Die Kampagne
Thriller. Deutsche Erstausgabe
Nicholas Creel, Kopf der weltgrößten Rüstungsfirma, hat nur ein Ziel: Er will den größtmöglichen Profit. Dafür heuert er eine Firma an, die Meinungen beeinflussen und Kriege herbeiführen kann. Creels Plan geht auf:...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Kampagne “
Nicholas Creel, Kopf der weltgrößten Rüstungsfirma, hat nur ein Ziel: Er will den größtmöglichen Profit. Dafür heuert er eine Firma an, die Meinungen beeinflussen und Kriege herbeiführen kann. Creels Plan geht auf: Die Konflikte in aller Welt verschärfen sich immer mehr.
Klappentext zu „Die Kampagne “
Die verwackelten Bilder eines gefolterten Russen, der seine letzten Worte in die Kamera spricht, versetzen die ganze Welt in Entsetzen. In rasender Geschwindigkeit verbreitet sich das Video über das Internet - und mit ihm die alarmierende Botschaft des Mannes: Er ist Opfer der russischen Regierung. Und er ist nicht das Einzige. In grossem Stil räumt Russland sein eigenes Volk aus dem Weg.Daraufhin spitzen sich die Konflikte zwischen den Grossmächten der Welt zu. Ganze Armeen rüsten auf - es droht ein neuer globaler Krieg in nie da gewesenen Ausmassen. Ein einziger Mann im Dienst einer multinationalen Geheimdienstorganisation soll die Wahrheit hinter den Gräueltaten aufdecken und den Krieg verhindern. Dieser Auftrag kann Shaw das Leben kosten - und die Welt retten ...
Lese-Probe zu „Die Kampagne “
Die Kampagne von David BaldacciProlog
»Dick, ich brauche einen Krieg.«
»Nun, da sind Sie wie immer zum richtigen Mann gekommen,
Mr. Creel.«
»Es wird kein gewöhnlicher Konflikt sein.«
»Ich erwarte auch nichts Gewöhnliches von Ihnen.«
»Aber Sie müssen es verkaufen. Sie müssen dafür sorgen, dass
sie glauben, Dick.«
»Ich kann sie alles glauben machen.«
Kapitel 1
Um genau null Uhr Weltzeit, um Mitternacht Greenwich Time, erschien das Bild eines gefolterten Mannes auf der Beliebtesten Website der Welt.
Die ersten sechs Worte des Mannes sollten jedem, der sie hörte, für immer im Gedächtnis bleiben.
»Ich bin tot. Ich wurde ermordet.«
Er sprach Russisch, doch auf Tastendruck wurde seine tragische Geschichte in den verschiedensten Sprachen untertitelt. Die russische Geheimpolizei hatte das Geständnis des »Landesverrats « aus dem Mann und seiner Familie herausgeprügelt.
Dann aber war ihm die Flucht gelungen, und er hatte dieses krude Video aufgenommen. Wer immer die Kamera bedient hatte, war entweder zu Tode verängstigt oder betrunken oder beides gewesen, denn das körnige Bild zitterte alle paar Sekunden.
Wenn dieses Video veröffentlicht worden sei, erklärte der Mann weiter, sei er von den Häschern der Regierung längst gefasst worden und bereits tot.
Sein Verbrechen? Das Verlangen nach Freiheit.
»Es gibt Zehntausende wie mich«, verkündete er der Welt. »Ihre Knochen bleichen in der Tundra Sibiriens oder vermodern in den tiefen Wassern des Balchaschsees in Kasachstan.
Bald schon werden Sie Beweise dafür sehen. Nun, da ich tot bin, werden andere den Kampf fortführen.«
Während die Welt sich viel zu lange auf Osama bin Laden konzentriert habe, führte der Mann weiter aus, sei das »alte
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Böse« zurückgekehrt, das eine um ein Vielfaches größere Zerstörungskraft besitze als sämtliche islamischen Renegaten zusammen, und es sei tödlicher denn je.
»Es ist an der Zeit, dass die Welt die ganze Wahrheit erfährt! «, rief er in die Kamera und brach in Tränen aus. »Mein Name ist Konstantin . . . war Konstantin«, verbesserte er sich.
»Für mich und meine Familie ist es zu spät. Wir alle sind tot . . . meine Frau, meine drei Kinder . . . tot. Vergesst mich nicht, und vergesst auch nicht, warum ich gestorben bin. Sorgt dafür, dass unser Tod nicht umsonst war.«
Als Bild und Stimme ausgeblendet wurden, erschien ein Atompilz auf den Monitoren. Unter diesem schrecklichen Bild standen die düsteren Sätze: Erst das russische Volk, dann der Rest der Welt. Können wir uns erlauben zu warten?
