Fünf
Salzburg-Thriller
Das Salzburger Ermittler-Duo Beatrice Kaspary & Florian Wenniger jagt einen irren Killer doch der ist ihnen stets einen Schritt voraus und treibt sie mit mörderischen Rätselaufgaben vor sich her.
Geo-Koordinaten auf den...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Fünf “
Das Salzburger Ermittler-Duo Beatrice Kaspary & Florian Wenniger jagt einen irren Killer doch der ist ihnen stets einen Schritt voraus und treibt sie mit mörderischen Rätselaufgaben vor sich her.
Geo-Koordinaten auf den Fußsohlen einer Toten. Eine abgetrennte Hand in Folie verpackt. Abgeschnittene Ohren in einer Frischhaltedose. Bei diesem Fall stehen die Salzburger Ermittler vor einer ganzen Serie grausamer Rätsel. Mit seinen kryptischen Hinweisen treibt der Täter sie von Mord zu Mord - in einer besonders perfiden Art von Schnitzeljagd: Was verbindet die Opfer miteinander? Wo ist das Motiv für die Wahnsinnstaten? Kaspary und Wenniger müssen ihren ganzen kriminalistischen Spürsinn aufbieten, und geraten dabei selbst ins Koordinatennetz des Killers.
Klappentext zu „Fünf “
Eine Frau liegt tot auf einer Kuhweide. Ermordet. Auf ihren Fußsohlen: eintätowierte Koordinaten. An der bezeichneten Stelle wartet ein grausiger Fund: eine Hand, in Plastikfolie eingeschweißt, und ein Rätsel, dessen Lösung zu einer Box mit einem weiteren abgetrennten Körperteil führt. In einer besonders perfiden Form des Geocachings, der modernen Schnitzeljagd per GPS, jagt ein Mörder das Salzburger Ermittlerduo Beatrice Kaspary und Florin Wenninger von einem Leichenteil zum nächsten. Jeder Zeuge, den sie vernehmen, wird kurz darauf getötet, und die Morde geschehen immer schneller. Den Ermittlern läuft die Zeit davon, sie ahnen, dass erst die letzte Station ihrer Rätselreise das entscheidende Puzzleteil zutage fördern wird ...Buchempfehlung: „Fünf" von Ursula Poznanski
Tödliche Schnitzeljagd: Alptraum in Alpenidylle
Es fängt alles so friedlich an: Salzburg im Frühling ist herrlich und Kollege Florin kocht den perfekten Kaffee. Auch dass Ermittlerin Beatrice Kaspary, genannt Bea, generell schlecht schläft,liegt erstmal nicht an ihrem Job - Ex-Mann Achim ist schuld. Der hat eine Vorliebe für nächtliche Anrufe, angeblich, weil er sich um die Kinder Jakob und Mina Sorgen macht - man könnte es aber auch als Telefonterror auslegen. Als mitten in die Postkartenidylle einer grasenden Kuhherde eine Tote vom Felsen fällt, die Hände auf den Rücken gefesselt und mit tätowierten Fußsohlen, ahnen die Ermittler Florin Wenninger und Beatrice Kaspary, dass dieser Fall anders ist.
Die Jagd beginnt - haben die Ermittler Bea und Florin überhaupt eine Chance?
Denn die Koordinaten auf den Sohlen des Opfers führen sie zu einem weiteren grausamen Fund, einem Geocache. In der Box: eine abgetrennte Männerhand. Ein beiliegender Zettel verweist sie auf Stage 2. Sie
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müssen einen Sänger finden der Christoph heißt und ein Muttermal auf dem linken Handrücken trägt. Aus seinem Geburtsdatum lassen sich die Koordinaten für Stage 3 ermitteln usw. Der junge Kollege Stefan, selbst Geocacher, bringt die beiden Ermittler erstmal auf den Stand und erklärt, was das überhaupt ist und wie es funktioniert. Was die Ermittler nicht wissen: der Mörder hat alles genau geplant, es ist sein Spiel und sie haben dabei kaum eine Chance.
Wohin sie auch kommen, der Tod war schon da ...
Ja, sie finden den Sänger. Doch er behauptet, er kenne das Opfer nicht... Er lügt und wir Leser erfahren, dass es da etwas gibt, das der Sänger „die Sache" nennt. Kurze Zeit später ist er tot. Und so geht es weiter: wohin Bea und Florin auch kommen, der Tod war schon da. Geocaches mit Leichenteilen lotsen Kaspary und Wenninger durch einen Alptraum in Alpenidylle. Und das Rätsel, was die Opfer gemeinsam haben, ob sie etwas gemeinsam haben, warum sie sterben mussten, scheint unlösbar. Da helfen auch die zynischen SMS des Täters nicht weiter, die er Bea schickt.
Erst werden Sie lügen, danach die Wahrheit sagen und am Ende werden Sie sterben
„Ich werde Ihnen verraten, wie es sein wird. Erst werden Sie lügen. Danach werden Sie die Wahrheit sagen. Und am Ende werden Sie sterben." (Der Täter) Als Bea ein Geschenk des Täters bekommt, wird ihr klar, dass er ihr dunkelstes Geheimnis kennt. Sie muss sich ihren Dämonen stellen - erst dann wird sie ihn finden, wird sie ihm gegenüberstehen, erst dann wird sie verstehen, was „die Sache" bedeutet. Dass dieses „Spiel" tödlich enden kann, ist ihr bewusst ....
Ein psychologisch fein austarierter Thriller, atemberaubend spannend
Mit „Fünf" hat Ursula Poznanski einen höchst intelligenten Thriller komponiert, der psychologisch fein austariert und atemberaubend spannend daherkommt. Mit Raffinesse legt sie falsche Fährten und präsentiert mit Beatrice Kaspary und Florin Wenninger ein Ermittlerteam, dem man noch sehr viele weitere Fälle wünscht. Des Rätsels Lösung in „Fünf" wird hier natürlich nicht verraten - seien Sie einfach auf der Hut und rechnen Sie mit allem. Denn manchmal ist alles anderes, als es scheint oder wie der Täter schreibt: „Alles, was lediglich wahrscheinlich ist, ist wahrscheinlich falsch. Ihr wisst alles und findet nichts."
Kleine Einführung Geocaching:Geocaching ist eine moderne Form der Schnitzeljagd mit GPS. Menschen verstecken etwas - meist in der Natur - in Höhlen, unter Steinen, auf Bäumen, unter Wurzeln etc. - geben die genauen Navigationsdaten auf einer Onlineplattform ein und andere suchen danach. Geochaching wird weltweit betrieben (www.geocaching.com oder www.geocaching.de ).
Geocache/Cache: Ein Geocache/Cache ist in der Regel ein wasserdichter Behälter der versteckt wird. Er ist in etwa so groß wie ein Taschenbuch und ca. sieben Zentimeter hoch, enthält meist ein Logbuch, um sich eintragen zu können. Natürlich gibt es auch wesentlich kleinere oder größere Caches. Die Bezeichnung „Regular" weist auf eine normale Größe hin.
Trade: Wenn der Gegenstand, der versteckt wurde, vom Finder durch einen anderen Gegenstand ausgetauscht wird, nennt man das Trade.
Multi-Cache/Stage: Ein Cache, der über mehrer Stationen läuft. Die einzelnen Stationen heißen Stage.
Mystery-Cache: ein Multi-Cache, bei dem der Suchende Rätsel lösen muss, um Informationen über die nächste Station zu erhalten
Owner: der, der einen Cache versteckt
Muggel: wie bei Harry Potter werden Nicht-Cacher als Muggel bezeichnet. Sie haben keine Ahnung, was Caching ist.
TFTH: Die Abkürzung kann Thanks For The Hide oder Hunt (das Versteck oder die Jagd) oder Thanks For The Help
BYOP: Bring Your Own Pencil (Bring deinen eigenen Stift mit)
JAFT: Just Another Fucking Tree (Frei übersetzt: Schon wieder ein Baum ... der, wie so oft, als Versteck genutzt wird)
Wohin sie auch kommen, der Tod war schon da ...
Ja, sie finden den Sänger. Doch er behauptet, er kenne das Opfer nicht... Er lügt und wir Leser erfahren, dass es da etwas gibt, das der Sänger „die Sache" nennt. Kurze Zeit später ist er tot. Und so geht es weiter: wohin Bea und Florin auch kommen, der Tod war schon da. Geocaches mit Leichenteilen lotsen Kaspary und Wenninger durch einen Alptraum in Alpenidylle. Und das Rätsel, was die Opfer gemeinsam haben, ob sie etwas gemeinsam haben, warum sie sterben mussten, scheint unlösbar. Da helfen auch die zynischen SMS des Täters nicht weiter, die er Bea schickt.
