Die Geburtstagskatze / Ein Fall für Mrs. Murphy Bd.18
Ein Fall für Mrs. Murphy. Roman
Geburtstagstorte für eine Leiche
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Produktinformationen zu „Die Geburtstagskatze / Ein Fall für Mrs. Murphy Bd.18 “
Geburtstagstorte für eine Leiche
Klappentext zu „Die Geburtstagskatze / Ein Fall für Mrs. Murphy Bd.18 “
Die allseits geliebte Tally wird 100 Jahre alt. Halb Crozet macht sich auf den Weg, um mit der alten Dame zu feiern. So auch Mary "Harry" Haristeen und die Katze Mrs. Murphy. Kurz vor dem Fest bekommen die Organisatorinnen jedoch Streit. Und wenig später wird eine Leiche gefunden. Harry und Mrs. Murphy versuchen, Schlimmeres zu verhindern. Wird es ihnen gelingen?Lese-Probe zu „Die Geburtstagskatze / Ein Fall für Mrs. Murphy Bd.18 “
Die Geburtstagskatze von Rita Mae Brown und Sneaky P. Brown1
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Auf dem freigeschaufelten Ziegelweg ging eine einsame Gestalt. Der winterschlafende Garten glitzerte im Frost. Der Himmel hing so tief, dass man meinte, ihn berühren zu können.
Tante Tally Urquhart, die in zwei Wochen ihren hundertsten Geburtstag begehen würde, rief nach Doodles, ihrem Gordon Setter.
Der junge Hund lief folgsam zu seinem Frauchen. Tante Tally stützte sich auf ihren Stock, dessen silberner Griff die grazile Form eines Jagdhundkopfes hatte. Abgesehen davon, dass sie infolge der üblichen unfreiwilligen Trennungen vom Sattel, die allen Reitenden widerfahren, den Stock benutzen musste, wies sie nur wenige Anzeichen ihres hohen Alters auf. Hätte man sie gesehen, wie sie beim Gehen auf den Boden blickte, würde man sie auf etwa achtzig geschätzt haben.
»Gibt noch mehr Schnee.« Sie blinzelte an diesem Mittwoch, dem 11. März, zum Himmel. Doodles, der mit schärferen Sinnen ausgestattet war, erwiderte: »Vor Sonnenuntergang.«
Auf das kurze Jaulen hin streichelte Tante Tally den Kopf des Hundes. Dann zog sie den Kaschmirschal enger um sich und setzte ihren Weg fort.
Ein tiefes Rattern ließ Doodles aufhorchen, der sowohl das typische Geräusch des Motors als auch das der Reifen erkannte. Hunde identifizieren ein Fahrzeug mühelos am Reifen- und Motorgeräusch. Menschen können das nicht.
Doodles sprang schwanzwedelnd zur Vorderseite des Hauses, wo Tallys Nichte Marilyn »Big Mim« Sanburne ihren nagelneuen Dodge-Halbtonner geparkt hatte. Der Hund ging mit Mim auf die Rückseite des Hauses zu Tante Tally.
Big Mim, scherzhaft »Queen von Crozet« genannt, war eine gebieterische Frau. Doch selbst sie war zuweilen der zierlichen, schlanken Tally unterlegen.
»Was machst du hier draußen? Wir haben minus vier Grad.«
»Ich guck nach meinen Krokussen. Ein Schößling hier, ein Schößling da, und schon denke ich an die Judasbäume.«
Big Mim stemmte eine behandschuhte Hand in die Hüfte. »Judasbäume blühen erst um den fünfzehnten April herum voll auf. Das weißt du doch.«
»Klar weiß ich das. Was nicht heißt, dass ich nicht schon mal nachgucken kann.« Sie klopfte mit dem Stock auf den alten Ziegelweg. »Ich sehne mich nach dem Frühling. Der Winter bringt mich noch um.«
»Du bringst dich noch selbst um, wenn du nicht aus der Kälte kommst. Du holst dir den Tod.«
»Den holt man sich nicht so leicht wie einen Schnupfen«, versetzte die alte Dame.
»Du weißt, was ich meine«, sagte Big Mim nachsichtig. »Bist du so weit, oder brauchst du noch was aus dem Haus?«
»Muss nur den Hund reinlassen.« Tante Tally ging zur Hintertür, öffnete sie, und Doodles, froh über die Wärme, flitzte hinein.
