Ich bleibe bei dir
Roman. Deutsche Erstausgabe
Buddy und wie er die Welt sah
Buddy ist ein guter Hund. Als er beobachtet, wie die kleine Clarity in ernsthafte Schwierigkeiten gerät, ist ihm klar: Dieses Mädchen braucht einen Hund, der es beschützt, und das wäre nur zu gerne er...
Buddy ist ein guter Hund. Als er beobachtet, wie die kleine Clarity in ernsthafte Schwierigkeiten gerät, ist ihm klar: Dieses Mädchen braucht einen Hund, der es beschützt, und das wäre nur zu gerne er...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Ich bleibe bei dir “
Buddy und wie er die Welt sah
Buddy ist ein guter Hund. Als er beobachtet, wie die kleine Clarity in ernsthafte Schwierigkeiten gerät, ist ihm klar: Dieses Mädchen braucht einen Hund, der es beschützt, und das wäre nur zu gerne er selbst. Doch erst viele Jahre später wird sein Wunsch wahr, und Clarity, die nun ein temperamentvoller Teenager ist und einige Sorgen mit sich herumträgt, nimmt ihn auf. Allerdings heimlich und gegen den Willen ihrer herrischen Mutter. Buddy ist überglücklich, aber dann werden sie getrennt. Wer wird nun auf sein Mädchen aufpassen?
Buddy ist ein guter Hund. Als er beobachtet, wie die kleine Clarity in ernsthafte Schwierigkeiten gerät, ist ihm klar: Dieses Mädchen braucht einen Hund, der es beschützt, und das wäre nur zu gerne er selbst. Doch erst viele Jahre später wird sein Wunsch wahr, und Clarity, die nun ein temperamentvoller Teenager ist und einige Sorgen mit sich herumträgt, nimmt ihn auf. Allerdings heimlich und gegen den Willen ihrer herrischen Mutter. Buddy ist überglücklich, aber dann werden sie getrennt. Wer wird nun auf sein Mädchen aufpassen?
Klappentext zu „Ich bleibe bei dir “
Buddy und wie er die Welt sahBuddy ist ein guter Hund. Als er beobachtet, wie die kleine Clarity in ernsthafte Schwierigkeiten gerät, ist ihm klar: Dieses Mädchen braucht einen Hund, der es beschützt, und das wäre nur zu gerne er selbst. Doch erst viele Jahre später wird sein Wunsch wahr, und Clarity, die nun ein temperamentvoller Teenager ist und einige Sorgen mit sich herumträgt, nimmt ihn auf. Allerdings heimlich und gegen den Willen ihrer herrischen Mutter. Buddy ist überglücklich, aber dann werden sie getrennt. Wer wird nun auf sein Mädchen aufpassen?
Lese-Probe zu „Ich bleibe bei dir “
Ich bleibe bei dir von W. Bruce CameronEins
... mehr
Ich lag auf dem Anleger am Teich in der Sonne und wusste genau: Mein Name war Buddy, und ich war ein guter Hund.
Meine Beine waren noch immer schwarz wie der Rest meines Fells, nur an den Pfoten war ich im Lauf der Jahre ergraut. Hinter mir lag ein langes, erfülltes Leben mit Ethan, meinem Jungen, mit dem ich hier am Teich so viele schöne Nachmittage verbracht hatte beim Baden, Faulenzen und Entenankläffen.
Es war der zweite Sommer ohne Ethan. Als er starb, fühlte ich einen so schrecklichen Schmerz in mir wie nie zuvor. Zwar hatte er inzwischen etwas nachgelassen und fühlte sich nur noch wie starke Bauchschmerzen an, aber wirklich weg ging er nie. Nur manchmal im Schlaf vergaß ich meinen Kummer, wenn ich träumte, dass ich mit Ethan um die Wette rannte.
Ich war ein alter Hund und wusste, dass nun bald der tiefe Schlaf kommen würde, wie schon etliche Male zuvor. So wie damals, als ich Toby hieß und ein recht müßiges Leben führte, weil ich nur Spielen und Raufen im Sinn hatte. Oder in meinem Leben als Bailey, in dem ich meinen Jungen kennenlernte, den zu lieben der Sinn meines Lebens wurde. Und wie einst als Ellie, als meine Aufgabe darin bestand, zu arbeiten, Menschen zu suchen und zu retten. Wenn es nun am Ende meines Lebens als Buddy also Zeit für den tiefen Schlaf wurde, dann ging ich davon aus, dass danach kein weiteres Leben folgte. Ich hatte meine Bestimmung erfüllt und es gab für mich keinen Grund, weiterhin Hund zu sein. Ob der große Schlaf nun in diesem oder im nächsten Sommer kam, war nicht wichtig. Ethan zu lieben und für sein Wohl zu sorgen, war der Sinn meines Lebens gewesen, und diese Aufgabe hatte ich erfüllt, so gut ich das konnte. Ich war ein guter Hund.
Doch dann ...
Dann sah ich, während ich so dalag, eines der Kinder aus Ethans großer Familie auf wackligen Beinen auf das Ende des Stegs zusteuern. Es war ein kleines Mädchen, das noch nicht lange aufrecht ging und beim Laufen noch ziemlich wankte. Sie trug eine weiße bauschige Hose und ein dünnes Hemdchen. Bei dem Gedanken, sie an diesem winzigen Stofffetzen aus dem Wasser zu ziehen, entfuhr mir ein leises Winseln.
Die Mutter der Kleinen hieß Gloria. Sie war ebenfalls am Steg. Reglos lag sie auf einem nach hinten geklappten Stuhl mit Gemüsestückchen auf den Augen. Sie hatte eine Leine in der Hand gehalten, die zur Hüfte des kleinen Mädchens reichte, doch dann war die Leine plötzlich schlaff geworden und nun zog die Kleine sie hinter sich her, während sie geradewegs auf das Ende des Stegs zusteuerte.
Auch ich hatte als Welpe eine lockere Leine stets genutzt, um auf Entdeckungstour zu gehen, und das tat das Mädchen nun auch.
