Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk
Deutsche Helden privat
Oliver Welke und Dietmar Wischmeyer kennen kein Pardon, wenn sie über ihre "Helden" lästern. Von Frank Bsirske über Dieter Bohlen bis hin zu Alice Schwarzer reicht die Liste der durch-den-Kakao-Gezogenen. Satire oder aufgespießte Realität? Entscheiden Sie selbst!
lieferbar
versandkostenfrei
Taschenbuch
Fr. 21.90
inkl. MwSt.
- Kreditkarte, Paypal, Rechnungskauf
- 30 Tage Widerrufsrecht
Produktdetails
Produktinformationen zu „Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk “
Oliver Welke und Dietmar Wischmeyer kennen kein Pardon, wenn sie über ihre "Helden" lästern. Von Frank Bsirske über Dieter Bohlen bis hin zu Alice Schwarzer reicht die Liste der durch-den-Kakao-Gezogenen. Satire oder aufgespießte Realität? Entscheiden Sie selbst!
Klappentext zu „Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk “
Wieso lässt sich Sahra Wagenknecht mit dem Politrentner Oskar Lafontaine ein, und wozu braucht Jogi Löw dreihundert massgeschneiderte weisse Hemden? Wer gewinnt, wenn sich Richard David Precht und Peter Sloterdijk kloppen? Wie reagiert Norbert Röttgen, wenn sein Nachfolger Peter Altmaier ihm auch noch sein Lieblingswort «ergebnisoffen» klaut? Und was macht Alice Schwarzer, wenn sie sich mal richtig abreagieren will? Leider werden die Protagonisten immer recht einsilbig, wenn die Homestorys in jene Bereiche vorstossen, in denen es wirklich interessant wird. Oliver Welke und Dietmar Wischmeyer wagen den Vorstoss in das unbekannte Promi-Land jenseits der autobiographischen Schönfärberei. In ihrem Buch zeigen sie, wie die deutsche Prominenz wirklich tickt, und offenbaren uns mit fiktiven Momentaufnahmen aus dem Leben bekannter Persönlichkeiten deren dunkelste Seiten, fieseste Gedanken und sehnlichste Wünsche. Sie vermitteln tiefere Einblicke in deutsche Politik, Wirtschaft und Kultur, als Presse und Parteipropaganda das vermöchten. Die Wahrheit bricht manchmal dort hervor, wo die Wirklichkeit fiktiv erscheint. Werfen Sie mit Welke und Wischmeyer einen Blick hinter die Fassaden - und erfahren Sie, was unsere Helden vermeintlich unbeobachtet so treiben.
Lese-Probe zu „Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk “
Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk von Oliver Welke & Dietmar Wischmeyer ... mehr
Frank Bsirske war voller Vorfreude. Bald konnte es wieder losgehen. Endlich Urlaub. Der Stress der vielen Aufsichtsratssitzungen fiel von ihm ab. Allein drei waren es im letzten Halbjahr gewesen. «Mensch, Bsirske», murmelte Bsirske zu sich selbst, «das haste dir wirklich verdient.» Drei Wochen ohne Provinzmarktplätze, hässliche Verdi-Geschäftsstellen- Mitarbeiterinnen, Trillerpfeifen und übergeworfene Mülltüten. «Fick dich, Tarifhoheit», lächelte Frank Bsirske selbstlautlos in sich hinein. Frank Bsirske hatte endlich frei. Er holte seinen Koffer aus dem Schrank. Es handelte sich um eines der besseren Modelle von Louis Vuitton. Ein Rollkoffer. Der Arbeiterführer hatte den Markennamen aber aus Rücksicht auf seine Untergebenen mit Sylt-Aufklebern verdeckt. Deutsche Neidkultur. Zum Kotzen. Er hätte es am liebsten längst aufgegeben, sich den Anschein von Prekariat zu geben. Wem wollte er auch etwas vormachen? Schließlich hatte der gelernte Multifunktionär nie selbst gearbeitet. Frank Bsirske schmunzelte bei dem Gedanken an seinen begehbaren Humidor, in dem Zigarren im Wert von drei Krankenschwester-Jahreslöhnen lagerten. Und aus Solidarität mit den gefährdeten Arbeitsplätzen der Opelaner in Bochum fuhr er seit zwei Jahren einen Mercedes. Schönes Teil. S-Klasse. Das war's dann aber auch mit den Zugeständnissen. Jetzt freute er sich auf drei Wochen Entspannen und Segeln mit Carsten, der Vroni und Thilo. Obwohl Thilo erfahrungsgemäß im Urlaub schon nerven konnte. Der schnauzbärtige Hobby-Rassenkundler konnte einfach nicht abschalten. Kaum war er im Ausland, verbrachte er seine Tage mit genetischen Studien an den Ureinwohnern. Frank Bsirske war davon schnell gelangweilt. Es sollte nach Kroatien gehen. Maschmeyers Yacht, die MS Wilhelm Gustloff II, ankerte traditionell von Juni bis August vor Krk. Frank Bsirske fuhr gerne dorthin. Etwas an dieser Insel zog ihn magisch an. Vielleicht war es das Klima. Oder die malerisch an der Adria gelegene Hauptstadt von Krk: Krk. Manchmal fuhr er mit seinem gesponserten Touareg auch die paar Kilometer in den Nachbarort Vrh. Frank Bsirske verstand es zu leben. Savoir-vivre. Dolce Vita. Frank Bsirske bekam eine Gänsehaut. Was nur wenige wussten: Die Insel Krk befand sich seit acht Jahren im Besitz von Verdi. Gekauft mit Mitteln aus einem EU-Topf für den Ankauf exjugoslawischer Inseln. Auch eine Gewerkschaft musste ja irgendwohin mit der Kohle. Und ein Felsen im Meer war immer noch besser, als davon doch wieder nur einen weiteren nutzlosen Idiotenstreik zu finanzieren. 3,2 Prozentmehr Lohn. Lächerlich. Dafür ging ein Frank Bsirske nicht aus dem Haus. Auf Krk hatte er sich sein Anwesen bauen lassen. Nichts Großes. Niedliche dreißigtausend Quadratmeter, die er hatte brandroden lassen. Jetzt umsäumten nur noch ein paar Oliven- und Orangenbäume das Grundstück, das liebevoll gepflegt wurde von recht anständig bezahlten kroatischen Nano- Jobbern. Die fleißigen Südslawen bekamen neunzig Lipa die Stunde, das ist fast ein Kuna. Immerhin. Er mochte Kroatien. Dort gab es aus sozialistischer Tradition kein Streikrecht. Er wollte es im Urlaub schließlich bequem haben. Keine Streiks, das gefiel dem Machtmenschen Bsirske. Natürlich flog er immer erster Klasse. Eine der wenigen Vergünstigungen, die ihm als Lufthansa-Aufsichtsratsmitglied zustanden. Zuletzt allerdings hatte er sich ärgern müssen. Der Sancerre war viel zu warm gewesen. Mindestens drei Grad drüber. Diese Kuhpisse zu trinken kam für ihn nicht in Frage. Aber er war ja zum Glück nicht wehrlos und ohnmächtig wie ein normaler Arbeiter. Er war Frank Bsirske, die mächtige swami frank bsirske in Poona (Verdi-Dienstreise ohne frauen 2011).
