Grafeneck
Roman. Ausgezeichnet mit dem Friedrich-Glauser-Preis 2008 für das beste Debüt
Ein melancholischer Krimi, ein dunkler Heimatroman, ein glänzendes Debüt
Es gibt Verbrechen, die nie verjähren. Auch nicht am Ende der Welt, in einem Dorf auf der Schwäbischen Alb. Hermann Mauser, verschrobener Kauz,...
Es gibt Verbrechen, die nie verjähren. Auch nicht am Ende der Welt, in einem Dorf auf der Schwäbischen Alb. Hermann Mauser, verschrobener Kauz,...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Grafeneck “
Ein melancholischer Krimi, ein dunkler Heimatroman, ein glänzendes Debüt
Es gibt Verbrechen, die nie verjähren. Auch nicht am Ende der Welt, in einem Dorf auf der Schwäbischen Alb. Hermann Mauser, verschrobener Kauz, Eigenbrötler und Hobbyhöhlenforscher entdeckt auf einem seiner Ausflüge eine Leiche in den Eingeweiden eines Berges. Mit ihr kommt auch die Vergangenheit wieder ans Tageslicht, über die viele lieber geschwiegen hätten - und eine Schuld, die niemand vergeben kann ...
Es gibt Verbrechen, die nie verjähren. Auch nicht am Ende der Welt, in einem Dorf auf der Schwäbischen Alb. Hermann Mauser, verschrobener Kauz, Eigenbrötler und Hobbyhöhlenforscher entdeckt auf einem seiner Ausflüge eine Leiche in den Eingeweiden eines Berges. Mit ihr kommt auch die Vergangenheit wieder ans Tageslicht, über die viele lieber geschwiegen hätten - und eine Schuld, die niemand vergeben kann ...
Klappentext zu „Grafeneck “
Ein melancholischer Krimi, ein dunkler Heimatroman, ein glänzendes DebütEs gibt Verbrechen, die nie verjähren. Auch nicht am Ende der Welt, in einem Dorf auf der Schwäbischen Alb. Hermann Mauser, verschrobener Kauz, Eigenbrötler und Hobbyhöhlenforscher entdeckt auf einem seiner Ausflüge eine Leiche in den Eingeweiden eines Berges. Mit ihr kommt auch die Vergangenheit wieder ans Tageslicht, über die viele lieber geschwiegen hätten - und eine Schuld, die niemand vergeben kann ...
Lese-Probe zu „Grafeneck “
Platon, Höhlengleichnis In einem Dorf auf der Schwäbischen Alb, Ostern 1997 Hermann Mauser steht frühmorgens mit seinem Motorrad vor der Garage, dick vermummt im Lederanzug, denn es kann auch an einem Aprilmorgen noch Rauhreif haben. Hinter den Fenstern schauen die Leute ihm zu. Immer noch. Seit dreißig Jahren. Sie denken: Wann wird der endlich gescheit? Sie schauen ihm zu, wie er das Motorrad vom Ständer kippt, aufsitzt und den Schlüssel dreht. Sie hören den rasselnden Laut des Anlassers und dann das tiefe Bullern des Motors. Abgaswolken in der Morgenkälte.
Viele sagen, Mauser sei ein verschrobener Kauz. Ein Eigenbrötler. Das stimmt. Schon immer gewesen. Er ist jetzt einundsechzig Jahre alt, seit dreißig Jahren ist er Grundschullehrer in Buttenhausen auf der Schwäbischen Alb, unterrichtet Deutsch, Rechnen, Heimatkunde, Sachunterricht. Die Gegend kennt er wie kein anderer, weil er alles, was er lehrt, selbst nachgeprüft hat.
Mauser legt den Gang ein und fährt los, die Dorfstraße entlang, um die Kurve, über die Brücke, wo im Schatten der Teer milchig ist vom Rauhreif, zur Lautertal-Schule. Heute, an Karsamstag, hat die Schule geschlossen. Mauser hat sich das Motorrad für seine nachmittäglichen Streifzüge gekauft. Der Kilometerzähler hat die Hunderttausend schon überschritten. Es schaukelt gemächlich in den Kurven, tuckert bei wenigen Umdrehungen vor sich hin und zieht kräftig von unten herauf. Die Maschine, denkt Mauser, ist wie ich. In bauernschlauer Untertreibung nennt er die Maschine "sein Moped".
