Einmal Hans mit scharfer Sosse
Leben in zwei Welten
Der Multikulti-Alltag einer selbstbewussten Deutsch-Türkin
1001 Geschichten aus einem Leben zwischen Berlin und dem Bosporus: Amüsant und pointiert rückt Hatice Akyün den Eigenarten von Türken und Deutschen zu Leibe.
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1001 Geschichten aus einem Leben zwischen Berlin und dem Bosporus: Amüsant und pointiert rückt Hatice Akyün den Eigenarten von Türken und Deutschen zu Leibe.
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Produktinformationen zu „Einmal Hans mit scharfer Sosse “
Der Multikulti-Alltag einer selbstbewussten Deutsch-Türkin
1001 Geschichten aus einem Leben zwischen Berlin und dem Bosporus: Amüsant und pointiert rückt Hatice Akyün den Eigenarten von Türken und Deutschen zu Leibe.
"Hans und Helga heißen alle Deutschen bei uns Türken", schreibt Hatice Akyün, "und jedes Mal, wenn ich in die Türkei fahre, heißt es: ,Hast du jetzt endlich einen Hans gefunden?' Natürlich habe ich ihn noch nicht gefunden. Ein Hans, der galant genug wäre, mir beim ersten Date - wie in der Türkei üblich - die Autotür aufzuhalten, ist mir noch nicht begegnet. Und türkische Männer trauen sich nicht mehr in meine Nähe. Seither bin ich das Sorgenkind meiner Familie. Sie kennen meine Familie noch nicht? Dann kommen Sie her, und setzen Sie sich, und vergessen Sie nicht, etwas zu essen mitzubringen, denn das macht man so bei uns. Ich entführe Sie in ein Deutschland, das Sie unter Garantie noch nicht kennen. Geschichten aus 1001 Nächten im Ruhrpott, nachdem mein Vater nach Deutschland gekommen ist, um hier zu arbeiten. Stellen Sie sich auf eine längere Reise ein, denn es geht um so etwas wie den Eintritt in ein anderes Universum."
Ein Beitrag zu einem hochaktuellen Thema, über das so frech, humorvoll und witzig noch nie geschrieben wurde.
1001 Geschichten aus einem Leben zwischen Berlin und dem Bosporus: Amüsant und pointiert rückt Hatice Akyün den Eigenarten von Türken und Deutschen zu Leibe.
"Hans und Helga heißen alle Deutschen bei uns Türken", schreibt Hatice Akyün, "und jedes Mal, wenn ich in die Türkei fahre, heißt es: ,Hast du jetzt endlich einen Hans gefunden?' Natürlich habe ich ihn noch nicht gefunden. Ein Hans, der galant genug wäre, mir beim ersten Date - wie in der Türkei üblich - die Autotür aufzuhalten, ist mir noch nicht begegnet. Und türkische Männer trauen sich nicht mehr in meine Nähe. Seither bin ich das Sorgenkind meiner Familie. Sie kennen meine Familie noch nicht? Dann kommen Sie her, und setzen Sie sich, und vergessen Sie nicht, etwas zu essen mitzubringen, denn das macht man so bei uns. Ich entführe Sie in ein Deutschland, das Sie unter Garantie noch nicht kennen. Geschichten aus 1001 Nächten im Ruhrpott, nachdem mein Vater nach Deutschland gekommen ist, um hier zu arbeiten. Stellen Sie sich auf eine längere Reise ein, denn es geht um so etwas wie den Eintritt in ein anderes Universum."
Ein Beitrag zu einem hochaktuellen Thema, über das so frech, humorvoll und witzig noch nie geschrieben wurde.