Die Spezialeffekte waren amateurhaft, doch das kümmerte niemanden. Konstantin und seine Familie hatten ihr Opfer gebracht, damit der Rest der Welt die Chance auf ein Überleben hatte.
Der Erste, der dieses Video zu Gesicht bekam, ein Computerprogrammierer in Houston, war wie vor den Kopf geschlagen.
Per E-Mail schickte er die Datei an zwanzig Personen auf seiner Friendslist. Eine Französin war die Nächste, die das Video zu sehen bekam, nur wenige Sekunden später. Unter Tränen schickte sie es an fünfzig Freunde weiter. Nummer drei war ein Südafrikaner; er war so aufgeregt, dass er zuerst die BBC anrief und die Datei dann an achthundert seiner »engsten« Freunde im Web verschickte. Nummer vier war ein norwegisches Mädchen, das sich das Video voller Entsetzen anschaute und es dann an jeden mailte, den es kannte. Die nächsten tausend Personen, die sich das Video anschauten, lebten in neunzehn verschiedenen Staaten und leiteten es an durchschnittlich dreißig Freunde weiter, die es wiederum mit Dutzenden weiterer Freunde teilten. Was als digitaler Regentropfen im Meer des Internets begonnen hatte, schwoll binnen kürzester Zeit zu einem Tsunami aus Pixeln und Bytes von der Größe eines Kontinents an.
Wie eine sich rasch verbreitende Katastrophenmeldung löste das Video weltweit einen Sturm aus, wanderte von Blog zu Blog, von Chatroom zu Chatroom, von E-Mail-Postfach zu EMail-Postfach, wobei die Geschichte wucherte und sich veränderte, je öfter sie neu erzählt wurde. Die Gefahr, von blutrünstigen Russen überrannt zu werden, war bald allgegenwärtig.
Drei Tage nach Konstantins beängstigender Botschaft kannte die ganze Welt seinen Namen, darunter viele Menschen, die weder den Namen des amerikanischen Präsidenten noch den des Papstes wussten.
Aus den E-Mails, Blogs und Chatrooms gelangte die Geschichte zu den Zeitungen, von Revolverblättern bis hin zu namhaften Zeitungen vom Kaliber einer New York Times, eines Wall Street Journal und anderer führender Tageszeitungen in Aller Welt. Fast gleichzeitig geriet die Story in den globalen Fernsehkreislauf, von der ARD in Deutschland bis hin zur BBC und den ABC News. Sogar das chinesische Staatsfernsehen verkündete den möglichen Beginn der Apokalypse. Der Ruf »Vergesst Konstantin nicht!« erklang auf sämtlichen Kontinenten. Binnen kurzer Zeit war die Geschichte fest im kollektiven Bewusstsein der Welt verankert.
Die russische Regierung jedoch bestritt sie vehement. Präsident Gorschkow trat vor die versammelte Weltpresse und erklärte, die Geschichte sei nichts als eine perfide Lüge. Er werde »schlagende Beweise« vorlegen, dass eine Person wie Konstantin nie existiert habe.
Natürlich gab es auch Skeptiker, die ernste Zweifel daran hegten, wer Konstantin wirklich war und wen er und sein Video eigentlich repräsentierten. Diese Leute hätten den Toten und seine Geschichte gerne unter die Lupe genommen, doch wie viele andere auch hatten sie im Grunde schon alles gehört, was sie hören mussten, um zu einem Schluss zu gelangen.
So sollte die Welt nie erfahren, dass Konstantin in Wahrheit ein angehender Schauspieler aus Litauen war. Seine Wunden und sein ausgezehrtes Äußeres waren das Ergebnis geschickten Make-ups und professioneller Beleuchtung. Nach dem Dreh hatte er die Kostümierung abgelegt und – ausgerechnet – im Russischen Teehaus in der Siebenundfünfzigsten Straße in New York zu Mittag gegessen. Bezahlt hatte er mit ein paar Scheinen von den 50 000 Dollar, die er für den Dreh bekommen hatte. Da er ein dunkelhäutiger, gut aussehender Bursche war und überdies Spanisch sprach, war sein nächstes Ziel, eine Rolle in einer lateinamerikanischen Seifenoper zu ergattern. Gleichzeitig würde die Welt nie wieder dieselbe sein.