Das Wetter ist sonnig, an den Hängen blühen Märzenbecher. Das Nachbardorf Hundersingen liegt noch im Talschatten. Hundersinger und Buttenhausener mögen sich nicht. Manche knurren zwischen den Zähnen etwas hervor, bevor sie einem den Rücken zukehren und abwinken, etwas Gehässiges, Altes, an das
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niemand gerne rührt: "Frag doch die Buttenhäuser Busfahrer, die wissen, wo's qualmt!" Ein böses Wort. Man hört es selten. Aber man hört es.
Mauser biegt ein auf die schmale Steige, die in die Feldflur hinaufführt. In der ersten Kehre stellt er ab, holt aus den Packtaschen eine Panzerfahrer-Kombination und Bundeswehrstiefel und zieht sich um. Einen Bauhelm mit Karbidlampe auf dem Kopf, steigt er in den Frühlingshang ein. Zwischen den kahlen Baumstämmen ist der Felsenkranz gut zu sehen. Bald hat er das Münzloch gefunden. Jetzt hält er sich rechts, klettert auf losem Schotter zwanzig Meter ab und sucht. Prüfend schaut er die Felsstotzen an und ihre Bankkalke. Weißjura Delta bis Zeta, nach Quenstedt. Dann entdeckt er den Eingang der Lehmkammerhöhle.
Im Herbst vergangenen Jahres war er zum erstenmal hier. Damals stand die Höhle voller Wasser. Heute ist es trockener. Den Südgang hat er schon gründlich untersucht. Dort geht es nicht weiter. Aber der Ostgang führt in eine kleine Halle, in der er aufrecht stehen kann. Im Strahl der Karbidlampe raucht der Lehmstaub. Vorsichtig klettert Mauser eine Gesteinsstufe hinunter und findet am Fuß der Hallenwand die Querspalte wieder. Auf dem Bauch quetscht er sich in die Röhre hinein. Den linken Arm vorgestreckt, schiebt er sich mit den Füßen vorwärts. Der rechte Arm liegt eng am Leib an, den Rucksack zieht er nach. Er muß den Hals mühsam recken, um etwas zu sehen. Der Gang wird so eng, daß der Stein ihn einklemmt. Nun muß er sich winden und die Schultern abwechselnd vorwärtsschieben. Die Luft füllt sich mit dem Staub und reizt zum Husten.
Wie lang kriecht er so? Zehn Meter? Dann mündet der Gang in einen Spalt, dahinter öffnet sich eine zweite Halle. Jetzt erst wird es wirklich eng. Weil er hager und kleingewachsen ist, kommt er in jedes Loch hinein, in jede Spalte. Wenn der Oberkörper erst einmal drinnen ist, kommt es nur darauf an, die durchgestreckten Beine nachzuziehen. Mauser schwitzt, trotz der Kälte.
Endlich kann er aufstehen und schaut sich um. Die zweite Halle ist schmaler als die erste, aber höher. Oben eine Galerie aus Sinter, wo die Druckrinne verlief. Und dort, unter einem wuchtigen Tropfstein, wölbt sich unauffällig, aber zu rund, zu glatt, eine Öffnung. Sie ist mit Lehm verstopft. Plombierung durch hereinflutenden Schlamm, denkt Mauser. Merkwürdig nur, daß es hier sonst keinen Schlamm gibt und auch nichts, woher er geflutet sein könnte.
Mauser legt eine Pause ein. Macht sich Notizen, vermißt die Kammer. Jedes Geräusch klingt dumpf und erstickt. Die Halle liegt höher als die erste und damit über dem Karstwasserhorizont, deshalb haben sich seine Stiefelabdrücke vom Herbst gut erhalten. Im Lampenlicht schimmert einer der winzigen Stalaktiten milchweiß, an seinem hohlen Ende hängt ein Tropfen. Gebläht wie eine Froschblase. Gläsern, märchenhafter Höhlentau, und in seiner feuchtglänzenden Tiefe angefressene Blumen und bizarre, splitterbesetzte Nadeln aus Kalk.
