"Eine unbeliebte Frau" und "Mordsfreunde", Doppelband
- Eine unbeliebte Frau: Der Frankfurter Oberstaatsanwalt findet ein hässliches Ende durch eine Ladung Schrot aus dem eigenen Jagdgewehr und eine schöne junge Frau liegt tot am Fuß eines Aussichtsturmes im Taunus. Mord?...
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Produktinformationen zu „"Eine unbeliebte Frau" und "Mordsfreunde", Doppelband “
- Eine unbeliebte Frau: Der Frankfurter Oberstaatsanwalt findet ein hässliches Ende durch eine Ladung Schrot aus dem eigenen Jagdgewehr und eine schöne junge Frau liegt tot am Fuß eines Aussichtsturmes im Taunus. Mord? Selbstmord? Bald häufen sich sowohl die Verdächtigen als auch die Motive. Kommissar Oliver von Bodenstein und seine neue Kollegin Pia Kirchhoff ermitteln.
- Mordsfreunde: Im Opel-Zoo im Taunus wird die Leiche eines charismatischen Lehrers und Umweltschützers gefunden.
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Eine unbeliebte Frau von Nele NeuhausSonntag, 28. August 2005
Pia Kirchhoff lehnte am Zaun der Koppel. Sie hatte die Arme auf die oberste Stange gelegt und beobachtete zufrieden ihre beiden Pferde, die durch das taufeuchte Gras schritten, hin und wieder ein Maul voll abrupften, jedes für sich auf der Suche nach der Stelle, an der das Gras am saftigsten erschien. Die aufgehende Sonne ließ die Tautropfen glitzern und das Fell der Pferde schimmern. Pia sah lächelnd zu, wie die beiden Pferde Schritt für Schritt nebeneinanderher mit gesenktem Kopf über die große, mit hohen Bäumen bestandene Koppel zogen, und stieß einen zufriedenen Seufzer aus. Die Trennung von Henning hatte, im Nachhinein betrachtet, nur Gutes gehabt.
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Nach sechzehn Jahren in der Stadt, in schicken und luxuriösen Altbauwohnungen im Frankfurter Westend und Sachsenhausen, nach sechzehn Jahren, in denen sie die Rolle der Ehefrau des Dr. Henning Kirchhoff gespielt hatte, war sie nun mit achtunddreißig Jahren ganz sie selbst. Glückliche Umstände hatten sie den kleinen Hof direkt an der A66 Richtung Wiesbaden finden lassen, auf dem sie mit ihren beiden Pferden leben konnte. Statt eines BMW Cabrio fuhr sie jetzt einen Geländewagen. Ihre Freizeit verbrachte sie damit, den kleinen Hof auf Vordermann zu bringen, die Pferdeboxen auszumisten, Stroh- und Heuballen zu stapeln und das Haus zu renovieren. Seit einem Monat arbeitete sie wieder in ihrem alten Beruf bei der Kriminalpolizei. Es war eine ebenso glückliche Fügung wie der Erwerb des Birkenhofs in Unterliederbach, dass sie eine Stelle beim erst vor zwei Jahren eingerichteten K11 der Hofheimer Kriminaldirektion bekommen hatte. Eigentlich hätte an diesem Wochenende ihr Kollege Frank Behnke Bereitschaftsdienst gehabt, aber als er sie gefragt hatte, ob sie den Dienst übernehmen könnte, hatte sie ja gesagt. Es war Viertel nach sieben, als ihr die Leitstelle mitteilte, dass ein Winzer aus Hochheim eine halbe Stunde zuvor die Leiche eines Mannes in seinem Weinberg gefunden habe. Pia verschob das Stallausmisten auf später, tauschte die alte Jeans gegen eine saubere und fuhr die geschotterte Auffahrt des Birkenhofes hinunter. Ein letzter Blick auf die beiden Pferde, die Gras, Wasser und ausreichend Schatten hatten. Dann konzentrierte sie sich auf den ersten eigenen Fall in ihrem neuen Job. Es wäre das erste Mal gewesen, dass Cosima vor dem Abflug nicht irgendetwas Lebenswichtiges in ihrem Büro vergessen hätte. Deshalb war Oliver von Bodenstein auch nicht sonderlich überrascht, als seiner Frau morgens um halb acht siedendheiß die Frachtpapiere für die Kameraausrüstung einfielen, die noch im Tresor in den Räumen ihrer Firma lagen. Das bereits vorbereitete Abschiedsfrühstück wurde gestrichen, und der Abschied von Tochter und Hund fand überstürzt zwischen Tür und Angel statt.