Gloria war schon zum zweiten Mal zu Besuch auf der Farm. Das erste Mal war sie im Winter gekommen, als Ethan noch lebte. Gloria hatte ihm das Baby gereicht und »Grandpa« gesagt. Nachdem Gloria und das Baby wieder fort waren, hörte ich Ethan und seine Gefährtin Hannah viele Abende lang den Namen Gloria aussprechen, und bei ihren Gesprächen schwangen traurige Gefühle mit.
Auch Claritys Namen sagten sie oft. Clarity war das Baby, aber Gloria rief sie manchmal Clarity June.
Ich war mir sicher, Ethan wollte, dass ich auf Clarity achtgab, die leider öfter in Schwierigkeiten geriet. Erst neulich war sie unters Vogelhäuschen gekrochen und hatte sich haufenweise die am Boden liegenden Körner in den Mund gestopft, während ich ziemlich belämmert daneben stand. Eine meiner Hauptaufgaben war es, Eichhörnchen einzuschüchtern, wenn sie sich übers Vogelfutter hermachten. Als ich Clarity dabei erwischte, wusste ich allerdings nicht so recht, was ich tun sollte, obwohl mir schon klar war, dass Kinder, die Vögeln das Futter wegaßen, garantiert gegen eine Regel verstießen. Und ich hatte recht, denn nachdem ich kurz gebellt hatte, schreckte Gloria hoch von dem Handtuch, auf dem sie mit dem Gesicht nach unten gelegen hatte, und war ziemlich wütend.
Auch jetzt sah ich zu Gloria hinüber. Sollte ich wieder bellen? Viele Kinder sprangen in den Teich, doch normalerweise waren sie älter als dieses kleine Mädchen, deren zielstrebige Schritte unweigerlich dazu führen mussten, im Wasser zu landen. Doch Babys im Teich waren nur auf den Armen von Erwachsenen erlaubt. Ich sah hinüber zum Haus. Hannah kniete in der Einfahrt und spielte wieder mit den Blumen; sie war zu weit weg, um Clarity zu helfen, falls sie in den Teich fiel. Ich war mir sicher, auch Hannah wollte, dass ich auf Clarity aufpasste. Das war jetzt wohl meine neue Bestimmung.
Das Baby hatte den Rand des Stegs fast erreicht. Ich winselte wieder, diesmal lauter.
»Sei still«, sagte Gloria, ohne das Gemüse von den Augen zu nehmen. Dieses Wort kannte ich nicht, doch der scharfe Ton war unmissverständlich.
Clarity drehte sich nicht einmal um. Am Ende des Stegs wankte sie kurz, dann fiel sie vornüber ins Wasser.
Meine Krallen gruben sich tief ins Holz, als ich von der Seite ins warme Wasser sprang. Claritys kleiner Körper bewegte sich im Wasser auf und ab. Wild ruderte sie mit Armen und Beinen, doch ihr Gesicht blieb dabei unter der Oberfläche. In Sekundenschnelle war ich bei ihr, schnappte mit den Zähnen vorsichtig nach dem Hemd und zog ihren Kopf aus dem Wasser. Dann paddelten wir in Richtung Ufer.
»Um Himmels willen! Clarity!«, schrie Gloria, rannte zu dem Sandstreifen am Ufer und watete in dem Augenblick ins Wasser, als ich schon wieder festen Grund unter den Füßen spürte.
»Böser Hund!«, rief sie und riss Clarity an sich. »Du bist ein böser Hund!«
Beschämt ließ ich den Kopf hängen.
»Gloria! Was ist passiert?« Hannah eilte aufgeregt herbei. »Dein Hund hat das Baby in den Teich gestoßen! Clarity wäre fast ertrunken, ich musste ins Wasser springen, um sie zu retten und bin dabei ganz nass geworden!«
Die Aufregung in ihrer Stimme war unüberhörbar.
»Buddy?«, fragte Hannah ungläubig.
Ich wagte es nicht, sie anzusehen. Also wippte ich ein bisschen mit dem Schwanz und spritzte dabei Wasser auf. Nun waren alle böse auf mich, obwohl ich nicht wusste, was ich falsch gemacht hatte.
Alle außer Clarity. Ich riskierte einen Blick zu ihr hinüber, weil ich merkte, dass sie sich aus den Armen ihrer Mutter wand und ihre kleinen Hände nach mir ausstreckte.
»Bubby«, gluckste sie und aus ihrer Hose floss das Wasser in Strömen. Ich senkte den Blick.
Gloria blies laut Luft aus. »Hannah, kannst du dich um sie kümmern? Ihre Windel ist nass. Ich muss mich noch ein paar Minuten auf den Bauch legen, damit ich vorn und hinten gleich braun werde.«
»Natürlich«, sagte Hannah. »Komm, Buddy!« Wenigstens war das nun geklärt. Schwanzwedelnd hüpfte ich aus dem Wasser.
»Wage es nicht, dich zu schütteln!«, rief Gloria und machte ein paar Trippelschritte rückwärts. Den warnenden Ton in ihrer Stimme hörte ich zwar, aber ich hatte keine Ahnung, was sie mir sagen wollte. Also schüttelte ich mich kräftig, um wieder trocken zu werden.
»Wie ekelhaft!«, kreischte Gloria. Mit ausgestrecktem Finger hielt sie eine strenge Rede mit vielen unbekannten Wörtern. Nur hin und wieder verstand ich »böser Hund«. Blinzelnd senkte ich den Kopf.
»Buddy, komm«, sagte Hannah. Ihre Stimme klang freundlich. Gehorsam folgte ich ihnen zum Haus.
»Bubby«, sagte Clarity immer wieder, »Bubby.«
An der Verandatreppe am Haus hielt ich inne, weil ich diesen unangenehmen Geschmack wieder im Mund hatte. Er erinnerte mich an damals, als ich eine kleine Dose mit süß duftenden Aromen aus dem Müll gezogen hatte. Nachdem ich alles aufgeleckt hatte, versuchte ich, an dem dünnen Metall herumzunagen. Da es ziemlich scheußlich schmeckte, spuckte ich es sofort wieder aus. Doch diesen Geschmack jetzt konnte ich nicht einfach ausspucken, weil er auf meiner Zunge lag und mir von dort aus in die Nase stieg.
