Der Dunkle Turm Band 8: Wind
Roman
Der 8. Roman aus Stephen Kings grandiosem Endzeit-Epos nach eigenem Bekunden sein wichtigstes Werk!
Roland Deschain, der letzte Revolvermann, und seine Gefährten haben den Grünen Palast hinter sich gelassen. Als sie auf dem...
Roland Deschain, der letzte Revolvermann, und seine Gefährten haben den Grünen Palast hinter sich gelassen. Als sie auf dem...
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Produktinformationen zu „Der Dunkle Turm Band 8: Wind “
Der 8. Roman aus Stephen Kings grandiosem Endzeit-Epos nach eigenem Bekunden sein wichtigstes Werk!
Roland Deschain, der letzte Revolvermann, und seine Gefährten haben den Grünen Palast hinter sich gelassen. Als sie auf dem Pfad des Balkens ins Land Donnerschlag unterwegs sind, zieht ein heftiger Sturm herauf, und sie finden Schutz in einer verlassenen Hütte. Dort erzählt Roland seinen Begleitern, was in seiner Jugend geschah, nachdem er unbeabsichtigt seine Mutter umgebracht hatte: Sein Vater schickte ihn zu einer entlegenen Ranch, wo grausame Morde stattfanden. Alle Anzeichen deuteten auf einen Gestaltwandler als Täter hin, und es gab nur einen Zeugen - einen kleinen Jungen, der jetzt seines Lebens nicht mehr sicher war.
Mit Wind legt Stephen King einen achten Roman seines großen Endzeitepos um den Dunklen Turm vor, bei dem es sich nach eigenem Bekunden um sein wichtigstes Werk handelt. Derzeit befindet sich eine Verfilmung des gesamten Zyklus in der Vorproduktion.
Roland Deschain, der letzte Revolvermann, und seine Gefährten haben den Grünen Palast hinter sich gelassen. Als sie auf dem Pfad des Balkens ins Land Donnerschlag unterwegs sind, zieht ein heftiger Sturm herauf, und sie finden Schutz in einer verlassenen Hütte. Dort erzählt Roland seinen Begleitern, was in seiner Jugend geschah, nachdem er unbeabsichtigt seine Mutter umgebracht hatte: Sein Vater schickte ihn zu einer entlegenen Ranch, wo grausame Morde stattfanden. Alle Anzeichen deuteten auf einen Gestaltwandler als Täter hin, und es gab nur einen Zeugen - einen kleinen Jungen, der jetzt seines Lebens nicht mehr sicher war.
Mit Wind legt Stephen King einen achten Roman seines großen Endzeitepos um den Dunklen Turm vor, bei dem es sich nach eigenem Bekunden um sein wichtigstes Werk handelt. Derzeit befindet sich eine Verfilmung des gesamten Zyklus in der Vorproduktion.
Klappentext zu „Der Dunkle Turm Band 8: Wind “
Ein Sturm zieht aufRoland Deschain, der letzte Revolvermann, und seine Gefährten haben den Grünen Palast hinter sich gelassen. Als sie auf dem Pfad des Balkens ins Land Donnerschlag unterwegs sind, zieht ein heftiger Sturm herauf, und sie finden Schutz in einer verlassenen Hütte. Dort erzählt Roland seinen Begleitern, was in seiner Jugend geschah, nachdem er unbeabsichtigt seine Mutter umgebracht hatte: Sein Vater schickte ihn zu einer entlegenen Ranch, wo grausame Morde stattfanden. Alle Anzeichen deuteten auf einen Gestaltwandler als Täter hin, und es gab nur einen Zeugen - einen kleinen Jungen, der jetzt seines Lebens nicht mehr sicher war.
Mit Wind legt Stephen King einen achten Roman seines grossen Endzeitepos um den Dunklen Turm vor, bei dem es sich nach eigenem Bekunden um sein wichtigstes Werk handelt. Derzeit befindet sich eine Verfilmung des gesamten Zyklus in der Vorproduktion.
Lese-Probe zu „Der Dunkle Turm Band 8: Wind “
Wind von Stephen KingStoßwind
1
... mehr
In den Tagen nachdem sie den Grünen Palast verlassen hatten, der dann doch nicht Oz gewesen war - aber jetzt das Grab eines unangenehmen Zeitgenossen war, den Rolands Ka-Tet als den Ticktackmann kannte -, streifte der Junge Jake immer weiter vor Roland, Eddie und Susannah
umher.