Faust des Proletariats. Zwei Tage später ließ er aus Rache die komplette Lufthansa bestreiken. Und das nur, weil sein starker Arm es wollte. Er bekam wieder eine Gänsehaut. Er musste an einen anderen Flug denken. Erster Klasse nach Neu-Delhi. Durch Zufall hatte er in der First Class den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst getroffen. «Franz-Peter Tebartz-van Elst - was für ein komischer Name», dachte Frank Bsirske schmunzelnd. Er zog seinen Rollkoffer hinter sich her und verließ das Adlon, ohne den Pagen eines Blickes zu würdigen. Schwester Irina hat schlechte Laune. Zimmer 19 ist an der Reihe. Das Zimmer, in dem «Arschloch» wohnt. Wie heißt der Typ noch mal wirklich? Peinlich berührt stellt die Altenpflegerin fest, dass sie Arschlochs richtigen Namen inzwischen vergessen hat. Und warum? Weil das komplette Personal ihn nur noch Arschloch nennt. Was wiederum fraglos damit zusammenhängt, dass Arschloch sich rund um die Uhr wie eins aufführt. Unmittelbar nach Arschlochs Einzug waren auch noch diverse andere Spitznamen im Umlauf. «Brother Louie» zum Beispiel oder irgendwas mit «Geronimo». Durchgesetzt hat sich dann aber eben «Arschloch». Schwester Irina, noch relativ neu im Eppendorfer «Horst- Hrubesch-Seniorenstift» fand die herzlose Lästerei der Kollegen zunächst nicht in Ordnung. Die gebürtige Kasachin war der festen Überzeugung, dass gute Pflegearbeit Geduld und Verständnis voraussetzt. Aber schon die ersten drei Minuten mit Arschloch in Zimmer 19 haben ausgereicht, um diese Überzeugung zu pulverisieren. Für immer. Morgens, wenn man ihm das Frühstück bringt, ist es am schlimmsten. Wahrscheinlich weil er dann sieben Stunden lang keinen hatte, den er terrorisieren kann. «Ach was soll's, hilft ja nix», denkt Irina und drückt die Tür auf. Arschloch sitzt am Tisch und liest seine geliebte «Bild»-Zeitung. Er trägt einen silbernen Kimono. Wie immer mit nichts drunter. Reflexartig spreizt der alte Schwerenöter jetzt ganz leicht die Beine, um der Schwester eine möglichst freie Sicht auf das ledrige Gehänge zu ermöglichen. «Ach nee, guck mal an, das Frollein Irina, bekannt aus dem Film ‹Doktor Fummel und seine scharfen Schwestern›, bringt mir mein Happa-Happa! Na, das is ja hammermäßig!», quäkt es aus dem dunkelbraunen Runzelkopp. Siebzig Jahre nonstop Solarium hinterlassen eben ihre Spuren. Irina stellt das Tablett ab, nuschelt irgendwas mit «Appetit» und tritt den Rückzug an. Vielleicht klappt es ja diesmal. Vielleicht lässt er sie einfach so gehen. «Guck nur auf die Türklinke, Irina», denkt Irina und hat den rettenden Flur schon fast erreicht. «Du, hömma, Olga, du, bei allem Verständnis, ich weiß ja nicht, wie das bei euch zu Hause in Kaputtistan so abläuft futtermäßig, ob ihr da die plattgefahrenen Eichhörnchen von der Straße kratzt oder was ... aber DAS hier geht echt gar nich, nech!» Anklagend hält Arschloch eine Scheibe Mortadella hoch. «Was soll denn das sein, bitte? Hast du dir das aus deinem eigenen Pöter gesäbelt, den traurigen grauen Lappen hier?» Irina zählt innerlich bis fünf und fragt: «Mögen Sie lieber Käse?»
Arschloch wuchtet sich ächzend aus seinem Sessel. Dabei lässt er traditionsgemäß einen fahren und den Kimono ganz auseinandergleiten. Irina versucht verzweifelt, den Blick abzuwenden. «Ja, Mäuschen, das musst du jetzt nicht in den falschen Hals kriegen, wenn ich dir hier mit wehender Banane entgegenkomme, haha . . . Ich darf leider keine Unterbuxe tragen. Ärztliche Anordnung. Mein kleiner Dieter muss immer frei schwingen. Hat was mit so 'ner alten Penisbruchgeschichte zu tun, erzähl ich dir, wenn mal Zeit is.» Siegfried und Roy, äh . .. Hermann und Furunkel, nein . . . ich komm nicht drauf.