»Was ist, Buddy?« Hannah stand oben an der Treppe und sah mich an. »Stimmt irgendwas nicht?«
Ich wedelte mit dem Schwanz und war mit einem Satz bei ihr, um wie üblich als Erster durch die Tür zu gehen.
Es war mir immer eine besondere Freude, durch diese Eingangstür zu laufen, weil es immer bedeutete, dass nun etwas Neues folgte, egal ob beim Rein- oder Rausgehen.
Später hielt ich dann ein wachsames Auge auf Hannah und Clarity, die ein neues Spiel spielten: Zuerst trug Hannah das Baby die Verandatreppe hoch und dann krabbelte Clarity mit dem Hintern voran rückwärts die Stufen wieder runter. Hannah rief »Bravo!«, und ich klopfte zustimmend mit dem Schwanz auf den Boden. Wenn Clarity unten angekommen war, leckte ich ihr übers Gesicht und sie kicherte vergnügt. Dann streckte sie die Arme nach Hannah aus und rief: »Mehr! Mehr!« Hannah hob sie hoch, küsste sie, und dann ging das Ganze von vorne los.
Nachdem ich sicher war, dass ich die beiden bedenkenlos alleine lassen konnte, trottete ich zu meinem Lieblingsplatz im Wohnzimmer, drehte kleine Kreise und ließ mich seufzend zu einem Nickerchen nieder. Kurz darauf kam auch Clarity mit ihrer Decke angelaufen. Sie hatte wieder dieses Ding im Mund, an dem sie ständig herumkaute, das sie aber nie schluckte.
»Bubby«, sagte sie. Dann ließ sie sich auf alle viere fallen und krabbelte zu mir rüber. Während sie sich an mich kuschelte, zog sie mit ihren kleinen Händen die Decke über sich. Ich schnupperte an ihrem Kopf. Niemand auf der Weltduftete so wie Clarity. Mit ihrem warmen Wohlgeruch in der Nase döste ich langsam ein. Ich schreckte aus dem Schlaf, als Gloria die Schiebetür geräuschvoll hinter sich schloss und im Zimmer stand. »Oh Clarity!«, rief sie. Verschlafen sah ich, wie Gloria die Kleine von ihrem Schlafplatz wegriss. An der Stelle im Fell, wo sie gelegen hatte, wurde es gleich kühl. Ohne sie fehlte mir etwas. Hannah kam aus der Küche und sagte: »Ich backe gerade Kekse.« Sofort rappelte ich mich auf. Dieses Wort kannte ich. Mit wedelndem Schwanz lief ich zu Hannah, um ihre süßlich duftenden Hände zu beschnuppern. »Das Kind hat auf deinem Hund geschlafen!«, rief Gloria . Ich hörte das Wort »Hund«, das aus ihrem Mund immer klang, als sei sie furchtbar wütend auf mich. Bedeutete das nun keine Kekse, oder was? »Ja, Clarity hat sich an ihn gekuschelt«, sagte Hannah. »Ich will nicht, dass mein Kind neben dem Hund schläft. Sorge dafür, dass es nicht wieder passiert. Stell dir vor, Buddy hätte sich umgedreht - er hätte sie ja erdrückt!«
Ich sah Hannah an, um herauszufinden, warum mein Name gefallen war. Sie hielt eine Hand vors Gesicht und sagte: »Ich ... Ja gut. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Clarity schlief an der Schulter ihrer Mutter weiter. Gloria übergab sie an Hannah und ließ sich mit einem Seufzen am Küchentisch nieder. »Hast du einen Eistee?«, fragte sie.
»Ich hol dir ein Glas.« Mit dem Baby auf dem Arm lief Hannah zur Küchentheke und holte ein paar Sachen aus dem Schrank. Kekse konnte ich nirgends sehen, obwohl der süße, warme Duft sich im ganzen Haus ausbreitete. Ergeben setzte ich mich und wartete ab.
»Solange wir hier sind, sollte der Hund besser draußen im Hof bleiben«, sagte Gloria und nippte an ihrem Glas. Hannah setzte sich zu ihr an den Tisch. Clarity machte eine Bewegung im Schlaf und Hannah tätschelte ihren Rücken.
»Nein, das geht nicht.«
Seufzend ließ ich mich unterm Tisch nieder und fragte mich wieder einmal, warum Menschen erst über Kekse redeten und dann einem Hund, der es wirklich verdient hätte, keinen abgaben.
»Buddy gehört zur Familie«, fuhr Hannah fort. Schläfrig hob ich den Kopf und sah sie an. Keine Kekse weit und breit. »Weißt du nicht, dass er Ethan und mich wieder zusammengebracht hat?«
Als ich »Ethan« hörte, erstarrte ich. Sein Name fiel nur noch selten, doch immer wenn ich ihn hörte, erinnerte ich mich an seinen Geruch und seine Hände in meinem Fell.
»Ein Hund hat euch beide zusammengebracht?«, fragte Gloria.
»Ethan und ich kannten uns schon aus der Schule, ich war seine erste Freundin. Doch nach dem Brand damals, als sein Bein gelähmt war ... kennst du die Geschichte etwa nicht?«
»Vielleicht hat dein Sohn mal was erwähnt, keine Ahnung . Henry redet am liebsten über sich selbst. Du weißt ja, wie die Männer sind.«
»Also, nach dem Brand hat Ethan ... er war danach sehr verschlossen und bedrückt. Ich war zu jung, zu unreif, um ihm wirklich helfen zu können, mit der Situation fertigzuwerden. «
Ich hörte die Traurigkeit in Hannahs Stimme und wusste, sie brauchte mich jetzt. Unterm Tisch lief ich zu ihr hin und legte meinen Kopf in ihren Schoß. Sie fuhr mir zärtlich durchs Fell. Claritys nackte Füße baumelten über mir.