Erst werden Sie lügen, danach die Wahrheit sagen und am Ende werden Sie sterben
„Ich werde Ihnen verraten, wie es sein wird. Erst werden Sie lügen. Danach werden Sie die Wahrheit sagen. Und am Ende werden Sie sterben." (Der Täter) Als Bea ein Geschenk des Täters bekommt, wird ihr klar, dass er ihr dunkelstes Geheimnis kennt. Sie muss sich ihren Dämonen stellen - erst dann wird sie ihn finden, wird sie ihm gegenüberstehen, erst dann wird sie verstehen, was „die Sache" bedeutet. Dass dieses „Spiel" tödlich enden kann, ist ihr bewusst ....
Ein psychologisch fein austarierter Thriller, atemberaubend spannend
Mit „Fünf" hat Ursula Poznanski einen höchst intelligenten Thriller komponiert, der psychologisch fein austariert und atemberaubend spannend daherkommt. Mit Raffinesse legt sie falsche Fährten und präsentiert mit Beatrice Kaspary und Florin Wenninger ein Ermittlerteam, dem man noch sehr viele weitere Fälle wünscht. Des Rätsels Lösung in „Fünf" wird hier natürlich nicht verraten - seien Sie einfach auf der Hut und rechnen Sie mit allem. Denn manchmal ist alles anderes, als es scheint oder wie der Täter schreibt: „Alles, was lediglich wahrscheinlich ist, ist wahrscheinlich falsch. Ihr wisst alles und findet nichts."
Kleine Einführung Geocaching:Geocaching ist eine moderne Form der Schnitzeljagd mit GPS. Menschen verstecken etwas - meist in der Natur - in Höhlen, unter Steinen, auf Bäumen, unter Wurzeln etc. - geben die genauen Navigationsdaten auf einer Onlineplattform ein und andere suchen danach. Geochaching wird weltweit betrieben (www.geocaching.com oder www.geocaching.de ).
Geocache/Cache: Ein Geocache/Cache ist in der Regel ein wasserdichter Behälter der versteckt wird. Er ist in etwa so groß wie ein Taschenbuch und ca. sieben Zentimeter hoch, enthält meist ein Logbuch, um sich eintragen zu können. Natürlich gibt es auch wesentlich kleinere oder größere Caches. Die Bezeichnung „Regular" weist auf eine normale Größe hin.
Trade: Wenn der Gegenstand, der versteckt wurde, vom Finder durch einen anderen Gegenstand ausgetauscht wird, nennt man das Trade.
Multi-Cache/Stage: Ein Cache, der über mehrer Stationen läuft. Die einzelnen Stationen heißen Stage.
Mystery-Cache: ein Multi-Cache, bei dem der Suchende Rätsel lösen muss, um Informationen über die nächste Station zu erhalten
Owner: der, der einen Cache versteckt
Muggel: wie bei Harry Potter werden Nicht-Cacher als Muggel bezeichnet. Sie haben keine Ahnung, was Caching ist.
TFTH: Die Abkürzung kann Thanks For The Hide oder Hunt (das Versteck oder die Jagd) oder Thanks For The Help
BYOP: Bring Your Own Pencil (Bring deinen eigenen Stift mit)
JAFT: Just Another Fucking Tree (Frei übersetzt: Schon wieder ein Baum ... der, wie so oft, als Versteck genutzt wird)
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Grossformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Fünf “
Fünf von Ursula PoznanskiProlog
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Die Stelle, an der sich sein linkes Ohr befunden hatte, pochte im Rhythmus seines Herzschlags. Schnell, panisch. Sein Atem ging in kurzen, lauten Stößen. Wenige Schritte von ihm entfernt beugte Nora sich über den Tisch, auf dem die Pistole und das Messer lagen. Ihr Gesicht war verzerrt, aber sie weinte nicht mehr.
«Bitte», flüsterte er heiser. «Ich will nicht. Bitte.»
Nun schluchzte sie doch auf, kurz und trocken. «Sei still.» «Warum machst du mich nicht los? Wir haben eine Chance, oh bitte mach mich los, okay? Okay?»
Sie reagierte nicht. Ihre rechte Hand schwebte zitternd über den Waffen, die matt im Licht der nackten Glühbirne schimmerten.
Angst ließ seinen Körper verkrampfen. Er krümmte sich auf dem Stuhl, soweit die Fesseln es zuließen. Sie schnitten brennend ins Fleisch, unnachgiebig wie Stahlbänder.
Ich kann doch nichts dafür, ich kann doch nichts dafür, ich kann doch ...
Er kniff die Augen zusammen, riss sie wieder auf. Er musste sehen, was passierte. Noras Hand lag jetzt auf dem Messer.
«Nein!», schrie er, glaubte er zu schreien. «Hilfe, warum hilft mir niemand?» Doch seine Stimme ließ ihn ausgerechnet jetzt im Stich. Sie war fort, und gleich würde alles fort sein, für alle Ewigkeit, sein Atem, sein Puls, jeder Gedanke, alles.
Tränen, die er nicht wegwischen konnte, verschleierten ihm den Blick auf Nora, die immer noch vor dem Tisch stand. Sie gab einen langgezogenen Klagelaut von sich, leiser als ein Schrei, lauter als ein Stöhnen. Er blinzelte.
Sie hatte die Pistole genommen, ihre rechte Hand bebte wie die einer Greisin. «Es tut mir leid», sagte sie.
Er warf sich verzweifelt nach vorne, nach hinten, brachte fast den Stuhl zum Kippen. Spürte kühles Metall an seiner Schläfe. Hielt dann still.
«Mach die Augen zu», sagte sie.
Ihre Hand auf seinem Kopf, sanft. Er fühlte ihre Angst, so groß wie seine eigene. Aber sie würde weiteratmen, weitersprechen, leben.
«Nein», flüsterte er tonlos und blickte zu Nora auf, die nun direkt vor ihm stand. Wünschte sich, ihren Namen nie gehört zu haben.
N47°35.285 E013°17.278
Morgennebel hüllte sie ein wie ein feuchtes Leichentuch. Die tote Frau lag bäuchlings da. Das Gras unter ihr war nass von Tau und Blut. Dort würden die Kühe nun nicht mehr fressen. Sie hatten die Wahl, die Weide war groß und das Ding, das im Schatten der Felswand lag, war ihnen nicht geheuer. Die Braune war knapp nach Sonnenaufgang hingetrottet, hatte den schweren Kopf gesenkt und ihre raue Zunge um die flachsfarbenen Haarsträhnen geschlungen. Dann hatte sie ihren Fund für ungenießbar befunden und war zu den anderen zurückgekehrt.
Sie hielten Abstand. Die, die dalagen, wiederkäuten und aufs Wasser starrten, ohnehin.
Aber auch die Fressenden mieden die Nähe der Felswand. Der Geruch nach totem Tier beunruhigte sie. Viel lieber grasten sie da, wo die ersten Sonnenstrahlen durch den Dunst drangen und lichte Flecken in die Wiese zeichneten.
Die Braune trabte zur Tränke, um zu saufen. Bei jedem Schritt schlug der Klöppel ihrer Glocke blechern gegen das Metall. Ihre Artgenossinnen schlenkerten nicht einmal mit den Ohren. Sie blickten stoisch auf den Fluss, mit fortwährend mahlenden Unterkiefern und peitschenden Schwänzen, die die ersten Fliegen des Tages verscheuchten.
Ein Windhauch strich über die Wiese, verwehte das Haar der Frau und legte ihr Gesicht frei. Die kurze, nach oben weisende Nase. Das Muttermal neben dem rechten Mundwinkel. Die viel zu blassen Lippen. Nur die Stirn blieb bedeckt, da, wo Haar und Haut mit Blut verklebt waren.
Langsam zerfaserte der morgendliche Nebel zu einzelnen Schleiern, die schließlich fortwehten und den Blick freigaben auf die Wiese, die Tiere und das ungebetene Geschenk, das man ihnen hinterlassen hatte. Das dumpfe Muhen der Braunen begrüßte den Tag.
Bea trice nahm immer zwei Stufen auf einmal. Sie schlitterte den Korridor entlang, bloß schnell an der zweiten Tür zur Linken vorbei. Sieben Schritte noch. Sechs. Da war ihr Büro, und darin war niemand außer Florin. Dem Himmel sei Dank.
«War er schon da?» Sie schleuderte ihren Rucksack auf den Drehstuhl und die Aktenmappe auf den Tisch.
«Dir auch einen guten Morgen!»