»Machst du dir keine Sorgen um ihn?«, fragte Susannah Roland. »Wenn er dort draußen allein unterwegs ist?«
»Er hat Oy bei sich«, sagte Eddie und meinte damit den Billy-Bumbler, der Jake als seinen speziellen Freund adoptiert hatte. »Mr. Oy kommt mit netten Leuten ja gut aus, aber er zeigt allen, die nicht so nett sind, scharfe Zähne. Wie der widerliche Gasher zu seinem Leidwesen erfahren musste.«
»Außerdem hat er die Pistole seines Vaters«, sagte Roland. »Und er weiß sie zu gebrauchen. Darauf versteht er sich sogar sehr gut. Und er wird den Pfad des Balkens nicht verlassen.« Er zeigte mit seiner verkrüppelten Hand gen Himmel. Die tief hängenden Wolken bewegten sich zwar kaum, zogen aber als ein einzelnes Wolkenband stetig nach Südosten. In Richtung des Landes Donnerschlag, wenn die für sie zurückgelassene Mitteilung des Mannes, der sich selbst mit RF betitelte, die
Wahrheit gesagt hatte.
In Richtung Dunkler Turm.
»Aber warum ...«, begann Susannah, und dann polterte ihr Rollstuhl durch ein Schlagloch. Sie sah sich nach Eddie um. »Pass auf, wohin du mich schiebst, Süßer.«
»Sorry«, sagte Eddie. »Das Straßenbauamt hat die Schnellstraße hier in letzter Zeit irgendwie vernachlässigt. Hat bestimmt ziemlich mit Haushaltskürzungen zu kämpfen.«
Es war keine Schnellstraße, aber immerhin eine Straße - oder einmal eine gewesen: zwei geisterhafte Fahrspuren, entlang denen ab und zu verfallene Hütten standen, die ihren Verlauf bezeichneten. Am Morgen waren sie sogar an einem aufgegebenen Laden mit einem kaum noch lesbaren Schild vorbeigekommen: TOOK'S GEMISCHTWARENHANDLUNG - AUSSENSTELLE. Sie hatten sich dort nach Vorräten umgesehen - Jake und Oy waren noch bei ihnen gewesen -, aber nichts außer Staub, uralten Spinnweben und einem Skelett gefunden, das vermutlich von einem großen Waschbären, einem kleinen Hund oder einem Billy-Bumbler stammte. Oy hatte es fl üchtig beschnüffelt und dann auf die Knochen gepinkelt, bevor er aus dem Laden gelaufen war und sich mit seinem um die Pfoten gekringelten Ringelschwanz auf einen Hügel mitten auf der alten Straße gesetzt hatte. Dort hatte er die Schnauze in die Richtung gestreckt, aus der sie gekommen waren, und geschnüffelt.
Roland hatte den Bumbler schon mehrmals dabei beobachtet, dass er das tat, und sich darüber Gedanken gemacht, auch wenn er zunächst nichts gesagt hatte. Folgte ihnen jemand? Das glaubte er eigentlich nicht, aber die Haltung des Bumblers - Nase hochgereckt, Ohren gespitzt, Schwanz um die Pfoten gerollt - rief irgendeine alte Erinnerung oder Assoziation wach, die er sich nicht ganz ins Gedächtnis zurückrufen konnte.
»Warum will Jake allein sein?«, fragte Susannah.
»Findest du das beunruhigend, Susannah von New York?«, fragte Roland.
»Ja, Roland von Gilead, ich fi nde es beunruhigend.« Sie lächelte durchaus freundlich, aber in ihren Augen glitzerte wieder das alte boshafte Licht. Das war der Detta-Walker-Aspekt ihrer Persönlichkeit, vermutete Roland. Er würde nie ganz verschwinden, aber das bedauerte er nicht. Ohne dass die widersprüchliche Frau, die sie einst gewesen war, weiter wie ein Eissplitter in ihrem Herzen steckte, wäre sie nur eine attraktive Schwarze ohne Beine unterhalb der Knie gewesen. Mit ihr war sie jemand, mit dem man rechnen musste. Eine gefährliche Persönlichkeit. Ein Revolvermann.
