"Es lebe die Freiheit!"
Die Geschichte der Weissen Rose und ihrer Mitglieder in Dokumenten und Berichten
Die Geschichte der Weissen Rose und ihrer Mitglieder in Dokumenten und Berichten. Vor 70 Jahren wurden die Mitglieder der Widerstandsgruppe hingerichtet. Der Band erinnert an Sophie und Hans Scholl, Alexander Schmorell, Willi Graf und die anderen, die sich...
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Produktinformationen zu „"Es lebe die Freiheit!" “
Die Geschichte der Weissen Rose und ihrer Mitglieder in Dokumenten und Berichten. Vor 70 Jahren wurden die Mitglieder der Widerstandsgruppe hingerichtet. Der Band erinnert an Sophie und Hans Scholl, Alexander Schmorell, Willi Graf und die anderen, die sich gegen die Nazi-Diktatur zur Wehr setzten. Mit Flugblättern, Vernehmungsprotokollen, Zeitzeugenberichten...
Klappentext zu „"Es lebe die Freiheit!" “
Zum 70. Jahrestag der Verurteilung und Hinrichtung der Mitglieder der Weissen Rose - Mit wichtigen historischen Dokumenten u. a. die VernehmnungsprotokolleDie Weisse Rose ist neben dem Widerstandskreis um Graf Stauffenberg heute eine der bekanntesten Widerstandsgruppen im Dritten Reich. Kern der Münchner Hitlergegner waren Hans Scholl, Alexander Schmorell, Sophie Scholl, Christoph Probst, Willi Graf und Professor Kurt Huber. Zwischen 1942 und 1943 verbreitete die Gruppe sechs Flugblätter, in denen sie zum Widerstand gegen das NS-Regime aufrief. Ihren Mut und ihre Entschlossenheit, sich gegen die Nazi-Diktatur zur Wehr zu setzen, bezahlten die sechs und ein weiterer Unterstützer, der Student Hans Leipelt, mit dem Leben.
In diesem Band werden zum ersten Mal die zentralen Dokumente zur »Weissen Rose« kommentiert und historisch eingeordnet wiedergegeben. Die Geschichte des Münchner Widerstandskreises wird vor dem historischen Hintergrund des Krieges dargestellt und die wichtigsten Akteure werden biographisch porträtiert. Eindrucksvoll werden die dramatische letzte Aktion der Hitlergegner im Lichthof der Münchner Universität, die Verhöre der Gestapo und die Verhandlungen vor dem »Volksgerichtshof« sowie die Verbreitung des »Manifests der Münchner Studenten« auch noch nach deren Tod durch die Alliierten geschildert.
Dieser Band enthält:
- die zentralen Dokumente zur Weissen Rose, u. a. die Vernehmungsprotokolle von Sophie
und Hans Scholl, Christoph Probst, Alexander Schmorell, Wilhelm Graf und Kurt Huber,
- und die Flugblätter der Weissen Rose.
- die Geschichte der Weissen Rose mit Biografien und Fotos ihrer Mitglieder,
- eine Einordnung der Weissen Rose in den Kontext des deutschen Widerstandes gegen Hitler
nach 1943
- sowie eine kommentierte Auswahlbibliographie.
"Ich würde es genauso wieder machen."
Sophie Scholl
Lese-Probe zu „"Es lebe die Freiheit!" “
»Es lebe die Freiheit!« von Ulrich Chaussy und Gerd R. UeberschärEinführung
von Gerd R. Ueberschär
»Es lebe die Freiheit«. Dies waren die letzten Worte von Hans Scholl, als er vor 70 Jahren am 22. Februar 1943 im Gefängnis München-Stadelheim nach einem Todesurteil des »Volksgerichtshofes « hingerichtet worden ist, weil er zusammen mit seiner Schwester Sophie Scholl sowie mit Alexander Schmorell und Christoph Probst und anderen Gegnern des NS-Regimes zum Widerstand gegen Hitlers Herrschaft aufgerufen hatte. Dass insbesondere die Forderung nach Freiheit das große Ziel des Münchner Widerstandskreises war, hat Eugen Grimminger, der die Gruppe damals finanziell unterstützte, überliefert: Es war mit seinen Worten der »Kampf um Gedankenfreiheit, freie Meinungsäußerung, Freiheit der Lebensgestaltung, Toleranz und Wahrung der Menschenrechte«,1 der die Grundlage ihres Widerstandes gegen das NS-Regime bildete.