Arschloch verschluckt sich an seiner eigenen Spucke und kriegt einen schlimmen Hustenanfall. Schwester Irina nutzt die Chance und bewegt sich Richtung Tür. Allerdings nicht schnell genug. Immer noch erschreckend beweglich, wirft sich der alte Rochen zwischen sie und den Ausgang. «Pass mal auf, weißte, du siehst ja für dein Alter ganz süß aus und so, paar Pfunde zu viel, aber irgendwie fast schon niedlich . . . jetzt nicht wirklich sexy oder so, aber auch nicht völlig zum Kotzen, weißte . . . » Worst-Case-Szenario: Der Mann, der vor gefühlten tausend Jahren mal das Wort «Pop-Titan» auf der Visitenkarte hatte, setzt zu einem seiner gefürchteten Monologe an. «Weißte, wie du hier schon reinkommst und so, ne, null Körperspannung, wie so 'n Sack Sülze auf Baldrian, das geht so nich. Und jetzt kommt gleich wieder ‹Ja, aber Herr Bohlen, ich verdien hier ja auch nur drei fuffzig die Stunde, buhuuuh› und so, aber weißte, mit dem Spirit kommste halt nicht weit heutzutage, ne . . . Ich werd ja auch oft gefragt, wie das möglich war mit den ganzen Hits und so, weltweit erfolgreichster deutscher Produzent und all den Bambis und ‹Bravo›-Ottos und alles . . . » Irina versucht, sich an schöne Szenen aus ihrer Kindheit zu erinnern und gleichzeitig Arschlochs feuchter Aussprache auszuweichen. Erfahrungsgemäß hat er sich nach zehn, zwanzig Minuten müde monologisiert. «Ja, da brauchst du gar nich so traurig aus der Wäsche zu gucken, Mamutschka, das geht nur mit Bienenfleiß und harter Arbeit, rabota rabota oder wie ihr das nennt. Von nix kommt nix . . . Ich bin früher in Tötensen morgens aufgestanden, hab erst mal 'nen Welthit geschrieben, dann war ich kurz kacken, und dann hab ich direkt wieder 'nen Welthit geschrieben. Paff, paff ging das! In
der Zeit haben so Nieten wie der Grönemeyer noch in der Pofe gelegen oder sich einen gerubbelt oder so . . . Ich weiß noch, wie ichmal zu Justin Timberlake gesagt hab . . . oder war das doch Jürgen Drews? Is ja auch egal, jedenfalls . . . » Arschloch könnte genauso gut chinesisch reden. Irina versteht praktisch kein Wort von dem, was da aus dem halb mumifizierten Mund kommt. Ein paar der älteren Schwestern haben ihr erzählt, dass der Mann wahrscheinlich wirklich mal prominent war. Damals, kurz nach der Jahrtausendwende. Muss eine ziemlich kranke Zeit gewesen sein. «. . . Und ich weiß noch genau, wie diese Obertusse von RTL, diese . . . na . . . Frau Schäferdings zu mir gesagt hat: ‹Dieter, die Quoten gehen runter, die Zeit der Casting-Shows ist langsam vorbei.› Sagt die Olle mir ins Gesicht . . . Gut, in einem Punkt hatte sie recht, Deutschland war damals so gut wie durchgecastet. Ich glaube, so um 2017 rum haben wir in Recklinghausen den letzten noch ungecasteten Sechzehnjährigen eingefangen, mit 'nem Betäubungsgewehr, und ich sag dann so zu der Frau Schäferbums . . . » Irina fragt sich, ob man sich im konkreten Fall für Gewaltphantasien schämen muss. Die Bettpfanne da drüben: Wenn sie die jetzt mit aller Kraft auf die Fontanelle unter seiner lächerlichen blonden Perücke hauen würde . . . Oder mal ganz unverbindlich durch die Kauleiste, durch diese viel zu langen und viel zu weißen Implantate . . . Wahrscheinlich könnte selbst das den Redefluss nicht stoppen. «. . . Das sind ja oft die kleinen Anzeichen, an denen du merkst, dass so 'n Sender anfängt, dich abzuschreiben. Auf einmal heißt das: ‹Herr Bohlen, warum müssen Sie denn IMMER mit 'nem Heli vom Hotel zum Studio geflogen werden? Das sind doch auch mit dem Auto nur zwanzig Minu- ten.› Darauf ich: ‹Warum? WARUM?! Das kann ich euch sagen. DARUM, ihr Pimmelgesichter!› Das sind die ersten Anzeichen! Und hast du nicht gesehen, sitzt du plötzlich in der Jury neben so 'ner blondierten Transe und irgend so 'nem geschassten ZDF-Opi, und der soll dann angeblich dafür sorgen, dass die Quote wieder einen hochkriegt, ja, da bepiss ich mich doch vor Lachen . . . » Plötzlich fällt Irina etwas ein. Etwas, das sie vorhin in der Teeküche aufgeschnappt hat. Eine Neuigkeit, die Arschloch unter Umständen viel härter treffen könnte als jede Bettpfanne. «. . . Dabei hätte man mit ‹DSDS Kids› doch noch Jahre weitermachen können. Und das war nur EINE hammermäßige Knalleridee, die ich den Trotteln von RTL geschenkt hab, weißt du! Haustiere casten zum Beispiel! Ja warum denn nicht? Jeder Köter kann doch irgendwelche Kunststücke. Das is alles 'ne Frage der Einstellung. Man muss nur WOLLEN! Deswegen sag ich ja, Olga: Wenn du hier so devot bei mir ins Zimmer geschlichen kommst und dann so verschüchtert irgendwas murmelst, mit deiner Piepsstimme, die so klingt, als ob man Miss Piggy 'nen Lockenstab in 'n Arsch . . . » «Herr Bohlen.» Irina spricht Arschloch zum ersten Mal mit seinem richtigen Namen an. Plötzlich ist er ihr doch wieder eingefallen. Das wirft Arschloch tatsächlich kurz aus der Bahn und bringt ihn zum Schweigen. Sie muss jetzt schnell weitermachen: «Herr Bohlen, hab ich ganz vergessen. Ich hab gehört, am Nachmittag kommt Ihre neue Mitbewohner.» «Wie jetzt?!Mitbewohner?!» «Ja, ist doch Zweibettzimmer. Auf der Pflegestation gibt's nix Einzel.» «Ja, aber Moment mal, Frolleinchen, ich . . . » «Kommt eine ganz nette Mann zu Ihnen. Warte mal, hab mir Name aufgeschrieben . . . kommt ein Herr . . . Anders.» Arschlochs Schrei hallt minutenlang über die Flure des «Horst-Hrubesch-Seniorenstifts». Hätte mir vor zwanzig Jahren jemand zugeraunt, ich würde Helmut Kohl dereinst für einen leidlichen Ehrenmann halten - jedenfalls soweit das in der Politik überhaupt möglich ist -, mir wäre übel geworden. Aber da kannte ich das Wendewesen Mappus ja auch noch nicht. Der Mappus gehört zur Familie der Korinthenkacker und dort zur Untergruppe der Großmaulolme. Jahrzehntelang können diese bleichen Kreaturen im politischen Morast eines Landesparteiunterbezirks überleben, ohne aufzufallen. Hier im Sumpf der politischen Willensbildung tröten und blubbern sie populistische Fürze vor sich hin, bis ihre Zeit gekommen ist. Dann aber schnellt der Mappus aus dem Pfuhl hervor und streift sich die ganz dicke Hose über. Plötzlich steht er im Rampenlicht, und da ihn niemand kennt und noch weniger ihn überhaupt kennenlernen wollen, holt er die markigen Worte aus seiner Zeit im Sumpf hervor: «Atom ja, ja, ja, Stuttgart sprengen, Bahnhof bauen prima, prima.» So profiliert sich das bissige Biest auch bundesweit und gilt in seiner Partei der angewandten Prinzipienlosigkeit als harter Hund.