»Ethan hatte damals auch einen Hund. Bailey, ein wunderschöner Golden Retriever. Er nannte ihn seinen Schussel- Hund.«
Ich wedelte mit dem Schwanz, als ich »Bailey« und »Schussel-Hund« hörte. Immer wenn mich Ethan Schussel- Hund genannt hatte, war ihm das Herz vor Liebe übergelaufen. Dann umarmte er mich fest und ich küsste ihn übers ganze Gesicht. Plötzlich hatte ich schreckliche Sehnsucht nach ihm. Auch Hannah vermisste ihn sehr, das spürte ich. Ich leckte ihre Hand, die mich liebevoll streichelte, und Hannah sah lächelnd zu mir herab.
»Auch du bist ein guter Hund, Buddy.« Ich wedelte heftiger mit dem Schwanz, weil sie guter Hund sagte. Es schien mir nun wahrscheinlicher, dass diese Unterhaltung am Ende doch noch auf Kekse hinauslief.
»Wir haben uns getrennt. Dann lernte ich Matthew kennen, wir haben geheiratet, dann kamen die Kinder: erst Rachel, dann Cindy und natürlich Henry.«
Gloria machte ein Geräusch, aber ich sah nicht zu ihr hin, weil ich nicht wollte, dass Hannah aufhörte, meinen Kopf zu streicheln.
»Nach Matthews Tod wollte ich wieder näher bei den Kindern sein, deshalb zog ich zurück in die Stadt. Eines Tages - Buddy war damals vielleicht ein Jahr alt - folgte er Rachel vom Hundepark nach Hause. Er hatte einen Anhänger am Halsband und zu meiner großen Überraschung stand da Ethans Name drauf. Ethan war noch verblüffter als ich. Seit ich wieder in der Stadt war, hatte ich mir vorgenommen, ihn anzurufen, doch dann hatte ich es immer wieder vor mir hergeschoben. Wir hatten uns damals im Streit getrennt und ich hatte Hemmungen, obwohl es eine Ewigkeit her war.«
»Ungute Trennungen! Davon kann ich ein Lied singen«, knurrte Gloria.
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Hannah und sah lächelnd zu mir hinunter. »Als ich Ethan nach all den Jahren wiedersah, war es, als seien wir nie getrennt gewesen. Wir spürten, wir gehörten zusammen. Das habe ich meinen Kindern nie erzählt, aber wir waren füreinander bestimmt. Doch ohne Buddy hätten wir uns wohl kaum wieder getroffen. «
Es war schön, Ethans und meinen Namen laut ausgesprochen zu hören. Hannah lächelte mich an und ich spürte ihre tiefe Liebe und Traurigkeit.
»Oh, es wird höchste Zeit«, sagte Hannah dann. Sie erhob sich und reichte Clarity ihrer Mutter. Die Kleine machte im Schlaf eine kleine Faust und gähnte. Ich hörte ein blechernes Geräusch, als die Kekse aus dem Ofen kamen und sich eine himmlische Duftwolke ausbreitete. Trotzdem bekam ich keinen Keks.
Da standen frisch gebackene Kekse direkt vor meiner Nase und ich ging leer aus! Das war der endgültige Tiefpunkt des Tages.
»Ich bin jetzt mal für eine Stunde weg«, sagte Hannah. Sie griff nach dem Spielzeug, das sie »Schlüssel« nannte, und ich hörte das metallische Klimpern, das immer eine Autofahrt ankündigte. Ich blieb wachsam, war aber hin und her gerissen zwischen meinem starken Bedürfnis, in der Nähe der Kekse zu bleiben, und dem Wunsch, Auto zu fahren.
»Buddy, du bleibst hier«, sagte Hannah. »Gloria, bitte pass auf, dass die Tür zum Keller geschlossen bleibt. Clarity ist ganz versessen darauf, die Treppen runterzukrabbeln, und im Keller ist Rattengift ausgelegt.«
»Ratten? Gibt's hier Ratten?«, rief Gloria schrill. Clarity war mit einem Schlag hellwach und versuchte sich aus den Armen ihrer Mutter zu winden.
»Ja. Wir leben auf einer Farm und da gibt es nun mal auch Ratten. Nur keine Aufregung, Gloria. Lass einfach die Kellertür zu.« Ich hörte den Ärger in Hannahs Stimme und sah ängstlich zu ihr rüber, um herauszufinden, was nun wieder los war. Doch es war immer dasselbe: Die starken Emotionen, die ich spürte, wurden nie ausgedrückt. Die komplizierten Gefühle der Menschen überstiegen eben den Verstand eines Hundes.
Ich folgte Hannah zum Auto. »Nein, du bleibst hier, Buddy«, sagte sie. Was das bedeutete, begriff ich, als sie ins Auto stieg und mir die Tür vor der Nase zuschlug. In der Hoffnung, sie würde es sich doch noch anders überlegen, wedelte ich mit dem Schwanz. Als der Wagen dann ohne mich die Einfahrt hinunterrollte, war mir klar, dass Autofahren heute ausfiel.
Durch die Hundeklappe ging ich zurück ins Haus. Clarity saß auf ihrem seltsamen Stuhl mit dem Tablett davor. Über sie gebeugt, versuchte Gloria ihr mit einem Löffel Essen in den Mund zu schieben, doch Clarity spuckte es wieder aus. Ich probierte davon und konnte sie sehr gut verstehen. Kleinere Happen durfte Clarity schon selbst mit den Fingern in den Mund stecken, aber das richtig eklige Zeug wurde ihr mit einem Löffel hineingezwungen.
»Bubby!«, gluckste Clarity und patschte fröhlich mit den Händen aufs Tablett. Essenskleckse landeten in Glorias Gesicht, und mit einem zischenden Geräusch sprang sie hoch. Sie wischte ihr Gesicht mit einem Tuch ab, dann starrte sie mich an. Ich senkte den Blick.
»Unfassbar, dass sie dich hier frei herumlaufen lässt - als ob dir das Haus gehörte«, murmelte sie.
Ich hatte mir nie große Hoffnungen gemacht, von Gloria je einen Keks zu bekommen.