»Handtasche?« Big Mim hob eine Augenbraue.
»Mein Portemonnaie hab ich in der Manteltasche. Handtaschen sind eine Plage. Selbst wenn ich eine finde, die sich gut über die Schulter hängen lässt, rutscht sie früher oder später runter. Es ist schwierig, eine Handtasche zu tragen, wenn man am Stock geht.«
»Kann ich mir denken.« Big Mim ging auf die Beifahrerseite ihres blauen Transporters und hielt Tally die Tür auf. Die alte Dame stieg ohne Hilfe ein.
Als sie auf der Straße waren, plauderten die zwei, wie es nur zwei Menschen können, die sich zeit ihres Lebens kennen. Tante Tally war knapp dreißig gewesen, als Big Mim auf die Welt kam. Das war ein Freudentag gewesen. Infolge einer verhängnisvollen Liebesgeschichte in ihrer Jugend war Tante Tally vor einer Heirat zurückgeschreckt, nicht aber vor Affären. Sie behandelte Big Mim wie eine eigene Tochter, was zu etlichen Auseinandersetzungen mit Tallys geliebter, inzwischen längst verstorbenen Schwester geführt hatte. Später war ihr ein Bruder von Big Mim gefolgt; er war auf dem berüchtigten Todesmarsch von Bataan umgekommen. Abgesehen von Zorn und Kummer hatte dies zur Folge, dass kein Urquhart der kommenden Generationen je ein japanisches Auto oder sonst ein japanisches Produkt kaufte, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Es war bei allen alten virginischen Familien üblich, ungeachtet von Generationen von Heiraten auf der männlichen wie auf der weiblichen Seite, sich den Nachnamen des ersten Europäers unter ihren Vorfahren zu geben, der seinen Fuß auf virginischen Boden gesetzt hatte. In diesem Fall war es ein Urquhart gewesen.
»Deine Rede?«
Tante Tally, die starr geradeaus sah, hob die Stimme ein wenig. »Och, Mimsy, ich mache mir Notizen. Ich lese sie. Ich verwerfe sie. Ich kann die Vorstellung nicht ertragen, mich dort hinzustellen und Plattitüden und Gefühlsduseleien zu salbadern. Mir ist nichts eingefallen, was ich sagen möchte.«
»Das ist ja mal was ganz Neues.«
Tante Tally hörte darüber hinweg und konzentrierte sich auf eine Straßeneinmündung, auf die sie gerade zufuhren.
Tallys Farm »Rose Hill« lag ungefähr sechseinhalb Kilometer westlich von Harrys Anwesen. Sie waren auf dem Weg nach Crozet an Harrys Farm vorbeigekommen und erreichten jetzt die Stelle, wo eine Lehmstraße in die zweispurige Schnellstraße mündete, auf der sie sich befanden.
»Ich kann hier nie vorbeifahren, ohne an Ralston Peavey zu denken.« Tante Tally nahm ihren Stock auf die linke Seite. »Seinen Mörder hat man nie gefasst.«
»Jemand wollte Ralston unbedingt aus dem Weg räumen.« Big Mim erinnerte sich an den Fall. »Es war im Herbst, nicht wahr?«
Tante Tally nickte. »Leichter Frost, stellenweise Nebel.«
»Neunzehnhundertvierundsechzig. Das ist mir im Gedächtnis geblieben, weil Jim in dem Jahr zum ersten Mal zum Bürgermeister gewählt wurde.«
Jim Sanburne, ihr Ehemann, war seither Bürgermeister geblieben, und Little Mim, die Tochter, war jetzt Vizebürgermeisterin. Der Witz war, dass Vater und Tochter verschiedenen politischen Parteien angehörten. Die Kleinstadt Crozet scherte sich nicht um Amtszeitbegrenzungen. Jim, der ein guter Bürgermeister war, würde sein Amt höchstwahrscheinlich bis zum Tage seines Todes ausüben.
»Jim hat den Anruf von Dinny Myers entgegengenommen; ich wünschte, den Mann hätten wir noch. Das war ein Sheriff mit Verstand«, murmelte Tante Tally.