»Wo ist dein Bruder?«, fragte Cosima ihre siebzehnjährige Tochter, die mit zerzausten Haaren und glasigen Augen gähnend auf der untersten Treppenstufe saß, unsanft mitten aus dem sonntagmorgendlichen Tiefschlaf gerissen. Eine überstürzte Abreise der Mutter in irgendein fernes Land und ihre wochenlange Abwesenheit war sie von Kindesbeinen an gewohnt. »Der liegt wahrscheinlich noch irgendwo im Koma«, Rosalie zuckte die Schultern. »Seine Schnalle hat zur Abwechslung mal ihm den Laufpass gegeben. Das hat ihn ziemlich fertiggemacht.« Die schnell wechselnden Freundinnen ihres älteren Bruders waren ihr ebenfalls schon zur Gewohnheit geworden, die regelmäßig auf eine leidenschaftliche und nervtötende Verliebtheit folgende Trennung nach etwa vier bis sechs Monaten war im Hause Bodenstein längst kein Gesprächsthema mehr. »Wir müssen los, Cosima«, Bodenstein erschien in der Haustür. »Es muss nur noch etwas dazwischenkommen, dann fliegt das Flugzeug ohne dich nach Südamerika.« »Pass auf dich auf, meine Kleine«, Cosima zauste ihrer Tochter liebevoll das Haar. »Und geh in die Schule, auch wenn ich nicht da bin.« »Klar doch«, Rosalie verdrehte die Augen und stand auf, um ihre Mutter zum Abschied zu umarmen, »pass du auch auf dich auf. Ich komm hier schon klar.« Mutter und Tochter sahen sich an und lächelten ein wenig gezwungen. Sie waren sich zu ähnlich, um sich wirklich gut zu verstehen. Es war ein trockener, goldener Spätsommermorgen. Der blaue Himmel wölbte sich wolkenlos über dem Taunus, die Sonne schmolz die dünnen Schleier des Morgennebels und versprach einen warmen Tag. »Lorenz hat Liebeskummer«, Cosima klang halb belustigt, halb mitleidig. »Das hätte ich niemals für möglich gehalten. « Bodenstein warf seiner Frau einen Blick zu. Cosima war eine aparte Frau mit klaren Gesichtszügen, faszinierend grünen Augen und tizianrotem Haar. Sie besaß ein leidenschaftliches Temperament, einen präzisen Verstand und eine großzügige, wenn auch oft zynische Weltsicht. Noch immer, nach all den Jahren, erfüllte ihn bei ihrem Anblick ein tiefes Glücksgefühl. Vielleicht lag es daran, dass sie durch Cosimas Beruf häufig für längere Zeit getrennt waren, vielleicht hatte es etwas mit der beinahe diametralen Gegensätzlichkeit ihrer Charaktere zu tun - aber irgendwie war es ihnen trotz der Kinder und anstrengender Berufe gelungen, den kostbaren Funken der Verliebtheit zu bewahren, der in anderen Beziehungen oft sehr schnell der Trivialität des täglichen Einerleis zum Opfer fiel. »Kenne ich seine letzte Freundin eigentlich?«, erkundigte Bodenstein sich bei seiner Frau. »Solltest du zumindest«, Cosima lächelte, »Mona. So eine große Stille. Rosi behauptet, sie sei stumm. Ich habe sie auch nie ein Wort reden hören.«
»Zum Schlussmachen wird sie den Mund schon aufgemacht haben.« »Oder sie hat ihm eine SMS geschickt«, Cosima grinste. »So funktioniert das heute doch.« Bodenstein war in Gedanken ganz woanders. Wie jedes Mal, wenn Cosima zu einer ihrer abenteuerlichen Filmexpeditionen aufbrach, beschlich ihn das verzweifelte Bedürfnis, sie niemals wieder loslassen zu wollen. Er kam sich wie eine Seemannsbraut vor, die ihren Mann an den Hafen begleitet und ihm nachblickt, wie er in eine ungewisse Zukunft davonsegelt. Sie fuhren aus Fischbach hinaus Richtung Ruppertshain. Vor ein paar Jahren hatte Cosima in dem kleinen Ort im Taunus eine neue Bleibe für ihre Filmproduktionsgesellschaft gefunden, weil die Räumlichkeiten in Frankfurt nach einer dritten Mieterhöhung einfach zu teuer geworden waren.
