Der norwegische Gast / Hanne Wilhelmsen Bd.8
Kriminalroman
Seit Stunden wütet ein heftiger Schneesturm, der das norwegische Berghotel völlig von der Außenwelt isoliert. Als ein brutaler Mord an einem der Hotelgäste geschieht, macht sich schnell Panik unter den Eingeschlossenen breit. Und es wird nicht bei diesem einen Mord bleiben.
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Produktinformationen zu „Der norwegische Gast / Hanne Wilhelmsen Bd.8 “
Seit Stunden wütet ein heftiger Schneesturm, der das norwegische Berghotel völlig von der Außenwelt isoliert. Als ein brutaler Mord an einem der Hotelgäste geschieht, macht sich schnell Panik unter den Eingeschlossenen breit. Und es wird nicht bei diesem einen Mord bleiben.
Klappentext zu „Der norwegische Gast / Hanne Wilhelmsen Bd.8 “
Ein Schneesturm zwingt die Passagiere eines Zuges, in einem norwegischen Berghotel Zuflucht zu suchen. Unter ihnen ist die ehemalige Kommissarin Hanne Wilhelmsen. Als das Hotel komplett eingeschneit wird, geschieht ein brutaler Mord. Panik macht sich unter den Eingeschlossenen breit, und die an den Rollstuhl gefesselte Kommissarin muss ihr Bestes geben, um den Mörder zu enttarnen.
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Der norwegische Gast von Anne Holt0
Laut Beaufort-Skala:
Auswirkungen des Windes im Gebirge.
Windstille. Windgeschwindigkeit: unter 1 km/h
Schneeflocken fallen fast senkrecht,
oft in pendelnder Bewegung
1 Da nur der Lokomotivführer ums Leben kam, kann von einer Katastrophe keine Rede sein. 269 Menschen befanden sich an Bord, als der Zug aufgrund eines meteorologischen Phänomens, das ich noch immer nicht ganz verstanden habe, entgleiste und die Einfahrt zum Finsenut-Tunnel verfehlte. Ein toter Lokomotivführer entspricht nur 0,37 Prozent einer solchen Menschenmenge. In Anbetracht der Verhältnisse hatten wir mit anderen Worten ein Schweineglück.
Obwohl viele bei dem Unfall verletzt wurden, handelte es sich in den meisten Fällen um leichtere Blessuren. Arm- und Beinbrüche. Gehirnerschütterungen. Schrammen und Schnittwunden und Kratzer: Es gab kaum einen Menschen an Bord, der unversehrt geblieben war. Aber es gab nur ein einziges Todesopfer. Dem Geschrei nach zu urteilen, das den Zug in den Minuten nach dem Unfall erfüllte, hätte man jedoch auf eine geradezu kosmische Katastrophe schließen können.
Ich verhielt mich still. Ich war davon überzeugt, eine der wenigen Überlebenden zu sein, und außerdem hatte ich einen strampelnden Säugling auf den Knien liegen. Das Kind war bei der Kollision durch die Luft geflogen, hatte meine Schulter gestreift und war gegen die Wand direkt vor dem Rollstuhl geprallt, um dann auf meinem Schoß zu landen. Reflexartig hatte ich meine Arme um das schreiende Bündel geschlungen. Ich fing wieder an zu atmen und bemerkte den trockenen Geruch von Schnee. Die Temperatur sank in bemerkenswert kurzer Zeit von unbehaglicher, stickiger Wärme auf Frostschädenniveau. Der Zug hatte Schlagseite. Nicht sehr stark, aber genug, dass meine Schulter schmerzte. Ich saß auf der linken Seite im Abteil,
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als einzige Rollstuhlfahrerin im ganzen Zug. Eine grauweiße Wand presste sich auf meiner Seite gegen die Fenster.