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Im Februar 1943 befand sich das Dritte Reich seit dreieinhalb Jahren im Krieg gegen eine Übermacht von Feinden. Die Verluste und Schäden machten sich immer deutlicher auch im Alltag der Bevölkerung bemerkbar. Um diesen selbst begonnenen Krieg jedoch unerbittlich führen zu können, waren von der NS-Führung grausame Verbrechen angeordnet und durchgeführt sowie eine totalitäre Herrschaft eingerichtet worden. Der Widerstand des Kreises Weiße Rose um Hans Scholl und Alexander Schmorell richtete sich im Sommer 1942,als die ersten vier Flugblätter verteilt wurden, gegen diese diktatorische Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten. Ihr Aufbegehren gegen das NS-Regime war - wie manche andere Opposition gegen Hitlers Herrschaft - nur punktuell sowohl in der Verbreitung als auch im Sympathisanten-und Teilnehmerkreis, aber zugleich fundamental und für das Regime gefährlich. Denn es befand sich gerade vom Sommer 1942 bis zum Februar 1943 mit dem militärischen Kampf um Stalingrad und der letztlich schweren Niederlage in der Wolgastadt in einer militärischen Krisensituation an der Ostfront, die auch die Kriegsbereitschaft in der Heimat tangierte. Am 3. Februar 1943 hatten die Reste einer ganzen deutschen Armee, der 6. Armee mit ursprünglich fast 300 000 Soldaten unter Generalfeldmarschall Paulus, in Stalingrad kapitulieren müssen, nachdem sie Wochen zuvor von der Roten Armee von der deutschen Front abgeschnitten und an der Wolga eingekesselt worden war. Die immensen Verluste im Kampf um Stalingrad waren für den Widerstandskreis um die Geschwister Scholl und Alexander Schmorell ein zusätzlicher Anstoß, die deutsche Bevölkerung im Januar und Februar 1943 erneut zum Widerstand gegen Hitler und sein Regime aufzurufen. Neuere Untersuchungen zur Weißen Rose - wie von Detlef Bald in 2003 - betonen, dass die militärischen Erlebnisse und Erfahrungen im Rahmen von Einsätzen der Medizinstudenten als Sanitätsdienst-Unteroffiziere an der Ostfront vom Juli 1942 bis November 1942 motivierend für ihren Widerstand gegen das NS-Regime wirkten; auch wenn sie im Bereich der mittleren Ostfront und nicht im südlichen Abschnitt bei Stalingrad erfolgten. Sie hinterließen zweifellos bleibende und desillusionierende Eindrücke.2 Diese Einschätzung und Bewertung der Kriegserlebnisse als besonderer Anstoß für den weiteren Widerstand führten allerdings auch zu kontroverser Forschungsdiskussion. 3 Die besondere Wirkung der Kriegserfahrungen an der Ostfront im Sommer und Herbst 1942 für die Widerstandsaktionen der Weißen Rose wurde dann von Detlef Bald bei der Herausgabe seiner Studie als Taschenbuch im Jahr 2004 erneut überzeugend dargestellt.4
Auch wenn nur 80 bis 100 Personen von den NS-Stellen bei deren Ermittlungen gegen den Widerstandskreis der Weißen Rose einbezogen wurden und dessen Flugblätter insgesamt nur eine Auflage von ca. 15 000 Stück umfassten, so war die Widerstandsaktion zu dieser Zeit für das Regime in besonderem Maße gefährlich. Die ersten Flugblätter erschienen als an- ti-nationalsozialistische Protestaktion gegen das Regime im Sommer 1942, als das Regime eine neue Offensive im Süden der Ostfront unternahm, um die Kriegsinitiative nach dem vergeblichen Kampf um Moskau zurückzugewinnen, und ihre Verfasser konnten über mehrere Monate hinweg bis Mitte Februar 1943 weder entdeckt noch ihre Aktionen verhindert werden. Als der Widerstandskreis im Februar 1943 durch Zufall aufgedeckt worden war, wurden die verhafteten Mitglieder der Weißen Rose mit großer Härte verurteilt und in beschleunigtem Verfahren hingerichtet.