Schwäbischer Name für die Filzlaus
Im Gegensatz zur regierenden Wanderdüne aus Berlin steht der Mappus wie ein tapferer Feldhamster inmitten wogenden Unmuts im Ländle. «Und wenn die Welt voll Grüner wär und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es soll uns doch gelingen», posaunt es aus der Staatskanzlei. Der Mappus kennt seinen Luther wohl und weiß, dass Standhaftigkeit heute in der Politik ein Alleinstellungsmerkmal ist. Alleinzustehen ist jedoch dem Politischen als solchem fremd. Das Volk auf den Barrikaden, die Wanderdüne in Berlin längst fortgeweht zu einer neuen Meinung, steht der Mappus plötzlich allein auf weiter Flur. Mit dem Atomstrom ist kein Staat mehr zu machen, zu dumm nur, dass das kleine dicke Mappus gerade den Oberatomgriller EnBW für ein sattes Sümmchen aus Landesmitteln zurückgekauft hat. «Na, is ja nicht mein Geld», grinst er in sich hinein und ruft die Wanderdüne in der bösen Stadt an: «Hallo Chefin, ich mach für dich Neckarwestheim dicht und, scheiß der Hund drauf, auch noch Philippsburg 1, wenn's sein muss, steck ich mir sogar 'ne Sonnenblume hinten rein und hopse nackend durch den Stuttgarter Schlosspark, nur damit ich meinen schönen Posten nicht verliere.» Das hört man in Berlin mit Wohlgefallen, denn wenn die Wanderdüne eines nicht verzeiht, dann, dass man wegen der Meinung von gestern die Macht von morgen aus den Augen verliert. So springt der kleine Wicht wieder frohgemut durchs Ländle und trällert vor sich hin: «Heute back ich, morgen brau ich, Sonntag hol ich dem Wähler seine Stimm; ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich auf seine Meinung scheiß.» Doch einmal kommt der Tag auch für einen kleinen korrupten CDU-Hamster, und ein Lkw namens «Schicksal» fährt ihn platt. Dann sind's nur noch die Gerichte, die sich an den putzigen Nager aus dem Südwesten der Republik erinnern. Alice Schwarzer hockt im oberen Stockwerk ihres Kölner Frauenturms und setzt den Verschluss des MG 42 wieder zusammen. Abendliches Waffenreinigen ist eine ihrer wenigen verbliebenen Freuden. Das nackte Metall, die Präzision des vorschnellenden Bolzens erzeugen noch immer ein erotisches Kribbeln bei der greisen Feministin. Gut, beim Kachelmann- Massaker in der «Bild»-Zeitung hat sie sich noch einmal gefühlt wie ein junges Füllen. Das Penetristen-Schwein ist erledigt, so oder so, ob verurteilt oder freigesprochen, was spielt das schon für eine Rolle. Alice Schwarzer hat noch einmal das Killergefühl der alten Zeiten gespürt, als jeder Mann ein Feind war und jede Frau eine Kameradin im gemeinsamen Krieg gegen die Schwänze. Heute hasst Alice Schwarzer die Männer nicht mehr, eher aus Gewohnheit prangert sie so rum, sie protestiert ein bisschen gegen Vergewaltigung in der Ehe oder redet auch mal irgendwas von gleicher Bezahlung, nicht vergleichbar mit den Kämpfen der guten alten Kriegszeit. Gestern hat sie eine Anfrage bekommen, ob sie Schirmherrin für gesetzliche Warmbadetage muslimischer Frauen in NRW sein will. Das hat sie abgelehnt, so weit unten ist sie noch nicht. Die Grüß-Auguste bei den Vermummten machen? Nein, nicht mit ihr. Noch immer hat sie die «Emma», das Sturmgeschütz des deutschen Feminismus. Auch wenn sie niemand mehr liest, so wird sie dennoch wahrgenommen. Die Schwänze müssten mal wieder das Zittern lernen, schon lange denkt Alice Schwarzer über eine Kampagne nach, die das Machotum das Fürchten lehren soll. Wenn selbst die CDU sich schon für eine Frauenquote in Führungspositionen starkmacht, wofür kann man sich dann noch einsetzen? Am meisten ärgert sie, dass die nachfolgende Alice hat sich ganz nach hinten gesetzt, damit die linken flinten weiber sie hier nicht entdecken.
Frauengeneration, die von ihrem Kampf profitiert hat - mit anderen Worten: Kristina Schröder, Alibi-Else am Hofe Merkels -, dass also diese undankbaren Schlampen ihr, der Mutter aller Schwanzabschneiderinnen, in den Rücken fallen. Alice Schwarzer ist schon wieder geladen und findet auch in dieser Nacht keinen Schlaf. Also wirft sie sich die alte Pferdedecke über, die sie immer trägt, wenn sie außer Haus geht, um nicht als Auslösereiz missverstanden zu werden, und schlüpft hinaus in die Kölner Nacht. Ihr Ziel ist ein versteckter Domina-Club in der Südstadt, da darf man auch als Laiin Männer in Führungspositionen verprügeln. Mittleres Management kostet zweihundert Euro, ein Mann mit Fahrer und Eckbüro dreihundertfünfzig Euro und . . . ach, scheiß die Hündin drauf, heute Nacht will sie sich einen Bischof gönnen für 'nen Tausender - hoffentlich haben die was richtig Widerliches da, zum Beispiel das Ekelpaket aus Limburg, obwohl, da weiß sie gar nicht, ob der sich nicht alles zu Hause machen lässt. Beim Gedanken an die bevorstehende Orgie bessert sich Alice Schwarzers Laune merklich, unter ihrer Pferdedecke schließt sich das feuchte Händchen um den Knauf einer Reitpeitsche. Die Ampel springt um auf Grün, und Alice Schwarzer verschwindet in der Nacht. kurz erklärt: Emanzipation Die Gleichstellung von Mann und frau: ein ehrenwertes und wichtiges Anliegen, für das vor allem Frauen über Jahrhunderte gekämpft haben (Männer eher nicht). Umso verblüffender, dass Heldinnen der Frauenbewegung wie Alice Schwarzer heutzutage ausgerechnet von jungen Geschlechtsgenossinnen belächelt werden. Die moderne Deutsche wähnt sich nicht nur im postideologischen, sondern auch im postfeministischen Zeitalter angekommen.