Kapitel 2
Nicolas Creel leerte in Ruhe sein Glas Bombay Sapphire mit Tonic und zog sein Jackett an, ehe er sich zum Helikopter fahren ließ. Als er während des kurzen Fluges über den Hudson nach Jersey aus dem Hubschrauberfenster blickte, erinnerten ihn die Wolkenkratzer daran, wie weit er es gebracht hatte. Creelwar in West Texas geboren, in einem Gebiet, das so groß und so dünn besiedelt war, dass die Menschen, die diese schier endlose Weite ihre Heimat nannten, kaum einmal einen Gedanken daran verschwendeten, dass es noch andere Orte auf Der Welt gab, an denen man existieren konnte. Creel hatte genau ein Jahr seines Lebens im Lone Star State verbracht, ehe er mit seinem Vater, einem Army Sergeant, auf die Philippinen gezogen war. Von dort war es dann in rascher Folge in sieben andere Länder gegangen, bis Creel senior schließlich in Korea stationiert wurde, wo er kurz darauf bei einer Explosion um Leben kam – ein »tragischer Unglücksfall «, wie die Army es nannte.
Nicolas besuchte das College und machte einen Abschluss als Ingenieur. Anschließend kratzte er das Geld für einen MBA-Studiengang zusammen, gab jedoch nach sechs Monaten auf und beschloss stattdessen, sich seine Sporen im Berufsleben zu verdienen.
Die einzige wertvolle Lektion, die sein Vater, der Berufssoldat, ihn gelehrt hatte, lautete: Das Pentagon kauft mehr Waffen als jeder andere auf der Welt und zahlt viel zu viel dafür. Tatsächlich verfügten die USA über das größte Sparschwein der Welt. Und es war ein verdammt gutes Geschäft, wie Creel rasch herausfand. Man konnte dem US-Militär problemlos Toiletten für 12 000 und Hämmer für 9000 Dollar verkaufen und kam dank diverser juristischer Tricks sogar damit durch. So hatte Nicolas Creel die nächsten Jahre damit verbracht, das aufzubauen, was inzwischen der größte Rüstungskonzern der Welt geworden war: die Ares Corporation. Laut Forbes stand Creel mit einem Privatvermögen von mehr als 20MilliardenDollar auf Platz 14 der reichsten Männer der Welt; er nannte unter anderem eine Jacht mit Namen Shiloh sein Eigen, benannt nach jenem Ort, an dem eine der blutigsten Schlachten des Amerikanischen Bürgerkriegs getobt hatte.
Creels verstorbene Mutter war eine gebürtige Griechin gewesen, eine temperamentvolle und ehrgeizige Frau. Diese Eigenschaften – und ihr gutes Aussehen – hatte Creel von ihr geerbt. Nachdem sein Vater in Korea bei einem Unfall gestorben war, hatte Mrs. Creel einen Mann geheiratet, der ein gutes Stück höher auf der sozioökonomischen Leiter stand. Nicolas war von seinem Stiefvater in verschiedene Internate abgeschoben worden, wo er auf sich allein gestellt war. Während die Söhne anderer wohlhabender Väter verhätschelt wurden, musste er, der Außenseiter, um jeden Cent betteln und den Spott seiner Mitschüler über sich ergehen lassen. Diese bitteren Erfahrungen hatten ihm ein dickes Fell verschafft und seinen Ehrgeiz zusätzlich angestachelt.
Dass Creel sein Unternehmen nach dem griechischen Kriegsgott benannt hatte, war ein Tribut an seine Mutter, die er über alles geliebt hatte. Obwohl auf US-amerikanischem Boden geboren, hatte Creel sich nie als Amerikaner betrachtet.
Zwar hatte die Ares Corporation ihren Sitz in den Vereinigten Staaten, doch Creel war Weltbürger; er hatte schon vor Langem auf seine amerikanische Staatsbürgerschaft verzichtet. Dennoch verbrachte er so viel Zeit in den USA, wie er wollte, verfügte er doch über eine Armee von Anwälten und Wirtschaftsfachleuten, die jedes Schlupfloch im linguistischen Morast der amerikanischen Steuergesetzgebung aufstöberten.
Creel hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass er seinen Wohlstand verteilen musste, um sein Geschäft zu schützen. So wurde jeder große Rüstungsauftrag, der an Ares ging, auf möglichst viele der fünfzig US-Bundesstaaten verteilt, was in den teuren Hochglanzwerbekampagnen der Ares Corporation besonders hervorgehoben wurde.
