Dogma / Geheimnis der Templer Bd.2
Thriller. Deutsche Erstausgabe
Istanbul, 2010: Ein iranischer Archäologe hat eine Entdeckung gemacht und wird daraufhin mit dem Tode bedroht. Zeitgleich wird in Rom Tess Chaykin entführt. Um sie zu retten, soll Agent Reilly brisante Akten aus dem geheimsten Bestand der...
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Produktinformationen zu „Dogma / Geheimnis der Templer Bd.2 “
Istanbul, 2010: Ein iranischer Archäologe hat eine Entdeckung gemacht und wird daraufhin mit dem Tode bedroht. Zeitgleich wird in Rom Tess Chaykin entführt. Um sie zu retten, soll Agent Reilly brisante Akten aus dem geheimsten Bestand der vatikanischen Archive stehlen. Es beginnt eine Jagd von einem Kontinent zum anderen, über Gebirge hinweg bis ins Innere der Erde.
Klappentext zu „Dogma / Geheimnis der Templer Bd.2 “
Tödliche Jagd nach dem Buch der Bücher.Konstantinopel 1203: Kreuzritter belagern die Stadt. In der Nacht gelingt einer Gruppe Tempelritter der Ausbruch durch die feindlichen Linien. Doch sie kommen nicht weit.
Istanbul 2010: Ein iranischer Archäologe macht eine ungeheuerliche Entdeckung. Und überlebt es nicht. Wenige Tage später wird eine Frau entführt. Nur einer kann sie retten. Er muss dafür brisante Akten stehlen - aus dem geheimsten Bestand der vatikanischen Archive. Und es beginnt eine tödliche Jagd: von einem Kontinent zum anderen, über Gebirge hinweg bis tief ins Innere der Erde.
DIE FORTSETZUNG DES WELT-BESTSELLERS "SCRIPTUM"
Tödliche Jagd nach dem Buch der Bücher.
Konstantinopel 1203: Kreuzritter belagern die Stadt. In der Nacht gelingt einer Gruppe Tempelritter der Ausbruch durch die feindlichen Linien. Doch sie kommen nicht weit.
Istanbul 2010: Ein iranischer Archäologe macht eine ungeheuerliche Entdeckung. Und überlebt es nicht. Wenige Tage später wird eine Frau entführt. Nur einer kann sie retten. Er muss dafür brisante Akten stehlen - aus dem geheimsten Bestand der vatikanischen Archive. Und es beginnt eine tödliche Jagd: von einem Kontinent zum anderen, über Gebirge hinweg bis tief ins Innere der Erde.
DIE FORTSETZUNG DES WELT-BESTSELLERS "SCRIPTUM"
Konstantinopel 1203: Kreuzritter belagern die Stadt. In der Nacht gelingt einer Gruppe Tempelritter der Ausbruch durch die feindlichen Linien. Doch sie kommen nicht weit.
Istanbul 2010: Ein iranischer Archäologe macht eine ungeheuerliche Entdeckung. Und überlebt es nicht. Wenige Tage später wird eine Frau entführt. Nur einer kann sie retten. Er muss dafür brisante Akten stehlen - aus dem geheimsten Bestand der vatikanischen Archive. Und es beginnt eine tödliche Jagd: von einem Kontinent zum anderen, über Gebirge hinweg bis tief ins Innere der Erde.
DIE FORTSETZUNG DES WELT-BESTSELLERS "SCRIPTUM"
Lese-Probe zu „Dogma / Geheimnis der Templer Bd.2 “
Dogma von Raymond Khoury PROLOG
Konstantinopel - Juli 1203
... mehr
« Duckt Euch und vermeidet jedes Geräusch », flüsterte der
grauhaarige Mann, während er dem Ritt er half, den Wehrgang
zu erklimmen. « Auf dem Festungswall wimmelt es von Wachen,
durch die Belagerung sind alle in höchster Alarmbereitschaft . »
Everard von Tyros sah sich suchend um, ob in der Dunkelheit
eine Gefahr lauerte, doch es war kein Mensch in der Nähe. Die
Türme zu beiden Seiten waren so weit entfernt, dass die flackernden
Fackeln der nächtlichen Wachen dort in der mondlosen
Nacht kaum auszumachen waren. Der Hüter hatte die Stelle gut
gewählt. Wenn sie rasch handelten, bestand tatsächlich die Möglichkeit,
die Befestigungsanlagen unbemerkt zu überwinden und
in die Stadt einzudringen.
Ob es ihnen allerdings gelingen würde, sie ebenso unbemerkt
auch wieder zu verlassen - das war eine andere Frage.
Everard ruckte dreimal am Seil, das Zeichen für die fünf Ritter
seiner Bruderschaft , die unten im Schatten der mächtigen
äußeren Mauer warteten. Einer nach dem anderen kletterte an
dem geknoteten Seil hinauf, der Letzte zog es hinter sich hoch.
Mit gezückten Schwertern schlichen sie schweigend im Gänsemarsch
hinter ihrem Verbündeten her. An der inneren Mauer
ließen sie das Seil wieder hinab. Minuten später hatten alle wieder
festen Boden unter den Füßen. Sie folgten einem Mann, dem
keiner von ihnen je zuvor begegnet war, hinein in eine Stadt, die
sie nie zuvor betreten hatten.
Jederzeit darauf gefasst, entdeckt zu werden, duckten sie sich
tief. Statt der traditionellen weißen Umhänge mit dem roten
Tatzenkreuz, dem Zeichen ihres Ordens, trugen sie schwarze
Wappenröcke über dunklen Tuniken. Ihre wahre Identität zu erkennen
zu geben war nicht ratsam. Nicht, wenn sie sich in feindlichem
Gebiet bewegten, und erst recht nicht, wenn sie heimlich
in eine Stadt eindrangen, die von den Kreuzrittern von Papst
Innozenz belagert wurde. Schließlich waren sie selbst Kreuzritt er.
Für die Bevölkerung von Konstantinopel galten die Templer als
Männer des Papstes. Sie waren der Feind. Und Everard war sich
vollauf bewusst, welch grausiges Schicksal Ritt er erwartete, die
hinter den feindlichen Linien dem Gegner in die Hände fielen.
Aber der Kriegermönch betrachtete die Byzantiner nicht als
Feinde, und er war auch nicht im Dienst des Papstes hier.
Ganz und gar nicht.
Christ gegen Christ, dachte er, während sie an einer nächtlich
verschlossenen Kirche vorbeischlichen. Nimmt dieser Irrsinn
denn kein Ende ?
Hinter ihnen lag eine lange, beschwerliche Reise. Tagelang
waren sie geritten, hatten sich nur kurze Pausen gegönnt und ihre
Pferde fast zu Tode geschunden. Die Botschaft von den Hütern
tief in der byzantinischen Hauptstadt war gänzlich überraschend
gekommen - und sie war zutiefst beunruhigend. Die Stadt Zadar
an der dalmatinischen Küste war unerklärlicherweise von der
päpstlichen Armee belagert und erobert worden - unerklärlich,
wenn man bedachte, dass es sich um eine christliche Stadt handelte,
und nicht nur das, sogar um eine katholische. Inzwischen
war die venezianische Flott e, mit der die plündernden Scharen
des Vierten Kreuzzugs eingefallen waren, weitergezogen. Ihr
nächstes Ziel war Konstantinopel, angeblich, um dem abgesetz-
ten, blinden Kaiser und seinem Sohn wieder auf den Thron zu
verhelfen. Wenn man bedachte, dass die byzantinische Hauptstadt
nicht einmal katholisch war, sondern griechisch-orthodox,
und sich zudem dort vor einigen Jahrzehnten ein Massaker zugetragen
hatte, waren die Aussichten für die Stadt alles andere als
erfreulich.