Stumm staunt Mauser über die Formen.
Kristallwelt.
Der Tropfen wächst und fällt ab.
Sacht wölbt sich ein neuer, naß über dem brüchigen Schlund. Gehalten von hauchdünner Haut. Eine Höhlengeburt.
Mauser holt den Klappspaten aus dem Rucksack und beginnt, die Wölbung am Boden aufzugraben. Knirschend schiebt sich die scharfe Schaufelkante durch die dünne Sinterschicht in den Lehm. Er muß die gesamte Röhre freischaufeln, die sacht ansteigt. Nach drei Metern durchstößt er die Schicht, hier macht die Röhre einen Knick nach oben. Sorgfältig schält er einen Schluf frei und kann sich hindurchdrücken. Schwierige Übung, denn der Spalt ist gerade mal schulterbreit, und hinter dem Knick folgt gleich ein Kriechgang. Dessen Lehmboden ist unberührt, keiner ist je hier gewesen.
Der Gang mündet in einer kleinen Kammer, gerade hoch genug zum Aufrechtstehen. Wände, Boden und Decke sind mit einer dicken Lehmschicht verkleidet. Mauser schaut sich um. Die Kammer hat muffige Luft, wer weiß, denkt Mauser, wie lange die schon hier drin steht.
Mauser spürt die Stille. Hier ist etwas aufbewahrt worden, denkt er. Für mich. Eine Vergangenheit ist gegenwärtig, seit Jahrzehnten stumm, die jetzt zu sprechen anfängt.
Mauser geht gebückt die Kammer ab und sieht im hinteren Teil, wo sich der Boden senkt, etwas liegen. Etwas, das nicht hierhergehört. In Höhlen gehört außer Stein, Dreck und Dunkelheit nichts her.
Aber deutlich liegt dort, im Lampenlicht, ein Mensch.
Er liegt ausgestreckt, die Arme ordentlich an den Körper gelegt.
Er schläft.
Er trägt einen Anzug. Einen schwarzen Anzug, wenn das Licht nicht täuscht, eine Krawatte und ein weißes Hemd.
Mauser biegt ein auf die schmale Steige, die in die Feldflur hinaufführt. In der ersten Kehre stellt er ab, holt aus den Packtaschen eine Panzerfahrer-Kombination und Bundeswehrstiefel und zieht sich um. Einen Bauhelm mit Karbidlampe auf dem Kopf, steigt er in den Frühlingshang ein. Zwischen den kahlen Baumstämmen ist der Felsenkranz gut zu sehen. Bald hat er das Münzloch gefunden. Jetzt hält er sich rechts, klettert auf losem Schotter zwanzig Meter ab und sucht. Prüfend schaut er die Felsstotzen an und ihre Bankkalke. Weißjura Delta bis Zeta, nach Quenstedt. Dann entdeckt er den Eingang der Lehmkammerhöhle.
Im Herbst vergangenen Jahres war er zum erstenmal hier. Damals stand die Höhle voller Wasser. Heute ist es trockener. Den Südgang hat er schon gründlich untersucht. Dort geht es nicht weiter. Aber der Ostgang führt in eine kleine Halle, in der er aufrecht stehen kann. Im Strahl der Karbidlampe raucht der Lehmstaub. Vorsichtig klettert Mauser eine Gesteinsstufe hinunter und findet am Fuß der Hallenwand die Querspalte wieder. Auf dem Bauch quetscht er sich in die Röhre hinein. Den linken Arm vorgestreckt, schiebt er sich mit den Füßen vorwärts. Der rechte Arm liegt eng am Leib an, den Rucksack zieht er nach. Er muß den Hals mühsam recken, um etwas zu sehen. Der Gang wird so eng, daß der Stein ihn einklemmt. Nun muß er sich winden und die Schultern abwechselnd vorwärtsschieben. Die Luft füllt sich mit dem Staub und reizt zum Husten.
Wie lang kriecht er so? Zehn Meter? Dann mündet der Gang in einen Spalt, dahinter öffnet sich eine zweite Halle. Jetzt erst wird es wirklich eng. Weil er hager und kleingewachsen ist, kommt er in jedes Loch hinein, in jede Spalte. Wenn der Oberkörper erst einmal drinnen ist, kommt es nur darauf an, die durchgestreckten Beine nachzuziehen. Mauser schwitzt, trotz der Kälte.