Klappentext zu „Einmal Hans mit scharfer Sosse “
Der Multikulti-Alltag einer selbstbewussten Deutsch-Türkin - erfolgreich verfilmt von Grimme-Preisträgerin Buket Alakus1001 Geschichten aus einem Leben zwischen Berlin und dem Bosporus: Amüsant und pointiert rückt Hatice Akyün den Eigenarten von Türken und Deutschen zu Leibe."Hans und Helga heissen alle Deutschen bei uns Türken", schreibt Hatice Akyün, "und jedes Mal, wenn ich in die Türkei fahre, heisst es: 'Hast du jetzt endlich einen Hans gefunden?' Natürlich habe ich ihn noch nicht gefunden. Ein Hans, der galant genug wäre, mir beim ersten Date - wie in der Türkei üblich - die Autotür aufzuhalten, ist mir noch nicht begegnet. Und türkische Männer trauen sich nicht mehr in meine Nähe. Seither bin ich das Sorgenkind meiner Familie. Sie kennen meine Familie noch nicht? Dann kommen Sie her, und setzen Sie sich, und vergessen Sie nicht, etwas zu essen mitzubringen, denn das macht man so bei uns. Ich entführe Sie in ein Deutschland, das Sie unter Garantie noch nicht kennen. Geschichten aus 1001 Nächten im Ruhrpott, nachdem mein Vater nach Deutschland gekommen ist, um hier zu arbeiten. Stellen Sie sich auf eine längere Reise ein, denn es geht um so etwas wie den Eintritt in ein anderes Universum."Hatice Akyüns autobiographisch gefärbter Bestseller wurde 2014 von Grimme-Preisträgerin Buket Alakus mit grossartigen Schauspielern, viel Humor und spürbarer Liebe zu den Figuren als charmante deutsch-türkische Komödie erfolgreich verfilmt.
"Das Buch trifft den Nerv und Hatice traf die Saite, auf der beide Kulturen in Schwingung kommen." -- Rhein-Neckar-Zeitung
"Es darf herzlich gelacht werden." -- Südwest Presse
"Der lockere Erzählstil und die ironischen Seitenhiebe machen das Buch leicht lesbar und amüsant." -- Rheinischer Merkur
"Es darf herzlich gelacht werden." -- Südwest Presse
"Der lockere Erzählstil und die ironischen Seitenhiebe machen das Buch leicht lesbar und amüsant." -- Rheinischer Merkur
Lese-Probe zu „Einmal Hans mit scharfer Sosse “
Einmal Hans mit scharfer Soße von Hatice Akyün LESEPROBE 1 Neulich in der Parallelwelt
Mein Name ist Hatice. Ich bin Türkin mit deutschem Pass, für Politiker ein Paradebeispiel einer gelungenen Integration, für deutsche Männer die verbotene, exotische Frucht und für deutsche Frauen der Grund, ihre Haare zu hassen. In einer Kontaktanzeige könnte ich mich als „rassige Südländerin mit feurigem Temperament und einem äußerst gebärfreudigen Becken“ beschreiben. Und nein, mein Name bedeutet übersetzt nicht die „unter der Morgendämmerung aufgehende, mit Tau benetzte Sonnenblume von den Hügeln Anatoliens“. Mein Name hat keine Bedeutung. Oder er bedeutet zumindest auch nicht mehr als Helga oder Nicole.
Die erste Frau unseres Propheten Mohammed hieß Hatice, sie war die erste Muslimin. Ein Perser, der mich einmal in einer Berliner Bar rumkriegen wollte, erzählte mir, dass mein Name so viel bedeutet wie „die Frau, der man nicht widerstehen kann“. Zu Hause googelte ich das zur Sicherheit nach und fand heraus, dass „die Frau, der man nicht widerstehen kann“ ganz anders klingt und der Perser vielleicht gerne poetischen Blödsinn erzählt, aber mich damit noch lange nicht aufs Kreuz legen kann.
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Ich bin Journalistin, das heißt, ich arbeite viel, habe wenig Geld und noch weniger Zeit. Ich trage kein Kopftuch und bin nicht zwangsverheiratet, weswegen ich noch immer keinen Ehemann habe. Ab und zu fahre ich in den Urlaub, meistens in die Türkei, wo meine Eltern ein Ferienhaus besitzen und meine Verwandtschaft mich mit den Worten zu begrüßen pflegt: „Hast du jetzt endlich einen Hans gefunden?“ Wenn meine Familie gerade nicht in der Türkei ist, besuche ich sie regelmäßig in Duisburg, wo sie auch ein Haus besitzt und mich alle jedes Mal mit genau denselben Worten empfangen: „Hast du endlich einen Hans gefunden?“
Hans und Helga heißen alle Deutschen bei uns Türken. Und es ist klar, dass Hans ein braver „Brötchenholer“ ist. Zu seinem ersten Date kommt er gerne auf dem Fahrrad, mit buntem Fahrradhelm und Hosenschutz. Mit seinem eierförmigen Helm, dem eingezogenen Kopf und den strampelnden Beinen sieht er ein wenig aus wie eine Kröte auf Wanderung. Die hochgebundene Hose, die käsigen Beine und die Druckstelle, die der Helm auf seiner Stirn hinterlassen hat, zerstören jegliche Lust auf ihn, und man bekommt unweigerlich panische Angst davor, Hans ganz ohne Hose sehen zu müssen. Wenn der Kellner beim Zahlen fragt, zusammen oder getrennt, dann antwortet Hans höflich und korrekt – und allenfalls mit einem verschämten Seitenblick auf Helga – getrennt.