Mir wurde klar, dass diese gewaltige Schneemasse uns gerettet hatte; ohne den Schnee hätte der Zug sich überschlagen. Die Kälte war lähmend. Kurz vor Hønefoss hatte ich meinen Pullover ausgezogen. Jetzt saß ich in einem dünnen T-Shirt da und drückte ein Baby an meine Brust, während ich feststellte, dass es in den Wagen schneite. Die nackte Haut meiner Arme war schon so unterkühlt, dass die wirbelnden blauweißen Flocken dort erst eine kalte Sekunde lang liegen blieben, ehe sie schmolzen. Auf der gesamten rechten Zugseite waren die Fensterscheiben zerbrochen. Der Wind musste stärker geworden sein in den wenigen Minuten, die vergangen waren, seit wir im Bahnhof Finse zum Ein- und Aussteigen gehalten hatten. Nur zwei Fahrgäste waren ausgestiegen. Ich hatte zwar beobachtet, wie sie sich gegen den Wind stemmen mussten, als sie sich über den Bahnsteig in Richtung Hotel gekämpft hatten, aber ich hatte doch nur den Eindruck von einem normalen, stürmischen Wintertag im Hochgebirge gehabt. Als ich da aber so saß, meinen Pullover fest um das Baby gewickelt und außerstande, meinen Mantel vom Haken zu nehmen, befürchtete ich, der Wind könne so stürmisch und der Schnee so kalt sein, dass wir innerhalb kurzer Zeit erfrieren würden.
Ich beugte mich, so weit ich konnte, schützend über den Säugling. Im Nachhinein kann ich wirklich nicht mehr sagen, wie lange ich so dasaß, ohne Kontakt zu anderen Menschen, ohne ein Wort zu sprechen, während die Rufe der anderen Fahrgäste sich als vereinzelte Lautfetzen in das kompakte Wüten des Sturmes mischten. Vielleicht waren es zehn Minuten. Vielleicht nur wenige Sekunden. »Sara!« Eine Frau starrte mich und das Baby wütend an. Das Baby war ganz in Rosa gekleidet, von der Jacke bis zu den winzigen Socken. Auch die kleinen Fäuste, die ich mit den Händen zu schützen versuchte, und das wütende Gesicht, das schrie und schrie, waren zartrosa. Das Gesicht der Mutter dagegen war blutrot. Aus einem tiefen Schnitt auf der Stirn lief Blut. Das hinderte sie allerdings nicht daran, ihr Töchterchen an sich zu reißen. Mein Pullover fiel auf den Boden. Die Frau wickelte das Kleine mit so geübten Griffen in eine Decke, dass es sich unmöglich um ihr erstes Kind handeln konnte. Sie verbarg das Köpfchen unter der Decke, drückte das Bündel an ihre Brust und schrie mich vorwurfsvoll an: »Ich bin gefallen! Ich bin durch den Wagen gegangen, und dann bin ich gefallen!« »Alles in Ordnung«, sagte ich langsam, meine Lippen waren so steif, dass mir das Sprechen schwer fiel. »Ihrem Kind ist nichts passiert, soweit ich das beurteilen kann.« »Ich bin gefallen«, weinte die Mutter und trat nach mir, ohne mich jedoch zu treffen. »Ich habe Sara fallen lassen. Ich habe sie fallen lassen!« Da ich nun von dem lästigen Kind befreit war, griff ich nach meinem Pullover und zog ihn an.