So waren Everard und seine Ritt ergenossen in aller Hast von
der Templerburg in Tortosa aufgebrochen. Sie waren nach Norden
bis an die Küste geritten, dann weiter nach Westen, durch feindliches
Gebiet, das von kilikischen Armeniern und muslimischen
Seldschuken beherrscht wurde, durch das trockene, unwirtliche
Kappadokien, wobei sie um jede Stadt und jede Siedlung einen
Bogen machten und alles taten, um eine Begegnung mit Einheimischen
zu vermeiden. Als sie die Gegend um Konstantinopel erreichten,
hatte sich die Kreuzfahrerflotte - mehr als zweihundert
Galeeren und Reiterzüge unter dem Kommando des gefürchteten
Dogen von Venedig persönlich - bereits in den Gewässern
verschanzt, die die bedeutendste Stadt ihrer Zeit umgaben.
Die Belagerung war in vollem Gange.
Die Zeit lief ihnen davon.
Als eine Patrouille Fußsoldaten vorbeimarschierte, zogen sie
sich in einen dunklen Winkel zurück. Anschließend folgten sie
dem Hüter über einen kleinen Friedhof zu einer Baumgruppe.
Ein Pferdewagen erwartete sie hier. Die Zügel hielt ein grauhaariger
Mann, dessen unbewegte Miene sein tiefes Unbehagen
nicht verbergen konnte. Der Zweite der drei, dachte Everard und
nickte dem Mann zu, während seine Kameraden hinten in das
Fuhrwerk kletterten. Wenig später befanden sie sich auf dem
Weg tief ins Herz der Stadt.
Durch einen schmalen Schlitz in der Wagenplane warf der
kräftige Ritt er hin und wieder einen Blick hinaus. Eine solche
Stadt hatte er noch nie gesehen.
Obwohl es fast dunkel war, konnte er die Silhouetten majestätisch
aufragender Kirchen und monumentaler Paläste ausmachen,
Bauwerke von einer Größe, die er nicht für möglich
gehalten hätte. Ihre bloße Zahl war beeindruckend. Rom, Paris,
Venedig ... vor Jahren war es ihm vergönnt gewesen, all diese
Städte kennenzulernen, als er seinen Großmeister auf einer
Reise zum Pariser Tempel begleitete. Aber was er hier sah, stellte
alles in den Schatten. Und als das Fuhrwerk schließlich sein
Ziel erreichte, war der Anblick, der ihn erwartete, nicht weniger
atemberaubend: ein erhabenes Bauwerk mit einer Reihe korinthischer
Säulen an seiner Front, so hoch, dass die Kapitelle in der
Dunkelheit nicht mehr zu erkennen waren.
Der dritt e Hüter, der älteste der Männer, erwartete die Ankömmlinge
auf dem obersten Absatz der mächtigen Vortreppe.
« Was ist dies für ein Gebäude ? », fragte Everard ihn.
« Die Kaiserliche Bibliothek », erwiderte der Mann mit bedächtigem
Nicken.
Everard konnte seine Verblüffung nicht verbergen. Die Kaiserliche
Bibliothek ?
Dem Hüter entging sein Gesichtsausdruck nicht, und ein
leichtes Schmunzeln umspielte seine Lippen. « Wo könnte man
etwas besser verbergen als direkt vor den Augen der Feinde ? »
Er wandte sich um und ging auf das Portal zu. « Folgt mir. Wir
haben nicht viel Zeit. »
Die Männer geleiteten die Ritt er die Stufen hinauf, durch das
Vestibül und weiter, tief in das höhlenartige Gebäude hinein. Die
Gänge waren menschenleer, und das nicht nur wegen der späten
Stunde. Die Spannung in der Stadt war geradezu mit Händen zu
greifen. Die feuchte Nachtluft war schwer von Angst, einer Angst,
die durch die täglich zunehmende Ungewissheit und Verwirrung
geschürt wurde.
Bei Fackelschein setzten sie ihren Weg fort, vorbei an den
weitläufigen Skriptorien, in denen der größte Teil des Wissens
der Alten Welt versammelt war: Regale um Regale voller Schrift -
rollen und Kodizes, darunter auch Texte, die aus der lang verlorenen
Bibliothek von Alexandria gerettet worden waren. Zuhinterst
im Gebäude befand sich eine Wendeltreppe, die die Männer
hinabstiegen. Weiter ging es durch ein Labyrinth enger Gänge
und über eine zweite Treppe noch tiefer hinab. Ihre Schatten glitten
über die Wände aus gesprenkeltem Kalkstein, bis sie schließlich
einen unbeleuchteten Gang erreichten, von dem eine Reihe
schwerer Türen abging. Einer der Hüter schloss die hinterste
davon auf und schritt ihnen voraus. Sie fanden sich in einem
weitläufigen Lagerraum wieder, einem von vielen, wie Everard
annahm. Überall standen Truhen herum, und an den Wänden
zogen sich spinnwebverhangene Regale entlang, in denen wiederum
Schrift rollen und ledergebundene Kodizes gestapelt lagen.
Die abgestandene Luft roch moderig, aber sie war kühl. Die
Baumeister, wer auch immer sie gewesen sein mochten, hatten
offenbar gewusst, dass die Räume nicht feucht werden durften,
wenn die Pergamenthandschrift en die Zeit überdauern sollten.
Und das hatten sie - seit Jahrhunderten.
Genau deshalb waren Everard und seine Männer nun hier.
« Die Kunde ist nicht erfreulich », teilte der älteste der Hüter
ihnen mit. « Dem Usurpator Alexius fehlt der Mut, dem Feind
entgegenzutreten. Er ist gestern mit vierzig Divisionen ausgerückt,
aber er hat es nicht gewagt, es mit den Franken und den
Venezianern aufzunehmen. Er konnte gar nicht schnell genug
zurück durch die Tore reiten. » Der Alte hielt inne, Verzweiflung
in den Augen. « Ich befürchte das Schlimmste. Die Stadt ist so
gut wie verloren, und wenn sie fällt ... »
Everard konnte sich vorstellen, welche Vergeltung die Latiner
an den verängstigten Einwohnern der Stadt üben würden, wenn
sie die Verteidigungslinien durchbrachen.
Das Massaker an den Latinern von Konstantinopel lag erst
zwanzig Jahre zurück. Männer, Frauen, Kinder ... niemand war
verschont worden. Tausende und Abertausende Menschenleben
ausgelöscht in einem Blutrausch, wie man ihn nicht mehr gesehen
hatte, seit beim Ersten Kreuzzug Jerusalem eingenommen
worden war. Kaufleute aus Venedig, Genua und Pisa mit ihren
Familien, die seit langem in Konstantinopel ansässig waren und
in deren Händen der Seehandel und die Geldwirtschaft der Stadt
lagen, die gesamte römisch-katholische Bevölkerung der Stadt -
abgeschlachtet von den Einheimischen in einem plötzlichen
Ausbruch von Zorn und Missgunst. Ihre Häuser waren in Brand
gesteckt worden, ihre Gräber geschändet, die Überlebenden als
Sklaven an die Türken verkauft . Den katholischen Geistlichen
der Stadt war es nicht besser ergangen: Ihre griechisch-orthodoxen
Feinde brannten ihre Kirchen nieder, der Repräsentant
des Papstes wurde öffentlich enthauptet und sein Kopf einem
Hund an den Schwanz gebunden, damit er ihn vor den Augen
der johlenden Menge durch die blutbesudelten Straßen der Stadt
schleifte.
