Die Klavierspielerin
Als einer ihrer Schüler mit ihr...
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Als einer ihrer Schüler mit ihr ein Liebesverhältnis anstrebt, erfährt sie, dass sie nur noch im Leiden und in der Bestrafung Lust empfindet.
Von ihrer Mutter wurde sie unerbittlich zur Pianistin gedrillt. Und nun findet die Klavierlehrerin Erika Kohut nicht mehr aus der Isolation heraus. Unfähig, sich auf das Leben einzulassen, wird sie zur Voyeurin. Als einer ihrer Schüler ein Liebesverhältnis mit ihr anstrebt, erkennt sie, dass sie nur noch im Leiden und in der Bestrafung Lust empfindet.
«Die Klavierspielerin» brachte Elfriede Jelinek den endgültigen Durchbruch. Michael Hanekes Verfilmung triumphierte auf dem Filmfestival 2001 in Cannes: Grand Prix der Jury und Darstellerpreise für Isabelle Huppert und Benoît Magimel. Die Autorin wurde für ihr Werk im Jahr 2004 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
DieKlavierspielerin von ElfriedeJelinek
LESEPROBE
Die wie immer adrette Lehrerin Erika verlässt ohne Bedauern fürheute ihre musikalische Wirkungsstätte. Ihr unauffälliger Abgang wird begleitetvon Horn- und Posaunenstössen sowie einem vereinzelten Geigentirili, die allegemeinsam aus den Fenstern dringen. Zur Begleitung. Kaum beschwert Erika die Treppenstufen.Heute wartet die Mutter einmal nicht. Erika schlägt sofort zielstrebig einenWeg ein, den sie jetzt schon einige Male gegangen ist. Er führt nicht aufgeradem Weg nach Hause, vielleicht lehnt ein prächtiger Wolf, ein böser Wolf,an einem ländlichen Telegrafenmast und stochert sich die Fleischreste seinesletzten Opfers aus den Zähnen. Erika möchte einen Meilenstein setzen in ihrdoch recht eingleisiges Leben und den Wolf mit Blicken einladen. Schon von fernwird sie ihn erblicken und ein Zerreissen von Stoff, ein Zerplatzen von Haut vernehmen.Es wird dann spät am Abend sein. Aus dem Nebel musikalischer Halbwahrheitenwird das Erlebnis herausragen. Strebsam setzt Erika die Füsse.
Schluchten von Strassen tun sich auf und schliessen sich wieder,weil Erika sich nicht entschliesst, sie einzuschlagen. Sie blickt nur starr nachvorne, wenn ein Mann ihr zufällig mit dem Auge zublinkt. Er ist der Wolf nicht,und ihr Geschlecht flattert nicht auf, es verkorkt sich stählern. Wie einegrosse Taube ruckt Erika mit dem Kopf, so dass der Mann gleich weitergeht undsich nicht länger aufhält. Der Mann ist erschrocken über den Erdrutsch, den erlosgetreten hat. Die Idee, diese Frau zu benützen oder zu beschützen, schlägtder Mann sich aus dem Kopf. Ihr Gesicht spitzt Erika arrogant; Nase, Mund,alles wird zu einem Richtungspfeil, der sich durch die Gegend pflügt undandeuten soll: es geht voran. Ein Rudel Jugendlicher macht eine abfälligeBemerkung über die Dame Erika. Sie wissen nicht, dass sie es mit einer FrauProfessor zu tun haben, und erweisen keinen Respekt. Erikas karierterFaltenrock bedeckt genau die Knie, kein Millimeter drunter, keiner drüber.Dazu eine seidene Hemdbluse, die, was ihre Grösse angeht, genau das OberteilErikas bedeckt. Die Notentasche wie immer unter dem Arm fixiert, ihrReissverschluss streng zugezogen. Erika hat alles an sich geschlossen, was da Verschlüssehat.
Nehmen wir ein Stück die Strassenbahn, sie transportiert indie Vorstädte hinaus. Hier gilt die Streckenkarte nicht, und Erika muss eineneigenen Fahrschein lösen. Sonst fährt sie hier nie. Das sind Gegenden, die mannicht aufsucht, wenn man nicht muss. Auch die Schüler kommen nur selten vonhier. Keine Musik hält sich hier länger, als eine Platte in der Musicbox braucht.
Kleine Eckbeiseln spucken schon ihr Licht auf den Gehsteig hinaus.In den Lampeninseln streitende Gruppen, denn jemand hat eine unzutreffendeBehauptung aufgestellt. Erika muss vieles erblicken, was sie so nicht kennt.Hier und dort werden Mopeds angelassen oder schicken ihre knatterndenNadelstiche unerwartet plötzlich in die Lüfte. Dann entfernen sie sich eilig,als würden sie erwartet. Im Pfarrheim, wo bunter Abend ist, und wo man dieMopedfahrer sofort wieder entfernen will, weil sie einen Frieden stören. Meistsitzen zwei Personen auf dem kraftlosen Rad, um den Platz auszunützen. Nichtjeder kann ein Moped besitzen. Kleinstwagen werden hier draussen noch bis zumletzten Platz ausgefüllt. Oft sitzt eine Uroma stolz in der Verwandtschaftmittendrinnen und wird auf den Friedhof spazierengeführt.