»Aber solange sie weg ist, läuft es nach meinen Regeln.« Sie sah mich einen Moment schweigend an, dann schniefte sie. »Los, komm her!«, befahl sie.
Gehorsam lief ich zur Kellertür, die sie einen Spaltbreit öffnete. »Runter mit dir!«
Als mir klar wurde, was sie wollte, zwängte ich mich durch den Spalt. Auf dem Treppenabsatz drehte ich mich noch einmal nach ihr um.
»Drinbleiben«, sagte sie und schloss die Tür hinter mir. Um mich herum war es auf einmal viel dunkler.
Die Holzstufen quietschten unter meinen Schritten. Ich war selten im Keller gewesen. Unbekannte, exotische Gerüche kitzelten meine Nase. Ich begab mich auf Abenteuersuche, um etwas Interessantes aufzustöbern. Aufzustöbern und vielleicht sogar zu essen.
Übersetzung: Bettina Seifried
Copyright © 2013 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Ich lag auf dem Anleger am Teich in der Sonne und wusste genau: Mein Name war Buddy, und ich war ein guter Hund.
Meine Beine waren noch immer schwarz wie der Rest meines Fells, nur an den Pfoten war ich im Lauf der Jahre ergraut. Hinter mir lag ein langes, erfülltes Leben mit Ethan, meinem Jungen, mit dem ich hier am Teich so viele schöne Nachmittage verbracht hatte beim Baden, Faulenzen und Entenankläffen.
Es war der zweite Sommer ohne Ethan. Als er starb, fühlte ich einen so schrecklichen Schmerz in mir wie nie zuvor. Zwar hatte er inzwischen etwas nachgelassen und fühlte sich nur noch wie starke Bauchschmerzen an, aber wirklich weg ging er nie. Nur manchmal im Schlaf vergaß ich meinen Kummer, wenn ich träumte, dass ich mit Ethan um die Wette rannte.
Ich war ein alter Hund und wusste, dass nun bald der tiefe Schlaf kommen würde, wie schon etliche Male zuvor. So wie damals, als ich Toby hieß und ein recht müßiges Leben führte, weil ich nur Spielen und Raufen im Sinn hatte. Oder in meinem Leben als Bailey, in dem ich meinen Jungen kennenlernte, den zu lieben der Sinn meines Lebens wurde. Und wie einst als Ellie, als meine Aufgabe darin bestand, zu arbeiten, Menschen zu suchen und zu retten. Wenn es nun am Ende meines Lebens als Buddy also Zeit für den tiefen Schlaf wurde, dann ging ich davon aus, dass danach kein weiteres Leben folgte. Ich hatte meine Bestimmung erfüllt und es gab für mich keinen Grund, weiterhin Hund zu sein. Ob der große Schlaf nun in diesem oder im nächsten Sommer kam, war nicht wichtig. Ethan zu lieben und für sein Wohl zu sorgen, war der Sinn meines Lebens gewesen, und diese Aufgabe hatte ich erfüllt, so gut ich das konnte. Ich war ein guter Hund.
Doch dann ...
Dann sah ich, während ich so dalag, eines der Kinder aus Ethans großer Familie auf wackligen Beinen auf das Ende des Stegs zusteuern. Es war ein kleines Mädchen, das noch nicht lange aufrecht ging und beim Laufen noch ziemlich wankte. Sie trug eine weiße bauschige Hose und ein dünnes Hemdchen. Bei dem Gedanken, sie an diesem winzigen Stofffetzen aus dem Wasser zu ziehen, entfuhr mir ein leises Winseln.
Die Mutter der Kleinen hieß Gloria. Sie war ebenfalls am Steg. Reglos lag sie auf einem nach hinten geklappten Stuhl mit Gemüsestückchen auf den Augen. Sie hatte eine Leine in der Hand gehalten, die zur Hüfte des kleinen Mädchens reichte, doch dann war die Leine plötzlich schlaff geworden und nun zog die Kleine sie hinter sich her, während sie geradewegs auf das Ende des Stegs zusteuerte.
Auch ich hatte als Welpe eine lockere Leine stets genutzt, um auf Entdeckungstour zu gehen, und das tat das Mädchen nun auch.
Gloria war schon zum zweiten Mal zu Besuch auf der Farm. Das erste Mal war sie im Winter gekommen, als Ethan noch lebte. Gloria hatte ihm das Baby gereicht und »Grandpa« gesagt. Nachdem Gloria und das Baby wieder fort waren, hörte ich Ethan und seine Gefährtin Hannah viele Abende lang den Namen Gloria aussprechen, und bei ihren Gesprächen schwangen traurige Gefühle mit.
Auch Claritys Namen sagten sie oft. Clarity war das Baby, aber Gloria rief sie manchmal Clarity June.
Ich war mir sicher, Ethan wollte, dass ich auf Clarity achtgab, die leider öfter in Schwierigkeiten geriet. Erst neulich war sie unters Vogelhäuschen gekrochen und hatte sich haufenweise die am Boden liegenden Körner in den Mund gestopft, während ich ziemlich belämmert daneben stand. Eine meiner Hauptaufgaben war es, Eichhörnchen einzuschüchtern, wenn sie sich übers Vogelfutter hermachten. Als ich Clarity dabei erwischte, wusste ich allerdings nicht so recht, was ich tun sollte, obwohl mir schon klar war, dass Kinder, die Vögeln das Futter wegaßen, garantiert gegen eine Regel verstießen. Und ich hatte recht, denn nachdem ich kurz gebellt hatte, schreckte Gloria hoch von dem Handtuch, auf dem sie mit dem Gesicht nach unten gelegen hatte, und war ziemlich wütend.
Auch jetzt sah ich zu Gloria hinüber. Sollte ich wieder bellen? Viele Kinder sprangen in den Teich, doch normalerweise waren sie älter als dieses kleine Mädchen, deren zielstrebige Schritte unweigerlich dazu führen mussten, im Wasser zu landen. Doch Babys im Teich waren nur auf den Armen von Erwachsenen erlaubt. Ich sah hinüber zum Haus. Hannah kniete in der Einfahrt und spielte wieder mit den Blumen; sie war zu weit weg, um Clarity zu helfen, falls sie in den Teich fiel. Ich war mir sicher, auch Hannah wollte, dass ich auf Clarity aufpasste. Das war jetzt wohl meine neue Bestimmung.