Der alte Mann wandte sich um und führte die Ritt er durch
den Lagerraum zu einer Tür, die zum Teil hinter ein paar schwerbeladenen
Regalen verborgen war. « Die Franken und die Latiner
sprechen davon, Jerusalem zurückzuerobern, aber Euch und mir
ist klar, dass es ihnen niemals gelingen wird », sagte er, während
er sich an den Schlössern zu schaff en machte. « Ohnehin geht es
ihnen nicht wirklich darum, die Grabeskirche wieder in Besitz zu
nehmen. Nicht mehr. Das Einzige, woran ihnen jetzt noch liegt,
ist, sich selbst zu bereichern. Und der Papst sähe nichts lieber,
als dass dieses Reich fällt und die Kirche wieder der alleinigen
Herrschaft Roms unterstellt wird. » Er drehte sich um, und sein
Gesicht verdüsterte sich. « Man hat von jeher gesagt, allein die
Engel im Himmel wüssten, wann unsere großartige Stadt fallen
wird. Ich fürchte, jetzt sind es nicht mehr nur die Engel, die es
wissen. Die Männer des Papstes werden Konstantinopel einnehmen
», sagte er zu den Ritt ern. « Und wenn es so weit ist, zweifle
ich nicht daran, dass ein kleiner Trupp von ihnen nur ein Ziel
haben wird: dies hier in Besitz zu nehmen. »
Damit öffnete er die Tür und führte sie hinein. Der Raum war
leer bis auf drei große hölzerne Truhen.
Everards Herz schlug schneller. Als einer der wenigen in den
höchsten Rängen des Ordens wusste er, was diese schlichten,
schmucklosen Kisten enthielten. Und er wusste auch, was er jetzt
zu tun hatte.
« Ihr werdet den Wagen mit den Pferden brauchen. Theophilus
wird Euch noch einmal helfen », fuhr der alte Mann mit
einem Blick zu dem jüngsten der drei Hüter fort, dem, der Everard
und seine Männer in die Stadt geführt hatte. « Aber wir
müssen uns beeilen. Die Lage kann jederzeit umschlagen. Man
munkelt sogar, der Kaiser wolle aus der Stadt fliehen. Ihr müsst
bei Tagesanbruch aufbrechen. »
«‹ Ihr › ... ? », wiederholte Everard überrascht. « Was ist mit
Euch ? Ihr kommt doch mit uns ? »
Der Ältere wechselte einen bekümmerten Blick mit seinen
Gefährten, dann schüttelte er den Kopf. « Nein. Wir müssen
dafür sorgen, dass man Eure Spur nicht findet. Die Männer des
Papstes sollen ruhig denken, das, worauf sie aus sind, befände
sich noch in der Stadt - so lange, bis Ihr außer Gefahr seid. »
Everard wollte etwas einwenden, aber er sah den Hütern an,
dass es sinnlos wäre, sie umstimmen zu wollen. Ihnen war immer
klar gewesen, dass es einmal eine Zeit wie diese geben könnte.
Sie waren darauf vorbereitet worden, so wie alle Generationen
von Hütern vor ihnen.
Sie luden die Truhen einzeln auf den Wagen. Vier Ritt er trugen
jeweils gemeinsam die schwere Last, während die beiden üb-
rigen Wache standen. Als sie aufbrachen, zeigten sich am Nachthimmel
gerade die ersten Vorboten der Morgendämmerung.
Das Pege-Tor, das die Hüter ausgewählt hatten, war als einer
der wenigen Zugänge zur Stadt in Benutzung. Es wurde von zwei
Türmen flankiert, an der Seite gab es jedoch noch eine Nebenpforte.
Durch diese würden sie hinausgelangen.
Als das schwerbeladene Pferdefuhrwerk mit den zwei verhüllten
Gestalten auf der Kutschbank darauf zurumpelte, verstellten
ihm drei Fußsoldaten den Weg.
Misstrauisch gebot ihnen einer mit erhobener Hand anzuhalten
und fragte: « Wer da ? »
Theophilus, der die Zügel hielt, hustete gequält, ehe er leise
eine Antwort murmelte. Sie müssten dringend zum Kloster Zoodochos,
gleich vor den Stadttoren gelegen. Everard, der neben
ihm saß, sah schweigend zu, wie die Worte des Hüters ihre Wirkung
taten. Der Wachmann schien interessiert, kam näher und
bellte eine weitere Frage.
Unter der Kapuze seiner dunklen Tunika beobachtete der
Templer, wie der Mann auf sie zukam. Er wartete, bis er nahe genug
heran war, ehe er sich auf ihn stürzte und ihm den Dolch tief
in den Hals stieß. Im selben Augenblick sprangen drei seiner Kameraden
aus dem Fuhrwerk und brachten die anderen Wachen
zum Schweigen, ehe diese Alarm schlagen konnten.
« Lauft », zischte Everard, als drei seiner Gefährten auf das
Torhaus zurannten, während er und die zwei übrigen Ritt er geduckt
zu den Türmen hinaufspähten. Er gab Theophilus ein Zeichen,
sich zu verstecken, wie sie es vereinbart hatten. Der alte
Mann hatte seine Aufgabe erfüllt, und dies war nicht der richtige
Ort für ihn. Everard war klar, dass jeden Moment die Hölle losbrechen
konnte - was gleich darauf geschah, als zwei Wachen aus
dem Torhaus kamen, gerade als die Ritt er den ersten Querbalken
geöffnet hatten.
Die Templer ergriff en ihre Schwerter und töteten die Wachmänner,
ehe diese wussten, wie ihnen geschah. Einer der Männer
konnte jedoch noch aufschreien, laut genug, um seine Gefährten
in den Türmen zu alarmieren. Binnen Sekunden huschten Laternen
und Fackeln in hektischem Hin und Her über das Bollwerk,
und Alarmsignale erschollen.
Everard stellte mit einem raschen Blick zum Tor fest, dass
seine Brüder sich noch immer abmühten, den letzten Balken zu
lösen. Im selben Moment bohrten sich Pfeile in den ausgedörrten
Boden neben ihm, direkt vor die Hufe ihrer Zugpferde. Jetzt
war höchste Eile geboten. Wenn eines der Pferde verwundet
würde, gäbe es für sie alle kein Entkommen mehr.
« Wir müssen fort ! », brüllte er und schoss einen Bolzen aus
seiner Armbrust auf die Silhouett e eines Bogenschützen hoch
über ihm. Der Mann stürzte rücklings von der Mauer. Everard
und die beiden Ritt er neben ihm luden ihre Armbrüste neu und
schossen weitere Bolzen nach oben, um die Wachen in Schach zu
halten. Endlich rief einer der Ritt er am Tor ihnen etwas zu, und
die Torflügel öffneten sich knarrend.
« Los, weg von hier », trieb Everard seine Männer an, doch
während sie zurück zum Fuhrwerk hasteten, wurde der Ritt er,
der ihm am nächsten stand, getroffen. Der Pfeil schlitzte seine
rechte Schulter auf und drang tief in den Brustkorb ein. Der
Ritt er - Odo de Ridefort, ein Bär von einem Mann - brach zusammen,
und ein Blutstrom quoll aus der Wunde. Everard eilte
zu ihm, half ihm auf und schrie nach den anderen. Im nächsten
Moment waren sie alle bei ihrem verwundeten Ordensbruder.