Na wie schön, da war ja jemand die Ruhe in Person. Sie warf ihre Jacke auf den Kleiderständer, traf aber nicht und fluchte.
«Jetzt setzt du dich erst mal hin und atmest tief durch.» Florin stand auf, hob die Jacke vom Boden und hängte sie sorgfältig auf einen Haken.
«Danke.» Sie schaltete den Computer an und verteilte den Inhalt der Aktenmappe hektisch auf dem Schreibtisch. «Ich wäre pünktlich gewesen, aber Jakobs Lehrerin hat mich aufgehalten.»
Florin stand mit dem Rücken zu ihr und hantierte an der Espressomaschine herum. Sie sah ihn nicken. «Was war es diesmal?»
«Er hatte einen Wutanfall. Das Klassenmaskottchen musste dran glauben.»
«Oh. Etwas Lebendiges?»
«Nein. Eine Plüscheule namens Elvira. Riesendrama, du glaubst es nicht. Mindestens zehn Kinder in Tränen aufgelöst. Ich habe der Lehrerin angeboten, ein Kriseninterventionsteam vorbeizuschicken, aber sie konnte nicht darüber lachen. Jedenfalls muss ich Elvira- Ersatz besorgen. Bis Freitag.»
«Das ist allerdings eine Herausforderung.»
Er schäumte Milch auf, drückte auf die Taste für den doppelten Espresso und krönte sein Werk mit einem Stäubchen Kakao. Seine Gelassenheit übertrug sich allmählich auf Bea trice. Sie merkte, dass sie lächelte, als Florin die dampfende Tasse vor ihr abstellte.
Er setzte sich ihr gegenüber auf seinen Platz und musterte sie mit nachdenklicher Miene. «Du siehst aus, als hättest du nicht viel Schlaf bekommen.»
Das kannst du laut sagen. «Alles bestens», murmelte sie und widmete sich ihrem Kaffee, in der Hoffnung, Florin würde sich mit dieser knappen Auskunft zufriedengeben.
«Keine nächtlichen Anrufe?»
Doch. Einer um halb zwölf, einer um drei Uhr morgens. Der zweite hatte Mina geweckt, die danach eine Stunde lang nicht mehr eingeschlafen war.
Bea trice zuckte die Schultern. «Irgendwann wird er es aufgeben.»
«Du musst endlich deine Nummer ändern, Bea. Nimm ihm die Chance, dich ständig fertigzumachen. Himmel, du bist bei der Polizei! Du kannst Schritte gegen ihn einleiten.»
Der Kaffee war perfekt. In den zwei Jahren, die sie bisher zusammenarbeiteten, hatte Florin sich schrittweise an die ideale Mischung von Bohnen, Milch und Zucker herangearbeitet. Bea trice lehnte sich zurück und schloss für einige Sekunden die Augen, sehnte sich nach einem entspannten Moment, einem einzigen wenigstens.
«Wenn ich die Nummer ändere, steht er in null Komma nichts vor der Tür. Und er ist der Vater, er hat ein Recht auf den Kontakt zu seinen Kindern.»
Sie hörte Florin seufzen. «Übrigens», sagte er, «Hoffmann war natürlich schon da.»
Scheiße. «Wirklich? Wieso klebt dann nicht mein Monitor voller Post-its?»
«Ich hab ihn beschwichtigt und behauptet, du hättest angerufen und wärst auf einem Außentermin. Er hat nichts gesagt, nur ein säuerliches Gesicht gezogen. Für heute werden wir Ruhe vor ihm haben, er steckt in Besprechungen.»
Das war phantastisch. Bea trice setzte die Tasse ab, versuchte ihre verspannten Schultermuskeln zu lockern und begann, die Akten auf ihrem Schreibtisch zu ordnen. Sie würde endlich dazu kommen, sich den Bericht über die Messerstecherei vorzunehmen, wegen dem Hoffmann ihr ständig in den Ohren lag. Sie warf einen Blick auf Florin, der konzentriert auf den Bildschirm seines Rechners starrte und dabei ziemlich ratlos wirkte. Eine Strähne seines dunklen Haares fiel ihm fast bis in die Augen. Klickklickklick. Bea trices Aufmerksamkeit richtete sich auf seine Hand, die locker auf der Maus lag. Schöne Männerhände. Ihr altes Laster.
«Schwieriges Problem?», fragte sie.
«Unlösbar».
«Kann ich dir helfen?»
Zwischen seinen Augenbrauen bildete sich eine nachdenkliche Längsfalte. «Ich weiß nicht. Antipasti sind eine Angelegenheit, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen darf.»
Sie lachte. «Alles klar. Für wann hat sich Anneke denn angesagt?»
«Sie kommt in drei Tagen. Ich glaube, ich mache Vitello tonnato. Oder doch Bruschetta? Mist, ich wünschte ich wüsste, ob sie gerade Kohlehydrate isst.»
Über Menüzusammenstellungen zu reden war keine gute Idee. Sofort meldete sich Bea trices Magen. Sie überschlug schnell, was sie bisher heute gegessen hatte, kam auf zwei Kekse und beschloss, dass es ihr gutes Recht war, Hunger zu haben.
«Von mir eine Stimme für Vitello tonnato», sagte sie, «und eine für einen Abstecher hinunter ins Café.»
«Jetzt schon?» Er fing ihren Blick auf und lächelte milde. «In Ordnung. Ich druck nur noch schnell die Seite au... »
Das Telefon unterbrach ihn. Schon nach den ersten Sekunden erkannte Bea trice an Florins finsterer Miene, dass aus ihrem Thunfischbaguette nichts werden würde.
«Wir sind gleich da.» Er legte auf, blickte hoch. «Wir haben eine Leiche, weiblich, in der Nähe von Abtenau. Wie es aussieht, ist sie von einer Felswand abgestürzt.»
«Ach Scheiße. Klingt nach einem Kletterunfall.»
Florins Brauen bildeten einen dunklen Balken über seinen Augen. «Kaum. Es sei denn, sie wäre mit gefesselten Händen geklettert.»
Die Leiche war ein heller Fleck im Grün, flankiert von zwei Uniformierten. Ein großgewachsener Mann ohne Hemd, dafür in Latzhose, sah ihnen neugierig entgegen. Er stand auf der angrenzenden Wiese und hielt eine kleine Kuhherde in Schach. Kurz hob er die Hand, als ob er Bea trice und Florin winken wollte, ließ sie dann aber wieder sinken.
Eine fast senkrechte Felswand, gut zwanzig Meter hoch, ragte direkt neben der Weide auf, ein schroffer Bruch inmitten der Postkartenlandschaft.
Drasche und Ebner von der Spurensicherung waren offenbar wenige Minuten zuvor eingetroffen. Sie steckten bereits in ihren Schutzanzügen, hantierten mit ihren Utensilien und nickten knapp zur Begrüßung.
Direkt neben dem Weidezaun kniete ein Mann und füllte ein Formular aus. Seinen Arztkoffer benutzte er als Schreibunterlage. «Guten Morgen», sagte er, ohne aufzublicken. «Sie sind vom BKA?»
«Ja. Ich bin Florin Wenninger, das hier ist meine Kollegin Beatrice Kaspary. Können Sie uns schon etwas zu der Toten sagen?»
Der Arzt schob seufzend die Kappe auf seinen Kugelschreiber. «Nicht viel. Eine weibliche Leiche, circa fünfunddreißig bis vierzig Jahre alt. Meiner Meinung nach hat jemand sie letzte Nacht von der Felswand geschubst. Todesursache vermutlich Schädeltrauma oder Aortenriss, das Genick ist jedenfalls nicht gebrochen. Genaueres müssen Sie den Gerichtsmediziner fragen.»
«Todeszeit?»
Der Arzt blies die Backen auf. «Zwischen zwei und vier Uhr morgens. Aber nageln Sie mich nicht darauf fest, ich soll hier nur den Tod feststellen.»
Drasche stapfte vorbei, den Spurensicherungskoffer in der Hand. «Wer hat die Leiche angefasst?»
Einer der beiden Uniformierten meldete sich zögernd. «Der Arzt. Und ich. Aber nur um den Puls zu fühlen. Nach einem Ausweis oder einem Portemonnaie habe ich auch gesucht, aber nichts gefunden. Wir haben die Lage der Frau nicht verändert.»
«In Ordnung.» Drasche winkte Ebner zu sich, der die Kamera bereits im Anschlag hatte. Während die Spurensicherer fotografierten, Proben nahmen und sie in kleine Behältnisse verschlossen, ruhte Bea trices Blick auf der Toten. Sie versuchte alles auszublenden, die Kollegen, die Motorengeräusche der Bundesstraße, den Klang der Kuhglocken. Nur die Frau zählte.