Copyright © 2013 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Frank Bsirske war voller Vorfreude. Bald konnte es wieder losgehen. Endlich Urlaub. Der Stress der vielen Aufsichtsratssitzungen fiel von ihm ab. Allein drei waren es im letzten Halbjahr gewesen. «Mensch, Bsirske», murmelte Bsirske zu sich selbst, «das haste dir wirklich verdient.» Drei Wochen ohne Provinzmarktplätze, hässliche Verdi-Geschäftsstellen- Mitarbeiterinnen, Trillerpfeifen und übergeworfene Mülltüten. «Fick dich, Tarifhoheit», lächelte Frank Bsirske selbstlautlos in sich hinein. Frank Bsirske hatte endlich frei. Er holte seinen Koffer aus dem Schrank. Es handelte sich um eines der besseren Modelle von Louis Vuitton. Ein Rollkoffer. Der Arbeiterführer hatte den Markennamen aber aus Rücksicht auf seine Untergebenen mit Sylt-Aufklebern verdeckt. Deutsche Neidkultur. Zum Kotzen. Er hätte es am liebsten längst aufgegeben, sich den Anschein von Prekariat zu geben. Wem wollte er auch etwas vormachen? Schließlich hatte der gelernte Multifunktionär nie selbst gearbeitet. Frank Bsirske schmunzelte bei dem Gedanken an seinen begehbaren Humidor, in dem Zigarren im Wert von drei Krankenschwester-Jahreslöhnen lagerten. Und aus Solidarität mit den gefährdeten Arbeitsplätzen der Opelaner in Bochum fuhr er seit zwei Jahren einen Mercedes. Schönes Teil. S-Klasse. Das war's dann aber auch mit den Zugeständnissen. Jetzt freute er sich auf drei Wochen Entspannen und Segeln mit Carsten, der Vroni und Thilo. Obwohl Thilo erfahrungsgemäß im Urlaub schon nerven konnte. Der schnauzbärtige Hobby-Rassenkundler konnte einfach nicht abschalten. Kaum war er im Ausland, verbrachte er seine Tage mit genetischen Studien an den Ureinwohnern. Frank Bsirske war davon schnell gelangweilt. Es sollte nach Kroatien gehen. Maschmeyers Yacht, die MS Wilhelm Gustloff II, ankerte traditionell von Juni bis August vor Krk. Frank Bsirske fuhr gerne dorthin. Etwas an dieser Insel zog ihn magisch an. Vielleicht war es das Klima. Oder die malerisch an der Adria gelegene Hauptstadt von Krk: Krk. Manchmal fuhr er mit seinem gesponserten Touareg auch die paar Kilometer in den Nachbarort Vrh. Frank Bsirske verstand es zu leben. Savoir-vivre. Dolce Vita. Frank Bsirske bekam eine Gänsehaut. Was nur wenige wussten: Die Insel Krk befand sich seit acht Jahren im Besitz von Verdi. Gekauft mit Mitteln aus einem EU-Topf für den Ankauf exjugoslawischer Inseln. Auch eine Gewerkschaft musste ja irgendwohin mit der Kohle. Und ein Felsen im Meer war immer noch besser, als davon doch wieder nur einen weiteren nutzlosen Idiotenstreik zu finanzieren. 3,2 Prozentmehr Lohn. Lächerlich. Dafür ging ein Frank Bsirske nicht aus dem Haus. Auf Krk hatte er sich sein Anwesen bauen lassen. Nichts Großes. Niedliche dreißigtausend Quadratmeter, die er hatte brandroden lassen. Jetzt umsäumten nur noch ein paar Oliven- und Orangenbäume das Grundstück, das liebevoll gepflegt wurde von recht anständig bezahlten kroatischen Nano- Jobbern. Die fleißigen Südslawen bekamen neunzig Lipa die Stunde, das ist fast ein Kuna. Immerhin. Er mochte Kroatien. Dort gab es aus sozialistischer Tradition kein Streikrecht. Er wollte es im Urlaub schließlich bequem haben. Keine Streiks, das gefiel dem Machtmenschen Bsirske. Natürlich flog er immer erster Klasse. Eine der wenigen Vergünstigungen, die ihm als Lufthansa-Aufsichtsratsmitglied zustanden. Zuletzt allerdings hatte er sich ärgern müssen. Der Sancerre war viel zu warm gewesen. Mindestens drei Grad drüber. Diese Kuhpisse zu trinken kam für ihn nicht in Frage. Aber er war ja zum Glück nicht wehrlos und ohnmächtig wie ein normaler Arbeiter. Er war Frank Bsirske, die mächtige swami frank bsirske in Poona (Verdi-Dienstreise ohne frauen 2011).