Drei von ihnen schickten Abwehrschüsse nach oben, während
die Übrigen ihm auf den Wagen halfen. Unter der Deckung der
Armbrustschützen rannte Everard nach vorn. Ehe er auf die
Kutschbank stieg, wandte er sich um und wollte Theophilus zum
Dank und Abschied noch einmal zunicken, aber der Hüter war
nicht mehr da, wo er ihn zuletzt gesehen hatte. Dann entdeckte
Everard ihn - nicht weit entfernt, reglos am Boden liegend mit
einem Pfeil durch den Hals. Everard sah ihn nur einen Wimpernschlag
lang an, aber das genügte, um den Anblick für immer in
sein Gedächtnis einzubrennen. Dann sprang er auf den Wagen
und trieb die Pferde an.
Noch ehe alle Ritt er aufgestiegen waren, rollte der Wagen
bereits so schnell es ging unter einem Hagel von Pfeilen durch
das Tor aus der Stadt. Während Everard die Pferde eine Anhöhe
hinauflenkte und den Weg nach Norden einschlug, warf er einen
Blick über das funkelnde Meer unter ihnen, wo die Kriegsgaleeren
an den Stadtmauern entlangzogen, flatternde Fahnen und
Standarten am Achtersteven. An den Seiten prangten die Schilde,
am Bug dräute der Rammsporn, und Mangonels und Leitern waren
unheilverkündend aufgerichtet.
Irrsinn, war Everards letzter, quälender Gedanke, als er die
erhabene Stadt hinter sich ließ - und damit auch die große Katastrophe,
die diese Stadt schon sehr bald ereilen würde.
Auf dem Rückweg kamen sie langsamer voran. Zwar hatten sie
ihre eigenen Pferde wieder, aber das sperrige Fuhrwerk mit seiner
schweren Last hielt sie auf. Mit ihm konnten sie sich nicht
von den vielbenutzten Fahrwegen fernhalten, wodurch sie mit
Menschen und Städten in Berührung kamen. Schlimmer aber
war das viele Blut, das Odo verlor. Sie konnten kaum etwas gegen
die Blutung unternehmen, da sie alles daransetzen mussten,
so schnell wie möglich voranzukommen. Und das Schlimmste
von allem war: Sie waren jetzt keine Unbekannten mehr. Sie
hatten die belagerte Stadt nicht so unbemerkt verlassen können,
wie sie hineingelangt waren. Bewaffnete Männer würden ihnen
nachstellen, und diesmal würden sie von außerhalb der Stadt
kommen.
Diese Befürchtung bestätigte sich noch vor Sonnenuntergang
am selben Tag.
Everard hatte zwei Ritt er vorausgeschickt und zwei weitere beauft-
ragt, die Nachhut zu bilden ; Kundschaft er, die sie rechtzeitig
vor Gefahren warnen sollten. Gleich am ersten Abend zahlte sich
seine Umsicht aus. Die Nachhut erspähte eine Kompanie fränkischer
Ritt er, die von Westen herangaloppierte und ihnen dicht
auf den Fersen war. Everard schickte einen Reiter voraus, um die
Vorhut zurückzurufen, dann verließ er den breiten Weg nach
Südosten, wo die Kreuzritter sie sicher am ehesten vermuteten,
und schlug sich mit seinen Leuten weiter östlich in die Berge.
Es war Sommer, und der Schnee war längst geschmolzen,
dennoch war die Landschaft kahl und unwirtlich. Üppig grüne,
sanfte Hügel wichen bald steilen, zerklüfteten Bergen. Es gab
kaum Wege, die überhaupt mit einem Pferdewagen befahrbar
waren, und die wenigen waren schmal und gefahrvoll, mitunter
kaum breiter als die Spur der hölzernen Räder. Daneben gähnten
schwindelerregend tiefe Schluchten. Und mit jedem Tag
verschlechterte sich Odos Zustand. Als auch noch starker Regen
einsetzte, wurde die ohnehin verzweifelte Lage noch hoffnungsloser,
aber mangels anderer Möglichkeiten blieb Everard mit
seinen Männern, soweit es ging, im Hochland. Sie mühten sich
langsam vorwärts, ernährten sich von dem, was sie eben stehlen
oder erjagen konnten, und füllten ihre Wasservorräte an den
Gebirgsbächen auf. Bei Einbruch der Dunkelheit waren sie gezwungen
anzuhalten. Sie verbrachten elende Nächte im Freien.
Das ständige Bewusstsein, dass ihre Verfolger noch immer nach
ihnen suchten, zerrte an ihren Nerven.
Wir müssen den Rückweg schaff en, sagte sich Everard, sooft
er mit dem harten Schicksal haderte, das ihm und seinen Brüdern
so unvermittelt auferlegt worden war. Wir dürfen nicht scheitern.
Zu viel steht auf dem Spiel.
Doch seine Entschlossenheit wurde auf eine harte Probe gestellt.
Nach mehreren Tagen, an denen sie nur äußerst schleppend
vorangekommen waren, bestand für Odo kaum noch Hoffnung.
Sie hatten den Pfeil entfernen und die Blutung stillen können,
aber die Wunde hatte sich entzündet, und der Ritt er lag in Fieberschauern.
Everard wusste, wenn Odo noch eine Chance
haben sollte, lebend in die heimatliche Festung zurückzukehren,
brauchte er eine Rast und ein trockenes Lager. Aber da die
Kundschaft er meldeten, dass ihre Verfolger noch immer nicht
aufgegeben hatten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihren
Weg durch das feindliche Gebiet fortzusetzen und auf ein Wunder
zu hoff en.
Am sechsten Tag stießen sie auf dieses Wunder: eine kleine,
abgeschiedene Einsiedelei.
Die Ritt er hätten sie gar nicht bemerkt, wenn nicht ein paar
Nebelkrähen darüber ihre Kreise gezogen hätten, was einem ausgehungerten
Späher der Vorhut aufgefallen war. Das kleine Kloster,
das nur aus ein paar in den Fels gehauenen Räumen bestand,
fügte sich nahezu unsichtbar in die Landschaft ein, hoch oben
in einer Ausbuchtung der Bergwand, die schützend darüber aufragte.
Die Männer ritt en so dicht wie möglich heran, dann ließen
sie Pferde und Fuhrwerk zurück und kletterten das letzte Stück
den mit Felsbrocken und Geröll übersäten Hang hinauf. Everard
staunte über die Hingabe der Männer, die - augenscheinlich vor
vielen hundert Jahren - an einem so entlegenen, gefahrvollen
Ort dieses Einsiedlerkloster erbaut hatten, und er fragte sich, wie
es sich in dieser Gegend trotz der umherziehenden Banden marodierender
Seldschukenkrieger hatte halten können.
Sie näherten sich vorsichtig, mit gezogenen Schwertern, auch
wenn sie sich kaum vorstellen konnten, dass an diesem unwirt-
lichen Ort tatsächlich Menschen lebten. Doch zu ihrem Erstaunen
wurden sie von etwa einem Dutzend Mönchen empfangen,
wettergegerbten alten Männern und Jüngeren, die sie schnell als
Brüder in Christo erkannten und ihnen Speise und Obdach anboten.
Das Kloster war sehr klein, aber für seine Lage überraschend
gut ausgestattet. Odo wurde auf ein trockenes Lager gebettet und
mit warmem Essen und Getränken versorgt, um die geschwächte
Abwehr seines Körpers zu stärken. Everard und seine Männer
wuchteten die drei Truhen den Hang hinauf und brachten sie in
einer kleinen, fensterlosen Kammer unter. Daneben befand sich
ein eindrucksvolles Skriptorium, das eine umfangreiche Sammlung
gebundener Manuskripte beherbergte. An den Pulten saßen
eine Handvoll Kopisten, so in ihre Arbeit vertieft , dass sie
die Besucher kaum zur Kenntnis nahmen.