In dem imposanten, denkmalgeschützten Gebäudekomplex der ehemaligen Lungenheilstätte, die vor ein paar Jahren von einem geschäftstüchtigen Investorenkonsortium gekauft und von einem dem langsamen Verfall entgegendämmernden Monstrum in das prestigeträchtige Objekt »Zauberberg« mit Eigentumswohnungen, Künstlerateliers, Arztpraxen, Büroräumen und Restaurant verwandelt worden war, waren die Mieten noch erschwinglich. Nicht zuletzt aus diesem Grund war Bodenstein die Entscheidung, sich vor gut zwei Jahren freiwillig als Leiter des neu gegründeten K11 von Frankfurt in den Main-Taunus-Kreis versetzen zu lassen, nicht schwergefallen.
Im Zuge der Umstrukturierung der hessischen Polizei war ein eigenes Dezernat für Gewaltkriminalität bei der Regionalen Kriminalinspektion in Hofheim entstanden, und Bodenstein hatte den Wechsel in die Provinz nach über zwanzig Jahren in der hektischen Großstadt nicht bereut. Zwar hatte er als Kriminalhauptkommissar in Hofheim nicht viel weniger Arbeit als früher in Frankfurt, aber die Arbeitsbedingungen hatten sich bedeutend verbessert. Bodenstein bog auf den leeren Parkplatz des Zauberbergs ein. »Wir könnten noch am Flughafen zusammen frühstücken «, schlug er vor, als er den BMW anhielt. »Bis du einchecken musst, haben wir noch jede Menge Zeit.«
»Gute Idee«, Cosima lächelte und stieg aus, »bin gleich zurück.« Bodenstein stieg auch aus, lehnte sich an den Kotflügel seines Autos und genoss für einen Moment die sensationelle Aussicht über das Rhein-Main-Gebiet. In diesem Moment summte sein Handy. »Guten Morgen, Chef«, erklang die Stimme seiner neuen Kollegin Pia Kirchhoff an seinem Ohr. »Tut mir leid, dass ich so früh störe.« »Kein Problem«, erwiderte er, »ich bin schon auf den Beinen. « »Das ist gut, wir kriegen nämlich Arbeit«, sagte Pia Kirchhoff.
»Ein Winzer aus Hochheim hat heute Morgen die Leiche eines Mannes in seinem Weinberg gefunden. Ich bin schon dort. Es war wohl ein Suizid.« »Wozu brauchen Sie mich dann?«, fragte Bodenstein. »Der Tote ist jemand, den Sie kennen«, Pia Kirchhoff senkte die Stimme, »Oberstaatsanwalt Joachim Hardenbach.« »Wie bitte?« Bodenstein richtete sich auf und spürte, wie er unwillkürlich eine Gänsehaut bekam. »Sind Sie sicher?« Oberstaatsanwalt Dr. Joachim Hardenbach war der wohl bekannteste Verbrecherjäger der Frankfurter Staatsanwaltschaft, gefürchtet als unbarmherziger und humorfreier Hardliner mit beträchtlichem politischem Ehrgeiz.
