama, Edit und Aliz nie wieder.
Erstes Kapitel
Miriam und ich waren eineiige Zwillinge, die jüngsten von vier Geschwistern. Hörte man meine älteren Schwestern neidvoll die Geschichte unserer Geburt erzählen, so wusste man sofort, dass wir beiden die Lieblinge der Familie waren. Was ist süßer, was niedlicher als eineiige Zwillingsmädchen?
Wir kamen am 31. Januar 1934 zur Welt, in dem kleinen Ort Portz im rumänischen Siebenbürgen, nahe der Grenze zu Ungarn. Seit unserer frühesten Kindheit liebte es unsere Mutter, uns mit identischen Kleidern auszustatten und riesige Schleifen in unsere Haare zu binden, damit die Leute sofort erkennen konnten, dass wir kleinen Leute Zwillinge waren. Sie setzte uns sogar zu Hause auf den Fenstersims; Passanten hielten uns dann für kostbare Puppen, nicht für lebendige Menschen.
Wir glichen einander so sehr, dass sie uns mit Kennzeichnungen versehen musste, um uns auseinanderzuhalten. Tanten, Onkel, Cousins oder Cousinen, die unseren Bauernhof besuchten, spielten gerne Ratespiele mit uns, sie versuchten herauszufi nden, wer von uns wer war. »Welche von euch ist Miriam? Welche ist Eva?«, rätselte ein verwirrter Onkel augenzwinkernd. Meine Mutter lächelte, voller Stolz über ihre perfekten Püppchen, und unsere beiden älteren Schwestern stöhnten wahrscheinlich. Übrigens rieten die meisten Leute falsch.
Als wir älter wurden und zur Schule gingen, nutzten wir unsere Eigenschaft als Zwillinge, um andere hinters Licht zu führen, was für uns ein Riesenspaß war. Und wir machten uns, wann immer wir konnten, zunutze, dass wir etwas so Kostbares und Einzigartiges waren.
Obwohl Papa streng war und uns und unsere Mutter an die Gefahren übertriebener Eitelkeit erinnerte - er hob hervor, dass selbst die Bibel davor warnte -, legte Mama besonderen Wert auf unser Äußeres. Sie ließ eigens für uns Kleider schneidern, so wie es heute die Reichen bei Modedesignern machen lassen. Sie bestellte Stoffe in der Stadt, und wenn sie eintrafen, nahm sie Miriam und mich und unsere beiden älteren Schwestern, Edit und Aliz, ins benachbarte Dorf Szeplak zu einer Schneiderin mit. In deren Haus durften wir Mädchen sehnsuchtsvoll Magazine studieren, in denen Models, nach der neuesten Mode gekleidet, abgebildet waren. Doch war es unsere Mutter, welche die letzte Entscheidung bezüglich Schnitt und Farbe unserer Kleider traf; zu jener Zeit trugen Mädchen ja nur Kleider, nie Hosen oder Latzhosen wie die Jungen. Und immer wählte unsere Mutter weinrot, hellblau und rosa für uns. Nachdem die Schneiderin an uns Maß genommen hatte, vereinbarten wir einen Termin zur Anprobe, und wenn wir dann wieder kamen, waren die Kleider für uns fertig zum Anziehen. Der Schnitt und die Farbe beider Kleider war stets genau gleich, zwei Teile, die ein perfekt übereinstimmendes Paar ergaben.
Mochten andere Leute sich auch von unserem Aussehen als eineiige Zwillinge verwirren lassen, unser Vater konnte Miriam und mich aufgrund unserer Persönlichkeit auseinanderhalten. An der Art, wie ich mich bewegte, einer Geste, die ich machte, oder sobald ich den Mund zum Reden öffnete, war ihm klar, wer ich war. Obwohl meine Schwester als Erste auf die Welt gekommen war, war ich die Anführerin. Ich nahm auch kein Blatt vor den Mund. Und jedes Mal, wenn wir Papa um etwas bitten mussten, schickte meine älteste Schwester Edit mich vor.
Mein Vater, ein strenggläubiger Jude, hatte immer einen Jungen gewollt, denn damals konnte nur ein Sohn am öffentlichen Gottesdienst teilnehmen und das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprechen, wenn ein Mensch gestorben war. Papa aber hatte keinen Sohn, nur meine Schwestern und mich. Da ich die jüngere der beiden Zwillinge und sein letztes Kind war, schaute er mich oft an und sagte: »Du hättest ein Junge werden sollen.« Ich glaube, er wollte damit sagen, ich sei seine letzte Chance gewesen, einen Jungen zu bekommen. Mein Charakter untermauerte das unmittelbar: Ich war stark und mutig und sagte meine Meinung recht deutlich - genau, wie er sich wohl einen Sohn vorgestellt haben mag.
Während mich diese stärkere Persönlichkeit von den anderen abhob, hatte sie auch ihre Schattenseiten. Ich hatte das Gefühl, dass mein Vater alles an mir verkehrt fand; nichts, was ich tat, schien ihm zu gefallen. So manches Mal stritten und debattierten wir, wobei auch ich nicht bereit war nachzugeben. Für mich reichte es nicht als Antwort, dass mein Vater recht hatte, nur weil er ein Mann und mein Vater und der Vorstand des Haushalts war. Wir schienen also nie einer Meinung zu sein, Papa und ich.
