Der Weihnachtsverrat
Roman. Deutsche Erstausgabe
Ein Fall aus der Kolonialzeit: Kurz vor Weihnachten wird der Gefängniswärter eines britischen Militärlagers grausam umgebracht. Der Täter kommt wohl aus den eigenen Reihen der Briten - der Militärarzt John Tallis hat kein Alibi. Der...
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Produktinformationen zu „Der Weihnachtsverrat “
Ein Fall aus der Kolonialzeit: Kurz vor Weihnachten wird der Gefängniswärter eines britischen Militärlagers grausam umgebracht. Der Täter kommt wohl aus den eigenen Reihen der Briten - der Militärarzt John Tallis hat kein Alibi. Der allseits beliebte Tallis jedoch beteuert seine Unschuld.
Klappentext zu „Der Weihnachtsverrat “
Eine unmenschliche Tat zur WeihnachtszeitKurz vor Weihnachten wird der Gefängniswärter eines britischen Militärlagers in Indien brutal ermordet. Der Schuldige soll schnell gefunden und verurteilt werden, da der Verrat aus den eigenen Reihen die Moral der Truppe untergräbt. Es kann nur der beliebte Militärarzt John Tallis gewesen sein, der Einzige ohne Alibi. Doch Tallis beteuert seine Unschuld.
Lese-Probe zu „Der Weihnachtsverrat “
Der Weihnachtsverrat von Anne Perry Aus dem englischen von Regina Schirp
Leutnant Victor Narraway ging in der kühlen Abendluft über den Kasernenhof. Es war Mitte Dezember, kurz vor Weihnachten. Zu Hause in England schneite es vielleicht schon, aber hier in Indien würde es nicht einmal Frost geben. In Kanpur hatte noch nie jemand Schnee zu sehen bekommen. In einem anderen Jahr hätte das eine wundervolle Zeit sein können: mit Feiern, glücklichen Erinnerungen an die Vergangenheit, Optimismus für die Zukunft, vielleicht auch mit etwas Sehnsucht nach den Lieben in der Ferne.
Aber das Jahr 1857 war anders. Die Unruhen des Aufstands hatten verbrannte Erde und Trauer zurückgelassen.
Er erreichte die Außentür des Kasernengebäudes, das am wenigsten beschädigt worden war, und klopfte. Sie wurde umgehend geöffnet, und er trat ein. Öllampen verbreiteten ein warmes gelbliches Licht, das die Einschusslöcher an den Wänden und die wenigen Überbleibsel der einstmals sicheren Behausung beleuchtete. Sicher - das war sie vor der Belagerung und deren Aufhebung vor ein paar Monaten gewesen. Jetzt gab es kaum noch ein unbeschädigtes Möbelstück: ein Schreibtisch mit Geschossspuren, drei Stühle, die auch schon bessere Zeiten gesehen hatten, ein Bücherregal und mehrere Schränke, einem fehlte eine Türhälfte.
Oberst Latimer war groß und schlank, ein Mann in den Vierzigern. Viele indische Sommer hatten seine Haut braun gebrannt, aber darunter schien wenig Leben zu sein, das dem Überdruss und den Zeichen der Erschöpfung hätte trotzen können. Er blickte den zwanzigjährigen Leutnant vor sich entschuldigend an.
... mehr
»Ich habe eine unangenehme Aufgabe für Sie, Narraway «, sagte er leise. »Sie muss erledigt werden, und zwar gut. Sie sind neu hier im Regiment, aber Sie haben einen ausgezeichneten Ruf. Für diese Aufgabe sind Sie genau der richtige.«
Narraway fröstelte trotz der milden Temperaturen. Sein Vater hatte eine Ernennungsurkunde für die Armee für ihn erworben, und nachdem er eine kurze Ausbildung in England absolviert hatte, wurde er nach Indien geschickt. Vor einem Jahr war er hier angekommen, im Januar, kurz vor dem verhängnisvollen Vorfall mit den Gewehrpatronen in der Stadt Dum Dum, der im darauffolgenden Frühjahr die Meuterei ausgelöst hatte. Es war das Gerücht aufgekommen, dass die Patronen an der Stelle mit Tierfett behandelt worden waren, an der sie zum Entschärfen mit den Zähnen abgerissen werden mussten. Den Hindus hatte man gesagt, das Fett sei Rindertalg. Kühe aber waren heilig, und sie zu töten kam einer Gotteslästerung gleich. Kamen die Lippen mit dem Fett in Berührung, war man verdammt. Den Muslimen wurde gesagt, es sei Schweinefett, aber das Schwein war ein unreines Tier. Dieses Fett an die Lippen zu bringen, bedeutete ebenfalls Verdammnis, wenn auch aus einem ganz anderen Grund.