Faust des Proletariats. Zwei Tage später ließ er aus Rache die komplette Lufthansa bestreiken. Und das nur, weil sein starker Arm es wollte. Er bekam wieder eine Gänsehaut. Er musste an einen anderen Flug denken. Erster Klasse nach Neu-Delhi. Durch Zufall hatte er in der First Class den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst getroffen. «Franz-Peter Tebartz-van Elst - was für ein komischer Name», dachte Frank Bsirske schmunzelnd. Er zog seinen Rollkoffer hinter sich her und verließ das Adlon, ohne den Pagen eines Blickes zu würdigen. Schwester Irina hat schlechte Laune. Zimmer 19 ist an der Reihe. Das Zimmer, in dem «Arschloch» wohnt. Wie heißt der Typ noch mal wirklich? Peinlich berührt stellt die Altenpflegerin fest, dass sie Arschlochs richtigen Namen inzwischen vergessen hat. Und warum? Weil das komplette Personal ihn nur noch Arschloch nennt. Was wiederum fraglos damit zusammenhängt, dass Arschloch sich rund um die Uhr wie eins aufführt. Unmittelbar nach Arschlochs Einzug waren auch noch diverse andere Spitznamen im Umlauf. «Brother Louie» zum Beispiel oder irgendwas mit «Geronimo». Durchgesetzt hat sich dann aber eben «Arschloch». Schwester Irina, noch relativ neu im Eppendorfer «Horst- Hrubesch-Seniorenstift» fand die herzlose Lästerei der Kollegen zunächst nicht in Ordnung. Die gebürtige Kasachin war der festen Überzeugung, dass gute Pflegearbeit Geduld und Verständnis voraussetzt. Aber schon die ersten drei Minuten mit Arschloch in Zimmer 19 haben ausgereicht, um diese Überzeugung zu pulverisieren. Für immer. Morgens, wenn man ihm das Frühstück bringt, ist es am schlimmsten. Wahrscheinlich weil er dann sieben Stunden lang keinen hatte, den er terrorisieren kann. «Ach was soll's, hilft ja nix», denkt Irina und drückt die Tür auf. Arschloch sitzt am Tisch und liest seine geliebte «Bild»-Zeitung. Er trägt einen silbernen Kimono. Wie immer mit nichts drunter. Reflexartig spreizt der alte Schwerenöter jetzt ganz leicht die Beine, um der Schwester eine möglichst freie Sicht auf das ledrige Gehänge zu ermöglichen. «Ach nee, guck mal an, das Frollein Irina, bekannt aus dem Film ‹Doktor Fummel und seine scharfen Schwestern›, bringt mir mein Happa-Happa! Na, das is ja hammermäßig!», quäkt es aus dem dunkelbraunen Runzelkopp. Siebzig Jahre nonstop Solarium hinterlassen eben ihre Spuren. Irina stellt das Tablett ab, nuschelt irgendwas mit «Appetit» und tritt den Rückzug an. Vielleicht klappt es ja diesmal. Vielleicht lässt er sie einfach so gehen. «Guck nur auf die Türklinke, Irina», denkt Irina und hat den rettenden Flur schon fast erreicht. «Du, hömma, Olga, du, bei allem Verständnis, ich weiß ja nicht, wie das bei euch zu Hause in Kaputtistan so abläuft futtermäßig, ob ihr da die plattgefahrenen Eichhörnchen von der Straße kratzt oder was ... aber DAS hier geht echt gar nich, nech!» Anklagend hält Arschloch eine Scheibe Mortadella hoch. «Was soll denn das sein, bitte? Hast du dir das aus deinem eigenen Pöter gesäbelt, den traurigen grauen Lappen hier?» Irina zählt innerlich bis fünf und fragt: «Mögen Sie lieber Käse?»
Arschloch wuchtet sich ächzend aus seinem Sessel. Dabei lässt er traditionsgemäß einen fahren und den Kimono ganz auseinandergleiten. Irina versucht verzweifelt, den Blick abzuwenden. «Ja, Mäuschen, das musst du jetzt nicht in den falschen Hals kriegen, wenn ich dir hier mit wehender Banane entgegenkomme, haha . . . Ich darf leider keine Unterbuxe tragen. Ärztliche Anordnung. Mein kleiner Dieter muss immer frei schwingen. Hat was mit so 'ner alten Penisbruchgeschichte zu tun, erzähl ich dir, wenn mal Zeit is.» Siegfried und Roy, äh . .. Hermann und Furunkel, nein . . . ich komm nicht drauf.
Arschloch verschluckt sich an seiner eigenen Spucke und kriegt einen schlimmen Hustenanfall. Schwester Irina nutzt die Chance und bewegt sich Richtung Tür. Allerdings nicht schnell genug. Immer noch erschreckend beweglich, wirft sich der alte Rochen zwischen sie und den Ausgang. «Pass mal auf, weißte, du siehst ja für dein Alter ganz süß aus und so, paar Pfunde zu viel, aber irgendwie fast schon niedlich . . . jetzt nicht wirklich sexy oder so, aber auch nicht völlig zum Kotzen, weißte . . . » Worst-Case-Szenario: Der Mann, der vor gefühlten tausend Jahren mal das Wort «Pop-Titan» auf der Visitenkarte hatte, setzt zu einem seiner gefürchteten Monologe an. «Weißte, wie du hier schon reinkommst und so, ne, null Körperspannung, wie so 'n Sack Sülze auf Baldrian, das geht so nich. Und jetzt kommt gleich wieder ‹Ja, aber Herr Bohlen, ich verdien hier ja auch nur drei fuffzig die Stunde, buhuuuh› und so, aber weißte, mit dem Spirit kommste halt nicht weit heutzutage, ne . . . Ich werd ja auch oft gefragt, wie das möglich war mit den ganzen Hits und so, weltweit erfolgreichster deutscher Produzent und all den Bambis und ‹Bravo›-Ottos und alles . . . » Irina versucht, sich an schöne Szenen aus ihrer Kindheit zu erinnern und gleichzeitig Arschlochs feuchter Aussprache auszuweichen. Erfahrungsgemäß hat er sich nach zehn, zwanzig Minuten müde monologisiert. «Ja, da brauchst du gar nich so traurig aus der Wäsche zu gucken, Mamutschka, das geht nur mit Bienenfleiß und harter Arbeit, rabota rabota oder wie ihr das nennt. Von nix kommt nix . . . Ich bin früher in Tötensen morgens aufgestanden, hab erst mal 'nen Welthit geschrieben, dann war ich kurz kacken, und dann hab ich direkt wieder 'nen Welthit geschrieben. Paff, paff ging das! In