Helga wiederum würde niemals zum Friseur gehen, einfach nur um sich die Haare fönen zu lassen. Sie trägt keine Absätze, die höher sind als vier Zentimeter, und was der perfekte Bogen einer gezupften Augenbraue ist weiß sie auch nicht. Sie ist aber sehr interessiert daran, es zu erfahren. Und man kann den ganzen Abend beieinander sitzen und herrlich mit Hans und Helga diskutieren.
Hans, das wissen wir auch, führt seinen Hund Gassi und sammelt dessen Kothäufchen in einer Tüte zusammen. Seine Möbel baut er nach Aufbauanleitung zusammen und arbeitet dabei überlegt und aufmerksam. In seinem Werkzeugkoffer lagert immer das passende Gerät, und falls es ein Problem gibt, fährt er mit dem Möbelstück zurück zum Verkäufer, beschwert sich über die mangelhafte Anleitung und verlangt eine Lösung für das Ärgernis.
Fatma, eine meiner Schwestern, die seit ihrer Hochzeit in der Türkei lebt, versteht überhaupt nicht, warum ich auf deutsche Männer stehe. „Warum tust du dir das bloß an?“, ruft sie ins Telefon, während sie auf ihrem Balkon in Izmir sitzt und Tee trinkt. Es gibt so vieles, worüber Fatma nur den Kopf schüttelt. Zum Beispiel, wenn ich ihr von meiner täglichen Ration Vollkornbrot erzähle oder von meinen deutschen Freunden und ihren Familien, die sich nur an Weihnachten sehen. Oder davon, dass jeder sein eigenes Leben lebt und wir alle unsere eigene Wohnung haben. „Fühlst du dich nicht einsam?“, fragt sie mich dann besorgt. Ich erkläre ihr, dass ich viel arbeite und froh bin, wenn ich abends einmal niemanden sehen muss. „Du machst etwas falsch“, sagt sie, wenn sie meine müde Stimme hört.
Natürlich mache ich etwas falsch. Ich versuche, in zwei Welten gleich gut zurechtzukommen, die sich einfach nicht unter einen Hut bringen lassen. Ich verstehe mich ja selbst nicht, wenn ich gerade wieder einmal aus der Türkei nach Berlin zurückgekehrt bin und schlaflose Nächte verbringe, weil mir eine
Freundin dort düstere Prognosen aus dem Kaffeesatz gelesen hat.
Ich hatte meinen türkischen Mokka noch nicht ausgetrunken, als sie mir mein goldenes Tässchen schon aus der Hand riss und den Satz auf die Untertasse stülpte. Dann beugte sie sich nach vorn, ließ ihre zehn Finger knacken und sagte bedeutungsschwanger: „Schauen wir doch mal, was dir die Liebe so bringen wird.“
„Ach, eigentlich möchte ich das gar nicht wissen“, sagte ich vorsichtig.
„Oh, du hast ein paar Sorgen, aber die wirst du bald loswerden „, meinte sie unbeirrt. „Ich sehe es, weil sich fast der ganze Kaffeesatz vom Rand der Tasse gelöst hat. Es wird einen Wendepunkt in deinem Job geben. Ich sehe zwei Konkurrenten. Ein kräftiger Mann wird verschwinden und deinen Weg nach oben freimachen.“
„Klasse“, dachte ich. „Vielleicht ist ja was dran?“
„Du wirst einen großen Mann treffen, einen deutschen Hans, bei dem wirst du aber nicht lange bleiben.“
„Ich will aber bei ihm bleiben“, flehte ich.
„Du wirst einen kleinen Mann kennen lernen und mit ihm einen Sohn zeugen“, las sie mit großer Entschlossenheit weiter.
„Halt, stopp, geh zurück zu dem großen Mann, ich stehe auf große Männer. Auf große, blonde, blauäugige Männer. Außerdem wünsche ich mir eine Tochter“, schrie ich und versuchte ihr die Tasse aus der Hand zu reißen.