Obwohl ich unterwegs nach Bergen war, wo mich strömender Regen und zwei Grad über null erwarteten, hatte ich die Daunenjacke mitgenommen. Endlich konnte ich sie vom Haken nehmen, an dem sie wie durch ein Wunder noch immer hing. Da ich keine Mütze hatte, band ich mir den Schal um den Kopf. Auch Handschuhe hatte ich keine dabei. »Keine Angst«, sagte ich und schob die Hände in die Jackenärmel. »Sara weint. Das ist ein gutes Zeichen, glaube ich. Schlimmer sieht es da bei Ihnen aus …« Ich nickte in ihre Richtung. Aber sie registrierte das nicht. Das Kind weinte noch immer und ließ sich auch nicht dadurch beruhigen, dass die Mutter versuchte, es unter ihre eigene, viel zu enge Pelzjacke zu stopfen. Die Stirnwunde blutete sehr stark, und ich würde schwören, dass das Blut gefroren war, ehe es den Boden erreichte, der bereits von Blut und Eis bedeckt war. Irgendjemand war auf einen Karton Orangensaft getreten. Der gelbe Eisbuckel lag wie ein riesiges Eidotter auf dem weißen Schneeteppich. Die Wärme wollte nicht in meinen Körper zurückkehren. Im Gegenteil, die viel dickere Kleidung schien die Lage noch zu verschlimmern. Das Taubheitsgefühl legte sich zwar nach und nach, aber es war einem Prickeln auf meiner Haut gewichen, das sich wie Messerstiche anfühlte. Ich zitterte so sehr, dass ich die Zähne zusammenbeißen musste, um meine Zunge nicht zu verletzen. Vor allem hätte ich gern den Rollstuhl umgedreht, um die vielen Stimmen mit Gesichtern in Verbindung bringen zu können. Das Weinen einer Frau, die sich offenbar unmittelbar hinter mir befand, oder der Sturzbach von Flüchen und Verwünschungen eines Jungen im Stimmbruch.
Ich wollte wissen, wie viele Tote es gab, wie schwer die Überlebenden verletzt waren und ob es möglich wäre, die Fenster abzudichten, durch die das Unwetter drang, das mit jeder Sekunde stärker wurde. Ich wollte mich umdrehen, konnte aber die Hände nicht aus den Jackenärmeln ziehen. Ich wollte auf die Uhr schauen, konnte aber die Vorstellung von Kälte an meiner Haut nicht ertragen. Die Zeit war so verschwommen wie das Schneegestöber vor dem Wagenfenster, ein Chaos in Grau mit bläulich schimmernden Streifen, die von den Leuchtröhren an der Decke stammten. Seit dem Unfall musste doch mehr Zeit verstrichen sein, als ich gedacht hatte. Es musste auch kälter sein, als der Zugführer noch kurz vor Finse über Lautsprecher bekannt gegeben hatte. Er hatte die Raucher gewarnt, es herrschten zwanzig Grad unter null, und es lohne sich nicht, für zwei Minuten Genuss auf dem Bahnsteig herumzustehen. Aber da musste er sich geirrt haben.
Zwanzig Grad unter null hatte ich schon oft erlebt. Aber noch nie hatte es sich so angefühlt wie jetzt. Das hier waren tödliche Minusgrade, und meine Arme wollten mir nicht gehorchen, als ich doch entschied, auf die Uhr zu schauen. »Hallo!« Ein Mann hatte die automatischen Glastüren vor den Gepäckfächern aufgestemmt. Er stand breitbeinig auf dem schräg abfallenden Boden, bekleidet mit einem blauen Spezialanzug für Schneemobile, einer riesigen Ledermütze mit Ohrenklappen und einer knallgelben Alpinbrille. »Ich komme, um euch zu retten«, brüllte er und streifte sich die Brille unter das Kinn. »Und immer ganz ruhig bleiben. Ist nur eine kleine Spritztour bis zum Hotel!« Was ein einzelner Mann in diesem Wagen voller jammernder Menschen ausrichten könnte, war mir allerdings unklar.
