Ferne und Nähe
Aus meinem Journalistenleben - Reportagen, Reden, Kommentare und andere Texte aus vier Jahrzehnten
Klaus Bednarz war...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Ferne und Nähe “
Klaus Bednarz war lange Zeit ARD-Korrespondent in Warschau und Moskau und leitete fast zwei Jahrzehnte das Politmagazin "Monitor". Mit seinen politischen Reportagen und scharfzüngigen Kommentaren hat er oft genug Aufsehen erregt, Anstöße gegeben, Maßstäbe gesetzt. Nun zieht Klaus Bednarz Bilanz aus über drei Jahrzehnten journalistischer Arbeit. Sein Buch zeigt ihn als unbestechlichen Aufklärer und Mahner, als Vermittler vor allem zwischen Ost und West, als großartigen Reiseschriftsteller, aber auch als einen Freund der Dichter und Denker und als Liebhaber der leisen Töne.
Klappentext zu „Ferne und Nähe “
"Ich stehe als Journalist nicht an der Seite der Mächtigen, sondern an der Seite der Ohnmächtigen. Es geht darum, für die Rechte von Minderheiten einzutreten, die sich sonst nur schwer Gehör verschaffen können." (Klaus Bednarz)"Bednarz lässt auch ohne Kamera lebendige Bilder entstehen, allein mit der Kraft seiner Worte." (Die Zeit)
Lese-Probe zu „Ferne und Nähe “
Ferne und Nähe von Klaus Bednarz START EINES VORWORTS
Großvaters Buch
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Es war eine schlimme Zeit, dunkel und kalt. Hunger herrschte, und der Krieg, der gerade vorbei war, bedrückte die Menschen noch immer. Viele der jungen Männer waren nicht zurückgekehrt, eine Generation ohne Väter wuchs heran. Um Feuerholz zu beschaffen, zog der Großvater mit einem kleinen Handwägelchen in den Wald und grub Baumstümpfe aus. Aus Schuhcreme und Bindfäden bastelte er Kerzen, die flackerndes Licht verbreite ten und Ruß, der sich klebrig auf die Kleider legte. Seine Pfeife stopfte der Großvater mit bläulich qualmendem, stinkendem Knaster, den er Tabak nannte – mannshohes Gestrüpp, das er im Garten angepflanzt, auf dem Dachboden getrocknet und dann mit Großmutters Wiegemesser gehäckselt hatte. Zwei Höhepunkte gab es am Tag. Wenn die Mutter den kleinen Bruder gefüttert hatte und ich den restlichen Brei aus seinem Gesicht lecken durfte. Und wenn der Großvater am Abend ein Buch aus dem riesigen Regal zog und ich mich unter seinem Schreibtisch in meine Höhle verkriechen konnte. Dort war es heimelig und warm, und nur eine sonore Stimme mit leicht thüringischem Akzent war zu vernehmen. Großvater las immer aus demselben Buch vor, einer dicken, großformatigen und in braunen Karton gebundenen Ausgabe der Grimm’schen Märchen. Hänsel und Gretel, Schneeweißchen und Rosen rot, Frau Holle und der gestiefelte Kater, Rumpelstilzchen, Dornröschen, Hans im Glück, Daumesdick, Rotkäppchen und der Froschkönig waren mir bald vertrauter als unsere Nachbarskinder. Ich bewunderte das tapfere Schneiderlein, amüsierte mich über den Knüppel aus dem Sack, litt mit Aschenputtel, gruselte mich vor dem Teufel mit den drei goldenen Haaren, ärgerte mich über Rumpelstilzchen, drückte den Bremer Stadtmusikanten die Daumen und konnte überhaupt nicht verstehen, warum die Frau des Fischers so dumm und habgierig war, dass sie nicht nur Papst, sondern der liebe Gott werden wollte. Manche dieser Märchen lassen mir noch immer keine Ruhe, beschäftigen mich auch heu te noch. Schneewittchen etwa. Welch eine Frau! Eitel und putzsüchtig, lässt sich schon vom Anblick eines Kamms und eines Schnürriemens aus bunter Sei de verführen! Die Geschichte mit dem Apfel sei ihr nachgesehen, die hat ja schließlich eine lange Tradition. Doch nicht nur der Not gehorchend, will sie den Haus halt der sieben Zwerge versehen, « kochen, bet ten, waschen, nähen, stricken und alles ordentlich und reinlich halten», sondern sogar «von Herzen gern» ! Mit «großer Pracht und Herrlichkeit » will sie ihre Hochzeit feiern und ist dabei auch noch undankbar. Oder warum wurden die sieben Zwerge, die ihr immerhin zweimal das Leben gerettet haben, nicht eingeladen – zumindest ist nichts bekannt darüber. Und über Folter und Todesstrafe müsste man auch ein mal dringend mit Schneewittchen reden – von wegen der eisernen, rot glühenden Pantoffeln, in denen die böse Stiefmutter tanzen musste, bis sie «tot zur Erde fiel ». Ich weiß, ich sollte mich eigentlich an die Herren Jacob und Wilhelm Grimm wenden. Aber denen bin ich – wie meinem Großvater – ganz einfach dankbar. Sie haben mich in einer schlimmen, kalten und dunklen Zeit für ein paar Stunden die reale Welt vergessen lassen. Und mir Figuren geschenkt, die noch heute zu meinem Leben gehören. Mit denen ich rede und streite, über die ich mich ärgere und freue. Von denen ich gelernt habe, dass Märchen Leben sein können. Und umgekehrt. Auch wenn ich gestehen muss, dass ich heute vor dem Einschlafen lieber das hässliche junge Entlein, den standhaften Zinnsoldaten oder das kleine Mädchen mit den Schwefel hölzern treffe. Doch das ist schon eine andere Geschichte.
Beitrag von Klaus Bednarz in: Verführung zum Lesen. Zwei und fünfzig Prominente über Bücher, die ihr Leben prägten, hrsg. von Uwe Naumann in Zusammenarbeit mit der Stiftung Lesen, Reinbek 2003
(C) 2009 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek
Beitrag von Klaus Bednarz in: Verführung zum Lesen. Zwei und fünfzig Prominente über Bücher, die ihr Leben prägten, hrsg. von Uwe Naumann in Zusammenarbeit mit der Stiftung Lesen, Reinbek 2003
(C) 2009 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek
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Autoren-Porträt von Klaus Bednarz
Klaus Bednarz, geboren 1942 in Berlin, ist einer der bekanntesten deutschen Journalisten. Er war lange Zeit ARD-Korrespondent in Warschau und Moskau und leitete fast zwei Jahrzehnte das Politmagazin "Monitor". Für seine Arbeit wurde Bednarz, heute Chefreporter des WDR, mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Bibliographische Angaben
- Autor: Klaus Bednarz
- 2009, 1. Auflage, 496 Seiten, mit zahlreichen Schwarz-Weiss-Abbildungen, mit Abbildungen, Masse: 15,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Herausgegeben: Volker Ullrich
- Verlag: Rowohlt, Hamburg
- ISBN-10: 3498006355
- ISBN-13: 9783498006358
- Erscheinungsdatum: 03.03.2009
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