»Oh, Verstand hat unser jetziger auch. Du denkst eben, alles war besser, als du jünger warst.«
»War's ja auch.« Tante Tally hob die Stimme. »Das Land geht den Bach runter. Ich will mich nicht darüber auslassen, das würde mir sonst den Tag verderben. Aber das musst sogar du zugeben, Ralston Peavey war der beste Hufschmied, der dir je unter die Augen gekommen ist.«
»Stimmt.«
Erfreut über ihren kleinen Triumph, rief Tante Tally die Einzelheiten wach, als sie über die betreffende Stelle fuhren. »Genau hier wurde Ralston gefunden, er lag mitten auf der Straße. Überfahren und noch mal rückwärts drüber. Um sicherzugehen, dass er tot war, nehme ich an.«
»Jim hat ihn gesehen, ehe Dinny die Leiche wegschaffen ließ. Die Reifenspuren waren eindeutig, hat er gesagt. Sie hofften, den Mörder anhand der Reifenprofile zu finden. Ist ihnen allerdings nicht gelungen.«
»Dinny und seine Abteilung haben sämtliche Reifen in dieser Gegend untersucht. Er konnte die Untersuchung nicht auf ganz Albemarle County ausdehnen, aber in Crozet war er gründlich. Nichts. Keine Spur. Manche Leute dachten, wer das getan hat, war nicht von hier. Ich nicht. Ich denke, es war einer von uns.«
Big Mim ging in einer Kurve vom Gas. »Hm, Ralston konnte saufen. Er hatte ganz schön geladen.«
»Er lag nicht mitten auf der Straße, weil er betrunken war.«
»Sein Wagen stand am Straßenrand.« Big Mim, die Spaß an ihrem neuen Transporter hatte, beschleunigte wieder. »Ich denke immer noch, er hatte was mit einer verheirateten Frau, und ihr Mann ist dahintergekommen und hat ihn umgebracht. «
»Kann sein, aber wir wissen alle, wer auf solchen Pfaden wandelte. Er hatte so etwas noch nie getan. Zwei Kinder - warte - acht und zehn, und er ist anscheinend gut mit ihnen klargekommen. Ich frage mich, ob es nicht was anderes war. Drogen konnten es nicht sein. Das hatte damals noch nicht angefangen.«
»Ich kann mir Ralston nicht als Dealer vorstellen. Obwohl, als Hufschmied hatte er den idealen Job, um das Zeug abzusetzen.«
»Nein.« Tante Tally schüttelte den Kopf. »Das war was anderes.«
Big Mim meinte nach einer Pause: »Sagen wir einfach, kein Stein ist unumgedreht geblieben.«
»Einer doch, sonst hätten wir den Mörder.« Tante Tally runzelte die Stirn.
»Vielleicht ist er längst gestorben, nach so langer Zeit.«
»Mimsy, ich habe eine Menge erlebt. Eines Tages, vielleicht zweitausendfünfzig, drängt die Wahrheit ans Licht. Tut sie immer.«
»Hast du mit Inez gesprochen?« Big Mim meinte Tante Tallys beste Freundin, die zwei Jahre nach Tante Tally an der William-Woods-Universität - damals hieß sie noch William Woods College - Examen gemacht hatte. Die ausgezeichnete Lehranstalt in Fulton, Missouri, hatte Tante Tally erstmals einen Geschmack vom Leben außerhalb Virginias vermittelt.
»Sie fliegt wegen der Vorstandssitzung des Ehemaligenverbands schon zwei Tage vorher hin.«
»Gut. Harry fährt mit dem Auto.«
Mary Minor »Harry« Haristeen hatte nicht an der William Woods studiert. Sie war Absolventin des Smith College. Vierzig Jahre alt und am treffendsten als attraktiver Wildfang beschrieben, hatte sie sich ganz auf ihre wahre Liebe, die Landwirtschaft, verlegt, nachdem sie vor zwei Jahren ihre Stelle beim Postamt gekündigt hatte. Harry wollte an der von Tante Tallys Alma Mater ausgerichteten Feier teilnehmen, weil sie die alte Dame gern hatte und wusste, dass man dieses Ereignis nicht verpassen durfte, zumal die temperamentvolle Dame eine Rede halten würde. »Wird Harry gut tun, mal wegzukommen«, meinte Tante Tally.