Die Mönche - Basilianer, wie Everard und seine Kameraden
bald erfuhren - konnten die Neuigkeiten, die die Ritt er brachten,
kaum glauben. Die Vorstellung, dass die Armee des Papstes Mitchristen
belagerte und christliche Städte plünderte, war trotz des
großen Schismas schwer zu fassen. In ihrer Abgeschiedenheit
hatte die Klostergemeinde nichts von der Eroberung Jerusalems
durch Saladin oder vom gescheiterten Dritten Kreuzzug erfahren.
Jede weitere Nachricht traf sie wie ein Schlag, ließ ihre Herzen
mutloser und die Furchen auf ihren Stirnen tiefer werden.
Einen heiklen Punkt ließ Everard bei seinem Bericht off en:
Weshalb er und seine Ordensbrüder nach Konstantinopel gezogen
waren und welche Rolle sie bei der Belagerung der großen
Stadt gespielt hatten. Ihm war klar, dass diese orthodoxen Mönche
sie leicht für Soldaten der latinischen Truppen hätten halten
können, die gegen die Tore ihrer Hauptstadt zogen. Und es
gab einen weiteren, noch heikleren Punkt, den der Hegumen des
Klosters, der Abt, schließlich auch ansprach.
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Copyright © 2011 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
« Duckt Euch und vermeidet jedes Geräusch », flüsterte der
grauhaarige Mann, während er dem Ritt er half, den Wehrgang
zu erklimmen. « Auf dem Festungswall wimmelt es von Wachen,
durch die Belagerung sind alle in höchster Alarmbereitschaft . »
Everard von Tyros sah sich suchend um, ob in der Dunkelheit
eine Gefahr lauerte, doch es war kein Mensch in der Nähe. Die
Türme zu beiden Seiten waren so weit entfernt, dass die flackernden
Fackeln der nächtlichen Wachen dort in der mondlosen
Nacht kaum auszumachen waren. Der Hüter hatte die Stelle gut
gewählt. Wenn sie rasch handelten, bestand tatsächlich die Möglichkeit,
die Befestigungsanlagen unbemerkt zu überwinden und
in die Stadt einzudringen.
Ob es ihnen allerdings gelingen würde, sie ebenso unbemerkt
auch wieder zu verlassen - das war eine andere Frage.
Everard ruckte dreimal am Seil, das Zeichen für die fünf Ritter
seiner Bruderschaft , die unten im Schatten der mächtigen
äußeren Mauer warteten. Einer nach dem anderen kletterte an
dem geknoteten Seil hinauf, der Letzte zog es hinter sich hoch.
Mit gezückten Schwertern schlichen sie schweigend im Gänsemarsch
hinter ihrem Verbündeten her. An der inneren Mauer
ließen sie das Seil wieder hinab. Minuten später hatten alle wieder
festen Boden unter den Füßen. Sie folgten einem Mann, dem
keiner von ihnen je zuvor begegnet war, hinein in eine Stadt, die
sie nie zuvor betreten hatten.
Jederzeit darauf gefasst, entdeckt zu werden, duckten sie sich
tief. Statt der traditionellen weißen Umhänge mit dem roten
Tatzenkreuz, dem Zeichen ihres Ordens, trugen sie schwarze
Wappenröcke über dunklen Tuniken. Ihre wahre Identität zu erkennen
zu geben war nicht ratsam. Nicht, wenn sie sich in feindlichem
Gebiet bewegten, und erst recht nicht, wenn sie heimlich
in eine Stadt eindrangen, die von den Kreuzrittern von Papst
Innozenz belagert wurde. Schließlich waren sie selbst Kreuzritt er.
Für die Bevölkerung von Konstantinopel galten die Templer als
Männer des Papstes. Sie waren der Feind. Und Everard war sich
vollauf bewusst, welch grausiges Schicksal Ritt er erwartete, die
hinter den feindlichen Linien dem Gegner in die Hände fielen.
Aber der Kriegermönch betrachtete die Byzantiner nicht als
Feinde, und er war auch nicht im Dienst des Papstes hier.
Ganz und gar nicht.
Christ gegen Christ, dachte er, während sie an einer nächtlich
verschlossenen Kirche vorbeischlichen. Nimmt dieser Irrsinn
denn kein Ende ?
Hinter ihnen lag eine lange, beschwerliche Reise. Tagelang
waren sie geritten, hatten sich nur kurze Pausen gegönnt und ihre
Pferde fast zu Tode geschunden. Die Botschaft von den Hütern
tief in der byzantinischen Hauptstadt war gänzlich überraschend
gekommen - und sie war zutiefst beunruhigend. Die Stadt Zadar
an der dalmatinischen Küste war unerklärlicherweise von der
päpstlichen Armee belagert und erobert worden - unerklärlich,
wenn man bedachte, dass es sich um eine christliche Stadt handelte,
und nicht nur das, sogar um eine katholische. Inzwischen
war die venezianische Flott e, mit der die plündernden Scharen
des Vierten Kreuzzugs eingefallen waren, weitergezogen. Ihr
nächstes Ziel war Konstantinopel, angeblich, um dem abgesetz-
ten, blinden Kaiser und seinem Sohn wieder auf den Thron zu
verhelfen. Wenn man bedachte, dass die byzantinische Hauptstadt
nicht einmal katholisch war, sondern griechisch-orthodox,
und sich zudem dort vor einigen Jahrzehnten ein Massaker zugetragen
hatte, waren die Aussichten für die Stadt alles andere als
erfreulich.
So waren Everard und seine Ritt ergenossen in aller Hast von
der Templerburg in Tortosa aufgebrochen. Sie waren nach Norden
bis an die Küste geritten, dann weiter nach Westen, durch feindliches
Gebiet, das von kilikischen Armeniern und muslimischen
Seldschuken beherrscht wurde, durch das trockene, unwirtliche
Kappadokien, wobei sie um jede Stadt und jede Siedlung einen
Bogen machten und alles taten, um eine Begegnung mit Einheimischen
zu vermeiden. Als sie die Gegend um Konstantinopel erreichten,
hatte sich die Kreuzfahrerflotte - mehr als zweihundert
Galeeren und Reiterzüge unter dem Kommando des gefürchteten
Dogen von Venedig persönlich - bereits in den Gewässern
verschanzt, die die bedeutendste Stadt ihrer Zeit umgaben.
Die Belagerung war in vollem Gange.
Die Zeit lief ihnen davon.
Als eine Patrouille Fußsoldaten vorbeimarschierte, zogen sie
sich in einen dunklen Winkel zurück. Anschließend folgten sie
dem Hüter über einen kleinen Friedhof zu einer Baumgruppe.
Ein Pferdewagen erwartete sie hier. Die Zügel hielt ein grauhaariger
Mann, dessen unbewegte Miene sein tiefes Unbehagen
nicht verbergen konnte. Der Zweite der drei, dachte Everard und
nickte dem Mann zu, während seine Kameraden hinten in das
Fuhrwerk kletterten. Wenig später befanden sie sich auf dem
Weg tief ins Herz der Stadt.
Durch einen schmalen Schlitz in der Wagenplane warf der
kräftige Ritt er hin und wieder einen Blick hinaus. Eine solche
Stadt hatte er noch nie gesehen.