Erika steigt aus. Sie geht von jetzt an zu Fuss weiter. Sieschaut nicht links und nicht rechts. Angestellte verriegeln die Tore einesSupermarkts, davor die letzten sanft pulsierenden Motore vonHausfrauengesprächen. Ein Diskant setzt sich gegen einen Bariton durch, dass dieWeintrauben recht verschimmelt waren. Die untersten im Plastikkorb hat es ammeisten betroffen. Deswegen hat man sie heute auch nicht mehr gekauft, was manlautstark scheppernd vor den anderen ausbreitet, ein Haufen Abfall aus Klagenund Zorn. Eine Kassiererin ringt hinter den versperrten Glastüren mit ihremGerät. Sie kann den Fehler nicht und nicht finden. Ein Kind auf einemTretroller und eines, das nebenher läuft, weinerlich posaunend, dass es jetztauch, wie zugesagt, einmal fahren möchte. Das andere Kind ignoriert die Bittendes schlechtergestellten Kollegen. In anderen Vierteln sieht man diese Rollerschon gar nicht mehr, überdenkt Erika. Sie hat auch einmal einen geschenktbekommen und sich sehr darüber gefreut. Allerdings durfte sie damals nichtdarauf fahren, weil die Strasse Kinder tötet.
Der Kopf einer etwa Vierjährigen wird von einer mütterlichenOrkanwatsche in das Genick zurückgeworfen und rotiert einen Augenblick hilfloswie ein Stehaufmännchen, das sein Gleichgewicht verloren und daher grösste Mühehat, wieder in den Stand zu kommen. Endlich steht der Kinderkopf wieder senkrechtwo er hingehört und gibt schauerliche Laute von sich, worauf er von derungeduldigen Frau sogleich wieder aus der Lotrechten befördert wird. DerKinderkopf ist jetzt schon mit unsichtbarer Tinte gezeichnet, für noch vielSchlimmeres vorgesehen. Sie, die Frau, hat schwere Taschen zu tragen und sähe diesesKind am liebsten in einem Kanalgitter verschwinden. Damit sie die Kleinemalträtieren kann, muss sie nämlich jedes Mal vorübergehend die schweren Taschenauf dem Boden abstellen, und das ergibt einen zusätzlichen Arbeitsgang. Aberdie kleine Mühe scheint es ihr wert zu sein. Das Kind lernt die Sprache derGewalt, aber es lernt nicht gern und merkt sich auch in der Schule nichts. Einpaar Vokabeln, die nötigsten, beherrscht es bereits, wenn man sie auch bei demGeplärre nur unvollkommen verstehen kann.
Doch bald fallen die Frau und das laute Kind hinter Erika zurück.Wenn sie auch dauernd stehenbleiben! Nie können sie so Schritt halten mitschnellebiger Zeit. Die Karawane Erika schreitet fort. Es ist eine reineWohngegend, aber keine gute. Nachzüglernde Familienväter schlagen sich seitlichin die Haustore, wo sie wie grässliche Hammerschläge auf ihre Familien niederfahren.Letzte Autotüren knallen zu, stolz und selbstbewusst, denn die Kleinwagen hiersind die erklärten Lieblinge dieser Familien und können sich einfach alleserlauben. Freundlich blitzend bleiben sie am Gehsteigrand zurück, ihreBesitzer eilen dem Abendessen entgegen. Wer jetzt kein Heim hat, wünscht sichzwar eins, wird sich aber nie etwas dergleichen bauen können, nicht einmal mitder Bausparkasse und weitgehenden Krediten. Wer hier, ausgerechnet hier, seinHeim hat, ist oft lieber unterwegs als dort zu finden. Immer mehr Männerkreuzen jetzt Erikas Pfad. Die Frauen sind wie auf ein geheimes Zauberwort inden Löchern verschwunden, die man hier Wohnungen nennt. Um diese Zeit gehensie nicht allein auf die Strasse. Nur in Familienbegleitung ein Bier trinkenoder Verwandte besuchen. Nur wenn ein Erwachsener dabei ist. Allerorten ihrunauffälliges, aber so dringend benötigtes Wirken und Weben. Küchendünste.Manchmal leises Töpfeklirren und Gabelkratzen. Blau wabert die erste Vorabend-Familienserieaus erst diesem, dann jenem, dann vielen Fenstern. Funkelnde Kristalle, mitdenen sich die hereinbrechende Nacht besteckt. Die Fassaden werden zu flächigenBühnenkulissen, hinter denen nichts zu vermuten ist; alles ist gleich undgesellt sich zu gleichem. Nur die Fernsehgeräusche sind real, sie sind daseigentliche Geschehen. Ringsumher erleben alle Leute zur gleichen Zeitdasselbe, ausser in jenen seltenen Fällen, da ein Einzelgänger einmal im zweitenProgramm Aus der Welt der Christenheit eingeschaltet hat. Diese Individualistenwerden über einen eucharistischen Kongress belehrt, der mit Zahlen untermauertist. Es hat heute eben seinen Preis, wenn man anders sein will als die anderen.(...)