Das Baby hatte den Rand des Stegs fast erreicht. Ich winselte wieder, diesmal lauter.
»Sei still«, sagte Gloria, ohne das Gemüse von den Augen zu nehmen. Dieses Wort kannte ich nicht, doch der scharfe Ton war unmissverständlich.
Clarity drehte sich nicht einmal um. Am Ende des Stegs wankte sie kurz, dann fiel sie vornüber ins Wasser.
Meine Krallen gruben sich tief ins Holz, als ich von der Seite ins warme Wasser sprang. Claritys kleiner Körper bewegte sich im Wasser auf und ab. Wild ruderte sie mit Armen und Beinen, doch ihr Gesicht blieb dabei unter der Oberfläche. In Sekundenschnelle war ich bei ihr, schnappte mit den Zähnen vorsichtig nach dem Hemd und zog ihren Kopf aus dem Wasser. Dann paddelten wir in Richtung Ufer.
»Um Himmels willen! Clarity!«, schrie Gloria, rannte zu dem Sandstreifen am Ufer und watete in dem Augenblick ins Wasser, als ich schon wieder festen Grund unter den Füßen spürte.
»Böser Hund!«, rief sie und riss Clarity an sich. »Du bist ein böser Hund!«
Beschämt ließ ich den Kopf hängen.
»Gloria! Was ist passiert?« Hannah eilte aufgeregt herbei. »Dein Hund hat das Baby in den Teich gestoßen! Clarity wäre fast ertrunken, ich musste ins Wasser springen, um sie zu retten und bin dabei ganz nass geworden!«
Die Aufregung in ihrer Stimme war unüberhörbar.
»Buddy?«, fragte Hannah ungläubig.
Ich wagte es nicht, sie anzusehen. Also wippte ich ein bisschen mit dem Schwanz und spritzte dabei Wasser auf. Nun waren alle böse auf mich, obwohl ich nicht wusste, was ich falsch gemacht hatte.
Alle außer Clarity. Ich riskierte einen Blick zu ihr hinüber, weil ich merkte, dass sie sich aus den Armen ihrer Mutter wand und ihre kleinen Hände nach mir ausstreckte.
»Bubby«, gluckste sie und aus ihrer Hose floss das Wasser in Strömen. Ich senkte den Blick.
Gloria blies laut Luft aus. »Hannah, kannst du dich um sie kümmern? Ihre Windel ist nass. Ich muss mich noch ein paar Minuten auf den Bauch legen, damit ich vorn und hinten gleich braun werde.«
»Natürlich«, sagte Hannah. »Komm, Buddy!« Wenigstens war das nun geklärt. Schwanzwedelnd hüpfte ich aus dem Wasser.
»Wage es nicht, dich zu schütteln!«, rief Gloria und machte ein paar Trippelschritte rückwärts. Den warnenden Ton in ihrer Stimme hörte ich zwar, aber ich hatte keine Ahnung, was sie mir sagen wollte. Also schüttelte ich mich kräftig, um wieder trocken zu werden.
»Wie ekelhaft!«, kreischte Gloria. Mit ausgestrecktem Finger hielt sie eine strenge Rede mit vielen unbekannten Wörtern. Nur hin und wieder verstand ich »böser Hund«. Blinzelnd senkte ich den Kopf.
»Buddy, komm«, sagte Hannah. Ihre Stimme klang freundlich. Gehorsam folgte ich ihnen zum Haus.
»Bubby«, sagte Clarity immer wieder, »Bubby.«
An der Verandatreppe am Haus hielt ich inne, weil ich diesen unangenehmen Geschmack wieder im Mund hatte. Er erinnerte mich an damals, als ich eine kleine Dose mit süß duftenden Aromen aus dem Müll gezogen hatte. Nachdem ich alles aufgeleckt hatte, versuchte ich, an dem dünnen Metall herumzunagen. Da es ziemlich scheußlich schmeckte, spuckte ich es sofort wieder aus. Doch diesen Geschmack jetzt konnte ich nicht einfach ausspucken, weil er auf meiner Zunge lag und mir von dort aus in die Nase stieg.
»Was ist, Buddy?« Hannah stand oben an der Treppe und sah mich an. »Stimmt irgendwas nicht?«
Ich wedelte mit dem Schwanz und war mit einem Satz bei ihr, um wie üblich als Erster durch die Tür zu gehen.
Es war mir immer eine besondere Freude, durch diese Eingangstür zu laufen, weil es immer bedeutete, dass nun etwas Neues folgte, egal ob beim Rein- oder Rausgehen.
Später hielt ich dann ein wachsames Auge auf Hannah und Clarity, die ein neues Spiel spielten: Zuerst trug Hannah das Baby die Verandatreppe hoch und dann krabbelte Clarity mit dem Hintern voran rückwärts die Stufen wieder runter. Hannah rief »Bravo!«, und ich klopfte zustimmend mit dem Schwanz auf den Boden. Wenn Clarity unten angekommen war, leckte ich ihr übers Gesicht und sie kicherte vergnügt. Dann streckte sie die Arme nach Hannah aus und rief: »Mehr! Mehr!« Hannah hob sie hoch, küsste sie, und dann ging das Ganze von vorne los.
Nachdem ich sicher war, dass ich die beiden bedenkenlos alleine lassen konnte, trottete ich zu meinem Lieblingsplatz im Wohnzimmer, drehte kleine Kreise und ließ mich seufzend zu einem Nickerchen nieder. Kurz darauf kam auch Clarity mit ihrer Decke angelaufen. Sie hatte wieder dieses Ding im Mund, an dem sie ständig herumkaute, das sie aber nie schluckte.