Obwohl es fast dunkel war, konnte er die Silhouetten majestätisch
aufragender Kirchen und monumentaler Paläste ausmachen,
Bauwerke von einer Größe, die er nicht für möglich
gehalten hätte. Ihre bloße Zahl war beeindruckend. Rom, Paris,
Venedig ... vor Jahren war es ihm vergönnt gewesen, all diese
Städte kennenzulernen, als er seinen Großmeister auf einer
Reise zum Pariser Tempel begleitete. Aber was er hier sah, stellte
alles in den Schatten. Und als das Fuhrwerk schließlich sein
Ziel erreichte, war der Anblick, der ihn erwartete, nicht weniger
atemberaubend: ein erhabenes Bauwerk mit einer Reihe korinthischer
Säulen an seiner Front, so hoch, dass die Kapitelle in der
Dunkelheit nicht mehr zu erkennen waren.
Der dritt e Hüter, der älteste der Männer, erwartete die Ankömmlinge
auf dem obersten Absatz der mächtigen Vortreppe.
« Was ist dies für ein Gebäude ? », fragte Everard ihn.
« Die Kaiserliche Bibliothek », erwiderte der Mann mit bedächtigem
Nicken.
Everard konnte seine Verblüffung nicht verbergen. Die Kaiserliche
Bibliothek ?
Dem Hüter entging sein Gesichtsausdruck nicht, und ein
leichtes Schmunzeln umspielte seine Lippen. « Wo könnte man
etwas besser verbergen als direkt vor den Augen der Feinde ? »
Er wandte sich um und ging auf das Portal zu. « Folgt mir. Wir
haben nicht viel Zeit. »
Die Männer geleiteten die Ritt er die Stufen hinauf, durch das
Vestibül und weiter, tief in das höhlenartige Gebäude hinein. Die
Gänge waren menschenleer, und das nicht nur wegen der späten
Stunde. Die Spannung in der Stadt war geradezu mit Händen zu
greifen. Die feuchte Nachtluft war schwer von Angst, einer Angst,
die durch die täglich zunehmende Ungewissheit und Verwirrung
geschürt wurde.
Bei Fackelschein setzten sie ihren Weg fort, vorbei an den
weitläufigen Skriptorien, in denen der größte Teil des Wissens
der Alten Welt versammelt war: Regale um Regale voller Schrift -
rollen und Kodizes, darunter auch Texte, die aus der lang verlorenen
Bibliothek von Alexandria gerettet worden waren. Zuhinterst
im Gebäude befand sich eine Wendeltreppe, die die Männer
hinabstiegen. Weiter ging es durch ein Labyrinth enger Gänge
und über eine zweite Treppe noch tiefer hinab. Ihre Schatten glitten
über die Wände aus gesprenkeltem Kalkstein, bis sie schließlich
einen unbeleuchteten Gang erreichten, von dem eine Reihe
schwerer Türen abging. Einer der Hüter schloss die hinterste
davon auf und schritt ihnen voraus. Sie fanden sich in einem
weitläufigen Lagerraum wieder, einem von vielen, wie Everard
annahm. Überall standen Truhen herum, und an den Wänden
zogen sich spinnwebverhangene Regale entlang, in denen wiederum
Schrift rollen und ledergebundene Kodizes gestapelt lagen.
Die abgestandene Luft roch moderig, aber sie war kühl. Die
Baumeister, wer auch immer sie gewesen sein mochten, hatten
offenbar gewusst, dass die Räume nicht feucht werden durften,
wenn die Pergamenthandschrift en die Zeit überdauern sollten.
Und das hatten sie - seit Jahrhunderten.
Genau deshalb waren Everard und seine Männer nun hier.
« Die Kunde ist nicht erfreulich », teilte der älteste der Hüter
ihnen mit. « Dem Usurpator Alexius fehlt der Mut, dem Feind
entgegenzutreten. Er ist gestern mit vierzig Divisionen ausgerückt,
aber er hat es nicht gewagt, es mit den Franken und den
Venezianern aufzunehmen. Er konnte gar nicht schnell genug
zurück durch die Tore reiten. » Der Alte hielt inne, Verzweiflung
in den Augen. « Ich befürchte das Schlimmste. Die Stadt ist so
gut wie verloren, und wenn sie fällt ... »
Everard konnte sich vorstellen, welche Vergeltung die Latiner
an den verängstigten Einwohnern der Stadt üben würden, wenn
sie die Verteidigungslinien durchbrachen.
Das Massaker an den Latinern von Konstantinopel lag erst
zwanzig Jahre zurück. Männer, Frauen, Kinder ... niemand war
verschont worden. Tausende und Abertausende Menschenleben
ausgelöscht in einem Blutrausch, wie man ihn nicht mehr gesehen
hatte, seit beim Ersten Kreuzzug Jerusalem eingenommen
worden war. Kaufleute aus Venedig, Genua und Pisa mit ihren
Familien, die seit langem in Konstantinopel ansässig waren und
in deren Händen der Seehandel und die Geldwirtschaft der Stadt
lagen, die gesamte römisch-katholische Bevölkerung der Stadt -
abgeschlachtet von den Einheimischen in einem plötzlichen
Ausbruch von Zorn und Missgunst. Ihre Häuser waren in Brand
gesteckt worden, ihre Gräber geschändet, die Überlebenden als
Sklaven an die Türken verkauft . Den katholischen Geistlichen
der Stadt war es nicht besser ergangen: Ihre griechisch-orthodoxen
Feinde brannten ihre Kirchen nieder, der Repräsentant
des Papstes wurde öffentlich enthauptet und sein Kopf einem
Hund an den Schwanz gebunden, damit er ihn vor den Augen
der johlenden Menge durch die blutbesudelten Straßen der Stadt
schleifte.
Der alte Mann wandte sich um und führte die Ritt er durch
den Lagerraum zu einer Tür, die zum Teil hinter ein paar schwerbeladenen
Regalen verborgen war. « Die Franken und die Latiner
sprechen davon, Jerusalem zurückzuerobern, aber Euch und mir
ist klar, dass es ihnen niemals gelingen wird », sagte er, während
er sich an den Schlössern zu schaff en machte. « Ohnehin geht es
ihnen nicht wirklich darum, die Grabeskirche wieder in Besitz zu
nehmen. Nicht mehr. Das Einzige, woran ihnen jetzt noch liegt,
ist, sich selbst zu bereichern. Und der Papst sähe nichts lieber,
als dass dieses Reich fällt und die Kirche wieder der alleinigen
Herrschaft Roms unterstellt wird. » Er drehte sich um, und sein
Gesicht verdüsterte sich. « Man hat von jeher gesagt, allein die
Engel im Himmel wüssten, wann unsere großartige Stadt fallen
wird. Ich fürchte, jetzt sind es nicht mehr nur die Engel, die es
wissen. Die Männer des Papstes werden Konstantinopel einnehmen
», sagte er zu den Ritt ern. « Und wenn es so weit ist, zweifle
ich nicht daran, dass ein kleiner Trupp von ihnen nur ein Ziel
haben wird: dies hier in Besitz zu nehmen. »
Damit öffnete er die Tür und führte sie hinein. Der Raum war
leer bis auf drei große hölzerne Truhen.
Everards Herz schlug schneller. Als einer der wenigen in den
höchsten Rängen des Ordens wusste er, was diese schlichten,
schmucklosen Kisten enthielten. Und er wusste auch, was er jetzt
zu tun hatte.