»Er hat reichlich Stoff zum Nachdenken«, sagte Eddie ruhig. »Er hat viel durchgemacht. Nicht jedes Kind kehrt von den Toten zurück. Und Roland hat natürlich recht - wenn sich jemand mit ihm anlegt, dürfte dieser Jemand den Kürzeren ziehen.« Eddie hielt den Rollstuhl an, wischte sich mit dem Unterarm Schweiß von der Stirn und sah zu Roland hinüber. »Gibt's in diesem speziellen Vorort von Nirgendwo überhaupt Jemande, Roland? Oder sind die alle weitergezogen?«
»Ein paar gibt es bestimmt, nehme ich an.«
Er nahm es nicht nur an; während sie weiter dem Pfad des Balkens folgten, waren sie mehrmals heimlich beobachtet worden. Einmal von einer Frau, die ihre Arme ängstlich um zwei Kinder gelegt hatte und in einem Wickeltuch einen Säugling trug. Einmal von einem alten Farmer - dem zuckenden Tentakel nach zu urteilen, der ihm von einem Mundwinkel herabhing, ein Halb-Mutie. Eddie und Susannah hatten keinen dieser Leute gesehen oder die anderen gespürt, die nach Rolands Überzeugung, in Hainen oder hohem Gras sicher versteckt, ihr Vorbeiziehen verfolgt hatten. Eddie und Susannah hatten noch viel zu lernen.
Zumindest schienen sie schon einiges Brauchbares gelernt zu haben, denn Eddie fragte jetzt: »Sind es die, die Oy ständig hinter uns wittert?«
»Das weiß ich nicht.« Roland überlegte, ob er hinzufügen solle, Oy gehe bestimmt etwas andres durch seinen merkwürdigen kleinen Bumblerkopf, entschied sich dann aber dagegen. Der Revolvermann hatte lange Jahre allein gelebt. Seine Gedanken für sich zu behalten war ihm zur Gewohnheit geworden. Wenn ihr Ka-Tet stark bleiben sollte, würde er sich das abgewöhnen müssen. Aber nicht jetzt, nicht zu dieser Stunde.
»Kommt, wir wollen weiter«, sagte er. »Bestimmt wartet Jake weiter vorn auf uns.«
2
Zwei Stunden später, kurz vor Mittag, erreichten sie einen Hügelrücken und machten dort halt. Sie blickten auf einen breiten, langsam dahinfließenden Fluss hinunter, der unter dem bewölkten Himmel zinngrau aussah. Am Nordwestufer - auf ihrer Seite des Flusses - stand ein scheunenartiges Gebäude, dessen grelles Grün in den trüben Tag hinausschrie. Die offene Giebelseite ragte auf Pfählen, die im selben grellen Grün gestrichen waren, übers Wasser hinaus. Dort lag, mit dicken Trossen an zwei Pfählen vertäut, ein mindestens 25 mal 25 Meter großes Floß. Es war gelb und rot gestreift. In der Mitte ragte eine hohe Holzstange auf, die eine Art Mast zu sein schien, aber das dazugehörige Segel war nirgends zu sehen. Dem Ufer zugewandt, standen mehrere Korbsessel davor. In einem davon saß Jake. Neben ihm saß ein alter Mann, der einen breitkrempigen Strohhut, weite grüne Hosen und hohe Schaftstiefel trug. Sein Oberkörper war lediglich mit einem dünnen weißen Kleidungsstück bedeckt - eine Art Trägerunterhemd, die Roland als Slinkum bezeichnete. Jake und der Alte aßen irgendwelche gefüllten Popkins. Roland lief das Wasser im Mund zusammen. Oy saß hinter ihnen am Rand des zirkusartig bunten Fahrzeugs und starrte fasziniert sein Spiegelbild im Wasser an. Vielleicht auch das Spiegelbild des Drahtseils, das über ihnen den Fluss überspannte. Susannah wandte sich an Roland. »Ist das der Whye?«
»Yar.«
Eddie grinste. »Du sagst Whye; ich sage Whye Not?«
Er hob eine Hand und schwenkte sie über dem Kopf.
»Jake! He, Jake! Oy!«
Jake winkte seinerseits. Der Fluss und das an seinem Ufer vertäute Floß waren noch ein paar Hundert Meter entfernt, aber alle hatten die gleichen scharfen Augen und konnten deshalb die Zähne des Jungen beim Lächeln weiß aufblitzen sehen.
Susannah legte beide Hände an den Mund. »Oy! Oy! Komm zu mir, Süßer! Komm zu deiner Mama!«
Mit einem schrillen Jaulen, das ein Bellen imitieren sollte, flitzte Oy über das Floß. Er verschwand in dem scheunenartigen Gebäude und kam auf ihrer Seite wieder zum Vorschein. Mit angelegten Ohren und glänzenden goldgeränderten Augen kam er den Weg heraufgerast.