Ich erhielt eindeutig mehr Aufmerksamkeit von ihm als Miriam oder meine anderen Schwestern, doch war es nicht immer die Art von Aufmerksamkeit, die ich mir gewünscht hätte. Ich hatte nie gelernt, die Wahrheit mit harmlosen kleinen Lügen zu umgehen, deshalb war ich ständig in Schwierigkeiten. Ich erinnere mich, wie ich manchmal auf Zehenspitzen im Haus umherschlich, um meinem Vater aus dem Weg zu gehen, weil er mich und mein vorlautes Mundwerk zweifellos oft satthatte.
Rückblickend allerdings wird mir bewusst, dass meine Streitigkeiten mit Papa mich abhärteten, mich noch stärker machten. Ich lernte, Autoritäten ein Schnippchen zu schlagen. Diese Kämpfe mit meinem Vater bereiteten mich, ohne dass ich es wusste, auf das Kommende vor.
Meine Mutter war ganz anders als mein Vater. Sie war recht gebildet für eine Frau in der damaligen Zeit, denn nicht alle Mädchen durften ja zur Schule gehen. Insbesondere unter gläubigen Juden erwartete man zu jener Zeit von den Mädchen und Frauen meist, dass sie sich um Heim und Familie kümmerten, während Bildung und Studium den Jungen vorbehalten waren. Und während meine Mutter dafür sorgte, dass wir lesen, schreiben und rechnen lernten und uns Geschichtswissen und Sprachen aneigneten, lehrte sie uns doch gleichzeitig, uns auch um andere in unserer Gemeinde zu kümmern.
Wir waren die einzige jüdische Familie in Portz, unserem Dorf, und pflegten mit allen freundlichen Umgang. Meine Mutter erfuhr alle lokalen Neuigkeiten, und häufig half sie unseren Nachbarn, vor allem schwangeren jungen Frauen, wenn sie in Not waren. Sie brachte ihnen Nudeln oder Kuchen, half ihnen im Haushalt, wenn sie krank waren, gab ihnen Ratschläge zur Kindererziehung und las ihnen Unterweisungen oder Briefe von anderen Familienmitgliedern vor. Mich und meine Schwestern lehrte sie, ihrem Beispiel zu folgen und den weniger Wohlhabenden unsere Hilfe anzubieten, insbesondere da es uns besser ging als vielen anderen Leuten in unserem kleinen Bauerndorf.
Dennoch verbreitete sich schon fast seit unserer Geburt Antisemitismus in Rumänien, unserem Land. Das bedeutete, dass die meisten Menschen um uns herum keine Juden mochten, ganz einfach weil sie Juden waren. Wir Kinder waren uns des Antisemitismus nie bewusst, bis 1940, als die ungarische Armee kam.
Einmal erzählte uns mein Vater von einem antisemitischen Vorfall, etwas, das ihm selbst 1935 zugestoßen war, als Miriam und ich gerade ein Jahr alt waren. In jenem Jahr schürte die Eiserne Garde - eine gewaltbereite, antisemitische Partei, die die dörflichen Amtsstuben, die Polizei und die Zeitungen kontrollierte - Hass gegen Juden, indem sie unwahre Geschichten über deren Verderbtheit erfand, wonach sie, die Juden, andere zu betrügen trachteten und nach der Weltherrschaft strebten. Mein Vater und sein Bruder Aaron wurden von der rumänischen Eisernen Garde ins Gefängnis geworfen unter der Anklage, Steuern hinterzogen zu haben. Dabei war dies eine reine Lüge; sie hatten stets ihre Steuern bezahlt. Sie wurden nur deshalb herausgegriffen und eingesperrt, weil sie Juden waren.
Papa erzählte uns, dass er und Aaron, als sie aus dem Gefängnis kamen, nach Palästina zu reisen beschlossen - sie wollten sehen, ob sie sich dort eine Existenz aufbauen konnten. Palästina war einst eine Landfläche im Mittleren Osten gewesen, auf der die Juden vor ihrer Vertreibung zur Zeit des Römischen Reichs lebten; vor allem in Zeiten der Verfolgung wurde Palästina stets von vielen Juden als Heimat betrachtet. Ein Teil der Landfläche war zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts für jüdische Einwanderer reserviert worden, und 1948 wurde dort schließlich der unabhängige Staat Israel gegründet.
Mein Vater und Onkel Aaron blieben ein paar Monate in Palästina und kamen dann nach Rumänien zurück. Nach ihrer Heimkehr verkauften Onkel Aaron und seine Frau ihre gesamten Ländereien und Habseligkeiten und planten ihre Auswanderung oder ihren Wegzug.