»Bubby«, sagte sie. Dann ließ sie sich auf alle viere fallen und krabbelte zu mir rüber. Während sie sich an mich kuschelte, zog sie mit ihren kleinen Händen die Decke über sich. Ich schnupperte an ihrem Kopf. Niemand auf der Weltduftete so wie Clarity. Mit ihrem warmen Wohlgeruch in der Nase döste ich langsam ein. Ich schreckte aus dem Schlaf, als Gloria die Schiebetür geräuschvoll hinter sich schloss und im Zimmer stand. »Oh Clarity!«, rief sie. Verschlafen sah ich, wie Gloria die Kleine von ihrem Schlafplatz wegriss. An der Stelle im Fell, wo sie gelegen hatte, wurde es gleich kühl. Ohne sie fehlte mir etwas. Hannah kam aus der Küche und sagte: »Ich backe gerade Kekse.« Sofort rappelte ich mich auf. Dieses Wort kannte ich. Mit wedelndem Schwanz lief ich zu Hannah, um ihre süßlich duftenden Hände zu beschnuppern. »Das Kind hat auf deinem Hund geschlafen!«, rief Gloria . Ich hörte das Wort »Hund«, das aus ihrem Mund immer klang, als sei sie furchtbar wütend auf mich. Bedeutete das nun keine Kekse, oder was? »Ja, Clarity hat sich an ihn gekuschelt«, sagte Hannah. »Ich will nicht, dass mein Kind neben dem Hund schläft. Sorge dafür, dass es nicht wieder passiert. Stell dir vor, Buddy hätte sich umgedreht - er hätte sie ja erdrückt!«
Ich sah Hannah an, um herauszufinden, warum mein Name gefallen war. Sie hielt eine Hand vors Gesicht und sagte: »Ich ... Ja gut. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Clarity schlief an der Schulter ihrer Mutter weiter. Gloria übergab sie an Hannah und ließ sich mit einem Seufzen am Küchentisch nieder. »Hast du einen Eistee?«, fragte sie.
»Ich hol dir ein Glas.« Mit dem Baby auf dem Arm lief Hannah zur Küchentheke und holte ein paar Sachen aus dem Schrank. Kekse konnte ich nirgends sehen, obwohl der süße, warme Duft sich im ganzen Haus ausbreitete. Ergeben setzte ich mich und wartete ab.
»Solange wir hier sind, sollte der Hund besser draußen im Hof bleiben«, sagte Gloria und nippte an ihrem Glas. Hannah setzte sich zu ihr an den Tisch. Clarity machte eine Bewegung im Schlaf und Hannah tätschelte ihren Rücken.
»Nein, das geht nicht.«
Seufzend ließ ich mich unterm Tisch nieder und fragte mich wieder einmal, warum Menschen erst über Kekse redeten und dann einem Hund, der es wirklich verdient hätte, keinen abgaben.
»Buddy gehört zur Familie«, fuhr Hannah fort. Schläfrig hob ich den Kopf und sah sie an. Keine Kekse weit und breit. »Weißt du nicht, dass er Ethan und mich wieder zusammengebracht hat?«
Als ich »Ethan« hörte, erstarrte ich. Sein Name fiel nur noch selten, doch immer wenn ich ihn hörte, erinnerte ich mich an seinen Geruch und seine Hände in meinem Fell.
»Ein Hund hat euch beide zusammengebracht?«, fragte Gloria.
»Ethan und ich kannten uns schon aus der Schule, ich war seine erste Freundin. Doch nach dem Brand damals, als sein Bein gelähmt war ... kennst du die Geschichte etwa nicht?«
»Vielleicht hat dein Sohn mal was erwähnt, keine Ahnung . Henry redet am liebsten über sich selbst. Du weißt ja, wie die Männer sind.«
»Also, nach dem Brand hat Ethan ... er war danach sehr verschlossen und bedrückt. Ich war zu jung, zu unreif, um ihm wirklich helfen zu können, mit der Situation fertigzuwerden. «
Ich hörte die Traurigkeit in Hannahs Stimme und wusste, sie brauchte mich jetzt. Unterm Tisch lief ich zu ihr hin und legte meinen Kopf in ihren Schoß. Sie fuhr mir zärtlich durchs Fell. Claritys nackte Füße baumelten über mir.
»Ethan hatte damals auch einen Hund. Bailey, ein wunderschöner Golden Retriever. Er nannte ihn seinen Schussel- Hund.«
Ich wedelte mit dem Schwanz, als ich »Bailey« und »Schussel-Hund« hörte. Immer wenn mich Ethan Schussel- Hund genannt hatte, war ihm das Herz vor Liebe übergelaufen. Dann umarmte er mich fest und ich küsste ihn übers ganze Gesicht. Plötzlich hatte ich schreckliche Sehnsucht nach ihm. Auch Hannah vermisste ihn sehr, das spürte ich. Ich leckte ihre Hand, die mich liebevoll streichelte, und Hannah sah lächelnd zu mir herab.
»Auch du bist ein guter Hund, Buddy.« Ich wedelte heftiger mit dem Schwanz, weil sie guter Hund sagte. Es schien mir nun wahrscheinlicher, dass diese Unterhaltung am Ende doch noch auf Kekse hinauslief.
»Wir haben uns getrennt. Dann lernte ich Matthew kennen, wir haben geheiratet, dann kamen die Kinder: erst Rachel, dann Cindy und natürlich Henry.«
Gloria machte ein Geräusch, aber ich sah nicht zu ihr hin, weil ich nicht wollte, dass Hannah aufhörte, meinen Kopf zu streicheln.
»Nach Matthews Tod wollte ich wieder näher bei den Kindern sein, deshalb zog ich zurück in die Stadt. Eines Tages - Buddy war damals vielleicht ein Jahr alt - folgte er Rachel vom Hundepark nach Hause. Er hatte einen Anhänger am Halsband und zu meiner großen Überraschung stand da Ethans Name drauf. Ethan war noch verblüffter als ich. Seit ich wieder in der Stadt war, hatte ich mir vorgenommen, ihn anzurufen, doch dann hatte ich es immer wieder vor mir hergeschoben. Wir hatten uns damals im Streit getrennt und ich hatte Hemmungen, obwohl es eine Ewigkeit her war.«
»Ungute Trennungen! Davon kann ich ein Lied singen«, knurrte Gloria.