Es war kein Geheimnis, dass er im Falle eines Wahlsieges der CDU bei der Bundestagswahl im September und dem damit verbundenen Umzug des derzeitigen hessischen Justizministers nach Berlin dessen Nachfolge antreten sollte. Bodenstein war fassungslos. Er kannte Hardenbach seit mehr als zwanzig Jahren, hatte in seiner Frankfurter Zeit regelmäßig mit dem Mann, der als überkorrekt und gnadenlos galt, zu tun gehabt.
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Nach sechzehn Jahren in der Stadt, in schicken und luxuriösen Altbauwohnungen im Frankfurter Westend und Sachsenhausen, nach sechzehn Jahren, in denen sie die Rolle der Ehefrau des Dr. Henning Kirchhoff gespielt hatte, war sie nun mit achtunddreißig Jahren ganz sie selbst. Glückliche Umstände hatten sie den kleinen Hof direkt an der A66 Richtung Wiesbaden finden lassen, auf dem sie mit ihren beiden Pferden leben konnte. Statt eines BMW Cabrio fuhr sie jetzt einen Geländewagen. Ihre Freizeit verbrachte sie damit, den kleinen Hof auf Vordermann zu bringen, die Pferdeboxen auszumisten, Stroh- und Heuballen zu stapeln und das Haus zu renovieren. Seit einem Monat arbeitete sie wieder in ihrem alten Beruf bei der Kriminalpolizei. Es war eine ebenso glückliche Fügung wie der Erwerb des Birkenhofs in Unterliederbach, dass sie eine Stelle beim erst vor zwei Jahren eingerichteten K11 der Hofheimer Kriminaldirektion bekommen hatte. Eigentlich hätte an diesem Wochenende ihr Kollege Frank Behnke Bereitschaftsdienst gehabt, aber als er sie gefragt hatte, ob sie den Dienst übernehmen könnte, hatte sie ja gesagt. Es war Viertel nach sieben, als ihr die Leitstelle mitteilte, dass ein Winzer aus Hochheim eine halbe Stunde zuvor die Leiche eines Mannes in seinem Weinberg gefunden habe. Pia verschob das Stallausmisten auf später, tauschte die alte Jeans gegen eine saubere und fuhr die geschotterte Auffahrt des Birkenhofes hinunter. Ein letzter Blick auf die beiden Pferde, die Gras, Wasser und ausreichend Schatten hatten. Dann konzentrierte sie sich auf den ersten eigenen Fall in ihrem neuen Job. Es wäre das erste Mal gewesen, dass Cosima vor dem Abflug nicht irgendetwas Lebenswichtiges in ihrem Büro vergessen hätte. Deshalb war Oliver von Bodenstein auch nicht sonderlich überrascht, als seiner Frau morgens um halb acht siedendheiß die Frachtpapiere für die Kameraausrüstung einfielen, die noch im Tresor in den Räumen ihrer Firma lagen. Das bereits vorbereitete Abschiedsfrühstück wurde gestrichen, und der Abschied von Tochter und Hund fand überstürzt zwischen Tür und Angel statt.