In diesem Augenblick hatte Harry mit niemand Geringerem als einer Absolventin von William Woods alle Hände voll zu tun.
© ullstein
Auf dem freigeschaufelten Ziegelweg ging eine einsame Gestalt. Der winterschlafende Garten glitzerte im Frost. Der Himmel hing so tief, dass man meinte, ihn berühren zu können.
Tante Tally Urquhart, die in zwei Wochen ihren hundertsten Geburtstag begehen würde, rief nach Doodles, ihrem Gordon Setter.
Der junge Hund lief folgsam zu seinem Frauchen. Tante Tally stützte sich auf ihren Stock, dessen silberner Griff die grazile Form eines Jagdhundkopfes hatte. Abgesehen davon, dass sie infolge der üblichen unfreiwilligen Trennungen vom Sattel, die allen Reitenden widerfahren, den Stock benutzen musste, wies sie nur wenige Anzeichen ihres hohen Alters auf. Hätte man sie gesehen, wie sie beim Gehen auf den Boden blickte, würde man sie auf etwa achtzig geschätzt haben.
»Gibt noch mehr Schnee.« Sie blinzelte an diesem Mittwoch, dem 11. März, zum Himmel. Doodles, der mit schärferen Sinnen ausgestattet war, erwiderte: »Vor Sonnenuntergang.«
Auf das kurze Jaulen hin streichelte Tante Tally den Kopf des Hundes. Dann zog sie den Kaschmirschal enger um sich und setzte ihren Weg fort.
Ein tiefes Rattern ließ Doodles aufhorchen, der sowohl das typische Geräusch des Motors als auch das der Reifen erkannte. Hunde identifizieren ein Fahrzeug mühelos am Reifen- und Motorgeräusch. Menschen können das nicht.
Doodles sprang schwanzwedelnd zur Vorderseite des Hauses, wo Tallys Nichte Marilyn »Big Mim« Sanburne ihren nagelneuen Dodge-Halbtonner geparkt hatte. Der Hund ging mit Mim auf die Rückseite des Hauses zu Tante Tally.
Big Mim, scherzhaft »Queen von Crozet« genannt, war eine gebieterische Frau. Doch selbst sie war zuweilen der zierlichen, schlanken Tally unterlegen.
»Was machst du hier draußen? Wir haben minus vier Grad.«
»Ich guck nach meinen Krokussen. Ein Schößling hier, ein Schößling da, und schon denke ich an die Judasbäume.«
Big Mim stemmte eine behandschuhte Hand in die Hüfte. »Judasbäume blühen erst um den fünfzehnten April herum voll auf. Das weißt du doch.«
»Klar weiß ich das. Was nicht heißt, dass ich nicht schon mal nachgucken kann.« Sie klopfte mit dem Stock auf den alten Ziegelweg. »Ich sehne mich nach dem Frühling. Der Winter bringt mich noch um.«
»Du bringst dich noch selbst um, wenn du nicht aus der Kälte kommst. Du holst dir den Tod.«
»Den holt man sich nicht so leicht wie einen Schnupfen«, versetzte die alte Dame.
»Du weißt, was ich meine«, sagte Big Mim nachsichtig. »Bist du so weit, oder brauchst du noch was aus dem Haus?«
»Muss nur den Hund reinlassen.« Tante Tally ging zur Hintertür, öffnete sie, und Doodles, froh über die Wärme, flitzte hinein.
»Handtasche?« Big Mim hob eine Augenbraue.
»Mein Portemonnaie hab ich in der Manteltasche. Handtaschen sind eine Plage. Selbst wenn ich eine finde, die sich gut über die Schulter hängen lässt, rutscht sie früher oder später runter. Es ist schwierig, eine Handtasche zu tragen, wenn man am Stock geht.«
»Kann ich mir denken.« Big Mim ging auf die Beifahrerseite ihres blauen Transporters und hielt Tally die Tür auf. Die alte Dame stieg ohne Hilfe ein.