Bis heute ist die Münchner Studenten-und Jugendgruppe Weiße Rose um die Geschwister Scholl, Alexander Schmorell, Willi Graf und Christoph Probst neben den Gruppen um den
20. Juli 1944 der wohl bekannteste Widerstandskreis gegen Hitler und sein Regime innerhalb Deutschlands. Die Verteilung der Flugblätter der Weißen Rose und die aufgemalten Wandparolen mit anti-nationalsozialistischen Inhalten und Aufrufen an verschiedenen Gebäuden in München waren ein für die Öffentlichkeit deutlich sichtbares Zeichen und Symbol eines anderen, besseren Deutschland als das Dritte Reich der Nationalsozialisten. Über die Grenzen Deutschlands hinaus werden die Protestaktionen der Weißen Rose gegen die NS-Herrschaft seit dem Erscheinen der ersten Monographie von Inge Scholl 1952,5 der Schwester von Hans und Sophie Scholl, mit dem Abdruck der sechs Flugblätter und anderen Publikationen zum deutschen Widerstand in den 50er und 60er Jahren bis heute in besonderem Maße gewürdigt. So ist ihrer Forderung und ihrem Streben nach Freiheit beispielhaft in der »Hall of Freedom« im Eispalast auf dem Jungfraugipfel in der Schweiz eine besondere Gedenkstätte gewidmet. Ebenso große Aufmerksamkeit erzielte die von der Weiße Rose-Stiftung in München konzipierte Wanderausstellung über die Geschichte des Widerstandskreises um Hans Scholl und Alexander Schmorell. Seit 1990 ist sie erfolgreich in über 340 Ausstellungsorten und 17 Ländern Europas sowie auch in den USA, Australien und Südafrika präsentiert worden. Zudem wurde sie von 1999 bis 2004 in Zusammenarbeit mit der Orenburger Stiftung »Eurasia« in 16 Städten Russlands bis weit nach Sibirien hinein mit großem Interesse und Echo gezeigt. Darüber hinaus wurde in Orenburg, dem russischen Geburtsort von Alexander Schmorell im Südural, im September 2004 eine dauerhafte Gedenkstätte »Die Weiße Rose« eröffnet.
Die weltweite Anerkennung der Widerstandsgruppe Weiße Rose sollte allerdings nicht zu der Annahme führen, deren Widerstand gegen den Nationalsozialismus sei von Anfang an vorhanden gewesen und ihre Mitglieder als »weiße, lupenreine « Helden auf einem Denkmal zu präsentieren. Denn, wie bei anderen Hitlergegnern - etwa aus dem Kreis des 20. Juli 1944 um Graf von Stauffenberg - auch, dokumentierten mittlerweile einige neue Studien, dass z. B. auch Hans und Sophie Scholl anfangs von der NS-Bewegung begeistert waren oder zumindest dabei mitmachen wollten, da der Nationalsozialismus ihren eigenen Vorstellungen eines nationalen Aufbruchs zu entsprechen schien. Die Nähe zu NS-Ideen änderte sich allerdings, als die NS-Rassen-und Kriegspolitik ab Kriegsbeginn im September 1939 immer rücksichtsloser und brutaler wurde. Die Studien zeigen, dass Brüche in ihrem Verhalten zum Nationalsozialismus vorlagen und keineswegs eine gradlinige Entwicklung hin zur späteren Widerstandshaltung.
Bis heute, 70 Jahre nach den Widerstandsaktionen, liegt eine große Zahl an Forschungsstudien und Publikationen über den Widerstandskreis der Weißen Rose vor.6 Darunter sind auch einige Quelleneditionen mit Briefen und Tagebücher. Viele Jahre war die Quellenlage nicht günstig. Dies änderte sich erst nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme in der UdSSR und DDR in den 90er Jahren.7 Während die Texte der Flugblätter der Weißen Rose schon länger bekannt waren, wurden die verschiedenen Vernehmungsprotokolle und andere Unterlagen der NS-Ermittlungsstellen erst 1989 / 90 zugänglich. Auf einigen Umwegen sind sie mittlerweile in Berlin gelandet, wo sie nun im Bundesarchiv aufbewahrt werden, so dass sich die Forschung über die Geschichte der Weißen Rose auf die überlieferten Verhörprotokolle und weitere Ermittlungsunterlagen der Gestapo als besondere primäre Quellenstücke stützen kann. Bis dorthin war es ein langer Weg.
Die von der Gestapo nach Verhaftung der Mitglieder der Weißen Rose angefertigten Vernehmungsprotokolle hatten den Zweiten Weltkrieg und die Wirren des Kriegsendes überstanden. Sie fielen als Teil der Akten des Volksgerichtshofes, die bei Kriegsende 1945 in Potsdam lagen, in die Hände der Roten Armee und wurden anschließend nach Moskau transportiert. Dort kamen die Verhörprotokolle mit anderen erbeuteten deutschen Akten im Sonderarchiv unter Verschluss. Einige Jahre nach Gründung der DDR wurden sie an die DDR übergeben - außer jenen Unterlagen, die den 1917 im russischen Orenburg geborenen Alexander Schmorell betrafen. Danach gelangten sie zum Teil in das Zentrale Parteiarchiv (ZPA)des Instituts für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED und teilweise in das Archiv des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Dort blieben sie weitgehend unter Verschluss. Zuletzt befanden sich die Akten sowohl im zentralen Staatsarchiv der DDR als auch im ausgelagerten MfS-Archiv in Dahlwitz-Hoppegarten. Nach dem Ende des ostdeutschen Staates kamen sie 1990 in den übernommenen Bestand des Bundesarchivs Berlin und wurden endlich auch der wissenschaftlichen Forschung als Quelle zur Einsichtnahme und Auswertung frei zugänglich gemacht.