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Hannah und sah lächelnd zu mir hinunter. »Als ich Ethan nach all den Jahren wiedersah, war es, als seien wir nie getrennt gewesen. Wir spürten, wir gehörten zusammen. Das habe ich meinen Kindern nie erzählt, aber wir waren füreinander bestimmt. Doch ohne Buddy hätten wir uns wohl kaum wieder getroffen. «
Es war schön, Ethans und meinen Namen laut ausgesprochen zu hören. Hannah lächelte mich an und ich spürte ihre tiefe Liebe und Traurigkeit.
»Oh, es wird höchste Zeit«, sagte Hannah dann. Sie erhob sich und reichte Clarity ihrer Mutter. Die Kleine machte im Schlaf eine kleine Faust und gähnte. Ich hörte ein blechernes Geräusch, als die Kekse aus dem Ofen kamen und sich eine himmlische Duftwolke ausbreitete. Trotzdem bekam ich keinen Keks.
Da standen frisch gebackene Kekse direkt vor meiner Nase und ich ging leer aus! Das war der endgültige Tiefpunkt des Tages.
»Ich bin jetzt mal für eine Stunde weg«, sagte Hannah. Sie griff nach dem Spielzeug, das sie »Schlüssel« nannte, und ich hörte das metallische Klimpern, das immer eine Autofahrt ankündigte. Ich blieb wachsam, war aber hin und her gerissen zwischen meinem starken Bedürfnis, in der Nähe der Kekse zu bleiben, und dem Wunsch, Auto zu fahren.
»Buddy, du bleibst hier«, sagte Hannah. »Gloria, bitte pass auf, dass die Tür zum Keller geschlossen bleibt. Clarity ist ganz versessen darauf, die Treppen runterzukrabbeln, und im Keller ist Rattengift ausgelegt.«
»Ratten? Gibt's hier Ratten?«, rief Gloria schrill. Clarity war mit einem Schlag hellwach und versuchte sich aus den Armen ihrer Mutter zu winden.
»Ja. Wir leben auf einer Farm und da gibt es nun mal auch Ratten. Nur keine Aufregung, Gloria. Lass einfach die Kellertür zu.« Ich hörte den Ärger in Hannahs Stimme und sah ängstlich zu ihr rüber, um herauszufinden, was nun wieder los war. Doch es war immer dasselbe: Die starken Emotionen, die ich spürte, wurden nie ausgedrückt. Die komplizierten Gefühle der Menschen überstiegen eben den Verstand eines Hundes.
Ich folgte Hannah zum Auto. »Nein, du bleibst hier, Buddy«, sagte sie. Was das bedeutete, begriff ich, als sie ins Auto stieg und mir die Tür vor der Nase zuschlug. In der Hoffnung, sie würde es sich doch noch anders überlegen, wedelte ich mit dem Schwanz. Als der Wagen dann ohne mich die Einfahrt hinunterrollte, war mir klar, dass Autofahren heute ausfiel.
Durch die Hundeklappe ging ich zurück ins Haus. Clarity saß auf ihrem seltsamen Stuhl mit dem Tablett davor. Über sie gebeugt, versuchte Gloria ihr mit einem Löffel Essen in den Mund zu schieben, doch Clarity spuckte es wieder aus. Ich probierte davon und konnte sie sehr gut verstehen. Kleinere Happen durfte Clarity schon selbst mit den Fingern in den Mund stecken, aber das richtig eklige Zeug wurde ihr mit einem Löffel hineingezwungen.
»Bubby!«, gluckste Clarity und patschte fröhlich mit den Händen aufs Tablett. Essenskleckse landeten in Glorias Gesicht, und mit einem zischenden Geräusch sprang sie hoch. Sie wischte ihr Gesicht mit einem Tuch ab, dann starrte sie mich an. Ich senkte den Blick.
»Unfassbar, dass sie dich hier frei herumlaufen lässt - als ob dir das Haus gehörte«, murmelte sie.
Ich hatte mir nie große Hoffnungen gemacht, von Gloria je einen Keks zu bekommen.
»Aber solange sie weg ist, läuft es nach meinen Regeln.« Sie sah mich einen Moment schweigend an, dann schniefte sie. »Los, komm her!«, befahl sie.
Gehorsam lief ich zur Kellertür, die sie einen Spaltbreit öffnete. »Runter mit dir!«
Als mir klar wurde, was sie wollte, zwängte ich mich durch den Spalt. Auf dem Treppenabsatz drehte ich mich noch einmal nach ihr um.
»Drinbleiben«, sagte sie und schloss die Tür hinter mir. Um mich herum war es auf einmal viel dunkler.
Die Holzstufen quietschten unter meinen Schritten. Ich war selten im Keller gewesen. Unbekannte, exotische Gerüche kitzelten meine Nase. Ich begab mich auf Abenteuersuche, um etwas Interessantes aufzustöbern. Aufzustöbern und vielleicht sogar zu essen.
Übersetzung: Bettina Seifried
Copyright © 2013 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von W. Bruce Cameron
Cameron, W. BruceW. Bruce Cameron, 1960 geboren, ist als Kolumnist und Autor international bekannt. Seine Kolumne zur Erziehung von Teenagern war 1995 so populär, dass sie als Buch veröffentlicht wurde, das als Vorlage für die TV-Serie "Meine wilden Töchter" diente. Bruce Cameron publiziert seine Kolumnen in verschiedenen Zeitungen und arbeitet derzeit an einer Fernsehadaption von "So erziehen Sie Ihren Mann". Mit seinem Vorgängeroman "Ich gehöre zu dir" landete er auf Anhieb einen Bestseller.
Bibliographische Angaben
- Autor: W. Bruce Cameron
- 2013, 384 Seiten, Masse: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Seifried, Bettina
- Übersetzer: Bettina Seifried
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453410246
- ISBN-13: 9783453410244
- Erscheinungsdatum: 09.04.2013
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