»Langsamer, Schatz, sonst trifft dich der Schlag!«, rief Susannah lachend.
Oy schien das als Aufforderung zu verstehen, sein Tempo noch zu steigern. In weniger als zwei Minuten erreichte er Susannahs Rollstuhl und war mit einem Satz auf ihrem Schoß. Gleich darauf sprang er wieder zu Boden und sah vergnügt zu ihnen auf. »Olan! Ed! Suze!«
»Heil, Sir Throcken«, sagte Roland, der das alte Wort für Bumbler gebrauchte, das er erstmals gehört hatte, als seine Mutter ihm das Buch Der Throcken und der Drache vorgelesen hatte.
Oy hob ein Bein, bewässerte ein Grasbüschel, setzte sich dann wieder, blickte in die Richtung, aus der sie gekommen waren, schnüffelte in die Luft und ließ den Horizont nicht aus den Augen.
»Wieso macht er das dauernd, Roland?«, fragte Eddie.
»Weiß ich nicht.« Aber er wusste es beinahe. Stand da nicht etwas in irgendeiner alten Geschichte, nicht in Der Throcken und der Drache, aber in einer ziemlich ähnlichen? Roland war so. Er dachte flüchtig an grüne Augen, die aus dem Dunkel lugten, und empfand einen leichten Schauder - nicht direkt aus Angst (obwohl auch die eine Rolle spielen mochte), sondern einer Erinnerung wegen. Dann war der Augenblick vorüber.
Es wird Wasser geben, so Gott will, dachte er und merkte erst, dass er laut gesprochen hatte, als Eddie verständnislos »Hä?« sagte.
»Schon gut«, sagte Roland. »Ich schlage vor, wir halten mit Jakes neuem Freund ein kleines Palaver ab. Vielleicht hat er sogar ein paar Popkins übrig.«
Eddie, der ihr zähes Grundnahrungsmittel, das sie Revolvermann- Burritos nannten, satthatte, war sofort besser gelaunt. »Teufel, yeah«, sagte er und sah auf eine imaginäre Uhr an seinem gebräunten Handgelenk. »Du meine Güte, wie ich sehe, ist gerade Fresszeit.«
»Halt einfach die Klappe, und schieb, Schätzchen«, sagte Susannah.
Eddie hielt die Klappe und schob.
3
Der Alte hatte gesessen, als sie ins Bootshaus kamen, empfing sie aber stehend, als sie auf der anderen Seite auf den Steg hinaustraten. Er besah sich Rolands und Eddies Waffen - schwere Revolver mit Sandelholzgriffen - mit großen Augen. Er ließ sich auf ein Knie sinken. Es war so still, dass Roland tatsächlich die Gelenke des Alten knacken hörte.
»Heil, Revolvermann«, sagte er und legte eine von Arthritis geschwollene Hand an die Stirn. »Ich grüße dich.«
»Erhebe dich, Freund«, sagte Roland, der nur hoffen konnte, dass der Alte wirklich ein Freund war - Jake jedenfalls schien es zu glauben, und Roland hatte gelernt, auf dessen Instinkt zu vertrauen. Von dem des Billy-Bumblers ganz abgesehen. »Erhebe dich.«
Der Alte hatte beim Aufstehen Mühe, weshalb Eddie an Bord sprang und ihn unter dem Arm stützte.
»Dank dir, Sohn, dank dir. Bist du auch ein Revolvermann oder noch Lehrling?«
Eddie sah zu Roland hinüber. Als von Roland nichts kam, erwiderte er den Blick des Alten, zuckte die Achseln und grinste. »Irgendwie ein bisschen beides. Ich bin Eddie Dean von New York. Das hier ist meine Frau Susannah. Und das hier ist Roland Deschain. Von Gilead.«
Der alte Flößer riss die Augen noch weiter auf. »Aus dem Gilead von einst? Sagst du das?«
»Aus dem Gilead von einst«, bestätigte Roland und fühlte ungewohnten Kummer aus seinem Herzen aufsteigen. Die Zeit war ein Gesicht auf dem Wasser, und sie tat wie der Strom vor ihnen nichts, als zu fließen.