Möglicherweise wollte die SED-Führung in Ostberlin durch die Zurückhaltung der Dokumente umfängliche Studien und größere Publikationen zur Geschichte der Weißen Rose vermeiden, da sie die vielgepriesene Besonderheit und »herausragende Stellung« des kommunistischen Widerstandes relativiert hätten. Im Parteiarchiv standen die Protokolle viele Jahre nur einigen DDR-Historikern zur Verfügung 8 oder wurden nur nach parteipolitischer Hilfe und besonderer Genehmigung des damaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker westdeutschen Publizistinnen und Forschern über die Weiße Rose - wie z. B. Anneliese Knoop-Graf für ihre Edition der Briefe von Willi Graf im Jahre 1984 - zugänglich gemacht;9 dadurch konnten sie auch bis dahin in zentralen Quelleneditionen zur Weißen Rose, die in der Bundesrepublik erschienen, nicht abgedruckt werden.10
Die Alexander Schmorell betreffenden Akten blieben allerdings überwiegend in Moskau, sie kamen ins Zentrum für die Aufbewahrung historischer Dokumentensammlungen (früher Sonderarchiv für erbeutetes Archivgut) und schließlich ins staatliche Militärarchiv Russlands (RGVA) in Moskau. Sie gehören damit zum Beutegut des Zweiten Weltkrieges, dessen Rückgabe durch Beschluss der russischen Duma nach wie vor verwehrt ist. Inzwischen liegt auf der Grundlage dieses Moskauer Aktenbestandes eine in Orenburg erschienene, sorgfältige deutsch-russische Publikation zu den Verhörprotokollen Alexander Schmorells vor.11
Nur ein kleiner Bestand der Akten des VGH -die Unterlagen des Oberreichsanwaltes beim Volksgerichtshof und einige Handakten des 1. Senats - fiel 1945 der US-Armee in die Hände. Sie wurden in die Bestände des US-Berlin Document Center und des Bundesarchivs Koblenz aufgenommen. Beide Bestände wurden dann im Bundesarchiv Abteilung Potsdam zusammengeführt, um danach dem Bestand des Bundesarchivs Berlin mit den DDR-Archivalien zugeordnet zu werden.
Die seit 1990 neu zugänglichen Vernehmungsprotokolle der Gestapo sind - trotz ihrer Quellenproblematik - als wertvolle und aussagefähige Schriftstücke für die Motive, Ziele und Hintergründe der Mitglieder der Weißen Rose anzusehen. Sie gelten insgesamt als sehr ergiebige Quellen bezüglich Informationen und Fakten zur Geschichte der Weißen Rose und werden in der neueren Literatur seit 1990 mit ausgewertet.
Eine kritische Diskussion und ein negatives Echo erfuhren neuere Überlegungen in der Literatur, die den Verfassern der Flugblätter vorhielten, sie hätten den im NS-Staat gesetzlich legitimierten Antisemitismus »hingenommen« und grundsätzlich keine Kritik am Antisemitismus des NS-Regimes entwickelt. 12 Auch wenn dabei ein möglicher Antijudaismus bzw. Antisemitismus beim Kreis der Weißen Rose als »Kind seiner Zeit« interpretiert wird, so ist die im zweiten Flugblatt von Alexander Schmorell verfasste Anklage gegen den Nationalsozialismus wegen der bestialischen Ermordung von 300 000 Juden im eroberten Polen nach dem September 1939 eine der nicht zu übersehenden, eindrücklichsten Vorhaltungen der NS-Gewaltverbrechen. Mit großer Schärfe wurden diese Gewalttaten als »das fürchterlichste Verbrechen an der Würde des Menschen« bezeichnet. Es war nach den Worten von Hans Scholl und Alexander Schmorell »ein Verbrechen, dem sich kein ähnliches in der ganzen Menschengeschichte an die Seite stellen kann«. Ebenso ablehnend wurden auch Hinweise bewertet, wonach die Geschwister Scholl möglicherweise unter Einfluss von Betäubungsmitteln standen, als sie die Flugblätter übermütig oder realitätsfern im Lichthof der Universität München verstreuten.13
Die Vernehmungsprotokolle der Gestapo waren dann Inspiration und Basis für den von Fred Breinersdorfer und Marc Rothermund im Jahr 2004 produzierten Film »Sophie Scholl - Die letzten Tage«, der - nicht zuletzt durch seine Oscar-Nominierung in den USA - mit großem Erfolg gezeigt und überaus positiv aufgenommen wurde. Ebenso erfolgreich war der von Fred Breinersdorfer zum Film herausgegebene Begleitband mit der Wiedergabe des Drehbuchs. Er erschien bis 2005 in fünf Auflagen und wurde in zwei Bänden auch ins Japanische übersetzt und in Japan herausgegeben.14
Auch für den vorliegenden Band sind die überlieferten Vernehmungsprotokolle und der Abdruck weiterer historischer Archivalien aus dem von der Roten Armee 1945 erbeuteten Aktenbestand des Volksgerichtshofes ein wichtiger und zentraler Teil der Dokumentation und Darstellung zur Geschichte der Weißen Rose. Ihr umfangreicher Abdruck soll es dem Leser ermöglichen, anhand dieser primären Quellenstücke Hintergründe und Motive im Denken und Handeln der Mitglieder des Widerstandskreises um Hans Scholl und Alexander Schmorell zu erkennen und zu bewerten.