Natürlich war das nicht die eigentliche Ursache für den Aufstand Hunderttausender Inder gegen die Herrschaft einiger Tausend Engländer, die bei der Ostindien-Kompanie dienten. Die wahren Ursachen waren weit komplexer: Sie wurzelten in den sozialen Ungerechtigkeiten und den Verstößen der Fremdherrschaft gegen die Kultur der Inder. Die Geschichte mit den Patronen war nur der Auslöser für die Unruhen.
Soweit Narraway wusste, war es nicht überall zu Meutereien gekommen. nur in kleinen Teilen des Lands hatten sie gewalttätige Ausmaße angenommen. Ganze Landstriche waren gar nicht betroffen und lagen friedlich unter der Wintersonne, auch wenn die Menschen dort besorgt waren.
Die Provinz Sindh und die ebene von Hindustan waren am stärksten betroffen, besonders Lakhnau und Kanpur.
General Sir Colin Campbell, ein Held des erst kürzlich beendeten Krimkriegs, hatte gekämpft, um die Belagerung von Lakhnau zu durchbrechen. eine Woche zuvor hatte er 25 000 Aufständische hier in Kanpur besiegt. War das der Anfang einer Wende? Oder nur ein Hoffnungsschimmer?
Narraway stand stramm und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Warum hatte ihn Latimer herbeordert?
»Ja, Sir«, stieß er durch seine zusammengebissenen Zähne hervor.
Latimer lächelte düster. er sah nicht gerade glücklich aus und zeigte auch keinerlei Anerkennung. »Sie haben sicherlich von der Flucht des Gefangenen Dhuleep Singh gehört?«, fuhr er fort. »Und davon, dass der Wachposten Chuttur Singh dabei erschlagen wurde?«
Narraway s Mund war ganz trocken. natürlich wusste er das, jeder auf dem Stützpunkt in Kanpur wusste davon.
»Ja, Sir«, presste er gehorsam hervor.
»Wir haben den Fall untersucht.« Latimers Kinnpartie war angespannt, und an der Schläfe zuckte ein Muskel. »Dhuleep Singh hatte geheime Informationen, was die Truppenbewegungen angeht, insbesondere aber über die Patrouille, die dem Massaker zum Opfer gefallen ist. Ohne Hilfe hatte der Mann nicht entkommen können.« Seine Stimme wurde leiser, als fiele es ihm zunehmend schwerer, alles in Worte zu fassen. er räusperte sich angestrengt. »Unsere Nachforschungen haben alle Möglichkeiten ausgeschlossen, außer der, dass Korporal John Tallis, der Sanitäter, ihm geholfen hat.« er sah Narraway in die Augen. »Übermorgen wird ihm der Prozess gemacht. Sie werden seine Verteidigung übernehmen.«
In Narraway s Kopf ging alles durcheinander, und eisige Kälte überkam ihn. Viele Gründe kamen ihm schlagartig in den Sinn, weshalb er auf keinen Fall tun konnte, was Latimer von ihm verlangte. Er war der Aufgabe nicht ansatzweise gewachsen. Wie viel besser wäre es gewesen, einen der Offiziere einzusetzen, die während der Belagerung und bis zu deren Aufhebung bei dem Regiment gewesen waren und die alle Beteiligten kannten. Vor allem sollte es ein Offizier sein, der mit den Militärgesetzen vertraut war, jemand, der so etwas schon mal gemacht hatte und den alle kannten und respektierten.
Andererseits versicherte ihm eine klare, vernünftige innere Stimme, dass er, gerade weil er nicht zu dieser Personengruppe gehörte, von Latimer ausgewählt worden war.