der Zeit haben so Nieten wie der Grönemeyer noch in der Pofe gelegen oder sich einen gerubbelt oder so . . . Ich weiß noch, wie ichmal zu Justin Timberlake gesagt hab . . . oder war das doch Jürgen Drews? Is ja auch egal, jedenfalls . . . » Arschloch könnte genauso gut chinesisch reden. Irina versteht praktisch kein Wort von dem, was da aus dem halb mumifizierten Mund kommt. Ein paar der älteren Schwestern haben ihr erzählt, dass der Mann wahrscheinlich wirklich mal prominent war. Damals, kurz nach der Jahrtausendwende. Muss eine ziemlich kranke Zeit gewesen sein. «. . . Und ich weiß noch genau, wie diese Obertusse von RTL, diese . . . na . . . Frau Schäferdings zu mir gesagt hat: ‹Dieter, die Quoten gehen runter, die Zeit der Casting-Shows ist langsam vorbei.› Sagt die Olle mir ins Gesicht . . . Gut, in einem Punkt hatte sie recht, Deutschland war damals so gut wie durchgecastet. Ich glaube, so um 2017 rum haben wir in Recklinghausen den letzten noch ungecasteten Sechzehnjährigen eingefangen, mit 'nem Betäubungsgewehr, und ich sag dann so zu der Frau Schäferbums . . . » Irina fragt sich, ob man sich im konkreten Fall für Gewaltphantasien schämen muss. Die Bettpfanne da drüben: Wenn sie die jetzt mit aller Kraft auf die Fontanelle unter seiner lächerlichen blonden Perücke hauen würde . . . Oder mal ganz unverbindlich durch die Kauleiste, durch diese viel zu langen und viel zu weißen Implantate . . . Wahrscheinlich könnte selbst das den Redefluss nicht stoppen. «. . . Das sind ja oft die kleinen Anzeichen, an denen du merkst, dass so 'n Sender anfängt, dich abzuschreiben. Auf einmal heißt das: ‹Herr Bohlen, warum müssen Sie denn IMMER mit 'nem Heli vom Hotel zum Studio geflogen werden? Das sind doch auch mit dem Auto nur zwanzig Minu- ten.› Darauf ich: ‹Warum? WARUM?! Das kann ich euch sagen. DARUM, ihr Pimmelgesichter!› Das sind die ersten Anzeichen! Und hast du nicht gesehen, sitzt du plötzlich in der Jury neben so 'ner blondierten Transe und irgend so 'nem geschassten ZDF-Opi, und der soll dann angeblich dafür sorgen, dass die Quote wieder einen hochkriegt, ja, da bepiss ich mich doch vor Lachen . . . » Plötzlich fällt Irina etwas ein. Etwas, das sie vorhin in der Teeküche aufgeschnappt hat. Eine Neuigkeit, die Arschloch unter Umständen viel härter treffen könnte als jede Bettpfanne. «. . . Dabei hätte man mit ‹DSDS Kids› doch noch Jahre weitermachen können. Und das war nur EINE hammermäßige Knalleridee, die ich den Trotteln von RTL geschenkt hab, weißt du! Haustiere casten zum Beispiel! Ja warum denn nicht? Jeder Köter kann doch irgendwelche Kunststücke. Das is alles 'ne Frage der Einstellung. Man muss nur WOLLEN! Deswegen sag ich ja, Olga: Wenn du hier so devot bei mir ins Zimmer geschlichen kommst und dann so verschüchtert irgendwas murmelst, mit deiner Piepsstimme, die so klingt, als ob man Miss Piggy 'nen Lockenstab in 'n Arsch . . . » «Herr Bohlen.» Irina spricht Arschloch zum ersten Mal mit seinem richtigen Namen an. Plötzlich ist er ihr doch wieder eingefallen. Das wirft Arschloch tatsächlich kurz aus der Bahn und bringt ihn zum Schweigen. Sie muss jetzt schnell weitermachen: «Herr Bohlen, hab ich ganz vergessen. Ich hab gehört, am Nachmittag kommt Ihre neue Mitbewohner.» «Wie jetzt?!Mitbewohner?!» «Ja, ist doch Zweibettzimmer. Auf der Pflegestation gibt's nix Einzel.» «Ja, aber Moment mal, Frolleinchen, ich . . . » «Kommt eine ganz nette Mann zu Ihnen. Warte mal, hab mir Name aufgeschrieben . . . kommt ein Herr . . . Anders.» Arschlochs Schrei hallt minutenlang über die Flure des «Horst-Hrubesch-Seniorenstifts». Hätte mir vor zwanzig Jahren jemand zugeraunt, ich würde Helmut Kohl dereinst für einen leidlichen Ehrenmann halten - jedenfalls soweit das in der Politik überhaupt möglich ist -, mir wäre übel geworden. Aber da kannte ich das Wendewesen Mappus ja auch noch nicht. Der Mappus gehört zur Familie der Korinthenkacker und dort zur Untergruppe der Großmaulolme. Jahrzehntelang können diese bleichen Kreaturen im politischen Morast eines Landesparteiunterbezirks überleben, ohne aufzufallen. Hier im Sumpf der politischen Willensbildung tröten und blubbern sie populistische Fürze vor sich hin, bis ihre Zeit gekommen ist. Dann aber schnellt der Mappus aus dem Pfuhl hervor und streift sich die ganz dicke Hose über. Plötzlich steht er im Rampenlicht, und da ihn niemand kennt und noch weniger ihn überhaupt kennenlernen wollen, holt er die markigen Worte aus seiner Zeit im Sumpf hervor: «Atom ja, ja, ja, Stuttgart sprengen, Bahnhof bauen prima, prima.» So profiliert sich das bissige Biest auch bundesweit und gilt in seiner Partei der angewandten Prinzipienlosigkeit als harter Hund.