Copyright © S.Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Im Februar 1943 befand sich das Dritte Reich seit dreieinhalb Jahren im Krieg gegen eine Übermacht von Feinden. Die Verluste und Schäden machten sich immer deutlicher auch im Alltag der Bevölkerung bemerkbar. Um diesen selbst begonnenen Krieg jedoch unerbittlich führen zu können, waren von der NS-Führung grausame Verbrechen angeordnet und durchgeführt sowie eine totalitäre Herrschaft eingerichtet worden. Der Widerstand des Kreises Weiße Rose um Hans Scholl und Alexander Schmorell richtete sich im Sommer 1942,als die ersten vier Flugblätter verteilt wurden, gegen diese diktatorische Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten. Ihr Aufbegehren gegen das NS-Regime war - wie manche andere Opposition gegen Hitlers Herrschaft - nur punktuell sowohl in der Verbreitung als auch im Sympathisanten-und Teilnehmerkreis, aber zugleich fundamental und für das Regime gefährlich. Denn es befand sich gerade vom Sommer 1942 bis zum Februar 1943 mit dem militärischen Kampf um Stalingrad und der letztlich schweren Niederlage in der Wolgastadt in einer militärischen Krisensituation an der Ostfront, die auch die Kriegsbereitschaft in der Heimat tangierte. Am 3. Februar 1943 hatten die Reste einer ganzen deutschen Armee, der 6. Armee mit ursprünglich fast 300 000 Soldaten unter Generalfeldmarschall Paulus, in Stalingrad kapitulieren müssen, nachdem sie Wochen zuvor von der Roten Armee von der deutschen Front abgeschnitten und an der Wolga eingekesselt worden war. Die immensen Verluste im Kampf um Stalingrad waren für den Widerstandskreis um die Geschwister Scholl und Alexander Schmorell ein zusätzlicher Anstoß, die deutsche Bevölkerung im Januar und Februar 1943 erneut zum Widerstand gegen Hitler und sein Regime aufzurufen. Neuere Untersuchungen zur Weißen Rose - wie von Detlef Bald in 2003 - betonen, dass die militärischen Erlebnisse und Erfahrungen im Rahmen von Einsätzen der Medizinstudenten als Sanitätsdienst-Unteroffiziere an der Ostfront vom Juli 1942 bis November 1942 motivierend für ihren Widerstand gegen das NS-Regime wirkten; auch wenn sie im Bereich der mittleren Ostfront und nicht im südlichen Abschnitt bei Stalingrad erfolgten. Sie hinterließen zweifellos bleibende und desillusionierende Eindrücke.2 Diese Einschätzung und Bewertung der Kriegserlebnisse als besonderer Anstoß für den weiteren Widerstand führten allerdings auch zu kontroverser Forschungsdiskussion. 3 Die besondere Wirkung der Kriegserfahrungen an der Ostfront im Sommer und Herbst 1942 für die Widerstandsaktionen der Weißen Rose wurde dann von Detlef Bald bei der Herausgabe seiner Studie als Taschenbuch im Jahr 2004 erneut überzeugend dargestellt.4
Auch wenn nur 80 bis 100 Personen von den NS-Stellen bei deren Ermittlungen gegen den Widerstandskreis der Weißen Rose einbezogen wurden und dessen Flugblätter insgesamt nur eine Auflage von ca. 15 000 Stück umfassten, so war die Widerstandsaktion zu dieser Zeit für das Regime in besonderem Maße gefährlich. Die ersten Flugblätter erschienen als an- ti-nationalsozialistische Protestaktion gegen das Regime im Sommer 1942, als das Regime eine neue Offensive im Süden der Ostfront unternahm, um die Kriegsinitiative nach dem vergeblichen Kampf um Moskau zurückzugewinnen, und ihre Verfasser konnten über mehrere Monate hinweg bis Mitte Februar 1943 weder entdeckt noch ihre Aktionen verhindert werden. Als der Widerstandskreis im Februar 1943 durch Zufall aufgedeckt worden war, wurden die verhafteten Mitglieder der Weißen Rose mit großer Härte verurteilt und in beschleunigtem Verfahren hingerichtet.