Als sie auf der Straße waren, plauderten die zwei, wie es nur zwei Menschen können, die sich zeit ihres Lebens kennen. Tante Tally war knapp dreißig gewesen, als Big Mim auf die Welt kam. Das war ein Freudentag gewesen. Infolge einer verhängnisvollen Liebesgeschichte in ihrer Jugend war Tante Tally vor einer Heirat zurückgeschreckt, nicht aber vor Affären. Sie behandelte Big Mim wie eine eigene Tochter, was zu etlichen Auseinandersetzungen mit Tallys geliebter, inzwischen längst verstorbenen Schwester geführt hatte. Später war ihr ein Bruder von Big Mim gefolgt; er war auf dem berüchtigten Todesmarsch von Bataan umgekommen. Abgesehen von Zorn und Kummer hatte dies zur Folge, dass kein Urquhart der kommenden Generationen je ein japanisches Auto oder sonst ein japanisches Produkt kaufte, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Es war bei allen alten virginischen Familien üblich, ungeachtet von Generationen von Heiraten auf der männlichen wie auf der weiblichen Seite, sich den Nachnamen des ersten Europäers unter ihren Vorfahren zu geben, der seinen Fuß auf virginischen Boden gesetzt hatte. In diesem Fall war es ein Urquhart gewesen.
»Deine Rede?«
Tante Tally, die starr geradeaus sah, hob die Stimme ein wenig. »Och, Mimsy, ich mache mir Notizen. Ich lese sie. Ich verwerfe sie. Ich kann die Vorstellung nicht ertragen, mich dort hinzustellen und Plattitüden und Gefühlsduseleien zu salbadern. Mir ist nichts eingefallen, was ich sagen möchte.«
»Das ist ja mal was ganz Neues.«
Tante Tally hörte darüber hinweg und konzentrierte sich auf eine Straßeneinmündung, auf die sie gerade zufuhren.
Tallys Farm »Rose Hill« lag ungefähr sechseinhalb Kilometer westlich von Harrys Anwesen. Sie waren auf dem Weg nach Crozet an Harrys Farm vorbeigekommen und erreichten jetzt die Stelle, wo eine Lehmstraße in die zweispurige Schnellstraße mündete, auf der sie sich befanden.
»Ich kann hier nie vorbeifahren, ohne an Ralston Peavey zu denken.« Tante Tally nahm ihren Stock auf die linke Seite. »Seinen Mörder hat man nie gefasst.«
»Jemand wollte Ralston unbedingt aus dem Weg räumen.« Big Mim erinnerte sich an den Fall. »Es war im Herbst, nicht wahr?«
Tante Tally nickte. »Leichter Frost, stellenweise Nebel.«
»Neunzehnhundertvierundsechzig. Das ist mir im Gedächtnis geblieben, weil Jim in dem Jahr zum ersten Mal zum Bürgermeister gewählt wurde.«
Jim Sanburne, ihr Ehemann, war seither Bürgermeister geblieben, und Little Mim, die Tochter, war jetzt Vizebürgermeisterin. Der Witz war, dass Vater und Tochter verschiedenen politischen Parteien angehörten. Die Kleinstadt Crozet scherte sich nicht um Amtszeitbegrenzungen. Jim, der ein guter Bürgermeister war, würde sein Amt höchstwahrscheinlich bis zum Tage seines Todes ausüben.
»Jim hat den Anruf von Dinny Myers entgegengenommen; ich wünschte, den Mann hätten wir noch. Das war ein Sheriff mit Verstand«, murmelte Tante Tally.