„Das Schicksal kann man nicht austricksen“, lächelte sie geheimnisvoll. Dann drehte sie rasch ihre eigene Tasse um, blickte nur ganz kurz in den Kaffeesatz, sah aus dem Fenster, wo am Horizont gerade die Sonne unterging und die Fischerboote am Ufer in goldgelbes Licht tauchte, und schmunzelte zufrieden in sich hinein.
Trotzdem bleibe ich meinen Vorlieben treu. Meine Freundinnen in der Türkei behaupten, ich sei schon fast wie eine Deutsche. „Du hast ein frostiges Herz, wo ist nur deine Sinnlichkeit und Leidenschaft hin?“, fragen sie mich. „Du kannst die größte Karriere machen, die schönste und reichste Frau sein, doch wenn du keine Liebe und Wärme für einen Mann empfindest, bist du keine richtige Frau.“ Sie sagen, eine türkische Frau sei warm und weich. Sie sei wie ein Seidentuch, das man hochwirft und das in weichen Wellen wieder heruntergleitet. Sie sei stark und robust und könne alles vereinen: Familie, Kinder und Karriere, ohne dabei ihre weibliche Seite zu verlieren.
Wie würden wohl meine türkischen Freundinnen meine deutschen Freundinnen finden, die in ihren Designer-Hosenanzügen, mit streng zurückgekämmten Haaren und unterdrücktem Babywunsch in den Chefetagen tagtäglich ihren Mann stehen müssen, wenn schon ich für sie meine Weiblichkeit verloren habe?
Die Türken nennen die Deutschen „hirsl?“, die Ehrgeizigen. Sie bewundern sie für ihre Zielstrebigkeit und Konsequenz, sehen aber auch den Preis, den Hans und Helga dafür zahlen müssen. Die beiden müssen sich entscheiden, klar und eindeutig: entweder Kinder oder Beruf. In der Türkei bekommt man die Kinder, egal ob man berufstätig ist oder nicht. Es ist ja auch immer noch die Großfamilie da, die sich freut, endlich wieder kleine Kinder beaufsichtigen zu dürfen.
Den richtigen Hans habe ich übrigens noch nicht gefunden. Ein Hans, der leidenschaftlich wäre und galant genug, mir beim ersten Date – wie in der Türkei üblich – die Autotür aufzuhalten, ein Hans mit scharfer Soße sozusagen, ist mir noch nicht begegnet. Und türkische Männer trauen sich nicht mehr in meine Nähe. Seither bin ich das Sorgenkind meiner Familie.
Sie kennen meine Familie noch nicht? Dann kommen Sie und setzen Sie sich, und vergessen Sie nicht, etwas zu essen mitzubringen, denn das macht man so bei uns. Und stellen Sie sich auf einen langen und vergnüglichen Nachmittag ein! Ich entführe Sie in ein Deutschland, das Sie unter Garantie noch nicht kennen. Ein Land mit Geschichten aus 1001 Nacht mitten im Ruhrpott, denn dorthin ist mein Vater, ein Landwirt aus Anatolien einst gezogen, um hier zu arbeiten. Man könnte beinahe sagen, wir sind eine ganz normale türkische Gastarbeiterfamilie in Deutschland. Aber stellen Sie sich auf eine lange Reise ein, denn es geht um so etwas wie den Eintritt in ein anderes Universum.
Ach ja, und noch etwas: Auch wenn sonst niemand mehr daran glaubt – ich werde meinen Hans schon noch kriegen, und dann werde ich viele Töchter mit ihm haben, und er wird die Autotür aufhalten und mich ins Restaurant einladen (und ich war natürlich extra beim Friseur, nur um mir die Haare fönen zu lassen). Und am nächsten Morgen wird er zum Frühstück Zeitung und Brötchen holen!
© Goldmann Verlag
Hans und Helga heißen alle Deutschen bei uns Türken. Und es ist klar, dass Hans ein braver „Brötchenholer“ ist. Zu seinem ersten Date kommt er gerne auf dem Fahrrad, mit buntem Fahrradhelm und Hosenschutz. Mit seinem eierförmigen Helm, dem eingezogenen Kopf und den strampelnden Beinen sieht er ein wenig aus wie eine Kröte auf Wanderung. Die hochgebundene Hose, die käsigen Beine und die Druckstelle, die der Helm auf seiner Stirn hinterlassen hat, zerstören jegliche Lust auf ihn, und man bekommt unweigerlich panische Angst davor, Hans ganz ohne Hose sehen zu müssen. Wenn der Kellner beim Zahlen fragt, zusammen oder getrennt, dann antwortet Hans höflich und korrekt – und allenfalls mit einem verschämten Seitenblick auf Helga – getrennt.