Bis heute ist die Münchner Studenten-und Jugendgruppe Weiße Rose um die Geschwister Scholl, Alexander Schmorell, Willi Graf und Christoph Probst neben den Gruppen um den
20. Juli 1944 der wohl bekannteste Widerstandskreis gegen Hitler und sein Regime innerhalb Deutschlands. Die Verteilung der Flugblätter der Weißen Rose und die aufgemalten Wandparolen mit anti-nationalsozialistischen Inhalten und Aufrufen an verschiedenen Gebäuden in München waren ein für die Öffentlichkeit deutlich sichtbares Zeichen und Symbol eines anderen, besseren Deutschland als das Dritte Reich der Nationalsozialisten. Über die Grenzen Deutschlands hinaus werden die Protestaktionen der Weißen Rose gegen die NS-Herrschaft seit dem Erscheinen der ersten Monographie von Inge Scholl 1952,5 der Schwester von Hans und Sophie Scholl, mit dem Abdruck der sechs Flugblätter und anderen Publikationen zum deutschen Widerstand in den 50er und 60er Jahren bis heute in besonderem Maße gewürdigt. So ist ihrer Forderung und ihrem Streben nach Freiheit beispielhaft in der »Hall of Freedom« im Eispalast auf dem Jungfraugipfel in der Schweiz eine besondere Gedenkstätte gewidmet. Ebenso große Aufmerksamkeit erzielte die von der Weiße Rose-Stiftung in München konzipierte Wanderausstellung über die Geschichte des Widerstandskreises um Hans Scholl und Alexander Schmorell. Seit 1990 ist sie erfolgreich in über 340 Ausstellungsorten und 17 Ländern Europas sowie auch in den USA, Australien und Südafrika präsentiert worden. Zudem wurde sie von 1999 bis 2004 in Zusammenarbeit mit der Orenburger Stiftung »Eurasia« in 16 Städten Russlands bis weit nach Sibirien hinein mit großem Interesse und Echo gezeigt. Darüber hinaus wurde in Orenburg, dem russischen Geburtsort von Alexander Schmorell im Südural, im September 2004 eine dauerhafte Gedenkstätte »Die Weiße Rose« eröffnet.
Die weltweite Anerkennung der Widerstandsgruppe Weiße Rose sollte allerdings nicht zu der Annahme führen, deren Widerstand gegen den Nationalsozialismus sei von Anfang an vorhanden gewesen und ihre Mitglieder als »weiße, lupenreine « Helden auf einem Denkmal zu präsentieren. Denn, wie bei anderen Hitlergegnern - etwa aus dem Kreis des 20. Juli 1944 um Graf von Stauffenberg - auch, dokumentierten mittlerweile einige neue Studien, dass z. B. auch Hans und Sophie Scholl anfangs von der NS-Bewegung begeistert waren oder zumindest dabei mitmachen wollten, da der Nationalsozialismus ihren eigenen Vorstellungen eines nationalen Aufbruchs zu entsprechen schien. Die Nähe zu NS-Ideen änderte sich allerdings, als die NS-Rassen-und Kriegspolitik ab Kriegsbeginn im September 1939 immer rücksichtsloser und brutaler wurde. Die Studien zeigen, dass Brüche in ihrem Verhalten zum Nationalsozialismus vorlagen und keineswegs eine gradlinige Entwicklung hin zur späteren Widerstandshaltung.