»Wo ist dein Bruder?«, fragte Cosima ihre siebzehnjährige Tochter, die mit zerzausten Haaren und glasigen Augen gähnend auf der untersten Treppenstufe saß, unsanft mitten aus dem sonntagmorgendlichen Tiefschlaf gerissen. Eine überstürzte Abreise der Mutter in irgendein fernes Land und ihre wochenlange Abwesenheit war sie von Kindesbeinen an gewohnt. »Der liegt wahrscheinlich noch irgendwo im Koma«, Rosalie zuckte die Schultern. »Seine Schnalle hat zur Abwechslung mal ihm den Laufpass gegeben. Das hat ihn ziemlich fertiggemacht.« Die schnell wechselnden Freundinnen ihres älteren Bruders waren ihr ebenfalls schon zur Gewohnheit geworden, die regelmäßig auf eine leidenschaftliche und nervtötende Verliebtheit folgende Trennung nach etwa vier bis sechs Monaten war im Hause Bodenstein längst kein Gesprächsthema mehr. »Wir müssen los, Cosima«, Bodenstein erschien in der Haustür. »Es muss nur noch etwas dazwischenkommen, dann fliegt das Flugzeug ohne dich nach Südamerika.« »Pass auf dich auf, meine Kleine«, Cosima zauste ihrer Tochter liebevoll das Haar. »Und geh in die Schule, auch wenn ich nicht da bin.« »Klar doch«, Rosalie verdrehte die Augen und stand auf, um ihre Mutter zum Abschied zu umarmen, »pass du auch auf dich auf. Ich komm hier schon klar.« Mutter und Tochter sahen sich an und lächelten ein wenig gezwungen. Sie waren sich zu ähnlich, um sich wirklich gut zu verstehen. Es war ein trockener, goldener Spätsommermorgen. Der blaue Himmel wölbte sich wolkenlos über dem Taunus, die Sonne schmolz die dünnen Schleier des Morgennebels und versprach einen warmen Tag. »Lorenz hat Liebeskummer«, Cosima klang halb belustigt, halb mitleidig. »Das hätte ich niemals für möglich gehalten. « Bodenstein warf seiner Frau einen Blick zu. Cosima war eine aparte Frau mit klaren Gesichtszügen, faszinierend grünen Augen und tizianrotem Haar. Sie besaß ein leidenschaftliches Temperament, einen präzisen Verstand und eine großzügige, wenn auch oft zynische Weltsicht. Noch immer, nach all den Jahren, erfüllte ihn bei ihrem Anblick ein tiefes Glücksgefühl. Vielleicht lag es daran, dass sie durch Cosimas Beruf häufig für längere Zeit getrennt waren, vielleicht hatte es etwas mit der beinahe diametralen Gegensätzlichkeit ihrer Charaktere zu tun - aber irgendwie war es ihnen trotz der Kinder und anstrengender Berufe gelungen, den kostbaren Funken der Verliebtheit zu bewahren, der in anderen Beziehungen oft sehr schnell der Trivialität des täglichen Einerleis zum Opfer fiel. »Kenne ich seine letzte Freundin eigentlich?«, erkundigte Bodenstein sich bei seiner Frau. »Solltest du zumindest«, Cosima lächelte, »Mona. So eine große Stille. Rosi behauptet, sie sei stumm. Ich habe sie auch nie ein Wort reden hören.«
»Zum Schlussmachen wird sie den Mund schon aufgemacht haben.« »Oder sie hat ihm eine SMS geschickt«, Cosima grinste. »So funktioniert das heute doch.« Bodenstein war in Gedanken ganz woanders. Wie jedes Mal, wenn Cosima zu einer ihrer abenteuerlichen Filmexpeditionen aufbrach, beschlich ihn das verzweifelte Bedürfnis, sie niemals wieder loslassen zu wollen. Er kam sich wie eine Seemannsbraut vor, die ihren Mann an den Hafen begleitet und ihm nachblickt, wie er in eine ungewisse Zukunft davonsegelt. Sie fuhren aus Fischbach hinaus Richtung Ruppertshain. Vor ein paar Jahren hatte Cosima in dem kleinen Ort im Taunus eine neue Bleibe für ihre Filmproduktionsgesellschaft gefunden, weil die Räumlichkeiten in Frankfurt nach einer dritten Mieterhöhung einfach zu teuer geworden waren.