Sie lag auf dem Bauch, den Kopf zur Seite gedreht, die Beine nach rechts angewinkelt, wie mitten in einem Laufschritt erstarrt. Ihre Hände waren auf den Rücken gefesselt, die Gelenke straff mit Kabelbinder aneinandergezurrt.
Geschlossene Augen, der Mund stand halb offen, als hätte der Tod die Frau während des Sprechens ereilt.
Unwillkürlich füllte Bea trices Kopf sich mit Bildern: Die Frau wird durchs Dunkel gezerrt. Da ist der Abgrund. Sie wehrt sich, drängt zurück, fleht um ihr Leben, doch ihr Mörder hält sie fest, schiebt sie zur Kante, wartet, bis sie die Tiefe spüren kann, die vor ihr liegt. Dann ein leichter Stoß in den Rücken.
«Alles in Ordnung?» Florins Hand berührte kurz ihren Arm. «Sicher.»
«Ich rede mal mit den Kollegen. Du willst noch ein bisschen eintauchen, ja? »
Eintauchen, so nannte er das. Bea trice nickte.
«Tauch nicht zu tief.»
Sie sah ihm nach, wie er auf die beiden Uniformierten zuging und sie in ein Gespräch verwickelte. Atmete durch. Es roch nicht nach Tod, nur nach Kuhdung und Wiesenblumen. Sie beobachtete Drasche dabei, wie er eine Plastiktüte um die gefesselten Hände stülpte. Am liebsten wäre sie über den Zaun gestiegen, um sich die Leiche näher anzusehen, aber das sahen die Spurensicherer nicht gern, und besonders Drasche konnte da richtig biestig werden. Ohne den Blick von der toten Frau zu lassen, lief sie einen kleinen Bogen um die Umzäunung der Weide herum, suchte eine andere Perspektive. Lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Kleidung der Leiche: hellrote Seidenjacke über einer Bluse mit Blumenmuster. Teure Jeans. Keine Schuhe, die Fußsohlen sehr schmutzig und ein wenig blutig, als hätte die Frau barfuß einen weiten Weg zurückgelegt. Mitten im Schmutz dunkle Spuren auf jedem Fuß. Kleine, schwarze Markierungen. Oder ...
Bea trice ging in die Hocke und kniff die Augen zusammen, doch aus der Entfernung konnte sie nichts Genaues erkennen. «He, Gerd!»
Drasche unterbrach seine Tätigkeit nicht einmal für die Dauer eines Wimpernschlags. «Was denn?»
«Kannst du für mich einen Blick auf die Füße des Opfers werfen?»
«Moment noch.» Er befestigte sorgfältig den durchsichtigen Sack mit Klebeband, bevor er das untere Ende der Leiche in Augenschein nahm.
«Ach du Scheiße.»
«Da ist etwas, nicht? Wie Schriftzeichen, habe ich recht?» Drasche winkte Ebner zu sich, der eine Reihe von Nahaufnahmen der Füße schoss.
«Jetzt sag schon!» Sie hob den Weidezaun ein Stück und duckte sich unter dem Draht hindurch. «Was ist es?»
«Sieht aus wie Zahlen. Auf jedem Fuß eine Zahlenkombination. - Bleibst du bitte, wo du bist?»
Bea trice bremste sich mühsam. «Kann ich die Fotos sehen?» Drasche und Ebner wechselten einen Blick, irgendwo zwischen genervt und resigniert.
«Zeig sie ihr», sagte Drasche missmutig. «Sie gibt sonst keine Ruhe.»
Ebner stellte die Kamera in den Ansichtsmodus und hielt Bea trice das Display vors Gesicht.
Zahlen. Aber nicht nur. Das erste Zeichen auf dem linken Fuß sah aus wie ein N. Mit unsicherer Hand geschrieben, der Schrägstrich war in der Mitte unterbrochen und neu angesetzt worden. Es erinnerte sie an die Buchstaben, die Mina in der Vorschule fabriziert hatte, windschief wie Hexenhäuschen. Nach dem N folgte eine Vier, eine Sieben und etwas, das wie ein nach oben verrutschtes kleines o aussah. Noch eine Vier, eine Sechs, eine weitere Sechs, eine Null und eine Fünf. Schwarze Striche, unregelmäßig.
Sie vergrößerte die Ansicht. «Ist das aufgemalt? Wasserfester Stift?»
Der andere Fuß. Wieder zuerst ein Buchstabe, dann eine Zahlenreihe. Ein E mit schiefstehenden Querstrichen, gefolgt von einem O oder einer Null, einer Eins, einer Drei. Danach erneut der hoch oben angesetzte kleine Kreis. Ein kurzer Abstand, fünf weitere Zahlen. Zwei, Eins, Sieben, Neun, Drei.
«Nein, nicht aufgemalt.» Drasche klang heiser. «Eintätowiert, denke ich.»
«Was?» Sie sah genauer hin. Jetzt, wo er es gesagt hatte, schien es plötzlich die einzig plausible Möglichkeit zu sein. Tätowiert. An dieser Stelle. Hoffentlich post mortem.
Sie schrieb die Zahlenkombinationen in ihr Notizbuch. N47°46.605
E013°21.718
Das Muster kam ihr vertraut vor, aber woher? Es hatte nichts mit Computern zu tun, nichts mit Telefonnummern. Verdammt noch mal. «Ich sollte das erkennen», murmelte sie, mehr zu sich selbst als zu den beiden Spurensicherern.
«Allerdings», sagte Drasche durch seinen Mundschutz. «Wenn du versprichst, danach Ruhe zu geben, hole ich dich von der Leitung.»
«Einverstanden.»
«Gib die Kombi mal in dein Navigationsgerät ein. Es sind Koordinaten.»
Am liebsten hätte sie Florin die Neuigkeit sofort erzählt, doch sie sah, dass er eben dabei war, den Mann mit den Kühen zu vernehmen.
«Ich wollte um halb sieben die Herde zum Melken in den Stall holen, da hab ich sie entdeckt. Hab gleich gesehen, dass sie tot sein muss.»
«Waren die Kühe über Nacht auf der Weide?»
«Ja. Ich bring sie nach dem Abendmelken raus und am Morgen wieder rein. Mein Hof ist nur vierhundert Meter weit weg, da ist das kein Problem.»
Also waren die Tiere die ganze Nacht lang auf der Wiese herum-getrottet. Damit sah es schlecht aus, was verwertbare Fußabdrücke des Täters anging. Falls es welche gegeben hatte. Sie stellte sich neben Florin und hielt dem Bauern die Hand hin.
«Kaspary.»
«Freut mich. Raininger.» Er ließ ihre Hand nicht los. «Sind Sie auch von der Polizei?»
«Ja. Warum?»
Schiefes Lächeln. «Weil Sie viel zu hübsch sind für so eine hässliche Arbeit. Finden Sie nicht?»
Der letzte Satz war an Florin gerichtet.
«Ich kann Ihnen versichern, Frau Kaspary ist nicht nur sehr hübsch, sondern vor allem außergewöhnlich intelligent. Was für unsere hässliche Arbeit der entscheidende Faktor ist.» Seine Stimme war geringfügig kühler geworden. Bauer Raininger schien das nicht zu bemerken. Er strahlte Bea trice an, auch noch, als sie mit einem Ruck ihre Hand aus seinem Griff befreite.
«Ich würde jetzt gern weitermachen, wenn Sie einverstanden sind.» Florin klang wie Bourbon auf Eis, kalt-samtig-scharf. «Ist Ihnen am Abend etwas Ungewöhnliches aufgefallen?»
«Nein. War alles wie immer.»
«Verstehe. Und in der Nacht - haben Sie da möglicherweise etwas gehört? Stimmen, Schreie?»
«Nein. Sagen Sie, ist die Frau von der Wand gestürzt worden? Oder mit einem Hammer erschlagen? Es war ja richtig Blut an ihrem Kopf.» Jetzt klang er eifrig. Kein Wunder, beim nächsten Stammtisch würden sich alle um seine Geschichte reißen, da musste er Details kennen.
«Wir wissen es noch nicht. Ist die Felswand denn zugänglich?»
Der Bauer dachte kurz nach. «Ja. Von der anderen Seite kommt man leicht hin, da gibt's sogar eine kleine Straße, fast bis hinauf.»
Bea trice sah, wie Florin Reifenspuren!!! in sein Notizbuch schrieb. In ihrem eigenen standen bisher nur die Koordinaten. Sie kritzelte stichwortartig Rainingers Informationen darunter.
«Kommt die Frau Ihnen bekannt vor?», fragte sie. «Schon irgendwann einmal hier gesehen?»