Helga wiederum würde niemals zum Friseur gehen, einfach nur um sich die Haare fönen zu lassen. Sie trägt keine Absätze, die höher sind als vier Zentimeter, und was der perfekte Bogen einer gezupften Augenbraue ist weiß sie auch nicht. Sie ist aber sehr interessiert daran, es zu erfahren. Und man kann den ganzen Abend beieinander sitzen und herrlich mit Hans und Helga diskutieren.
Hans, das wissen wir auch, führt seinen Hund Gassi und sammelt dessen Kothäufchen in einer Tüte zusammen. Seine Möbel baut er nach Aufbauanleitung zusammen und arbeitet dabei überlegt und aufmerksam. In seinem Werkzeugkoffer lagert immer das passende Gerät, und falls es ein Problem gibt, fährt er mit dem Möbelstück zurück zum Verkäufer, beschwert sich über die mangelhafte Anleitung und verlangt eine Lösung für das Ärgernis.
Fatma, eine meiner Schwestern, die seit ihrer Hochzeit in der Türkei lebt, versteht überhaupt nicht, warum ich auf deutsche Männer stehe. „Warum tust du dir das bloß an?“, ruft sie ins Telefon, während sie auf ihrem Balkon in Izmir sitzt und Tee trinkt. Es gibt so vieles, worüber Fatma nur den Kopf schüttelt. Zum Beispiel, wenn ich ihr von meiner täglichen Ration Vollkornbrot erzähle oder von meinen deutschen Freunden und ihren Familien, die sich nur an Weihnachten sehen. Oder davon, dass jeder sein eigenes Leben lebt und wir alle unsere eigene Wohnung haben. „Fühlst du dich nicht einsam?“, fragt sie mich dann besorgt. Ich erkläre ihr, dass ich viel arbeite und froh bin, wenn ich abends einmal niemanden sehen muss. „Du machst etwas falsch“, sagt sie, wenn sie meine müde Stimme hört.
Natürlich mache ich etwas falsch. Ich versuche, in zwei Welten gleich gut zurechtzukommen, die sich einfach nicht unter einen Hut bringen lassen. Ich verstehe mich ja selbst nicht, wenn ich gerade wieder einmal aus der Türkei nach Berlin zurückgekehrt bin und schlaflose Nächte verbringe, weil mir eine
Freundin dort düstere Prognosen aus dem Kaffeesatz gelesen hat.
Ich hatte meinen türkischen Mokka noch nicht ausgetrunken, als sie mir mein goldenes Tässchen schon aus der Hand riss und den Satz auf die Untertasse stülpte. Dann beugte sie sich nach vorn, ließ ihre zehn Finger knacken und sagte bedeutungsschwanger: „Schauen wir doch mal, was dir die Liebe so bringen wird.“
„Ach, eigentlich möchte ich das gar nicht wissen“, sagte ich vorsichtig.
„Oh, du hast ein paar Sorgen, aber die wirst du bald loswerden „, meinte sie unbeirrt. „Ich sehe es, weil sich fast der ganze Kaffeesatz vom Rand der Tasse gelöst hat. Es wird einen Wendepunkt in deinem Job geben. Ich sehe zwei Konkurrenten. Ein kräftiger Mann wird verschwinden und deinen Weg nach oben freimachen.“
„Klasse“, dachte ich. „Vielleicht ist ja was dran?“
„Du wirst einen großen Mann treffen, einen deutschen Hans, bei dem wirst du aber nicht lange bleiben.“
„Ich will aber bei ihm bleiben“, flehte ich.
„Du wirst einen kleinen Mann kennen lernen und mit ihm einen Sohn zeugen“, las sie mit großer Entschlossenheit weiter.
„Halt, stopp, geh zurück zu dem großen Mann, ich stehe auf große Männer. Auf große, blonde, blauäugige Männer. Außerdem wünsche ich mir eine Tochter“, schrie ich und versuchte ihr die Tasse aus der Hand zu reißen.
„Das Schicksal kann man nicht austricksen“, lächelte sie geheimnisvoll. Dann drehte sie rasch ihre eigene Tasse um, blickte nur ganz kurz in den Kaffeesatz, sah aus dem Fenster, wo am Horizont gerade die Sonne unterging und die Fischerboote am Ufer in goldgelbes Licht tauchte, und schmunzelte zufrieden in sich hinein.