Bis heute, 70 Jahre nach den Widerstandsaktionen, liegt eine große Zahl an Forschungsstudien und Publikationen über den Widerstandskreis der Weißen Rose vor.6 Darunter sind auch einige Quelleneditionen mit Briefen und Tagebücher. Viele Jahre war die Quellenlage nicht günstig. Dies änderte sich erst nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme in der UdSSR und DDR in den 90er Jahren.7 Während die Texte der Flugblätter der Weißen Rose schon länger bekannt waren, wurden die verschiedenen Vernehmungsprotokolle und andere Unterlagen der NS-Ermittlungsstellen erst 1989 / 90 zugänglich. Auf einigen Umwegen sind sie mittlerweile in Berlin gelandet, wo sie nun im Bundesarchiv aufbewahrt werden, so dass sich die Forschung über die Geschichte der Weißen Rose auf die überlieferten Verhörprotokolle und weitere Ermittlungsunterlagen der Gestapo als besondere primäre Quellenstücke stützen kann. Bis dorthin war es ein langer Weg.
Die von der Gestapo nach Verhaftung der Mitglieder der Weißen Rose angefertigten Vernehmungsprotokolle hatten den Zweiten Weltkrieg und die Wirren des Kriegsendes überstanden. Sie fielen als Teil der Akten des Volksgerichtshofes, die bei Kriegsende 1945 in Potsdam lagen, in die Hände der Roten Armee und wurden anschließend nach Moskau transportiert. Dort kamen die Verhörprotokolle mit anderen erbeuteten deutschen Akten im Sonderarchiv unter Verschluss. Einige Jahre nach Gründung der DDR wurden sie an die DDR übergeben - außer jenen Unterlagen, die den 1917 im russischen Orenburg geborenen Alexander Schmorell betrafen. Danach gelangten sie zum Teil in das Zentrale Parteiarchiv (ZPA)des Instituts für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED und teilweise in das Archiv des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Dort blieben sie weitgehend unter Verschluss. Zuletzt befanden sich die Akten sowohl im zentralen Staatsarchiv der DDR als auch im ausgelagerten MfS-Archiv in Dahlwitz-Hoppegarten. Nach dem Ende des ostdeutschen Staates kamen sie 1990 in den übernommenen Bestand des Bundesarchivs Berlin und wurden endlich auch der wissenschaftlichen Forschung als Quelle zur Einsichtnahme und Auswertung frei zugänglich gemacht.
Möglicherweise wollte die SED-Führung in Ostberlin durch die Zurückhaltung der Dokumente umfängliche Studien und größere Publikationen zur Geschichte der Weißen Rose vermeiden, da sie die vielgepriesene Besonderheit und »herausragende Stellung« des kommunistischen Widerstandes relativiert hätten. Im Parteiarchiv standen die Protokolle viele Jahre nur einigen DDR-Historikern zur Verfügung 8 oder wurden nur nach parteipolitischer Hilfe und besonderer Genehmigung des damaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker westdeutschen Publizistinnen und Forschern über die Weiße Rose - wie z. B. Anneliese Knoop-Graf für ihre Edition der Briefe von Willi Graf im Jahre 1984 - zugänglich gemacht;9 dadurch konnten sie auch bis dahin in zentralen Quelleneditionen zur Weißen Rose, die in der Bundesrepublik erschienen, nicht abgedruckt werden.10
Die Alexander Schmorell betreffenden Akten blieben allerdings überwiegend in Moskau, sie kamen ins Zentrum für die Aufbewahrung historischer Dokumentensammlungen (früher Sonderarchiv für erbeutetes Archivgut) und schließlich ins staatliche Militärarchiv Russlands (RGVA) in Moskau. Sie gehören damit zum Beutegut des Zweiten Weltkrieges, dessen Rückgabe durch Beschluss der russischen Duma nach wie vor verwehrt ist. Inzwischen liegt auf der Grundlage dieses Moskauer Aktenbestandes eine in Orenburg erschienene, sorgfältige deutsch-russische Publikation zu den Verhörprotokollen Alexander Schmorells vor.11
Nur ein kleiner Bestand der Akten des VGH -die Unterlagen des Oberreichsanwaltes beim Volksgerichtshof und einige Handakten des 1. Senats - fiel 1945 der US-Armee in die Hände. Sie wurden in die Bestände des US-Berlin Document Center und des Bundesarchivs Koblenz aufgenommen. Beide Bestände wurden dann im Bundesarchiv Abteilung Potsdam zusammengeführt, um danach dem Bestand des Bundesarchivs Berlin mit den DDR-Archivalien zugeordnet zu werden.
Die seit 1990 neu zugänglichen Vernehmungsprotokolle der Gestapo sind - trotz ihrer Quellenproblematik - als wertvolle und aussagefähige Schriftstücke für die Motive, Ziele und Hintergründe der Mitglieder der Weißen Rose anzusehen. Sie gelten insgesamt als sehr ergiebige Quellen bezüglich Informationen und Fakten zur Geschichte der Weißen Rose und werden in der neueren Literatur seit 1990 mit ausgewertet.