Endlich kann er aufstehen und schaut sich um. Die zweite Halle ist schmaler als die erste, aber höher. Oben eine Galerie aus Sinter, wo die Druckrinne verlief. Und dort, unter einem wuchtigen Tropfstein, wölbt sich unauffällig, aber zu rund, zu glatt, eine Öffnung. Sie ist mit Lehm verstopft. Plombierung durch hereinflutenden Schlamm, denkt Mauser. Merkwürdig nur, daß es hier sonst keinen Schlamm gibt und auch nichts, woher er geflutet sein könnte.
Mauser legt eine Pause ein. Macht sich Notizen, vermißt die Kammer. Jedes Geräusch klingt dumpf und erstickt. Die Halle liegt höher als die erste und damit über dem Karstwasserhorizont, deshalb haben sich seine Stiefelabdrücke vom Herbst gut erhalten. Im Lampenlicht schimmert einer der winzigen Stalaktiten milchweiß, an seinem hohlen Ende hängt ein Tropfen. Gebläht wie eine Froschblase. Gläsern, märchenhafter Höhlentau, und in seiner feuchtglänzenden Tiefe angefressene Blumen und bizarre, splitterbesetzte Nadeln aus Kalk.
Stumm staunt Mauser über die Formen.
Kristallwelt.
Der Tropfen wächst und fällt ab.
Sacht wölbt sich ein neuer, naß über dem brüchigen Schlund. Gehalten von hauchdünner Haut. Eine Höhlengeburt.
Mauser holt den Klappspaten aus dem Rucksack und beginnt, die Wölbung am Boden aufzugraben. Knirschend schiebt sich die scharfe Schaufelkante durch die dünne Sinterschicht in den Lehm. Er muß die gesamte Röhre freischaufeln, die sacht ansteigt. Nach drei Metern durchstößt er die Schicht, hier macht die Röhre einen Knick nach oben. Sorgfältig schält er einen Schluf frei und kann sich hindurchdrücken. Schwierige Übung, denn der Spalt ist gerade mal schulterbreit, und hinter dem Knick folgt gleich ein Kriechgang. Dessen Lehmboden ist unberührt, keiner ist je hier gewesen.
Der Gang mündet in einer kleinen Kammer, gerade hoch genug zum Aufrechtstehen. Wände, Boden und Decke sind mit einer dicken Lehmschicht verkleidet. Mauser schaut sich um. Die Kammer hat muffige Luft, wer weiß, denkt Mauser, wie lange die schon hier drin steht.
Mauser spürt die Stille. Hier ist etwas aufbewahrt worden, denkt er. Für mich. Eine Vergangenheit ist gegenwärtig, seit Jahrzehnten stumm, die jetzt zu sprechen anfängt.
Mauser geht gebückt die Kammer ab und sieht im hinteren Teil, wo sich der Boden senkt, etwas liegen. Etwas, das nicht hierhergehört. In Höhlen gehört außer Stein, Dreck und Dunkelheit nichts her.
Aber deutlich liegt dort, im Lampenlicht, ein Mensch.
Er liegt ausgestreckt, die Arme ordentlich an den Körper gelegt.
Er schläft.
Er trägt einen Anzug. Einen schwarzen Anzug, wenn das Licht nicht täuscht, eine Krawatte und ein weißes Hemd.
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Autoren-Porträt von Rainer Gross
Gross, RainerRainer Gross wurde 1962 in Reutlingen, Baden-Württemberg, geboren. Er studierte Philosophie und Literaturwissenschaft in Tübingen, danach folgte ein Studium an einem theologischen Seminar. Er ist verheiratet und lebt seit 2002 als freier Schriftsteller in Ahrensburg. Für sein Debüt "Grafeneck" wurde er mit dem "Friedrich-Glauser-Preis" ausgezeichnet.
Bibliographische Angaben
- Autor: Rainer Gross
- 2010, 219 Seiten, Masse: 12 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442471184
- ISBN-13: 9783442471188
Rezension zu „Grafeneck “
"Dieses Buch berührt. Man möchte mehr von Rainer Gross." Die Welt
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