Schwäbischer Name für die Filzlaus
Im Gegensatz zur regierenden Wanderdüne aus Berlin steht der Mappus wie ein tapferer Feldhamster inmitten wogenden Unmuts im Ländle. «Und wenn die Welt voll Grüner wär und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es soll uns doch gelingen», posaunt es aus der Staatskanzlei. Der Mappus kennt seinen Luther wohl und weiß, dass Standhaftigkeit heute in der Politik ein Alleinstellungsmerkmal ist. Alleinzustehen ist jedoch dem Politischen als solchem fremd. Das Volk auf den Barrikaden, die Wanderdüne in Berlin längst fortgeweht zu einer neuen Meinung, steht der Mappus plötzlich allein auf weiter Flur. Mit dem Atomstrom ist kein Staat mehr zu machen, zu dumm nur, dass das kleine dicke Mappus gerade den Oberatomgriller EnBW für ein sattes Sümmchen aus Landesmitteln zurückgekauft hat. «Na, is ja nicht mein Geld», grinst er in sich hinein und ruft die Wanderdüne in der bösen Stadt an: «Hallo Chefin, ich mach für dich Neckarwestheim dicht und, scheiß der Hund drauf, auch noch Philippsburg 1, wenn's sein muss, steck ich mir sogar 'ne Sonnenblume hinten rein und hopse nackend durch den Stuttgarter Schlosspark, nur damit ich meinen schönen Posten nicht verliere.» Das hört man in Berlin mit Wohlgefallen, denn wenn die Wanderdüne eines nicht verzeiht, dann, dass man wegen der Meinung von gestern die Macht von morgen aus den Augen verliert. So springt der kleine Wicht wieder frohgemut durchs Ländle und trällert vor sich hin: «Heute back ich, morgen brau ich, Sonntag hol ich dem Wähler seine Stimm; ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich auf seine Meinung scheiß.» Doch einmal kommt der Tag auch für einen kleinen korrupten CDU-Hamster, und ein Lkw namens «Schicksal» fährt ihn platt. Dann sind's nur noch die Gerichte, die sich an den putzigen Nager aus dem Südwesten der Republik erinnern. Alice Schwarzer hockt im oberen Stockwerk ihres Kölner Frauenturms und setzt den Verschluss des MG 42 wieder zusammen. Abendliches Waffenreinigen ist eine ihrer wenigen verbliebenen Freuden. Das nackte Metall, die Präzision des vorschnellenden Bolzens erzeugen noch immer ein erotisches Kribbeln bei der greisen Feministin. Gut, beim Kachelmann- Massaker in der «Bild»-Zeitung hat sie sich noch einmal gefühlt wie ein junges Füllen. Das Penetristen-Schwein ist erledigt, so oder so, ob verurteilt oder freigesprochen, was spielt das schon für eine Rolle. Alice Schwarzer hat noch einmal das Killergefühl der alten Zeiten gespürt, als jeder Mann ein Feind war und jede Frau eine Kameradin im gemeinsamen Krieg gegen die Schwänze. Heute hasst Alice Schwarzer die Männer nicht mehr, eher aus Gewohnheit prangert sie so rum, sie protestiert ein bisschen gegen Vergewaltigung in der Ehe oder redet auch mal irgendwas von gleicher Bezahlung, nicht vergleichbar mit den Kämpfen der guten alten Kriegszeit. Gestern hat sie eine Anfrage bekommen, ob sie Schirmherrin für gesetzliche Warmbadetage muslimischer Frauen in NRW sein will. Das hat sie abgelehnt, so weit unten ist sie noch nicht. Die Grüß-Auguste bei den Vermummten machen? Nein, nicht mit ihr. Noch immer hat sie die «Emma», das Sturmgeschütz des deutschen Feminismus. Auch wenn sie niemand mehr liest, so wird sie dennoch wahrgenommen. Die Schwänze müssten mal wieder das Zittern lernen, schon lange denkt Alice Schwarzer über eine Kampagne nach, die das Machotum das Fürchten lehren soll. Wenn selbst die CDU sich schon für eine Frauenquote in Führungspositionen starkmacht, wofür kann man sich dann noch einsetzen? Am meisten ärgert sie, dass die nachfolgende Alice hat sich ganz nach hinten gesetzt, damit die linken flinten weiber sie hier nicht entdecken.
Frauengeneration, die von ihrem Kampf profitiert hat - mit anderen Worten: Kristina Schröder, Alibi-Else am Hofe Merkels -, dass also diese undankbaren Schlampen ihr, der Mutter aller Schwanzabschneiderinnen, in den Rücken fallen. Alice Schwarzer ist schon wieder geladen und findet auch in dieser Nacht keinen Schlaf. Also wirft sie sich die alte Pferdedecke über, die sie immer trägt, wenn sie außer Haus geht, um nicht als Auslösereiz missverstanden zu werden, und schlüpft hinaus in die Kölner Nacht. Ihr Ziel ist ein versteckter Domina-Club in der Südstadt, da darf man auch als Laiin Männer in Führungspositionen verprügeln. Mittleres Management kostet zweihundert Euro, ein Mann mit Fahrer und Eckbüro dreihundertfünfzig Euro und . . . ach, scheiß die Hündin drauf, heute Nacht will sie sich einen Bischof gönnen für 'nen Tausender - hoffentlich haben die was richtig Widerliches da, zum Beispiel das Ekelpaket aus Limburg, obwohl, da weiß sie gar nicht, ob der sich nicht alles zu Hause machen lässt. Beim Gedanken an die bevorstehende Orgie bessert sich Alice Schwarzers Laune merklich, unter ihrer Pferdedecke schließt sich das feuchte Händchen um den Knauf einer Reitpeitsche. Die Ampel springt um auf Grün, und Alice Schwarzer verschwindet in der Nacht. kurz erklärt: Emanzipation Die Gleichstellung von Mann und frau: ein ehrenwertes und wichtiges Anliegen, für das vor allem Frauen über Jahrhunderte gekämpft haben (Männer eher nicht). Umso verblüffender, dass Heldinnen der Frauenbewegung wie Alice Schwarzer heutzutage ausgerechnet von jungen Geschlechtsgenossinnen belächelt werden. Die moderne Deutsche wähnt sich nicht nur im postideologischen, sondern auch im postfeministischen Zeitalter angekommen.
Copyright © 2013 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
... weniger
Autoren-Porträt von Oliver Welke, Dietmar Wischmeyer
Oliver Welke, geboren 1966, arbeitete nach dem Studium der Publizistik als Redakteur und Moderator bei ARD, Sat.1 und Pro7. Seit 2009 ist er Anchorman der satirischen ZDF-Nachrichtensendung "heute show", die 2010 den Grimme-Preis erhielt und 2011 zum dritten Mal in Folge als "Beste Comedyshow" ausgezeichnet wurde.Dietmar Wischmeyer, Autor und Kolumnist, zählt zu den erfolgreichsten Protagonisten der deutschen Humorwirtschaft. Er tourt mit wechselnden Programmen durch Deutschland, u.a. mit Oliver Kalkofe oder Oliver Welke, tritt regelmässig in der «heute-show» auf und ist bei radioeins, radio ffn, Radio Bremen und im WDR zu hören. Zahlreiche Preise, darunter der Deutsche Radiopreis (2014), der Deutsche Comedypreis (2017) und der Deutsche Fernsehpreis (2020). Zuletzt erschien «Als Mutti unser Kanzler war. Erinnerungen an eine total krasse Zeit».
Bibliographische Angaben
- Autoren: Oliver Welke , Dietmar Wischmeyer
- 2013, 6. Aufl., 320 Seiten, mit zahlreichen Schwarz-Weiss-Abbildungen, mit Abbildungen, Masse: 14 x 21,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Rowohlt
- ISBN-10: 3871347523
- ISBN-13: 9783871347528
- Erscheinungsdatum: 18.01.2013
Kommentar zu "Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk"
0 Gebrauchte Artikel zu „Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
4 von 5 Sternen
5 Sterne 0Schreiben Sie einen Kommentar zu "Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk".
Kommentar verfassen