Der Bauer schüttelte vehement den Kopf. «Noch nie. Und ich habe ein gutes Gedächtnis für Gesichter. Ihres zum Beispiel werd ich mir sicher merken. Und die Haarfarbe erst! Ist die echt?» Wenn er so breit grinste wie jetzt, sah man links oben eine Zahnlücke.
«Wenn es Ihnen nichts ausmacht», sagte Bea trice betont sanft, «sind wir hier diejenigen, die die Fragen stellen.»
Doch mehr Verwertbares war von dem Mann nicht zu erfahren. Sie ließen ihn mitsamt seinen Kühen zum Hof zurückkehren, was er nur widerwillig tat, immer wieder sah er über die Schulter zurück. Bea trice wartete, bis er endlich außer Hörweite war.
«Ihre Füße», sagte sie.
«Was ist damit?»
«Sie sind tätowiert. An den ... Sohlen.»
Er verstand sofort. «Du denkst, der Mörder hat ihr ein letztes Andenken verpasst?»
«Gut möglich. Aber eigentlich glaube ich, es ist eine Botschaft.» Sie zeigte ihm die beiden Zahlenreihen.
«Das hat man ihr auf die Füße tätowiert?»
«Ja. Norden auf den linken, Osten auf den rechten.»
Florin ging sofort durch die Wiese zurück zum Fundort, ohne darauf zu achten, was eine Begegnung mit Kuhfladen seinen Maßschuhen antun würde. Am Weidezaun blieb er stehen und sah mit schiefgelegtem Kopf zu der Leiche hinüber.
Bea trice war fast bei ihm, da vibrierte das Handy in ihrer Jackentasche.
«Kaspary.»
«Ich lasse mich nicht länger von dir verarschen.» Jedes Wort war geladen mit Abscheu.
«Achim. Nicht jetzt.»
«Natürlich nicht, es ist immer ungünstig, immer, nicht wahr?» Gleich würde er laut werden. «Egal ob es um die Kinder geht, oder ... »
«Mit den Kindern ist alles in Ordnung, und ich lege jetzt auf.» «Das tust du nicht, du -»
Sie trennte das Gespräch und steckte das Handy in die Tasche zurück.
Durchatmen. Auf das Wesentliche konzentrieren. Scheiße, ihre Hände zitterten, so bekam sie keinen geraden Gedanken hin. Sie verschränkte ihre Finger ineinander und trat neben Florin.
«Ich wüsste gern, wo ihre Schuhe sind», sinnierte er. «Wenn sie sie im Fallen verloren hätte, müssten sie hier herumliegen. Sagst du mir, weswegen du so nervös bist?»
Sie antwortete nicht, und er senkte wissend das Kinn. «Achim, ja?»
Florin betrachtete sie nachdenklich, und sie zog die Schultern zurück, straffte sich. «Also. Ihre Schuhe, sagtest du», nahm sie seinen Faden auf. «Die Spurensicherung wird sich sicherlich die Felswand vornehmen. Wenn sie tatsächlich von dort heruntergestürzt wurde, finden wir die Schuhe vielleicht oben.»
Er hatte seinen Blick keine Sekunde lang abgewendet. «Ich bin ein Idiot», stellte er fest.
«Wieso? Die Schuhsache ist noch nicht klar, wer weiß, ob wir am Felsen wirklich etwas fin-»
«Doch nicht deshalb. Du hast immer noch nichts gegessen, oder? Du musst kurz vorm Umkippen sein.»
«Oh.» Sie fühlte in sich hinein, fand ein schneidendes Gefühl - ja, eventuell Hunger - aber keinerlei Appetit. «Nein, Essen eilt nicht. Leichenfunde schlagen mir gewöhnlich auf den Magen.»
Bloß das Thema nicht vertiefen. Leichter Wind kam auf und ließ die dünnen Plastiksäcke an den Händen der Toten rascheln, als würde sie sie von innen kneten.
Über den Feldweg holperte der Leichenwagen heran, ein grauer Metallsarg wurde herausgehoben. Drasche nickte und gab damit grünes Licht für den Abtransport der Frau. Man hob sie hoch, der Wind verfing sich in ihrem Haar. Ein letztes Mal. Bea trice wandte sich ab.
Bevor der Wagen sich auf den Weg zur Gerichtsmedizin machte, beugte Florin sich zum Fenster des Beifahrers. «Sagt Doktor Vogt, ich möchte die ersten Ergebnisse noch heute, wenn es irgendwie möglich ist.»
Das Handy in Bea trices Jackentasche begann zu vibrieren. Wieder Achim, jede Wette. Doch diesmal würde sie einfach nicht abheben. Nur um sicherzugehen, holte sie das Telefon hervor, kontrollierte die Anzeige auf dem Display und seufzte schwer. Der Anruf kam aus der Schule.
«Er hat den gesamten Inhalt seines Milchpäckchens in die Topfblumen geschüttet. Das geht nicht, verstehen Sie? Die Pflanzen gehören der ganzen Klasse, wenn sie eingehen, müssen Sie sie ersetzen.»
«Selbstverständlich. Geben Sie mir doch Bescheid, falls es notwendig sein sollte.»
«Er ist wirklich kein einfaches Kind.» Die Lehrerin am anderen Ende der Leitung seufzte. «Reden Sie bitte auch noch einmal mit ihm. Er muss endlich lernen, dass es Regeln gibt, die für alle gelten.»
«Natürlich. Hat er gesagt, warum er es gemacht hat?»
Schnauben. «Ja, er meinte, Wasser sei zu dünn und er wollte, dass die Blumen auch einmal etwas Ordentliches zu trinken bekämen.»
Jakob, mein Schatz, mein süßer, kleiner Jakob.
Copyright © 2012 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Die Stelle, an der sich sein linkes Ohr befunden hatte, pochte im Rhythmus seines Herzschlags. Schnell, panisch. Sein Atem ging in kurzen, lauten Stößen. Wenige Schritte von ihm entfernt beugte Nora sich über den Tisch, auf dem die Pistole und das Messer lagen. Ihr Gesicht war verzerrt, aber sie weinte nicht mehr.
«Bitte», flüsterte er heiser. «Ich will nicht. Bitte.»
Nun schluchzte sie doch auf, kurz und trocken. «Sei still.» «Warum machst du mich nicht los? Wir haben eine Chance, oh bitte mach mich los, okay? Okay?»
Sie reagierte nicht. Ihre rechte Hand schwebte zitternd über den Waffen, die matt im Licht der nackten Glühbirne schimmerten.
Angst ließ seinen Körper verkrampfen. Er krümmte sich auf dem Stuhl, soweit die Fesseln es zuließen. Sie schnitten brennend ins Fleisch, unnachgiebig wie Stahlbänder.
Ich kann doch nichts dafür, ich kann doch nichts dafür, ich kann doch ...
Er kniff die Augen zusammen, riss sie wieder auf. Er musste sehen, was passierte. Noras Hand lag jetzt auf dem Messer.
«Nein!», schrie er, glaubte er zu schreien. «Hilfe, warum hilft mir niemand?» Doch seine Stimme ließ ihn ausgerechnet jetzt im Stich. Sie war fort, und gleich würde alles fort sein, für alle Ewigkeit, sein Atem, sein Puls, jeder Gedanke, alles.
Tränen, die er nicht wegwischen konnte, verschleierten ihm den Blick auf Nora, die immer noch vor dem Tisch stand. Sie gab einen langgezogenen Klagelaut von sich, leiser als ein Schrei, lauter als ein Stöhnen. Er blinzelte.
Sie hatte die Pistole genommen, ihre rechte Hand bebte wie die einer Greisin. «Es tut mir leid», sagte sie.
Er warf sich verzweifelt nach vorne, nach hinten, brachte fast den Stuhl zum Kippen. Spürte kühles Metall an seiner Schläfe. Hielt dann still.
«Mach die Augen zu», sagte sie.
Ihre Hand auf seinem Kopf, sanft. Er fühlte ihre Angst, so groß wie seine eigene. Aber sie würde weiteratmen, weitersprechen, leben.
«Nein», flüsterte er tonlos und blickte zu Nora auf, die nun direkt vor ihm stand. Wünschte sich, ihren Namen nie gehört zu haben.
N47°35.285 E013°17.278
Morgennebel hüllte sie ein wie ein feuchtes Leichentuch. Die tote Frau lag bäuchlings da. Das Gras unter ihr war nass von Tau und Blut. Dort würden die Kühe nun nicht mehr fressen. Sie hatten die Wahl, die Weide war groß und das Ding, das im Schatten der Felswand lag, war ihnen nicht geheuer. Die Braune war knapp nach Sonnenaufgang hingetrottet, hatte den schweren Kopf gesenkt und ihre raue Zunge um die flachsfarbenen Haarsträhnen geschlungen. Dann hatte sie ihren Fund für ungenießbar befunden und war zu den anderen zurückgekehrt.