In dem imposanten, denkmalgeschützten Gebäudekomplex der ehemaligen Lungenheilstätte, die vor ein paar Jahren von einem geschäftstüchtigen Investorenkonsortium gekauft und von einem dem langsamen Verfall entgegendämmernden Monstrum in das prestigeträchtige Objekt »Zauberberg« mit Eigentumswohnungen, Künstlerateliers, Arztpraxen, Büroräumen und Restaurant verwandelt worden war, waren die Mieten noch erschwinglich. Nicht zuletzt aus diesem Grund war Bodenstein die Entscheidung, sich vor gut zwei Jahren freiwillig als Leiter des neu gegründeten K11 von Frankfurt in den Main-Taunus-Kreis versetzen zu lassen, nicht schwergefallen.
Im Zuge der Umstrukturierung der hessischen Polizei war ein eigenes Dezernat für Gewaltkriminalität bei der Regionalen Kriminalinspektion in Hofheim entstanden, und Bodenstein hatte den Wechsel in die Provinz nach über zwanzig Jahren in der hektischen Großstadt nicht bereut. Zwar hatte er als Kriminalhauptkommissar in Hofheim nicht viel weniger Arbeit als früher in Frankfurt, aber die Arbeitsbedingungen hatten sich bedeutend verbessert. Bodenstein bog auf den leeren Parkplatz des Zauberbergs ein. »Wir könnten noch am Flughafen zusammen frühstücken «, schlug er vor, als er den BMW anhielt. »Bis du einchecken musst, haben wir noch jede Menge Zeit.«
»Gute Idee«, Cosima lächelte und stieg aus, »bin gleich zurück.« Bodenstein stieg auch aus, lehnte sich an den Kotflügel seines Autos und genoss für einen Moment die sensationelle Aussicht über das Rhein-Main-Gebiet. In diesem Moment summte sein Handy. »Guten Morgen, Chef«, erklang die Stimme seiner neuen Kollegin Pia Kirchhoff an seinem Ohr. »Tut mir leid, dass ich so früh störe.« »Kein Problem«, erwiderte er, »ich bin schon auf den Beinen. « »Das ist gut, wir kriegen nämlich Arbeit«, sagte Pia Kirchhoff.
»Ein Winzer aus Hochheim hat heute Morgen die Leiche eines Mannes in seinem Weinberg gefunden. Ich bin schon dort. Es war wohl ein Suizid.« »Wozu brauchen Sie mich dann?«, fragte Bodenstein. »Der Tote ist jemand, den Sie kennen«, Pia Kirchhoff senkte die Stimme, »Oberstaatsanwalt Joachim Hardenbach.« »Wie bitte?« Bodenstein richtete sich auf und spürte, wie er unwillkürlich eine Gänsehaut bekam. »Sind Sie sicher?« Oberstaatsanwalt Dr. Joachim Hardenbach war der wohl bekannteste Verbrecherjäger der Frankfurter Staatsanwaltschaft, gefürchtet als unbarmherziger und humorfreier Hardliner mit beträchtlichem politischem Ehrgeiz.
Es war kein Geheimnis, dass er im Falle eines Wahlsieges der CDU bei der Bundestagswahl im September und dem damit verbundenen Umzug des derzeitigen hessischen Justizministers nach Berlin dessen Nachfolge antreten sollte. Bodenstein war fassungslos. Er kannte Hardenbach seit mehr als zwanzig Jahren, hatte in seiner Frankfurter Zeit regelmäßig mit dem Mann, der als überkorrekt und gnadenlos galt, zu tun gehabt.
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Autoren-Porträt von Nele Neuhaus
Nele Neuhaus, geboren 1967 in Münster/Westfalen, lebt seit ihrer Kindheit im Taunus und schreibt bereits ebenso lange. Sie arbeitete in einer Werbeagentur und studierte Jura, Geschichte und Germanistik. Heute lebt die begeisterte Pferdenärrin mit Mann und Hund im Vordertaunus. Mit ihren Krimis um das Ermittlerduo Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff hat sich Nele Neuhaus eine begeisterte Fangemeinde geschaffen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nele Neuhaus
- 2011, 1, 779 Seiten, Masse: 13,5 x 19,2 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868006753
- ISBN-13: 9783868006759
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