Trotzdem schien die bloße Anwesenheit des Burschen auf uns alle beruhigend zu wirken. Sogar das rosafarbene Baby hörte auf zu weinen. Der Junge, der seit dem Unfall in einem fort geflucht hatte, brüllte ein letztes Mal: »Wird ja auch verdammt noch mal Zeit, dass jemand kommt. Fuck, Mann. Scheiße!« Dann verstummte er. Ich bin unter Umständen kurz eingeschlafen. Vielleicht war ich im Begriff, zu erfrieren. Die Kälte machte mir jedenfalls nicht mehr sonderlich viel zu schaffen. Ich habe von solchen Fällen gelesen. Obwohl ich nicht behaupten will, diese behagliche, einlullende Wärme verspürt zu haben, die angeblich den Erfrierungstod ankündigt, klapperte ich wenigstens nicht mehr mit den Zähnen. Mein Körper schien sich für eine andere Strategie entschieden zu haben. Er wollte jedenfalls nicht mehr kämpfen und zittern. Stattdessen spürte ich, wie ein Muskel nach dem anderen nachgab und sich entspannte. Zumindest in dem Teil meines Körpers, dessen Bewegungen ich weiterhin unter Kontrolle habe.
Aus dem Norwegischen
von Gabriele Haefs
Mir wurde klar, dass diese gewaltige Schneemasse uns gerettet hatte; ohne den Schnee hätte der Zug sich überschlagen. Die Kälte war lähmend. Kurz vor Hønefoss hatte ich meinen Pullover ausgezogen. Jetzt saß ich in einem dünnen T-Shirt da und drückte ein Baby an meine Brust, während ich feststellte, dass es in den Wagen schneite. Die nackte Haut meiner Arme war schon so unterkühlt, dass die wirbelnden blauweißen Flocken dort erst eine kalte Sekunde lang liegen blieben, ehe sie schmolzen. Auf der gesamten rechten Zugseite waren die Fensterscheiben zerbrochen. Der Wind musste stärker geworden sein in den wenigen Minuten, die vergangen waren, seit wir im Bahnhof Finse zum Ein- und Aussteigen gehalten hatten. Nur zwei Fahrgäste waren ausgestiegen. Ich hatte zwar beobachtet, wie sie sich gegen den Wind stemmen mussten, als sie sich über den Bahnsteig in Richtung Hotel gekämpft hatten, aber ich hatte doch nur den Eindruck von einem normalen, stürmischen Wintertag im Hochgebirge gehabt. Als ich da aber so saß, meinen Pullover fest um das Baby gewickelt und außerstande, meinen Mantel vom Haken zu nehmen, befürchtete ich, der Wind könne so stürmisch und der Schnee so kalt sein, dass wir innerhalb kurzer Zeit erfrieren würden.
Ich beugte mich, so weit ich konnte, schützend über den Säugling. Im Nachhinein kann ich wirklich nicht mehr sagen, wie lange ich so dasaß, ohne Kontakt zu anderen Menschen, ohne ein Wort zu sprechen, während die Rufe der anderen Fahrgäste sich als vereinzelte Lautfetzen in das kompakte Wüten des Sturmes mischten. Vielleicht waren es zehn Minuten. Vielleicht nur wenige Sekunden. »Sara!« Eine Frau starrte mich und das Baby wütend an. Das Baby war ganz in Rosa gekleidet, von der Jacke bis zu den winzigen Socken. Auch die kleinen Fäuste, die ich mit den Händen zu schützen versuchte, und das wütende Gesicht, das schrie und schrie, waren zartrosa. Das Gesicht der Mutter dagegen war blutrot. Aus einem tiefen Schnitt auf der Stirn lief Blut. Das hinderte sie allerdings nicht daran, ihr Töchterchen an sich zu reißen. Mein Pullover fiel auf den Boden. Die Frau wickelte das Kleine mit so geübten Griffen in eine Decke, dass es sich unmöglich um ihr erstes Kind handeln konnte. Sie verbarg das Köpfchen unter der Decke, drückte das Bündel an ihre Brust und schrie mich vorwurfsvoll an: »Ich bin gefallen! Ich bin durch den Wagen gegangen, und dann bin ich gefallen!« »Alles in Ordnung«, sagte ich langsam, meine Lippen waren so steif, dass mir das Sprechen schwer fiel. »Ihrem Kind ist nichts passiert, soweit ich das beurteilen kann.« »Ich bin gefallen«, weinte die Mutter und trat nach mir, ohne mich jedoch zu treffen. »Ich habe Sara fallen lassen. Ich habe sie fallen lassen!« Da ich nun von dem lästigen Kind befreit war, griff ich nach meinem Pullover und zog ihn an.