Papa drängte Mama, ebenfalls das Land zu verlassen und sich in Palästina anzusiedeln. »Es ist gut dort«, sagte er. »Das Land ist warm. Es gibt jede Menge Arbeitsstellen.«
»Nein«, protestierte sie. »Mit vier kleinen Kindern kann ich nicht umziehen.«
»Wir müssen jetzt fort, bevor es hier für uns schlimmer wird«, drängte mein Vater, der in Sorge war wegen der Nachrichten, die er über zunehmende Judenverfolgung im gesamten Land und in Europa hörte.
»Was soll ich dort? Wie würden wir uns zurechtfinden? Ich habe keine Lust, in der Wüste zu leben«, sagte meine Mutter. Und wie Mütter manchmal sind, sprach sie ein Machtwort und weigerte sich zu gehen. Ich habe mich oft gefragt, wie unser Leben verlaufen wäre, hätte sie eingelenkt.
In unserem kleinen rumänischen Dorf lebten wir in einem freundlichen Haus auf einem weitläufigen Gehöft. Wir hatten mehrere hundert Hektar Felder mit Weizen, Mais, Bohnen und Kartoffeln. Wir hatten Kühe und Schafe, von denen wir Käse und Milch gewannen. Wir hatten einen großen Weinberg und produzierten Wein. Wir hatten hektarweise Obstgärten, die uns Äpfel, Pflaumen und Pfirsiche schenkten und saftige Kirschen in dreierlei Farben: rot, schwarz und weiß. Im Sommer verwandelten sich diese Kirschen für uns in wunderschöne Ohrringe, mit denen wir so taten, als seien wir schick herausgeputzte Damen. Mama liebte auch ihren Blumengarten vor dem Haus und ihren Gemüsegarten dahinter, dazu ihre Kühe, Hühner und Gänse.
Was ihr aber am meisten zu schaffen machte, war der Gedanke, ihre Mutter zurückzulassen. Wir Kinder liebten es, Großmutter und Großvater Hersh zu besuchen. Und meine Mutter fühlte sich als einzige Tochter dafür verantwortlich, sich um Großmutter Hersh zu kümmern, die nicht bei bester Gesundheit war und oft Mamas Hilfe brauchte.
»Abgesehen davon sind wir hier sicher«, sagte meine Mutter. Sie glaubte wirklich, die Gerüchte, Juden würden von den Deutschen und ihrem neuen Staatsoberhaupt Adolf Hitler verfolgt, seien eben nur dies: Gerüchte. Sie sah keine Notwendigkeit, nach Palästina oder Amerika zu fliehen, Orte der Sicherheit für jüdische Menschen wie uns. Also blieben wir in Portz.
Portz, ein überwiegend christliches Dorf mit einhundert Familien, hatte einen Pfarrer. Die Tochter des Pfarrers, Luci, war unsere beste Freundin; sowohl Miriam als auch ich liebten es, mit ihr zu spielen. Im Sommer kletterten wir in die Bäume des Obstgartens, lasen Geschichten und führten Stücke in einem kleinen Theater auf, das wir errichteten, indem wir ein Betttuch zwischen zwei Bäumen aufspannten. Im Winter halfen wir Luci sogar, ihren Weihnachtsbaum zu schmücken - das verschwiegen wir unserem Vater, denn er wäre nicht damit einverstanden gewesen.
...
Übersetzung: Barbara Küper
© 2012 cbj Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
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Autoren-Porträt von Eva Mozes Kor, Lisa R. Buccieri
Eva Mozes Kor (1934-2019) war eine Überlebende des Holocausts und wurde zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Miriam von Josef Mengele für menschenverachtende medizinische Experimente missbraucht. Sie war eine international gefragte Referentin zu den Themen Holocaust, Menschenrechte und Ethik in der Medizin. Der Dokumentarfilm »Forgiving Dr. Mengele« erzählt von ihrem Schaffen. Lisa Rojany Buccieri hat über 100 Kinderbücher verfasst, darunter mehrere Bestseller und preisgekrönte Werke. Sie arbeitet zudem als Lektorin und ist seit mehr als 20 Jahren in der Branche tätig. Lisa Rojany Buccieri lebt mit ihrer Familie in Los Angeles. Weitere Informationen zur Autorin unter www.EditorialServicesofLA.com Barbara Küper hat nach dem Studium der Germanistik und Anglistik als Lektorin, Lizenzmanagerin und Programmleiterin in deutschen Kinder- und Jugendbuchverlagen gearbeitet. 2002 machte sie sich als Literaturagentin und Übersetzerin selbstständig. Inzwischen hat sie weit über 30 Titel aus dem Englischen übersetzt.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Eva Mozes Kor , Lisa R. Buccieri
- Altersempfehlung: Ab 12 Jahre
- 2012, Deutsche Erstausgabe, 222 Seiten, mit Schwarz-Weiss-Abbildungen, mit Abbildungen, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Barbara Küper
- Verlag: cbt
- ISBN-10: 357040109X
- ISBN-13: 9783570401095
- Erscheinungsdatum: 05.01.2012
Rezension zu „Ich habe den Todesengel überlebt “
»Eva Mozes Kors grosses Thema ist die Vergebung.«
Pressezitat
»Pflichtlektüre!« Markus Lanz
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