»Ja, Sir«, antwortete er schwach.
»Major Strafford wird jeden Augenblick hier sein. er wird Ihnen die Anweisungen und die Informationen geben, die Sie benötigen. Da ich den Vorsitz bei Gericht übernehme, halte ich es nicht für angebracht, dies selbst zu tun.«
»Ja, Sir.« Narraway hatte das Gefühl, als ob mit dieser Entscheidung das Ende seiner Karriere besiegelt wurde. Major Straffords Abneigung ihm gegenüber stammte noch aus der Zeit, bevor er dem Regiment beigetreten war. Er war sich fast sicher, dass diese Abneigung von der kurzen, unglückseligen Bekanntschaft mit Straffords jüngerem Bruder herrührte. Sie waren im letzten Schuljahr gemeinsam in Eton zur Schule gegangen, und nichts an ihrer Verbindung war erfreulich gewesen.
Narraway war ein wissenschaftlich interessierter, dem Sport allerdings abgeneigter Schüler gewesen. Der junge Strafford hingegen war ein guter Sportler, aber in den anderen Fächern Narraway bei Weitem unterlegen. Gegenseitige Verachtung bestimmte ihr ansonsten problemloses nebeneinander.
Copyright © 2013 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Radom House GmbH.
»Ich habe eine unangenehme Aufgabe für Sie, Narraway «, sagte er leise. »Sie muss erledigt werden, und zwar gut. Sie sind neu hier im Regiment, aber Sie haben einen ausgezeichneten Ruf. Für diese Aufgabe sind Sie genau der richtige.«
Narraway fröstelte trotz der milden Temperaturen. Sein Vater hatte eine Ernennungsurkunde für die Armee für ihn erworben, und nachdem er eine kurze Ausbildung in England absolviert hatte, wurde er nach Indien geschickt. Vor einem Jahr war er hier angekommen, im Januar, kurz vor dem verhängnisvollen Vorfall mit den Gewehrpatronen in der Stadt Dum Dum, der im darauffolgenden Frühjahr die Meuterei ausgelöst hatte. Es war das Gerücht aufgekommen, dass die Patronen an der Stelle mit Tierfett behandelt worden waren, an der sie zum Entschärfen mit den Zähnen abgerissen werden mussten. Den Hindus hatte man gesagt, das Fett sei Rindertalg. Kühe aber waren heilig, und sie zu töten kam einer Gotteslästerung gleich. Kamen die Lippen mit dem Fett in Berührung, war man verdammt. Den Muslimen wurde gesagt, es sei Schweinefett, aber das Schwein war ein unreines Tier. Dieses Fett an die Lippen zu bringen, bedeutete ebenfalls Verdammnis, wenn auch aus einem ganz anderen Grund.
Natürlich war das nicht die eigentliche Ursache für den Aufstand Hunderttausender Inder gegen die Herrschaft einiger Tausend Engländer, die bei der Ostindien-Kompanie dienten. Die wahren Ursachen waren weit komplexer: Sie wurzelten in den sozialen Ungerechtigkeiten und den Verstößen der Fremdherrschaft gegen die Kultur der Inder. Die Geschichte mit den Patronen war nur der Auslöser für die Unruhen.
Soweit Narraway wusste, war es nicht überall zu Meutereien gekommen. nur in kleinen Teilen des Lands hatten sie gewalttätige Ausmaße angenommen. Ganze Landstriche waren gar nicht betroffen und lagen friedlich unter der Wintersonne, auch wenn die Menschen dort besorgt waren.
Die Provinz Sindh und die ebene von Hindustan waren am stärksten betroffen, besonders Lakhnau und Kanpur.
General Sir Colin Campbell, ein Held des erst kürzlich beendeten Krimkriegs, hatte gekämpft, um die Belagerung von Lakhnau zu durchbrechen. eine Woche zuvor hatte er 25 000 Aufständische hier in Kanpur besiegt. War das der Anfang einer Wende? Oder nur ein Hoffnungsschimmer?
Narraway stand stramm und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Warum hatte ihn Latimer herbeordert?
»Ja, Sir«, stieß er durch seine zusammengebissenen Zähne hervor.
