Der Geschichtenverkäufer
Dadurch werden viele zu Bestsellerautoren. Er hat viele Abnehmer - doch kein Autor ahnt, dass er nicht der einzige Kunde des Geschichtenverkäufers ist....
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Dadurch werden viele zu Bestsellerautoren. Er hat viele Abnehmer - doch kein Autor ahnt, dass er nicht der einzige Kunde des Geschichtenverkäufers ist.
Doch eines Tages meint er, Zeichen von Misstrauen wahrzunehmen. Ist man ihm auf die Schliche gekommen? Er muss die Rache fürchten.
Das Geschäft floriert: Klassenaufsätze gegen Süssigkeiten, später gegen weibliche Zuneigung. Ihm fliegt zu, was vielen Schriftstellern ständig ausgeht: Geschichten. Der Gedanke, selbst Schriftsteller zu werden, erscheint ihm absurd. Es drängt ihn einfach nichts ins Licht der Öffentlichkeit. Und so entscheidet er sich für eine Karriere hinter den Kulissen des Literaturbetriebs. Er wird Geschichtenverkäufer. Die Geschäftsidee ist neu, der Erfolg überwältigend. Seine Kundenkartei reicht vom Gelegenheitsdichter bis zum internationalen Grossschriftsteller, doch jeder glaubt, der einzige Kunde des Geschichtenverkäufers zu sein. Eines Tages aber tauchen Gerüchte auf. Von der »Spinne« ist die Rede, einem geheimnisvollen Manipulator ganzer Autorenbiographien. Urplötzlich findet sich der Ideenlieferant in eine Geschichte verstrickt, die von ihm stammen könnte. Doch diesmal ist sie bitterböse Wirklichkeit. Und das Ende liegt keineswegs auf der Hand.
DerGeschichtenverkäufer vonJostein Gaarder
LESEPROBE
Auf dem Wegdurch Aurlandsdalen kam mir ein Gedanke. Er war mir ganz neu und hing damitzusammen, dass ich kurz zuvor im Club 7 einen jungen Autor kennengelernt hatte.Er war nur vier oder fünf Jahre älter als ich. Ich hatte ihn zu einer FlascheWein eingeladen, und wir hatten uns einen ganzen Abend lang unterhalten. Ertrug zwar eine fetzige John-Lennon-Brille, die richtige Menge Haare und Bartund einen korrekt verschlissenen Cordanzug, aber er war noch mindestens ebensokindlich wie meine Altersgenossen, die Abiturienten. Ich zog eine Notiz hervor,die ich mir früher an diesem Tag gemacht hatte, es handelte sich um drei odervier dicht beschriebene Seiten mit einem raffinierten Romansujet. Ich liess ihnmeinen Text überfliegen, und er war begeistert. Er musterte mich neidisch, dannüberschüttete er meinen Entwurf mit wildem Lob.
Was michnicht überraschte: Ich wusste, dass die Romanidee grossartig war. Trotzdem machtees mir keine Freude, gelobt zu werden, schon gar nicht von einem so jungen und unerfahrenenAutor; deshalb hatte ich ihm meine Notizen nicht gezeigt. Wenn du den Weinbezahlst, kannst du die Idee haben, sagte ich. Er glotzte mich an. Ichverspreche dir, niemandem zu erzählen, woher du sie hast, aber das kostet dichden Wein und fünfzig Kronen. Er gab mir das Geld zurück, das ich bereits fürden Wein bezahlt hatte, und legte noch einen Hunderter dazu. Im Club 7 mussteder Wein bezahlt werden, bevor die Flasche geöffnet wurde. Als ich das Geldeinsteckte, entdeckte ich Meter. Er stolzierte wütend zwischen den Tischeneinher, fuhr vor unserem Tisch herum und drohte mir mit dem Stock.
Heute istder junge Mann mit der John-Lennon-Brille einer der führenden Autoren desLandes, vor nicht allzu langer Zeit wurde sein fünfzigster Geburtstag gefeiert.Ich bin ihm später noch viele Male begegnet, inzwischen fliessen mir zehnProzent der Honorare aus seinen Buchverkäufen zu. Aber das wissen nur er undich.
InAurlandsdalen blieb ich lange vor einem grossen Hexenkessel stehen, derVetlahelvete genannt wird, Kleine Hölle; hier ging mir zum ersten Mal auf, dassich mir mit meinen vielen Ideen vielleicht doch meinen Lebensunterhaltverdienen könnte. Mit ihnen besass ich etwas, das vielen anderen nicht geradezuflog. Ich war nicht eitel und wollte auch nicht berühmt werden, aber ichbrauchte Geld und hatte nicht vor, mir einen Sommerjob zu suchen. Nach dem 15.September würde ich zudem über keinerlei Einkommen mehr verfügen, das hattemein Vater absolut klargestellt. Ich würde sicher studieren, hatte er gesagt,und alle Studenten hätten Anspruch auf ein Studiendarlehen. Vater wusste nicht,dass ich von einem Studiendarlehen niemals würde leben können, schon die Kostenfür die Mädchenbesuche sprengten den Rahmen dessen, was ich von der staatlichenDarlehenskasse erwarten konnte. Wenn ich kein Geld hätte, könnte ich michausserdem nicht mehr frei bewegen. Diese Vorstellung sagte mir überhaupt nichtzu.
Meineplötzliche Eingebung streifte mich eigentlich nur kurz, so, wie Eingebungeneben durch unser Bewusstsein jagen. Wenn ich es überhaupt erwähne, dann nur,weil ich so genau Zeit und Ort des ersten Auftauchens meiner Idee nennen kann.Sie kam mir, als ich in die Vetlahelvete hinunterstarrte. Ich weiss noch, dassich sie gut fand, mehr noch: ich hielt sie für eine Metaidee, eine Idee, diealle anderen Ideen, die ich je gehabt hatte, umfasste und ihnen den gebührendenPlatz zuwies.
Heute lägees nahe, diese Wanderung durch Aurlandsdalen als Ausgangspunkt für meinen Paktmit dem Teufel zu betrachten.
© DTV
Übersetzung: Gabriele Haefs
Autoren-Porträtvon JosteinGaarder
Jostein Gaarder, geboren 1952, studierte Philosophie,Theologie und Literaturwissenschaft in Oslo und lehrte Philosophie an denUniversitäten Oslo und Bergen. Seit 1991 ist er als freier Autor tätig und lebtmit seiner Frau und seinen zwei Söhnen in Oslo. Mit "Sofies Welt"wurde er international bekannt.
- Autor: Jostein Gaarder
- 2017, 7. Aufl., 272 Seiten, Masse: 12 x 19,1 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Gabriele Haefs
- Verlag: DTV
- ISBN-10: 3423132507
- ISBN-13: 9783423132503
- Erscheinungsdatum: 01.10.2004
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