Obwohl ich unterwegs nach Bergen war, wo mich strömender Regen und zwei Grad über null erwarteten, hatte ich die Daunenjacke mitgenommen. Endlich konnte ich sie vom Haken nehmen, an dem sie wie durch ein Wunder noch immer hing. Da ich keine Mütze hatte, band ich mir den Schal um den Kopf. Auch Handschuhe hatte ich keine dabei. »Keine Angst«, sagte ich und schob die Hände in die Jackenärmel. »Sara weint. Das ist ein gutes Zeichen, glaube ich. Schlimmer sieht es da bei Ihnen aus …« Ich nickte in ihre Richtung. Aber sie registrierte das nicht. Das Kind weinte noch immer und ließ sich auch nicht dadurch beruhigen, dass die Mutter versuchte, es unter ihre eigene, viel zu enge Pelzjacke zu stopfen. Die Stirnwunde blutete sehr stark, und ich würde schwören, dass das Blut gefroren war, ehe es den Boden erreichte, der bereits von Blut und Eis bedeckt war. Irgendjemand war auf einen Karton Orangensaft getreten. Der gelbe Eisbuckel lag wie ein riesiges Eidotter auf dem weißen Schneeteppich. Die Wärme wollte nicht in meinen Körper zurückkehren. Im Gegenteil, die viel dickere Kleidung schien die Lage noch zu verschlimmern. Das Taubheitsgefühl legte sich zwar nach und nach, aber es war einem Prickeln auf meiner Haut gewichen, das sich wie Messerstiche anfühlte. Ich zitterte so sehr, dass ich die Zähne zusammenbeißen musste, um meine Zunge nicht zu verletzen. Vor allem hätte ich gern den Rollstuhl umgedreht, um die vielen Stimmen mit Gesichtern in Verbindung bringen zu können. Das Weinen einer Frau, die sich offenbar unmittelbar hinter mir befand, oder der Sturzbach von Flüchen und Verwünschungen eines Jungen im Stimmbruch.
Ich wollte wissen, wie viele Tote es gab, wie schwer die Überlebenden verletzt waren und ob es möglich wäre, die Fenster abzudichten, durch die das Unwetter drang, das mit jeder Sekunde stärker wurde. Ich wollte mich umdrehen, konnte aber die Hände nicht aus den Jackenärmeln ziehen. Ich wollte auf die Uhr schauen, konnte aber die Vorstellung von Kälte an meiner Haut nicht ertragen. Die Zeit war so verschwommen wie das Schneegestöber vor dem Wagenfenster, ein Chaos in Grau mit bläulich schimmernden Streifen, die von den Leuchtröhren an der Decke stammten. Seit dem Unfall musste doch mehr Zeit verstrichen sein, als ich gedacht hatte. Es musste auch kälter sein, als der Zugführer noch kurz vor Finse über Lautsprecher bekannt gegeben hatte. Er hatte die Raucher gewarnt, es herrschten zwanzig Grad unter null, und es lohne sich nicht, für zwei Minuten Genuss auf dem Bahnsteig herumzustehen. Aber da musste er sich geirrt haben.
Zwanzig Grad unter null hatte ich schon oft erlebt. Aber noch nie hatte es sich so angefühlt wie jetzt. Das hier waren tödliche Minusgrade, und meine Arme wollten mir nicht gehorchen, als ich doch entschied, auf die Uhr zu schauen. »Hallo!« Ein Mann hatte die automatischen Glastüren vor den Gepäckfächern aufgestemmt. Er stand breitbeinig auf dem schräg abfallenden Boden, bekleidet mit einem blauen Spezialanzug für Schneemobile, einer riesigen Ledermütze mit Ohrenklappen und einer knallgelben Alpinbrille. »Ich komme, um euch zu retten«, brüllte er und streifte sich die Brille unter das Kinn. »Und immer ganz ruhig bleiben. Ist nur eine kleine Spritztour bis zum Hotel!« Was ein einzelner Mann in diesem Wagen voller jammernder Menschen ausrichten könnte, war mir allerdings unklar.