»Eintausend Zulieferer, verteilt auf ganz Amerika, sorgen für Ihre Sicherheit«, verkündete eine volltönende, angenehme Hollywoodstimme in den Ares-Spots. Es klang patriotisch, war es aber nicht: Sollte irgendein Bürokrat sich an Kürzungen versuchen, würden 533 Kongressmitglieder sich wie ein Mann gegen den Übeltäter erheben, der versuchte, ihren Wählern die Jobs wegzunehmen. Die gleiche Taktik wandte Creel erfolgreich in einem Dutzend anderer Länder an.
Von Ares gebaute Kampfjets donnerten über die Stadien der World Series, des Super Bowl und der Fußballweltmeisterschaft hinweg – eine Formation silber glänzender Himmelsjäger wie aus Star Wars, Stückpreis 150 Millionen Dollar. Jede dieser Maschinen besaß genügend Feuerkraft, um eine Kleinstadt auszuradieren – wahrlich beeindruckend in ihrer furcht erregenden Majestät.
Ares’ weltweites Marketingbudget betrug drei Milliarden Dollar jährlich. Dank dieser riesigen Summe gab es keinen größeren Staat auf Erden – sofern er über ein ausreichendes Verteidigungsbudget verfügte –, der die Botschaften der Ares Corporation nicht immer wieder hörte: Wir sind stark. Wir stehen an eurer Seite. Wir sorgen für eure Sicherheit. Wir bewahren eure Freiheit. Wir allein stehen zwischen euch und ihnen. Die Bilder waren publikumswirksam: Barbecues und Paraden; wehende Flaggen und Menschen, die vorbeirollenden Panzern und über sie hinweg donnernden Jets zuwinkten; entschlossen dreinblickende Soldaten mit geschwärzten Gesichtern, die sich ihren Weg durch feindliches Territorium bahnten.
Es gab kein Land auf Erden, das dieser Art Werbung widerstehen konnte, hatte Creel herausgefunden . . . nun, die Deutschen vielleicht, aber sie waren auch die Einzigen.
So, wie die Werbung konzipiert war, erweckte sie den Eindruck, die Ares Corporation verschenke die Waffen aus patriotischer Begeisterung; dabei überschritt sie in Wahrheit ständig ihr Budget und hinkte hinter dem Terminplan zurück. Das Unternehmen überzeugte Verteidigungsministerien in aller Welt davon, teures Kriegsspielzeug zu kaufen und dafür auf den billigeren Kleinkram zu verzichten, zum Beispiel auf Körperpanzer und Nachtsichtgeräte, von denen oftmals das Leben der einfachen Soldaten abhing.
Doch die Dinge änderten sich. Wie es schien, wurden die Menschen der Kriege müde. Die Besucherzahlen der großen Messen, die Ares jährlich veranstaltete, hatten nun schon mehrere Jahre in Folge abgenommen. Inzwischen war Ares’ Marketingbudget größer als der Unternehmensgewinn. Das ließ nur eine Schlussfolgerung zu: Die Menschen kauften nicht mehr, was Creel anzubieten hatte. So saß er nun in einem schmucken Raum in einem Gebäude, das seinem Unternehmen gehörte. Der große Mann ihm gegenüber trug Jeans und Kampfstiefel; sein Gesicht war braun gebrannt und wettergegerbt mit einem Loch in der Wange, das entweder die Mutter aller Pockennarben oder eine alte Schusswunde war. Seine Schultern waren breit, seine Hände riesig und furchteinflößend.
Creel schüttelte dem Mann nicht die Hand.
»Es hat angefangen«, sagte er.
»Ich habe den Genossen Konstantin gesehen.« Der Mann konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Sie sollten ihm einen Oscar geben.«
»Sämtliche Nachrichtenmagazine, darunter Sixty Minutes, bringen dieses Wochenende Reportagen darüber. Gorschkow, der Trottel, macht es uns leicht.«
»Was ist mit dem Vorfall?«
»Sie sind der Vorfall«, erwiderte Creel.
»Es hat auch vorher schon funktioniert, ohne dass wir jemanden geschickt haben.«
»Ich bin nicht an Kriegen interessiert, die nach hundert Tagen aufhören oder sich in Bandenkämpfe verwandeln. Damit können wir nicht mal unsere Portokasse füllen, Caesar.«
»Geben Sie mir den Plan, und ich werde ihn ausführen, Mr. Creel – wie immer.«
»Halten Sie sich bereit.«
»Natürlich. Es ist Ihre Show.«
»Darauf können Sie wetten.«
Auf dem Hubschrauberflug zurück zum Ares Building ließ Creel den Blick über die Beton-, Glas- und Stahltempel der Stadt schweifen. Du bist nicht mehr in West Texas, Nick.