« Ihr werdet den Wagen mit den Pferden brauchen. Theophilus
wird Euch noch einmal helfen », fuhr der alte Mann mit
einem Blick zu dem jüngsten der drei Hüter fort, dem, der Everard
und seine Männer in die Stadt geführt hatte. « Aber wir
müssen uns beeilen. Die Lage kann jederzeit umschlagen. Man
munkelt sogar, der Kaiser wolle aus der Stadt fliehen. Ihr müsst
bei Tagesanbruch aufbrechen. »
«‹ Ihr › ... ? », wiederholte Everard überrascht. « Was ist mit
Euch ? Ihr kommt doch mit uns ? »
Der Ältere wechselte einen bekümmerten Blick mit seinen
Gefährten, dann schüttelte er den Kopf. « Nein. Wir müssen
dafür sorgen, dass man Eure Spur nicht findet. Die Männer des
Papstes sollen ruhig denken, das, worauf sie aus sind, befände
sich noch in der Stadt - so lange, bis Ihr außer Gefahr seid. »
Everard wollte etwas einwenden, aber er sah den Hütern an,
dass es sinnlos wäre, sie umstimmen zu wollen. Ihnen war immer
klar gewesen, dass es einmal eine Zeit wie diese geben könnte.
Sie waren darauf vorbereitet worden, so wie alle Generationen
von Hütern vor ihnen.
Sie luden die Truhen einzeln auf den Wagen. Vier Ritt er trugen
jeweils gemeinsam die schwere Last, während die beiden üb-
rigen Wache standen. Als sie aufbrachen, zeigten sich am Nachthimmel
gerade die ersten Vorboten der Morgendämmerung.
Das Pege-Tor, das die Hüter ausgewählt hatten, war als einer
der wenigen Zugänge zur Stadt in Benutzung. Es wurde von zwei
Türmen flankiert, an der Seite gab es jedoch noch eine Nebenpforte.
Durch diese würden sie hinausgelangen.
Als das schwerbeladene Pferdefuhrwerk mit den zwei verhüllten
Gestalten auf der Kutschbank darauf zurumpelte, verstellten
ihm drei Fußsoldaten den Weg.
Misstrauisch gebot ihnen einer mit erhobener Hand anzuhalten
und fragte: « Wer da ? »
Theophilus, der die Zügel hielt, hustete gequält, ehe er leise
eine Antwort murmelte. Sie müssten dringend zum Kloster Zoodochos,
gleich vor den Stadttoren gelegen. Everard, der neben
ihm saß, sah schweigend zu, wie die Worte des Hüters ihre Wirkung
taten. Der Wachmann schien interessiert, kam näher und
bellte eine weitere Frage.
Unter der Kapuze seiner dunklen Tunika beobachtete der
Templer, wie der Mann auf sie zukam. Er wartete, bis er nahe genug
heran war, ehe er sich auf ihn stürzte und ihm den Dolch tief
in den Hals stieß. Im selben Augenblick sprangen drei seiner Kameraden
aus dem Fuhrwerk und brachten die anderen Wachen
zum Schweigen, ehe diese Alarm schlagen konnten.
« Lauft », zischte Everard, als drei seiner Gefährten auf das
Torhaus zurannten, während er und die zwei übrigen Ritt er geduckt
zu den Türmen hinaufspähten. Er gab Theophilus ein Zeichen,
sich zu verstecken, wie sie es vereinbart hatten. Der alte
Mann hatte seine Aufgabe erfüllt, und dies war nicht der richtige
Ort für ihn. Everard war klar, dass jeden Moment die Hölle losbrechen
konnte - was gleich darauf geschah, als zwei Wachen aus
dem Torhaus kamen, gerade als die Ritt er den ersten Querbalken
geöffnet hatten.
Die Templer ergriff en ihre Schwerter und töteten die Wachmänner,
ehe diese wussten, wie ihnen geschah. Einer der Männer
konnte jedoch noch aufschreien, laut genug, um seine Gefährten
in den Türmen zu alarmieren. Binnen Sekunden huschten Laternen
und Fackeln in hektischem Hin und Her über das Bollwerk,
und Alarmsignale erschollen.
Everard stellte mit einem raschen Blick zum Tor fest, dass
seine Brüder sich noch immer abmühten, den letzten Balken zu
lösen. Im selben Moment bohrten sich Pfeile in den ausgedörrten
Boden neben ihm, direkt vor die Hufe ihrer Zugpferde. Jetzt
war höchste Eile geboten. Wenn eines der Pferde verwundet
würde, gäbe es für sie alle kein Entkommen mehr.
« Wir müssen fort ! », brüllte er und schoss einen Bolzen aus
seiner Armbrust auf die Silhouett e eines Bogenschützen hoch
über ihm. Der Mann stürzte rücklings von der Mauer. Everard
und die beiden Ritt er neben ihm luden ihre Armbrüste neu und
schossen weitere Bolzen nach oben, um die Wachen in Schach zu
halten. Endlich rief einer der Ritt er am Tor ihnen etwas zu, und
die Torflügel öffneten sich knarrend.
« Los, weg von hier », trieb Everard seine Männer an, doch
während sie zurück zum Fuhrwerk hasteten, wurde der Ritt er,
der ihm am nächsten stand, getroffen. Der Pfeil schlitzte seine
rechte Schulter auf und drang tief in den Brustkorb ein. Der
Ritt er - Odo de Ridefort, ein Bär von einem Mann - brach zusammen,
und ein Blutstrom quoll aus der Wunde. Everard eilte
zu ihm, half ihm auf und schrie nach den anderen. Im nächsten
Moment waren sie alle bei ihrem verwundeten Ordensbruder.
Drei von ihnen schickten Abwehrschüsse nach oben, während
die Übrigen ihm auf den Wagen halfen. Unter der Deckung der
Armbrustschützen rannte Everard nach vorn. Ehe er auf die
Kutschbank stieg, wandte er sich um und wollte Theophilus zum
Dank und Abschied noch einmal zunicken, aber der Hüter war
nicht mehr da, wo er ihn zuletzt gesehen hatte. Dann entdeckte
Everard ihn - nicht weit entfernt, reglos am Boden liegend mit
einem Pfeil durch den Hals. Everard sah ihn nur einen Wimpernschlag
lang an, aber das genügte, um den Anblick für immer in
sein Gedächtnis einzubrennen. Dann sprang er auf den Wagen
und trieb die Pferde an.
Noch ehe alle Ritt er aufgestiegen waren, rollte der Wagen
bereits so schnell es ging unter einem Hagel von Pfeilen durch
das Tor aus der Stadt. Während Everard die Pferde eine Anhöhe
hinauflenkte und den Weg nach Norden einschlug, warf er einen
Blick über das funkelnde Meer unter ihnen, wo die Kriegsgaleeren
an den Stadtmauern entlangzogen, flatternde Fahnen und
Standarten am Achtersteven. An den Seiten prangten die Schilde,
am Bug dräute der Rammsporn, und Mangonels und Leitern waren
unheilverkündend aufgerichtet.
Irrsinn, war Everards letzter, quälender Gedanke, als er die
erhabene Stadt hinter sich ließ - und damit auch die große Katastrophe,
die diese Stadt schon sehr bald ereilen würde.
Auf dem Rückweg kamen sie langsamer voran. Zwar hatten sie
ihre eigenen Pferde wieder, aber das sperrige Fuhrwerk mit seiner
schweren Last hielt sie auf. Mit ihm konnten sie sich nicht
von den vielbenutzten Fahrwegen fernhalten, wodurch sie mit
Menschen und Städten in Berührung kamen. Schlimmer aber
war das viele Blut, das Odo verlor. Sie konnten kaum etwas gegen
die Blutung unternehmen, da sie alles daransetzen mussten,
so schnell wie möglich voranzukommen. Und das Schlimmste
von allem war: Sie waren jetzt keine Unbekannten mehr. Sie
hatten die belagerte Stadt nicht so unbemerkt verlassen können,
wie sie hineingelangt waren. Bewaffnete Männer würden ihnen
nachstellen, und diesmal würden sie von außerhalb der Stadt
kommen.