Sie hielten Abstand. Die, die dalagen, wiederkäuten und aufs Wasser starrten, ohnehin.
Aber auch die Fressenden mieden die Nähe der Felswand. Der Geruch nach totem Tier beunruhigte sie. Viel lieber grasten sie da, wo die ersten Sonnenstrahlen durch den Dunst drangen und lichte Flecken in die Wiese zeichneten.
Die Braune trabte zur Tränke, um zu saufen. Bei jedem Schritt schlug der Klöppel ihrer Glocke blechern gegen das Metall. Ihre Artgenossinnen schlenkerten nicht einmal mit den Ohren. Sie blickten stoisch auf den Fluss, mit fortwährend mahlenden Unterkiefern und peitschenden Schwänzen, die die ersten Fliegen des Tages verscheuchten.
Ein Windhauch strich über die Wiese, verwehte das Haar der Frau und legte ihr Gesicht frei. Die kurze, nach oben weisende Nase. Das Muttermal neben dem rechten Mundwinkel. Die viel zu blassen Lippen. Nur die Stirn blieb bedeckt, da, wo Haar und Haut mit Blut verklebt waren.
Langsam zerfaserte der morgendliche Nebel zu einzelnen Schleiern, die schließlich fortwehten und den Blick freigaben auf die Wiese, die Tiere und das ungebetene Geschenk, das man ihnen hinterlassen hatte. Das dumpfe Muhen der Braunen begrüßte den Tag.
Bea trice nahm immer zwei Stufen auf einmal. Sie schlitterte den Korridor entlang, bloß schnell an der zweiten Tür zur Linken vorbei. Sieben Schritte noch. Sechs. Da war ihr Büro, und darin war niemand außer Florin. Dem Himmel sei Dank.
«War er schon da?» Sie schleuderte ihren Rucksack auf den Drehstuhl und die Aktenmappe auf den Tisch.
«Dir auch einen guten Morgen!»
Na wie schön, da war ja jemand die Ruhe in Person. Sie warf ihre Jacke auf den Kleiderständer, traf aber nicht und fluchte.
«Jetzt setzt du dich erst mal hin und atmest tief durch.» Florin stand auf, hob die Jacke vom Boden und hängte sie sorgfältig auf einen Haken.
«Danke.» Sie schaltete den Computer an und verteilte den Inhalt der Aktenmappe hektisch auf dem Schreibtisch. «Ich wäre pünktlich gewesen, aber Jakobs Lehrerin hat mich aufgehalten.»
Florin stand mit dem Rücken zu ihr und hantierte an der Espressomaschine herum. Sie sah ihn nicken. «Was war es diesmal?»
«Er hatte einen Wutanfall. Das Klassenmaskottchen musste dran glauben.»
«Oh. Etwas Lebendiges?»
«Nein. Eine Plüscheule namens Elvira. Riesendrama, du glaubst es nicht. Mindestens zehn Kinder in Tränen aufgelöst. Ich habe der Lehrerin angeboten, ein Kriseninterventionsteam vorbeizuschicken, aber sie konnte nicht darüber lachen. Jedenfalls muss ich Elvira- Ersatz besorgen. Bis Freitag.»
«Das ist allerdings eine Herausforderung.»
Er schäumte Milch auf, drückte auf die Taste für den doppelten Espresso und krönte sein Werk mit einem Stäubchen Kakao. Seine Gelassenheit übertrug sich allmählich auf Bea trice. Sie merkte, dass sie lächelte, als Florin die dampfende Tasse vor ihr abstellte.
Er setzte sich ihr gegenüber auf seinen Platz und musterte sie mit nachdenklicher Miene. «Du siehst aus, als hättest du nicht viel Schlaf bekommen.»
Das kannst du laut sagen. «Alles bestens», murmelte sie und widmete sich ihrem Kaffee, in der Hoffnung, Florin würde sich mit dieser knappen Auskunft zufriedengeben.
«Keine nächtlichen Anrufe?»
Doch. Einer um halb zwölf, einer um drei Uhr morgens. Der zweite hatte Mina geweckt, die danach eine Stunde lang nicht mehr eingeschlafen war.
Bea trice zuckte die Schultern. «Irgendwann wird er es aufgeben.»
«Du musst endlich deine Nummer ändern, Bea. Nimm ihm die Chance, dich ständig fertigzumachen. Himmel, du bist bei der Polizei! Du kannst Schritte gegen ihn einleiten.»
Der Kaffee war perfekt. In den zwei Jahren, die sie bisher zusammenarbeiteten, hatte Florin sich schrittweise an die ideale Mischung von Bohnen, Milch und Zucker herangearbeitet. Bea trice lehnte sich zurück und schloss für einige Sekunden die Augen, sehnte sich nach einem entspannten Moment, einem einzigen wenigstens.
«Wenn ich die Nummer ändere, steht er in null Komma nichts vor der Tür. Und er ist der Vater, er hat ein Recht auf den Kontakt zu seinen Kindern.»
Sie hörte Florin seufzen. «Übrigens», sagte er, «Hoffmann war natürlich schon da.»
Scheiße. «Wirklich? Wieso klebt dann nicht mein Monitor voller Post-its?»
«Ich hab ihn beschwichtigt und behauptet, du hättest angerufen und wärst auf einem Außentermin. Er hat nichts gesagt, nur ein säuerliches Gesicht gezogen. Für heute werden wir Ruhe vor ihm haben, er steckt in Besprechungen.»
Das war phantastisch. Bea trice setzte die Tasse ab, versuchte ihre verspannten Schultermuskeln zu lockern und begann, die Akten auf ihrem Schreibtisch zu ordnen. Sie würde endlich dazu kommen, sich den Bericht über die Messerstecherei vorzunehmen, wegen dem Hoffmann ihr ständig in den Ohren lag. Sie warf einen Blick auf Florin, der konzentriert auf den Bildschirm seines Rechners starrte und dabei ziemlich ratlos wirkte. Eine Strähne seines dunklen Haares fiel ihm fast bis in die Augen. Klickklickklick. Bea trices Aufmerksamkeit richtete sich auf seine Hand, die locker auf der Maus lag. Schöne Männerhände. Ihr altes Laster.
«Schwieriges Problem?», fragte sie.
«Unlösbar».
«Kann ich dir helfen?»
Zwischen seinen Augenbrauen bildete sich eine nachdenkliche Längsfalte. «Ich weiß nicht. Antipasti sind eine Angelegenheit, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen darf.»
Sie lachte. «Alles klar. Für wann hat sich Anneke denn angesagt?»
«Sie kommt in drei Tagen. Ich glaube, ich mache Vitello tonnato. Oder doch Bruschetta? Mist, ich wünschte ich wüsste, ob sie gerade Kohlehydrate isst.»
Über Menüzusammenstellungen zu reden war keine gute Idee. Sofort meldete sich Bea trices Magen. Sie überschlug schnell, was sie bisher heute gegessen hatte, kam auf zwei Kekse und beschloss, dass es ihr gutes Recht war, Hunger zu haben.
«Von mir eine Stimme für Vitello tonnato», sagte sie, «und eine für einen Abstecher hinunter ins Café.»
«Jetzt schon?» Er fing ihren Blick auf und lächelte milde. «In Ordnung. Ich druck nur noch schnell die Seite au... »
Das Telefon unterbrach ihn. Schon nach den ersten Sekunden erkannte Bea trice an Florins finsterer Miene, dass aus ihrem Thunfischbaguette nichts werden würde.
«Wir sind gleich da.» Er legte auf, blickte hoch. «Wir haben eine Leiche, weiblich, in der Nähe von Abtenau. Wie es aussieht, ist sie von einer Felswand abgestürzt.»
«Ach Scheiße. Klingt nach einem Kletterunfall.»
Florins Brauen bildeten einen dunklen Balken über seinen Augen. «Kaum. Es sei denn, sie wäre mit gefesselten Händen geklettert.»
Die Leiche war ein heller Fleck im Grün, flankiert von zwei Uniformierten. Ein großgewachsener Mann ohne Hemd, dafür in Latzhose, sah ihnen neugierig entgegen. Er stand auf der angrenzenden Wiese und hielt eine kleine Kuhherde in Schach. Kurz hob er die Hand, als ob er Bea trice und Florin winken wollte, ließ sie dann aber wieder sinken.