Natürlich ging es hier nicht nur ums Geld. Oder darum, sein Unternehmen zu retten. Creel besaß mehr als genug finanzielle Mittel; egal, was er tat oder nicht, die Ares Corporation würde in jedem Fall überleben. Nein, hier ging es darum, die Welt wieder in ihre normalen Bahnen zu lenken, nachdem sie lange genug aus dem Ruder gelaufen war. Creel wollte nicht mehr zusehen, wie die Schwachen und Wilden den Starken und Zivilisierten ihren Willen aufzwangen. Er würde alles wieder zurechtrücken. Mancher würde vielleicht behaupten, er spiele Gott. Nun, in gewisser Weise war er Gott. Doch selbst ein wohlwollender Gott setzte bisweilen Gewalt und Zerstörung ein, um seinem Willen Nachdruck zu verleihen. Creel war fest entschlossen, genau das zu tun.
Zuerst würde der Schmerz kommen.
Dann die Verluste.
So war es immer. Tatsächlich war sein eigener Vater ein Opfer des Bestrebens gewesen, die Weltordnung zu bewahren. Creel wusste also aus eigener Erfahrung, was so etwas einem abverlangte. Doch am Ende würde es die Sache wert sein.
Er lehnte sich im Sitz zurück.
Konstantins Schöpfer wusste ein wenig.
Caesar wusste ein wenig.
Nicolas Creel wusste alles.
Götter wussten immer alles.
Übersetzung: Rainer Schumacher
Copyright © 2009 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
»Es ist an der Zeit, dass die Welt die ganze Wahrheit erfährt! «, rief er in die Kamera und brach in Tränen aus. »Mein Name ist Konstantin . . . war Konstantin«, verbesserte er sich.
»Für mich und meine Familie ist es zu spät. Wir alle sind tot . . . meine Frau, meine drei Kinder . . . tot. Vergesst mich nicht, und vergesst auch nicht, warum ich gestorben bin. Sorgt dafür, dass unser Tod nicht umsonst war.«
Als Bild und Stimme ausgeblendet wurden, erschien ein Atompilz auf den Monitoren. Unter diesem schrecklichen Bild standen die düsteren Sätze: Erst das russische Volk, dann der Rest der Welt. Können wir uns erlauben zu warten?
Die Spezialeffekte waren amateurhaft, doch das kümmerte niemanden. Konstantin und seine Familie hatten ihr Opfer gebracht, damit der Rest der Welt die Chance auf ein Überleben hatte.
Der Erste, der dieses Video zu Gesicht bekam, ein Computerprogrammierer in Houston, war wie vor den Kopf geschlagen.
Per E-Mail schickte er die Datei an zwanzig Personen auf seiner Friendslist. Eine Französin war die Nächste, die das Video zu sehen bekam, nur wenige Sekunden später. Unter Tränen schickte sie es an fünfzig Freunde weiter. Nummer drei war ein Südafrikaner; er war so aufgeregt, dass er zuerst die BBC anrief und die Datei dann an achthundert seiner »engsten« Freunde im Web verschickte. Nummer vier war ein norwegisches Mädchen, das sich das Video voller Entsetzen anschaute und es dann an jeden mailte, den es kannte. Die nächsten tausend Personen, die sich das Video anschauten, lebten in neunzehn verschiedenen Staaten und leiteten es an durchschnittlich dreißig Freunde weiter, die es wiederum mit Dutzenden weiterer Freunde teilten. Was als digitaler Regentropfen im Meer des Internets begonnen hatte, schwoll binnen kürzester Zeit zu einem Tsunami aus Pixeln und Bytes von der Größe eines Kontinents an.
Wie eine sich rasch verbreitende Katastrophenmeldung löste das Video weltweit einen Sturm aus, wanderte von Blog zu Blog, von Chatroom zu Chatroom, von E-Mail-Postfach zu EMail-Postfach, wobei die Geschichte wucherte und sich veränderte, je öfter sie neu erzählt wurde. Die Gefahr, von blutrünstigen Russen überrannt zu werden, war bald allgegenwärtig.
Drei Tage nach Konstantins beängstigender Botschaft kannte die ganze Welt seinen Namen, darunter viele Menschen, die weder den Namen des amerikanischen Präsidenten noch den des Papstes wussten.