Diese Befürchtung bestätigte sich noch vor Sonnenuntergang
am selben Tag.
Everard hatte zwei Ritt er vorausgeschickt und zwei weitere beauft-
ragt, die Nachhut zu bilden ; Kundschaft er, die sie rechtzeitig
vor Gefahren warnen sollten. Gleich am ersten Abend zahlte sich
seine Umsicht aus. Die Nachhut erspähte eine Kompanie fränkischer
Ritt er, die von Westen herangaloppierte und ihnen dicht
auf den Fersen war. Everard schickte einen Reiter voraus, um die
Vorhut zurückzurufen, dann verließ er den breiten Weg nach
Südosten, wo die Kreuzritter sie sicher am ehesten vermuteten,
und schlug sich mit seinen Leuten weiter östlich in die Berge.
Es war Sommer, und der Schnee war längst geschmolzen,
dennoch war die Landschaft kahl und unwirtlich. Üppig grüne,
sanfte Hügel wichen bald steilen, zerklüfteten Bergen. Es gab
kaum Wege, die überhaupt mit einem Pferdewagen befahrbar
waren, und die wenigen waren schmal und gefahrvoll, mitunter
kaum breiter als die Spur der hölzernen Räder. Daneben gähnten
schwindelerregend tiefe Schluchten. Und mit jedem Tag
verschlechterte sich Odos Zustand. Als auch noch starker Regen
einsetzte, wurde die ohnehin verzweifelte Lage noch hoffnungsloser,
aber mangels anderer Möglichkeiten blieb Everard mit
seinen Männern, soweit es ging, im Hochland. Sie mühten sich
langsam vorwärts, ernährten sich von dem, was sie eben stehlen
oder erjagen konnten, und füllten ihre Wasservorräte an den
Gebirgsbächen auf. Bei Einbruch der Dunkelheit waren sie gezwungen
anzuhalten. Sie verbrachten elende Nächte im Freien.
Das ständige Bewusstsein, dass ihre Verfolger noch immer nach
ihnen suchten, zerrte an ihren Nerven.
Wir müssen den Rückweg schaff en, sagte sich Everard, sooft
er mit dem harten Schicksal haderte, das ihm und seinen Brüdern
so unvermittelt auferlegt worden war. Wir dürfen nicht scheitern.
Zu viel steht auf dem Spiel.
Doch seine Entschlossenheit wurde auf eine harte Probe gestellt.
Nach mehreren Tagen, an denen sie nur äußerst schleppend
vorangekommen waren, bestand für Odo kaum noch Hoffnung.
Sie hatten den Pfeil entfernen und die Blutung stillen können,
aber die Wunde hatte sich entzündet, und der Ritt er lag in Fieberschauern.
Everard wusste, wenn Odo noch eine Chance
haben sollte, lebend in die heimatliche Festung zurückzukehren,
brauchte er eine Rast und ein trockenes Lager. Aber da die
Kundschaft er meldeten, dass ihre Verfolger noch immer nicht
aufgegeben hatten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihren
Weg durch das feindliche Gebiet fortzusetzen und auf ein Wunder
zu hoff en.
Am sechsten Tag stießen sie auf dieses Wunder: eine kleine,
abgeschiedene Einsiedelei.
Die Ritt er hätten sie gar nicht bemerkt, wenn nicht ein paar
Nebelkrähen darüber ihre Kreise gezogen hätten, was einem ausgehungerten
Späher der Vorhut aufgefallen war. Das kleine Kloster,
das nur aus ein paar in den Fels gehauenen Räumen bestand,
fügte sich nahezu unsichtbar in die Landschaft ein, hoch oben
in einer Ausbuchtung der Bergwand, die schützend darüber aufragte.
Die Männer ritt en so dicht wie möglich heran, dann ließen
sie Pferde und Fuhrwerk zurück und kletterten das letzte Stück
den mit Felsbrocken und Geröll übersäten Hang hinauf. Everard
staunte über die Hingabe der Männer, die - augenscheinlich vor
vielen hundert Jahren - an einem so entlegenen, gefahrvollen
Ort dieses Einsiedlerkloster erbaut hatten, und er fragte sich, wie
es sich in dieser Gegend trotz der umherziehenden Banden marodierender
Seldschukenkrieger hatte halten können.
Sie näherten sich vorsichtig, mit gezogenen Schwertern, auch
wenn sie sich kaum vorstellen konnten, dass an diesem unwirt-
lichen Ort tatsächlich Menschen lebten. Doch zu ihrem Erstaunen
wurden sie von etwa einem Dutzend Mönchen empfangen,
wettergegerbten alten Männern und Jüngeren, die sie schnell als
Brüder in Christo erkannten und ihnen Speise und Obdach anboten.
Das Kloster war sehr klein, aber für seine Lage überraschend
gut ausgestattet. Odo wurde auf ein trockenes Lager gebettet und
mit warmem Essen und Getränken versorgt, um die geschwächte
Abwehr seines Körpers zu stärken. Everard und seine Männer
wuchteten die drei Truhen den Hang hinauf und brachten sie in
einer kleinen, fensterlosen Kammer unter. Daneben befand sich
ein eindrucksvolles Skriptorium, das eine umfangreiche Sammlung
gebundener Manuskripte beherbergte. An den Pulten saßen
eine Handvoll Kopisten, so in ihre Arbeit vertieft , dass sie
die Besucher kaum zur Kenntnis nahmen.
Die Mönche - Basilianer, wie Everard und seine Kameraden
bald erfuhren - konnten die Neuigkeiten, die die Ritt er brachten,
kaum glauben. Die Vorstellung, dass die Armee des Papstes Mitchristen
belagerte und christliche Städte plünderte, war trotz des
großen Schismas schwer zu fassen. In ihrer Abgeschiedenheit
hatte die Klostergemeinde nichts von der Eroberung Jerusalems
durch Saladin oder vom gescheiterten Dritten Kreuzzug erfahren.
Jede weitere Nachricht traf sie wie ein Schlag, ließ ihre Herzen
mutloser und die Furchen auf ihren Stirnen tiefer werden.
Einen heiklen Punkt ließ Everard bei seinem Bericht off en:
Weshalb er und seine Ordensbrüder nach Konstantinopel gezogen
waren und welche Rolle sie bei der Belagerung der großen
Stadt gespielt hatten. Ihm war klar, dass diese orthodoxen Mönche
sie leicht für Soldaten der latinischen Truppen hätten halten
können, die gegen die Tore ihrer Hauptstadt zogen. Und es
gab einen weiteren, noch heikleren Punkt, den der Hegumen des
Klosters, der Abt, schließlich auch ansprach.
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Autoren-Porträt von Raymond Khoury
Khoury, RaymondRaymond Khoury, im Libanon geboren, wuchs in den USA auf. Raymond Khoury, im Libanon geboren, wuchs in den USA auf. Er studierte Architektur und arbeitete in der Finanzbranche, bevor sein erster Roman «Scriptum» erschien. «Scriptum» wurde in 35 Sprachen übersetzt und erreichte eine Weltgesamtauflage von 5 Millionen. In Deutschland stand «Scriptum» monatelang auf Platz eins der Bestsellerliste.
Bibliographische Angaben
- Autor: Raymond Khoury
- 2013, 6. Aufl., 555 Seiten, Masse: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Schünemann, Anja
- Übersetzer: Anja Schünemann
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 349925638X
- ISBN-13: 9783499256387
- Erscheinungsdatum: 02.05.2011
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