Eine fast senkrechte Felswand, gut zwanzig Meter hoch, ragte direkt neben der Weide auf, ein schroffer Bruch inmitten der Postkartenlandschaft.
Drasche und Ebner von der Spurensicherung waren offenbar wenige Minuten zuvor eingetroffen. Sie steckten bereits in ihren Schutzanzügen, hantierten mit ihren Utensilien und nickten knapp zur Begrüßung.
Direkt neben dem Weidezaun kniete ein Mann und füllte ein Formular aus. Seinen Arztkoffer benutzte er als Schreibunterlage. «Guten Morgen», sagte er, ohne aufzublicken. «Sie sind vom BKA?»
«Ja. Ich bin Florin Wenninger, das hier ist meine Kollegin Beatrice Kaspary. Können Sie uns schon etwas zu der Toten sagen?»
Der Arzt schob seufzend die Kappe auf seinen Kugelschreiber. «Nicht viel. Eine weibliche Leiche, circa fünfunddreißig bis vierzig Jahre alt. Meiner Meinung nach hat jemand sie letzte Nacht von der Felswand geschubst. Todesursache vermutlich Schädeltrauma oder Aortenriss, das Genick ist jedenfalls nicht gebrochen. Genaueres müssen Sie den Gerichtsmediziner fragen.»
«Todeszeit?»
Der Arzt blies die Backen auf. «Zwischen zwei und vier Uhr morgens. Aber nageln Sie mich nicht darauf fest, ich soll hier nur den Tod feststellen.»
Drasche stapfte vorbei, den Spurensicherungskoffer in der Hand. «Wer hat die Leiche angefasst?»
Einer der beiden Uniformierten meldete sich zögernd. «Der Arzt. Und ich. Aber nur um den Puls zu fühlen. Nach einem Ausweis oder einem Portemonnaie habe ich auch gesucht, aber nichts gefunden. Wir haben die Lage der Frau nicht verändert.»
«In Ordnung.» Drasche winkte Ebner zu sich, der die Kamera bereits im Anschlag hatte. Während die Spurensicherer fotografierten, Proben nahmen und sie in kleine Behältnisse verschlossen, ruhte Bea trices Blick auf der Toten. Sie versuchte alles auszublenden, die Kollegen, die Motorengeräusche der Bundesstraße, den Klang der Kuhglocken. Nur die Frau zählte.
Sie lag auf dem Bauch, den Kopf zur Seite gedreht, die Beine nach rechts angewinkelt, wie mitten in einem Laufschritt erstarrt. Ihre Hände waren auf den Rücken gefesselt, die Gelenke straff mit Kabelbinder aneinandergezurrt.
Geschlossene Augen, der Mund stand halb offen, als hätte der Tod die Frau während des Sprechens ereilt.
Unwillkürlich füllte Bea trices Kopf sich mit Bildern: Die Frau wird durchs Dunkel gezerrt. Da ist der Abgrund. Sie wehrt sich, drängt zurück, fleht um ihr Leben, doch ihr Mörder hält sie fest, schiebt sie zur Kante, wartet, bis sie die Tiefe spüren kann, die vor ihr liegt. Dann ein leichter Stoß in den Rücken.
«Alles in Ordnung?» Florins Hand berührte kurz ihren Arm. «Sicher.»
«Ich rede mal mit den Kollegen. Du willst noch ein bisschen eintauchen, ja? »
Eintauchen, so nannte er das. Bea trice nickte.
«Tauch nicht zu tief.»
Sie sah ihm nach, wie er auf die beiden Uniformierten zuging und sie in ein Gespräch verwickelte. Atmete durch. Es roch nicht nach Tod, nur nach Kuhdung und Wiesenblumen. Sie beobachtete Drasche dabei, wie er eine Plastiktüte um die gefesselten Hände stülpte. Am liebsten wäre sie über den Zaun gestiegen, um sich die Leiche näher anzusehen, aber das sahen die Spurensicherer nicht gern, und besonders Drasche konnte da richtig biestig werden. Ohne den Blick von der toten Frau zu lassen, lief sie einen kleinen Bogen um die Umzäunung der Weide herum, suchte eine andere Perspektive. Lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Kleidung der Leiche: hellrote Seidenjacke über einer Bluse mit Blumenmuster. Teure Jeans. Keine Schuhe, die Fußsohlen sehr schmutzig und ein wenig blutig, als hätte die Frau barfuß einen weiten Weg zurückgelegt. Mitten im Schmutz dunkle Spuren auf jedem Fuß. Kleine, schwarze Markierungen. Oder ...
Bea trice ging in die Hocke und kniff die Augen zusammen, doch aus der Entfernung konnte sie nichts Genaues erkennen. «He, Gerd!»
Drasche unterbrach seine Tätigkeit nicht einmal für die Dauer eines Wimpernschlags. «Was denn?»
«Kannst du für mich einen Blick auf die Füße des Opfers werfen?»
«Moment noch.» Er befestigte sorgfältig den durchsichtigen Sack mit Klebeband, bevor er das untere Ende der Leiche in Augenschein nahm.
«Ach du Scheiße.»
«Da ist etwas, nicht? Wie Schriftzeichen, habe ich recht?» Drasche winkte Ebner zu sich, der eine Reihe von Nahaufnahmen der Füße schoss.
«Jetzt sag schon!» Sie hob den Weidezaun ein Stück und duckte sich unter dem Draht hindurch. «Was ist es?»
«Sieht aus wie Zahlen. Auf jedem Fuß eine Zahlenkombination. - Bleibst du bitte, wo du bist?»
Bea trice bremste sich mühsam. «Kann ich die Fotos sehen?» Drasche und Ebner wechselten einen Blick, irgendwo zwischen genervt und resigniert.
«Zeig sie ihr», sagte Drasche missmutig. «Sie gibt sonst keine Ruhe.»
Ebner stellte die Kamera in den Ansichtsmodus und hielt Bea trice das Display vors Gesicht.
Zahlen. Aber nicht nur. Das erste Zeichen auf dem linken Fuß sah aus wie ein N. Mit unsicherer Hand geschrieben, der Schrägstrich war in der Mitte unterbrochen und neu angesetzt worden. Es erinnerte sie an die Buchstaben, die Mina in der Vorschule fabriziert hatte, windschief wie Hexenhäuschen. Nach dem N folgte eine Vier, eine Sieben und etwas, das wie ein nach oben verrutschtes kleines o aussah. Noch eine Vier, eine Sechs, eine weitere Sechs, eine Null und eine Fünf. Schwarze Striche, unregelmäßig.
Sie vergrößerte die Ansicht. «Ist das aufgemalt? Wasserfester Stift?»
Der andere Fuß. Wieder zuerst ein Buchstabe, dann eine Zahlenreihe. Ein E mit schiefstehenden Querstrichen, gefolgt von einem O oder einer Null, einer Eins, einer Drei. Danach erneut der hoch oben angesetzte kleine Kreis. Ein kurzer Abstand, fünf weitere Zahlen. Zwei, Eins, Sieben, Neun, Drei.
«Nein, nicht aufgemalt.» Drasche klang heiser. «Eintätowiert, denke ich.»
«Was?» Sie sah genauer hin. Jetzt, wo er es gesagt hatte, schien es plötzlich die einzig plausible Möglichkeit zu sein. Tätowiert. An dieser Stelle. Hoffentlich post mortem.
Sie schrieb die Zahlenkombinationen in ihr Notizbuch. N47°46.605
E013°21.718
Das Muster kam ihr vertraut vor, aber woher? Es hatte nichts mit Computern zu tun, nichts mit Telefonnummern. Verdammt noch mal. «Ich sollte das erkennen», murmelte sie, mehr zu sich selbst als zu den beiden Spurensicherern.
«Allerdings», sagte Drasche durch seinen Mundschutz. «Wenn du versprichst, danach Ruhe zu geben, hole ich dich von der Leitung.»
«Einverstanden.»
«Gib die Kombi mal in dein Navigationsgerät ein. Es sind Koordinaten.»
Am liebsten hätte sie Florin die Neuigkeit sofort erzählt, doch sie sah, dass er eben dabei war, den Mann mit den Kühen zu vernehmen.
«Ich wollte um halb sieben die Herde zum Melken in den Stall holen, da hab ich sie entdeckt. Hab gleich gesehen, dass sie tot sein muss.»
«Waren die Kühe über Nacht auf der Weide?»
«Ja. Ich bring sie nach dem Abendmelken raus und am Morgen wieder rein. Mein Hof ist nur vierhundert Meter weit weg, da ist das kein Problem.»