Aus den E-Mails, Blogs und Chatrooms gelangte die Geschichte zu den Zeitungen, von Revolverblättern bis hin zu namhaften Zeitungen vom Kaliber einer New York Times, eines Wall Street Journal und anderer führender Tageszeitungen in Aller Welt. Fast gleichzeitig geriet die Story in den globalen Fernsehkreislauf, von der ARD in Deutschland bis hin zur BBC und den ABC News. Sogar das chinesische Staatsfernsehen verkündete den möglichen Beginn der Apokalypse. Der Ruf »Vergesst Konstantin nicht!« erklang auf sämtlichen Kontinenten. Binnen kurzer Zeit war die Geschichte fest im kollektiven Bewusstsein der Welt verankert.
Die russische Regierung jedoch bestritt sie vehement. Präsident Gorschkow trat vor die versammelte Weltpresse und erklärte, die Geschichte sei nichts als eine perfide Lüge. Er werde »schlagende Beweise« vorlegen, dass eine Person wie Konstantin nie existiert habe.
Natürlich gab es auch Skeptiker, die ernste Zweifel daran hegten, wer Konstantin wirklich war und wen er und sein Video eigentlich repräsentierten. Diese Leute hätten den Toten und seine Geschichte gerne unter die Lupe genommen, doch wie viele andere auch hatten sie im Grunde schon alles gehört, was sie hören mussten, um zu einem Schluss zu gelangen.
So sollte die Welt nie erfahren, dass Konstantin in Wahrheit ein angehender Schauspieler aus Litauen war. Seine Wunden und sein ausgezehrtes Äußeres waren das Ergebnis geschickten Make-ups und professioneller Beleuchtung. Nach dem Dreh hatte er die Kostümierung abgelegt und – ausgerechnet – im Russischen Teehaus in der Siebenundfünfzigsten Straße in New York zu Mittag gegessen. Bezahlt hatte er mit ein paar Scheinen von den 50 000 Dollar, die er für den Dreh bekommen hatte. Da er ein dunkelhäutiger, gut aussehender Bursche war und überdies Spanisch sprach, war sein nächstes Ziel, eine Rolle in einer lateinamerikanischen Seifenoper zu ergattern. Gleichzeitig würde die Welt nie wieder dieselbe sein.
Kapitel 2
Nicolas Creel leerte in Ruhe sein Glas Bombay Sapphire mit Tonic und zog sein Jackett an, ehe er sich zum Helikopter fahren ließ. Als er während des kurzen Fluges über den Hudson nach Jersey aus dem Hubschrauberfenster blickte, erinnerten ihn die Wolkenkratzer daran, wie weit er es gebracht hatte. Creelwar in West Texas geboren, in einem Gebiet, das so groß und so dünn besiedelt war, dass die Menschen, die diese schier endlose Weite ihre Heimat nannten, kaum einmal einen Gedanken daran verschwendeten, dass es noch andere Orte auf Der Welt gab, an denen man existieren konnte. Creel hatte genau ein Jahr seines Lebens im Lone Star State verbracht, ehe er mit seinem Vater, einem Army Sergeant, auf die Philippinen gezogen war. Von dort war es dann in rascher Folge in sieben andere Länder gegangen, bis Creel senior schließlich in Korea stationiert wurde, wo er kurz darauf bei einer Explosion um Leben kam – ein »tragischer Unglücksfall «, wie die Army es nannte.
Nicolas besuchte das College und machte einen Abschluss als Ingenieur. Anschließend kratzte er das Geld für einen MBA-Studiengang zusammen, gab jedoch nach sechs Monaten auf und beschloss stattdessen, sich seine Sporen im Berufsleben zu verdienen.
Die einzige wertvolle Lektion, die sein Vater, der Berufssoldat, ihn gelehrt hatte, lautete: Das Pentagon kauft mehr Waffen als jeder andere auf der Welt und zahlt viel zu viel dafür. Tatsächlich verfügten die USA über das größte Sparschwein der Welt. Und es war ein verdammt gutes Geschäft, wie Creel rasch herausfand. Man konnte dem US-Militär problemlos Toiletten für 12 000 und Hämmer für 9000 Dollar verkaufen und kam dank diverser juristischer Tricks sogar damit durch. So hatte Nicolas Creel die nächsten Jahre damit verbracht, das aufzubauen, was inzwischen der größte Rüstungskonzern der Welt geworden war: die Ares Corporation. Laut Forbes stand Creel mit einem Privatvermögen von mehr als 20MilliardenDollar auf Platz 14 der reichsten Männer der Welt; er nannte unter anderem eine Jacht mit Namen Shiloh sein Eigen, benannt nach jenem Ort, an dem eine der blutigsten Schlachten des Amerikanischen Bürgerkriegs getobt hatte.