Eine kritische Diskussion und ein negatives Echo erfuhren neuere Überlegungen in der Literatur, die den Verfassern der Flugblätter vorhielten, sie hätten den im NS-Staat gesetzlich legitimierten Antisemitismus »hingenommen« und grundsätzlich keine Kritik am Antisemitismus des NS-Regimes entwickelt. 12 Auch wenn dabei ein möglicher Antijudaismus bzw. Antisemitismus beim Kreis der Weißen Rose als »Kind seiner Zeit« interpretiert wird, so ist die im zweiten Flugblatt von Alexander Schmorell verfasste Anklage gegen den Nationalsozialismus wegen der bestialischen Ermordung von 300 000 Juden im eroberten Polen nach dem September 1939 eine der nicht zu übersehenden, eindrücklichsten Vorhaltungen der NS-Gewaltverbrechen. Mit großer Schärfe wurden diese Gewalttaten als »das fürchterlichste Verbrechen an der Würde des Menschen« bezeichnet. Es war nach den Worten von Hans Scholl und Alexander Schmorell »ein Verbrechen, dem sich kein ähnliches in der ganzen Menschengeschichte an die Seite stellen kann«. Ebenso ablehnend wurden auch Hinweise bewertet, wonach die Geschwister Scholl möglicherweise unter Einfluss von Betäubungsmitteln standen, als sie die Flugblätter übermütig oder realitätsfern im Lichthof der Universität München verstreuten.13
Die Vernehmungsprotokolle der Gestapo waren dann Inspiration und Basis für den von Fred Breinersdorfer und Marc Rothermund im Jahr 2004 produzierten Film »Sophie Scholl - Die letzten Tage«, der - nicht zuletzt durch seine Oscar-Nominierung in den USA - mit großem Erfolg gezeigt und überaus positiv aufgenommen wurde. Ebenso erfolgreich war der von Fred Breinersdorfer zum Film herausgegebene Begleitband mit der Wiedergabe des Drehbuchs. Er erschien bis 2005 in fünf Auflagen und wurde in zwei Bänden auch ins Japanische übersetzt und in Japan herausgegeben.14
Auch für den vorliegenden Band sind die überlieferten Vernehmungsprotokolle und der Abdruck weiterer historischer Archivalien aus dem von der Roten Armee 1945 erbeuteten Aktenbestand des Volksgerichtshofes ein wichtiger und zentraler Teil der Dokumentation und Darstellung zur Geschichte der Weißen Rose. Ihr umfangreicher Abdruck soll es dem Leser ermöglichen, anhand dieser primären Quellenstücke Hintergründe und Motive im Denken und Handeln der Mitglieder des Widerstandskreises um Hans Scholl und Alexander Schmorell zu erkennen und zu bewerten.
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Autoren-Porträt von Ulrich Chaussy, Gerd R. Ueberschär
Ulrich Chaussy, geb. 1952, Publizist, produziert Kulturprogramme und historischeFeatures im Radio, Filme sowie zahlreiche Veröffentlichungen, u. a. »Nachbar Hitler.Führerkult und Heimatzerstörung am Obersalzberg«. Mitarbeit an der von OtlAicher für die »Weisse Rose Stiftung« konzipierten Ausstellung die »Weisse Rose«,Veröffentlichung der CD-ROM »Die Weisse Rose. Eine multimediale Dokumentationdes deutschen Widerstandes«, Dokumentarfilm »Allen Gewalten zum Trotz«(mit Marieke Schröder). Ueberschär, Gerd R.Gerd. R. Ueberschär, geb. 1943, Historiker. Promotion 1976. Bis 1996 wiss. Mitarbeiteram Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg/Potsdam, seit 1986Lehrbeauftragter an der Freiburger Universität. 1996-2008 Historiker und Archivarim Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg. Zahlreiche Veröffentlichungen, imFischer Taschenbuch Verlag u. a. »Für ein anderes Deutschland. Der deutsche Widerstandgegen den NS-Staat 1933-1945«, »Das Nationalkomitee 'Freies Deutschland'und der Bund Deutscher Offiziere«, »Der Nationalsozialismus vor Gericht«,»Dienen und Verdienen. Hitlers Geschenke an seine Eliten« (zus. mit W.Vogel) sowie»Stauffenberg und das Attentat vom 20. Juli 1944. Darstellung, Biographienund Dokumente«.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Ulrich Chaussy , Gerd R. Ueberschär
- 2013, 4., überarb. Aufl., 544 Seiten, mit Abbildungen, Masse: 14,1 x 21,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596189373
- ISBN-13: 9783596189373
- Erscheinungsdatum: 16.01.2013
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