Also waren die Tiere die ganze Nacht lang auf der Wiese herum-getrottet. Damit sah es schlecht aus, was verwertbare Fußabdrücke des Täters anging. Falls es welche gegeben hatte. Sie stellte sich neben Florin und hielt dem Bauern die Hand hin.
«Kaspary.»
«Freut mich. Raininger.» Er ließ ihre Hand nicht los. «Sind Sie auch von der Polizei?»
«Ja. Warum?»
Schiefes Lächeln. «Weil Sie viel zu hübsch sind für so eine hässliche Arbeit. Finden Sie nicht?»
Der letzte Satz war an Florin gerichtet.
«Ich kann Ihnen versichern, Frau Kaspary ist nicht nur sehr hübsch, sondern vor allem außergewöhnlich intelligent. Was für unsere hässliche Arbeit der entscheidende Faktor ist.» Seine Stimme war geringfügig kühler geworden. Bauer Raininger schien das nicht zu bemerken. Er strahlte Bea trice an, auch noch, als sie mit einem Ruck ihre Hand aus seinem Griff befreite.
«Ich würde jetzt gern weitermachen, wenn Sie einverstanden sind.» Florin klang wie Bourbon auf Eis, kalt-samtig-scharf. «Ist Ihnen am Abend etwas Ungewöhnliches aufgefallen?»
«Nein. War alles wie immer.»
«Verstehe. Und in der Nacht - haben Sie da möglicherweise etwas gehört? Stimmen, Schreie?»
«Nein. Sagen Sie, ist die Frau von der Wand gestürzt worden? Oder mit einem Hammer erschlagen? Es war ja richtig Blut an ihrem Kopf.» Jetzt klang er eifrig. Kein Wunder, beim nächsten Stammtisch würden sich alle um seine Geschichte reißen, da musste er Details kennen.
«Wir wissen es noch nicht. Ist die Felswand denn zugänglich?»
Der Bauer dachte kurz nach. «Ja. Von der anderen Seite kommt man leicht hin, da gibt's sogar eine kleine Straße, fast bis hinauf.»
Bea trice sah, wie Florin Reifenspuren!!! in sein Notizbuch schrieb. In ihrem eigenen standen bisher nur die Koordinaten. Sie kritzelte stichwortartig Rainingers Informationen darunter.
«Kommt die Frau Ihnen bekannt vor?», fragte sie. «Schon irgendwann einmal hier gesehen?»
Der Bauer schüttelte vehement den Kopf. «Noch nie. Und ich habe ein gutes Gedächtnis für Gesichter. Ihres zum Beispiel werd ich mir sicher merken. Und die Haarfarbe erst! Ist die echt?» Wenn er so breit grinste wie jetzt, sah man links oben eine Zahnlücke.
«Wenn es Ihnen nichts ausmacht», sagte Bea trice betont sanft, «sind wir hier diejenigen, die die Fragen stellen.»
Doch mehr Verwertbares war von dem Mann nicht zu erfahren. Sie ließen ihn mitsamt seinen Kühen zum Hof zurückkehren, was er nur widerwillig tat, immer wieder sah er über die Schulter zurück. Bea trice wartete, bis er endlich außer Hörweite war.
«Ihre Füße», sagte sie.
«Was ist damit?»
«Sie sind tätowiert. An den ... Sohlen.»
Er verstand sofort. «Du denkst, der Mörder hat ihr ein letztes Andenken verpasst?»
«Gut möglich. Aber eigentlich glaube ich, es ist eine Botschaft.» Sie zeigte ihm die beiden Zahlenreihen.
«Das hat man ihr auf die Füße tätowiert?»
«Ja. Norden auf den linken, Osten auf den rechten.»
Florin ging sofort durch die Wiese zurück zum Fundort, ohne darauf zu achten, was eine Begegnung mit Kuhfladen seinen Maßschuhen antun würde. Am Weidezaun blieb er stehen und sah mit schiefgelegtem Kopf zu der Leiche hinüber.
Bea trice war fast bei ihm, da vibrierte das Handy in ihrer Jackentasche.
«Kaspary.»
«Ich lasse mich nicht länger von dir verarschen.» Jedes Wort war geladen mit Abscheu.
«Achim. Nicht jetzt.»
«Natürlich nicht, es ist immer ungünstig, immer, nicht wahr?» Gleich würde er laut werden. «Egal ob es um die Kinder geht, oder ... »
«Mit den Kindern ist alles in Ordnung, und ich lege jetzt auf.» «Das tust du nicht, du -»
Sie trennte das Gespräch und steckte das Handy in die Tasche zurück.
Durchatmen. Auf das Wesentliche konzentrieren. Scheiße, ihre Hände zitterten, so bekam sie keinen geraden Gedanken hin. Sie verschränkte ihre Finger ineinander und trat neben Florin.
«Ich wüsste gern, wo ihre Schuhe sind», sinnierte er. «Wenn sie sie im Fallen verloren hätte, müssten sie hier herumliegen. Sagst du mir, weswegen du so nervös bist?»
Sie antwortete nicht, und er senkte wissend das Kinn. «Achim, ja?»
Florin betrachtete sie nachdenklich, und sie zog die Schultern zurück, straffte sich. «Also. Ihre Schuhe, sagtest du», nahm sie seinen Faden auf. «Die Spurensicherung wird sich sicherlich die Felswand vornehmen. Wenn sie tatsächlich von dort heruntergestürzt wurde, finden wir die Schuhe vielleicht oben.»
Er hatte seinen Blick keine Sekunde lang abgewendet. «Ich bin ein Idiot», stellte er fest.
«Wieso? Die Schuhsache ist noch nicht klar, wer weiß, ob wir am Felsen wirklich etwas fin-»
«Doch nicht deshalb. Du hast immer noch nichts gegessen, oder? Du musst kurz vorm Umkippen sein.»
«Oh.» Sie fühlte in sich hinein, fand ein schneidendes Gefühl - ja, eventuell Hunger - aber keinerlei Appetit. «Nein, Essen eilt nicht. Leichenfunde schlagen mir gewöhnlich auf den Magen.»
Bloß das Thema nicht vertiefen. Leichter Wind kam auf und ließ die dünnen Plastiksäcke an den Händen der Toten rascheln, als würde sie sie von innen kneten.
Über den Feldweg holperte der Leichenwagen heran, ein grauer Metallsarg wurde herausgehoben. Drasche nickte und gab damit grünes Licht für den Abtransport der Frau. Man hob sie hoch, der Wind verfing sich in ihrem Haar. Ein letztes Mal. Bea trice wandte sich ab.
Bevor der Wagen sich auf den Weg zur Gerichtsmedizin machte, beugte Florin sich zum Fenster des Beifahrers. «Sagt Doktor Vogt, ich möchte die ersten Ergebnisse noch heute, wenn es irgendwie möglich ist.»
Das Handy in Bea trices Jackentasche begann zu vibrieren. Wieder Achim, jede Wette. Doch diesmal würde sie einfach nicht abheben. Nur um sicherzugehen, holte sie das Telefon hervor, kontrollierte die Anzeige auf dem Display und seufzte schwer. Der Anruf kam aus der Schule.
«Er hat den gesamten Inhalt seines Milchpäckchens in die Topfblumen geschüttet. Das geht nicht, verstehen Sie? Die Pflanzen gehören der ganzen Klasse, wenn sie eingehen, müssen Sie sie ersetzen.»
«Selbstverständlich. Geben Sie mir doch Bescheid, falls es notwendig sein sollte.»
«Er ist wirklich kein einfaches Kind.» Die Lehrerin am anderen Ende der Leitung seufzte. «Reden Sie bitte auch noch einmal mit ihm. Er muss endlich lernen, dass es Regeln gibt, die für alle gelten.»
«Natürlich. Hat er gesagt, warum er es gemacht hat?»
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Autoren-Porträt von Ursula Poznanski
Ursula Poznanski wurde 1968 in Wien geboren. Sie war als Journalistin für medizinische Zeitschriften tätig. Nach dem fulminanten Erfolg ihrer Jugendbücher "Erebos" und "Saeculum" landete sie bereits mit ihrem ersten Thriller "Fünf" auf den Bestsellerlisten. Bei Wunderlich folgten "Blinde Vögel", "Stimmen" und "Schatten"; gemeinsam mit Arno Strobel "Fremd" und "Anonym". Inzwischen widmet sich Ursula Poznanski ganz dem Schreiben. Sie lebt mit ihrer Familie im Süden von Wien.
Bibliographische Angaben
- Autor: Ursula Poznanski
- 2012, 8. Aufl., 384 Seiten, Masse: 14 x 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Wunderlich
- ISBN-10: 3805250312
- ISBN-13: 9783805250313
- Erscheinungsdatum: 15.02.2012
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