Trotzdem bleibe ich meinen Vorlieben treu. Meine Freundinnen in der Türkei behaupten, ich sei schon fast wie eine Deutsche. „Du hast ein frostiges Herz, wo ist nur deine Sinnlichkeit und Leidenschaft hin?“, fragen sie mich. „Du kannst die größte Karriere machen, die schönste und reichste Frau sein, doch wenn du keine Liebe und Wärme für einen Mann empfindest, bist du keine richtige Frau.“ Sie sagen, eine türkische Frau sei warm und weich. Sie sei wie ein Seidentuch, das man hochwirft und das in weichen Wellen wieder heruntergleitet. Sie sei stark und robust und könne alles vereinen: Familie, Kinder und Karriere, ohne dabei ihre weibliche Seite zu verlieren.
Wie würden wohl meine türkischen Freundinnen meine deutschen Freundinnen finden, die in ihren Designer-Hosenanzügen, mit streng zurückgekämmten Haaren und unterdrücktem Babywunsch in den Chefetagen tagtäglich ihren Mann stehen müssen, wenn schon ich für sie meine Weiblichkeit verloren habe?
Die Türken nennen die Deutschen „hirsl?“, die Ehrgeizigen. Sie bewundern sie für ihre Zielstrebigkeit und Konsequenz, sehen aber auch den Preis, den Hans und Helga dafür zahlen müssen. Die beiden müssen sich entscheiden, klar und eindeutig: entweder Kinder oder Beruf. In der Türkei bekommt man die Kinder, egal ob man berufstätig ist oder nicht. Es ist ja auch immer noch die Großfamilie da, die sich freut, endlich wieder kleine Kinder beaufsichtigen zu dürfen.
Den richtigen Hans habe ich übrigens noch nicht gefunden. Ein Hans, der leidenschaftlich wäre und galant genug, mir beim ersten Date – wie in der Türkei üblich – die Autotür aufzuhalten, ein Hans mit scharfer Soße sozusagen, ist mir noch nicht begegnet. Und türkische Männer trauen sich nicht mehr in meine Nähe. Seither bin ich das Sorgenkind meiner Familie.
Sie kennen meine Familie noch nicht? Dann kommen Sie und setzen Sie sich, und vergessen Sie nicht, etwas zu essen mitzubringen, denn das macht man so bei uns. Und stellen Sie sich auf einen langen und vergnüglichen Nachmittag ein! Ich entführe Sie in ein Deutschland, das Sie unter Garantie noch nicht kennen. Ein Land mit Geschichten aus 1001 Nacht mitten im Ruhrpott, denn dorthin ist mein Vater, ein Landwirt aus Anatolien einst gezogen, um hier zu arbeiten. Man könnte beinahe sagen, wir sind eine ganz normale türkische Gastarbeiterfamilie in Deutschland. Aber stellen Sie sich auf eine lange Reise ein, denn es geht um so etwas wie den Eintritt in ein anderes Universum.
Ach ja, und noch etwas: Auch wenn sonst niemand mehr daran glaubt – ich werde meinen Hans schon noch kriegen, und dann werde ich viele Töchter mit ihm haben, und er wird die Autotür aufhalten und mich ins Restaurant einladen (und ich war natürlich extra beim Friseur, nur um mir die Haare fönen zu lassen). Und am nächsten Morgen wird er zum Frühstück Zeitung und Brötchen holen!
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Autoren-Porträt von Hatice Akyün
Akyün, HaticeHatice Akyün wurde 1969 in Akpinar Köyü in Zentralanatolien geboren. 1972 kam sie mit ihrer Familie nach Deutschland, wo sie seither lebt. Sie schreibt als freie Journalistin u.a. für den "Spiegel", "Emma" und den "Tagesspiegel". Mit ihrem ersten Buch "Einmal Hans mit scharfer Sosse" gelang ihr auf Anhieb ein Spiegel-Bestseller. Hatice Akyün lebt in Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Hatice Akyün
- 2007, 189 Seiten, Masse: 12,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442154391
- ISBN-13: 9783442154395
Rezension zu „Einmal Hans mit scharfer Sosse “
"Das Buch trifft den Nerv und Hatice traf die Saite, auf der beide Kulturen in Schwingung kommen." Rhein-Neckar-Zeitung
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