Creels verstorbene Mutter war eine gebürtige Griechin gewesen, eine temperamentvolle und ehrgeizige Frau. Diese Eigenschaften – und ihr gutes Aussehen – hatte Creel von ihr geerbt. Nachdem sein Vater in Korea bei einem Unfall gestorben war, hatte Mrs. Creel einen Mann geheiratet, der ein gutes Stück höher auf der sozioökonomischen Leiter stand. Nicolas war von seinem Stiefvater in verschiedene Internate abgeschoben worden, wo er auf sich allein gestellt war. Während die Söhne anderer wohlhabender Väter verhätschelt wurden, musste er, der Außenseiter, um jeden Cent betteln und den Spott seiner Mitschüler über sich ergehen lassen. Diese bitteren Erfahrungen hatten ihm ein dickes Fell verschafft und seinen Ehrgeiz zusätzlich angestachelt.
Dass Creel sein Unternehmen nach dem griechischen Kriegsgott benannt hatte, war ein Tribut an seine Mutter, die er über alles geliebt hatte. Obwohl auf US-amerikanischem Boden geboren, hatte Creel sich nie als Amerikaner betrachtet.
Zwar hatte die Ares Corporation ihren Sitz in den Vereinigten Staaten, doch Creel war Weltbürger; er hatte schon vor Langem auf seine amerikanische Staatsbürgerschaft verzichtet. Dennoch verbrachte er so viel Zeit in den USA, wie er wollte, verfügte er doch über eine Armee von Anwälten und Wirtschaftsfachleuten, die jedes Schlupfloch im linguistischen Morast der amerikanischen Steuergesetzgebung aufstöberten.
Creel hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass er seinen Wohlstand verteilen musste, um sein Geschäft zu schützen. So wurde jeder große Rüstungsauftrag, der an Ares ging, auf möglichst viele der fünfzig US-Bundesstaaten verteilt, was in den teuren Hochglanzwerbekampagnen der Ares Corporation besonders hervorgehoben wurde.
»Eintausend Zulieferer, verteilt auf ganz Amerika, sorgen für Ihre Sicherheit«, verkündete eine volltönende, angenehme Hollywoodstimme in den Ares-Spots. Es klang patriotisch, war es aber nicht: Sollte irgendein Bürokrat sich an Kürzungen versuchen, würden 533 Kongressmitglieder sich wie ein Mann gegen den Übeltäter erheben, der versuchte, ihren Wählern die Jobs wegzunehmen. Die gleiche Taktik wandte Creel erfolgreich in einem Dutzend anderer Länder an.
Von Ares gebaute Kampfjets donnerten über die Stadien der World Series, des Super Bowl und der Fußballweltmeisterschaft hinweg – eine Formation silber glänzender Himmelsjäger wie aus Star Wars, Stückpreis 150 Millionen Dollar. Jede dieser Maschinen besaß genügend Feuerkraft, um eine Kleinstadt auszuradieren – wahrlich beeindruckend in ihrer furcht erregenden Majestät.
Ares’ weltweites Marketingbudget betrug drei Milliarden Dollar jährlich. Dank dieser riesigen Summe gab es keinen größeren Staat auf Erden – sofern er über ein ausreichendes Verteidigungsbudget verfügte –, der die Botschaften der Ares Corporation nicht immer wieder hörte: Wir sind stark. Wir stehen an eurer Seite. Wir sorgen für eure Sicherheit. Wir bewahren eure Freiheit. Wir allein stehen zwischen euch und ihnen. Die Bilder waren publikumswirksam: Barbecues und Paraden; wehende Flaggen und Menschen, die vorbeirollenden Panzern und über sie hinweg donnernden Jets zuwinkten; entschlossen dreinblickende Soldaten mit geschwärzten Gesichtern, die sich ihren Weg durch feindliches Territorium bahnten.
Es gab kein Land auf Erden, das dieser Art Werbung widerstehen konnte, hatte Creel herausgefunden . . . nun, die Deutschen vielleicht, aber sie waren auch die Einzigen.