»Oh, Verstand hat unser jetziger auch. Du denkst eben, alles war besser, als du jünger warst.«
»War's ja auch.« Tante Tally hob die Stimme. »Das Land geht den Bach runter. Ich will mich nicht darüber auslassen, das würde mir sonst den Tag verderben. Aber das musst sogar du zugeben, Ralston Peavey war der beste Hufschmied, der dir je unter die Augen gekommen ist.«
»Stimmt.«
Erfreut über ihren kleinen Triumph, rief Tante Tally die Einzelheiten wach, als sie über die betreffende Stelle fuhren. »Genau hier wurde Ralston gefunden, er lag mitten auf der Straße. Überfahren und noch mal rückwärts drüber. Um sicherzugehen, dass er tot war, nehme ich an.«
»Jim hat ihn gesehen, ehe Dinny die Leiche wegschaffen ließ. Die Reifenspuren waren eindeutig, hat er gesagt. Sie hofften, den Mörder anhand der Reifenprofile zu finden. Ist ihnen allerdings nicht gelungen.«
»Dinny und seine Abteilung haben sämtliche Reifen in dieser Gegend untersucht. Er konnte die Untersuchung nicht auf ganz Albemarle County ausdehnen, aber in Crozet war er gründlich. Nichts. Keine Spur. Manche Leute dachten, wer das getan hat, war nicht von hier. Ich nicht. Ich denke, es war einer von uns.«
Big Mim ging in einer Kurve vom Gas. »Hm, Ralston konnte saufen. Er hatte ganz schön geladen.«
»Er lag nicht mitten auf der Straße, weil er betrunken war.«
»Sein Wagen stand am Straßenrand.« Big Mim, die Spaß an ihrem neuen Transporter hatte, beschleunigte wieder. »Ich denke immer noch, er hatte was mit einer verheirateten Frau, und ihr Mann ist dahintergekommen und hat ihn umgebracht. «
»Kann sein, aber wir wissen alle, wer auf solchen Pfaden wandelte. Er hatte so etwas noch nie getan. Zwei Kinder - warte - acht und zehn, und er ist anscheinend gut mit ihnen klargekommen. Ich frage mich, ob es nicht was anderes war. Drogen konnten es nicht sein. Das hatte damals noch nicht angefangen.«
»Ich kann mir Ralston nicht als Dealer vorstellen. Obwohl, als Hufschmied hatte er den idealen Job, um das Zeug abzusetzen.«
»Nein.« Tante Tally schüttelte den Kopf. »Das war was anderes.«
Big Mim meinte nach einer Pause: »Sagen wir einfach, kein Stein ist unumgedreht geblieben.«
»Einer doch, sonst hätten wir den Mörder.« Tante Tally runzelte die Stirn.
»Vielleicht ist er längst gestorben, nach so langer Zeit.«
»Mimsy, ich habe eine Menge erlebt. Eines Tages, vielleicht zweitausendfünfzig, drängt die Wahrheit ans Licht. Tut sie immer.«
»Hast du mit Inez gesprochen?« Big Mim meinte Tante Tallys beste Freundin, die zwei Jahre nach Tante Tally an der William-Woods-Universität - damals hieß sie noch William Woods College - Examen gemacht hatte. Die ausgezeichnete Lehranstalt in Fulton, Missouri, hatte Tante Tally erstmals einen Geschmack vom Leben außerhalb Virginias vermittelt.
»Sie fliegt wegen der Vorstandssitzung des Ehemaligenverbands schon zwei Tage vorher hin.«
»Gut. Harry fährt mit dem Auto.«
Mary Minor »Harry« Haristeen hatte nicht an der William Woods studiert. Sie war Absolventin des Smith College. Vierzig Jahre alt und am treffendsten als attraktiver Wildfang beschrieben, hatte sie sich ganz auf ihre wahre Liebe, die Landwirtschaft, verlegt, nachdem sie vor zwei Jahren ihre Stelle beim Postamt gekündigt hatte. Harry wollte an der von Tante Tallys Alma Mater ausgerichteten Feier teilnehmen, weil sie die alte Dame gern hatte und wusste, dass man dieses Ereignis nicht verpassen durfte, zumal die temperamentvolle Dame eine Rede halten würde. »Wird Harry gut tun, mal wegzukommen«, meinte Tante Tally.
In diesem Augenblick hatte Harry mit niemand Geringerem als einer Absolventin von William Woods alle Hände voll zu tun.
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Autoren-Porträt von Rita Mae Brown, Sneaky Pie Brown
Brown, Rita MaeRita Mae Brown, geboren in Hanover, Pennsylvania, wuchs in Florida auf. Sie studierte in New York Filmwissenschaft und Anglistik und war in der Frauenbewegung aktiv. Berühmt wurde sie mit dem Titel Rubinroter Dschungel und durch ihre Romane mit der Tigerkatze Sneaky Pie Brown als Co-Autorin. Brown, Sneaky Pie
Sneaky Pie Brown ist Co-Autorin von Rita Mae Brown. Beide leben in Crozet, Virginia.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Rita Mae Brown , Sneaky Pie Brown
- 2012, 272 Seiten, mit Abbildungen, Masse: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Margarete Längsfeld
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548284949
- ISBN-13: 9783548284941
- Erscheinungsdatum: 05.10.2012
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