© 1983 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Autoren-Porträt von Elfriede Jelinek
"Für denmusikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Theaterstücken,die mit ausserordentlicher sprachlicher Leidenschaft die Absurditätgesellschaftlicher Klischees und deren zwingende Kraft enthüllen", so die Begründung der Schwedischen Akademie derWissenschaften, wird die österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek 2004mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Sie ist damit die zweitedeutschsprachige Autorin seit Nelly Sachs und erst die zehnte Frau überhaupt,die diesen höchsten Literaturpreis erhält.
Elfriede Jelinek wurdeam 20.10.1946 in Mürzzuschlag in der Steiermarkgeboren und studierte zunächst Kompositionswissenschaften am WienerKonservatorium, später Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften. Bereits imAlter von zwanzig Jahren beginnt sie, als freie Autorin zu arbeiten. Sieschreibt gesellschaftskritische Texte, in denen sie sich mit sozialerUngerechtigkeit, den Geschlechterrollen und der Bedeutung von Sexualität und Machtbeschäftigt. Insbesondere thematisiert sie immer wieder die Rolle der Frauinnerhalb einer patriarchalisch strukturierten Gesellschaft. Ihre Arbeitumfasst Lyrik, Prosa, Theaterstücke, Hörspiele und Drehbücher. Elfriede Jelinekmeldet sich auch politisch oft zu Wort. So hat sie den Österreichern immerwieder vorgeworfen, sich nicht mit ihrer Nazi-Vergangenheitauseinanderzusetzen. Nicht zuletzt deswegen ist die "ganz ungewöhnliche,völlig aus dem Rahmen fallende, radikale und extreme Schriftstellerin" (MarcelReich-Ranicki) auch immer wieder höchst umstritten.
Zu ihren bekanntestenWerken zählen der Roman "Die Klavierspielerin" (1983), der 2001 verfilmt wurdeund das Theaterstück "Burgtheater" (1985). Elfriede Jelinek erhieltzahlreiche Preise, darunter 1998 den Georg-Büchner-Preis und 2003 den Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreis. Mit demLiteraturnobelpreis wird ihr 2004 die höchste literarische Auszeichnungverliehen.
Autoren-Porträt von Elfriede Jelinek
"Für denmusikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Theaterstücken,die mit ausserordentlicher sprachlicher Leidenschaft die Absurditätgesellschaftlicher Klischees und deren zwingende Kraft enthüllen", so die Begründung der Schwedischen Akademie derWissenschaften, wird die österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek 2004mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Sie ist damit die zweitedeutschsprachige Autorin seit Nelly Sachs und erst die zehnte Frau überhaupt,die diesen höchsten Literaturpreis erhält.
Elfriede Jelinek wurdeam 20.10.1946 in Mürzzuschlag in der Steiermarkgeboren und studierte zunächst Kompositionswissenschaften am WienerKonservatorium, später Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften. Bereits imAlter von zwanzig Jahren beginnt sie, als freie Autorin zu arbeiten. Sieschreibt gesellschaftskritische Texte, in denen sie sich mit sozialerUngerechtigkeit, den Geschlechterrollen und der Bedeutung von Sexualität und Machtbeschäftigt. Insbesondere thematisiert sie immer wieder die Rolle der Frauinnerhalb einer patriarchalisch strukturierten Gesellschaft. Ihre Arbeitumfasst Lyrik, Prosa, Theaterstücke, Hörspiele und Drehbücher. Elfriede Jelinekmeldet sich auch politisch oft zu Wort. So hat sie den Österreichern immerwieder vorgeworfen, sich nicht mit ihrer Nazi-Vergangenheitauseinanderzusetzen. Nicht zuletzt deswegen ist die "ganz ungewöhnliche,völlig aus dem Rahmen fallende, radikale und extreme Schriftstellerin" (MarcelReich-Ranicki) auch immer wieder höchst umstritten.
Zu ihren bekanntestenWerken zählen der Roman "Die Klavierspielerin" (1983), der 2001 verfilmt wurdeund das Theaterstück "Burgtheater" (1985). Elfriede Jelinek erhieltzahlreiche Preise, darunter 1998 den Georg-Büchner-Preis und 2003 den Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreis. Mit demLiteraturnobelpreis wird ihr 2004 die höchste literarische Auszeichnungverliehen.
- Autor: Elfriede Jelinek
- 2016, 51. Aufl., 336 Seiten, Masse: 11,4 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499158124
- ISBN-13: 9783499158124
- Erscheinungsdatum: 25.05.2001
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