Latimer lächelte düster. er sah nicht gerade glücklich aus und zeigte auch keinerlei Anerkennung. »Sie haben sicherlich von der Flucht des Gefangenen Dhuleep Singh gehört?«, fuhr er fort. »Und davon, dass der Wachposten Chuttur Singh dabei erschlagen wurde?«
Narraway s Mund war ganz trocken. natürlich wusste er das, jeder auf dem Stützpunkt in Kanpur wusste davon.
»Ja, Sir«, presste er gehorsam hervor.
»Wir haben den Fall untersucht.« Latimers Kinnpartie war angespannt, und an der Schläfe zuckte ein Muskel. »Dhuleep Singh hatte geheime Informationen, was die Truppenbewegungen angeht, insbesondere aber über die Patrouille, die dem Massaker zum Opfer gefallen ist. Ohne Hilfe hatte der Mann nicht entkommen können.« Seine Stimme wurde leiser, als fiele es ihm zunehmend schwerer, alles in Worte zu fassen. er räusperte sich angestrengt. »Unsere Nachforschungen haben alle Möglichkeiten ausgeschlossen, außer der, dass Korporal John Tallis, der Sanitäter, ihm geholfen hat.« er sah Narraway in die Augen. »Übermorgen wird ihm der Prozess gemacht. Sie werden seine Verteidigung übernehmen.«
In Narraway s Kopf ging alles durcheinander, und eisige Kälte überkam ihn. Viele Gründe kamen ihm schlagartig in den Sinn, weshalb er auf keinen Fall tun konnte, was Latimer von ihm verlangte. Er war der Aufgabe nicht ansatzweise gewachsen. Wie viel besser wäre es gewesen, einen der Offiziere einzusetzen, die während der Belagerung und bis zu deren Aufhebung bei dem Regiment gewesen waren und die alle Beteiligten kannten. Vor allem sollte es ein Offizier sein, der mit den Militärgesetzen vertraut war, jemand, der so etwas schon mal gemacht hatte und den alle kannten und respektierten.
Andererseits versicherte ihm eine klare, vernünftige innere Stimme, dass er, gerade weil er nicht zu dieser Personengruppe gehörte, von Latimer ausgewählt worden war.
»Ja, Sir«, antwortete er schwach.
»Major Strafford wird jeden Augenblick hier sein. er wird Ihnen die Anweisungen und die Informationen geben, die Sie benötigen. Da ich den Vorsitz bei Gericht übernehme, halte ich es nicht für angebracht, dies selbst zu tun.«
»Ja, Sir.« Narraway hatte das Gefühl, als ob mit dieser Entscheidung das Ende seiner Karriere besiegelt wurde. Major Straffords Abneigung ihm gegenüber stammte noch aus der Zeit, bevor er dem Regiment beigetreten war. Er war sich fast sicher, dass diese Abneigung von der kurzen, unglückseligen Bekanntschaft mit Straffords jüngerem Bruder herrührte. Sie waren im letzten Schuljahr gemeinsam in Eton zur Schule gegangen, und nichts an ihrer Verbindung war erfreulich gewesen.
Narraway war ein wissenschaftlich interessierter, dem Sport allerdings abgeneigter Schüler gewesen. Der junge Strafford hingegen war ein guter Sportler, aber in den anderen Fächern Narraway bei Weitem unterlegen. Gegenseitige Verachtung bestimmte ihr ansonsten problemloses nebeneinander.
Copyright © 2013 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Radom House GmbH.
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Autoren-Porträt von Anne Perry
Perry, AnneDie Engländerin Anne Perry, 1938 in London geboren, verbrachte einen Teil ihrer Jugend in Neuseeland und auf den Bahamas. Schon früh begann sie zu schreiben. Ihre historischen Kriminalromane zeichnen ein lebendiges Bild des spätviktorianischen Englands und begeistern ein Millionenpublikum. Anne Perry lebt und schreibt in Schottland.
Bibliographische Angaben
- Autor: Anne Perry
- 2013, 176 Seiten, Masse: 12,2 x 19,1 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Schirp, Regina
- Übersetzer: Regina Schirp
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453410734
- ISBN-13: 9783453410732
- Erscheinungsdatum: 28.10.2013
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