Trotzdem schien die bloße Anwesenheit des Burschen auf uns alle beruhigend zu wirken. Sogar das rosafarbene Baby hörte auf zu weinen. Der Junge, der seit dem Unfall in einem fort geflucht hatte, brüllte ein letztes Mal: »Wird ja auch verdammt noch mal Zeit, dass jemand kommt. Fuck, Mann. Scheiße!« Dann verstummte er. Ich bin unter Umständen kurz eingeschlafen. Vielleicht war ich im Begriff, zu erfrieren. Die Kälte machte mir jedenfalls nicht mehr sonderlich viel zu schaffen. Ich habe von solchen Fällen gelesen. Obwohl ich nicht behaupten will, diese behagliche, einlullende Wärme verspürt zu haben, die angeblich den Erfrierungstod ankündigt, klapperte ich wenigstens nicht mehr mit den Zähnen. Mein Körper schien sich für eine andere Strategie entschieden zu haben. Er wollte jedenfalls nicht mehr kämpfen und zittern. Stattdessen spürte ich, wie ein Muskel nach dem anderen nachgab und sich entspannte. Zumindest in dem Teil meines Körpers, dessen Bewegungen ich weiterhin unter Kontrolle habe.
Aus dem Norwegischen
von Gabriele Haefs
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Autoren-Porträt von Anne Holt
Holt, AnneAnne Holt, 1958 geboren, wuchs in Norwegen und in den USA auf. Als freie Autorin lebt sie heute mit ihrer Familie in Oslo. Ihre vielfach preisgekrönten Kriminalromane werden in alle grossen Sprachen übersetzt und machen sie mit über 7 Millionen verkauften Exemplaren zu einer der erfolgreichsten skandinavischen Autorinnen weltweit. Ihre beiden Serien um Inger Vik und Hanne Wilhelmsen geniessen Kultstatus und wurden erfolgreich verfilmt. Haefs, Gabriele
Gabriele Haefs, geboren 1953 in Wachtendonk, Studium der Volkskunde, Sprachwissenschaft, Keltischen Sprachen und Skandinavistik. Seit 1983 ist sie als Übersetzerin von unter anderem Jostein Gaarder, Anne Holt und Ingvar Ambjörnsen tätig. Für ihre Arbeit wurde sie mit dem Deutschen und dem Österreichischen Jugendbuchpreis, dem Akademika-Preis der Universität Oslo und dem Willy Brandt-Preis ausgezeichnet. Sie ist Ritterin 1. Klasse des Norwegischen St. Olavsordens.
Bibliographische Angaben
- Autor: Anne Holt
- 2009, 317 Seiten, Masse: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Gabriele Haefs
- Verlag: Piper
- ISBN-10: 3492257186
- ISBN-13: 9783492257183
- Erscheinungsdatum: 22.09.2009
Rezension zu „Der norwegische Gast / Hanne Wilhelmsen Bd.8 “
"Auf die Erzählerin Anne Holt kann man sich verlassen: Mit sicherer Hand führt sie die einzelnen Erzählstränge am Ende zusammen und serviert eine ebenso überzeugende wie überraschende Lösung.", Kölner Stadt-Anzeiger, 06.11.2010 20151120
Pressezitat
"Auf die Erzählerin Anne Holt kann man sich verlassen: Mit sicherer Hand führt sie die einzelnen Erzählstränge am Ende zusammen und serviert eine ebenso überzeugende wie überraschende Lösung.", Kölner Stadt-Anzeiger, 06.11.2010 20151120
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