So, wie die Werbung konzipiert war, erweckte sie den Eindruck, die Ares Corporation verschenke die Waffen aus patriotischer Begeisterung; dabei überschritt sie in Wahrheit ständig ihr Budget und hinkte hinter dem Terminplan zurück. Das Unternehmen überzeugte Verteidigungsministerien in aller Welt davon, teures Kriegsspielzeug zu kaufen und dafür auf den billigeren Kleinkram zu verzichten, zum Beispiel auf Körperpanzer und Nachtsichtgeräte, von denen oftmals das Leben der einfachen Soldaten abhing.
Doch die Dinge änderten sich. Wie es schien, wurden die Menschen der Kriege müde. Die Besucherzahlen der großen Messen, die Ares jährlich veranstaltete, hatten nun schon mehrere Jahre in Folge abgenommen. Inzwischen war Ares’ Marketingbudget größer als der Unternehmensgewinn. Das ließ nur eine Schlussfolgerung zu: Die Menschen kauften nicht mehr, was Creel anzubieten hatte. So saß er nun in einem schmucken Raum in einem Gebäude, das seinem Unternehmen gehörte. Der große Mann ihm gegenüber trug Jeans und Kampfstiefel; sein Gesicht war braun gebrannt und wettergegerbt mit einem Loch in der Wange, das entweder die Mutter aller Pockennarben oder eine alte Schusswunde war. Seine Schultern waren breit, seine Hände riesig und furchteinflößend.
Creel schüttelte dem Mann nicht die Hand.
»Es hat angefangen«, sagte er.
»Ich habe den Genossen Konstantin gesehen.« Der Mann konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Sie sollten ihm einen Oscar geben.«
»Sämtliche Nachrichtenmagazine, darunter Sixty Minutes, bringen dieses Wochenende Reportagen darüber. Gorschkow, der Trottel, macht es uns leicht.«
»Was ist mit dem Vorfall?«
»Sie sind der Vorfall«, erwiderte Creel.
»Es hat auch vorher schon funktioniert, ohne dass wir jemanden geschickt haben.«
»Ich bin nicht an Kriegen interessiert, die nach hundert Tagen aufhören oder sich in Bandenkämpfe verwandeln. Damit können wir nicht mal unsere Portokasse füllen, Caesar.«
»Geben Sie mir den Plan, und ich werde ihn ausführen, Mr. Creel – wie immer.«
»Halten Sie sich bereit.«
»Natürlich. Es ist Ihre Show.«
»Darauf können Sie wetten.«
Auf dem Hubschrauberflug zurück zum Ares Building ließ Creel den Blick über die Beton-, Glas- und Stahltempel der Stadt schweifen. Du bist nicht mehr in West Texas, Nick.
Natürlich ging es hier nicht nur ums Geld. Oder darum, sein Unternehmen zu retten. Creel besaß mehr als genug finanzielle Mittel; egal, was er tat oder nicht, die Ares Corporation würde in jedem Fall überleben. Nein, hier ging es darum, die Welt wieder in ihre normalen Bahnen zu lenken, nachdem sie lange genug aus dem Ruder gelaufen war. Creel wollte nicht mehr zusehen, wie die Schwachen und Wilden den Starken und Zivilisierten ihren Willen aufzwangen. Er würde alles wieder zurechtrücken. Mancher würde vielleicht behaupten, er spiele Gott. Nun, in gewisser Weise war er Gott. Doch selbst ein wohlwollender Gott setzte bisweilen Gewalt und Zerstörung ein, um seinem Willen Nachdruck zu verleihen. Creel war fest entschlossen, genau das zu tun.
Zuerst würde der Schmerz kommen.
Dann die Verluste.
So war es immer. Tatsächlich war sein eigener Vater ein Opfer des Bestrebens gewesen, die Weltordnung zu bewahren. Creel wusste also aus eigener Erfahrung, was so etwas einem abverlangte. Doch am Ende würde es die Sache wert sein.
Er lehnte sich im Sitz zurück.
Konstantins Schöpfer wusste ein wenig.
Caesar wusste ein wenig.
Nicolas Creel wusste alles.
Götter wussten immer alles.
Übersetzung: Rainer Schumacher
Copyright © 2009 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
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Autoren-Porträt von David Baldacci
David Baldacci lives with his family in Virginia. He and his wife have founded the "Wish You Well Foundation", a nonprofit organization dedicated to supporting literacy efforts across America.
Bibliographische Angaben
- Autor: David Baldacci
- 2010, 2. Aufl., 480 Seiten, Masse: 12,6 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Rainer Schumacher
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404163680
- ISBN-13: 9783404163687
- Erscheinungsdatum: 25.11.2009
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