»Dann kommt an Bord. Und seid willkommen. Dieser junge Mann und ich sind schon gute Freunde, das sind wir.« Als Oy das große Floß betrat, beugte der Alte sich hinunter, um den hochgereckten Kopf des Bumblers zu streicheln. »Und das sind auch wir, nicht wahr, kleiner Kerl? Weißt du meinen Namen noch?«
»Bix!«, sagte Oy prompt, dann drehte er sich in die Richtung, aus der sie gekommen waren, und hob die Schnauze. Seine goldgeränderten Augen starrten wie gebannt die Wolkenstraße an, die den Pfad des Balkens bezeichnete.
4
»Wollt ihr mithalten?«, fragte Bix sie. »Was ich habe, ist kümmerlich und bescheiden, aber ich will mein Weniges gern mit euch teilen.«
»Danke, gern«, sagte Susannah. Sie sah zu dem Drahtseil auf, das den Fluss schräg überspannte. »Das hier ist eine Fähre, oder?«
»Yeah«, sagte Jake. »Bix hat mir erzählt, dass drüben am anderen Ufer Leute wohnen. Nicht nahe, aber auch nicht weit entfernt. Er glaubt, dass sie Reisfarmer sind, allerdings kommen sie nicht oft hierher.«
Bix trat von dem großen Floß auf den Steg und verschwand im Bootshaus. Eddie wartete, bis sie den Alten herumkramen hörten, dann beugte er sich zu Jake hinüber und fragte ihn leise: »Ist er in Ordnung?«
»Ziemlich«, sagte Jake. »Freut sich darauf, jemand rüberbringen zu können. Das letzte Mal liegt Jahre zurück, sagt er.«
»Darauf würde ich wetten«, stimmte Eddie zu.
Bix kam mit einem Weidenkorb zurück, den Roland ihm sofort abnahm - sonst wäre der Alte womöglich damit ins Wasser geplumpst. Bald saßen sie alle in den Korbsesseln und mampften Popkins, die mit rosa Fischfleisch gefüllt waren. Es war gewürzt und schmeckte köstlich.
»Esst nach Herzenslust«, sagte Bix. »Der Fluss ist voller Shannies, und die meisten weisen keine Mutationen auf. Das gilt hier im Äußeren für fast alle Lebewesen. Die Muties werfe ich zurück. Früher waren wir angewiesen, die schlechten ans Ufer zu werfen, damit sie sich nicht weiter vermehren können, und ich hab's auch eine Zeit lang getan, aber jetzt ...« Er zuckte die Achseln. »Leben und leben lassen, sag ich mir. Als jemand, der selbst lange gelebt hat, fi nd ich, dass ich das sagen darf.«
»Wie alt bist du denn?«, fragte Jake.
»Ich bin vor ziemlich langer Zeit hundertzwanzig geworden, aber seither bin ich beim Zählen durcheinandergeraten, das bin ich. Auf dieser Seite der Tür ist die Zeit kurz, müsst ihr wissen.«
Auf dieser Seite der Tür. Wieder zupfte die Erinnerung an irgendeine alte Geschichte an Roland, verschwand aber wieder genauso schnell.
»Folgt ihr dem da ...?« Der Alte deutete auf das dahinziehende Wolkenband.
»Das tun wir.«
»Zu den Callas oder noch weiter?«
»Weiter.«
»Ins große Dunkel?« Bei dieser Vorstellung wirkte Bix besorgt und fasziniert zugleich.
»Wir gehen unseren Weg«, sagte Roland. »Was verlangst du fürs Übersetzen, Sai Fährmann?«
Bix lachte. Sein brüchiges Lachen klang vergnügt.
»Geld nutzt nichts, wenn man es nicht ausgeben kann. Ihr habt kein Vieh, und dass ich mehr zu essen habe als ihr, ist klar wie der lichte Tag. Und ihr könntet eure Waffen ziehen und mich zwingen, euch überzusetzen.«
»Niemals!«, sagte Susannah sichtlich schockiert.
»Das weiß ich«, sagte Bix mit einer beruhigenden Handbewegung. »Verwüster täten's vielleicht - und würden noch dazu meine Fähre verbrennen, sobald sie drüben wären -, aber wahre Revolvermänner niemals. Und ihre Frauen ebenfalls nicht. Du scheinst nicht bewaffnet zu sein, Missus, aber bei Frauen weiß man das ja nie.«
Susannah quittierte das mit einem schmallippigen Lächeln, ging aber sonst nicht weiter darauf ein.
Bix wandte sich an Roland. »Mir scheint, ihr kommt aus Lud. Erzählt mir, wie die Dinge dort stehen. Das war nämlich eine wundervolle Stadt, das war es. Schon damals heruntergekommen und immer befremdlicher, aber trotzdem herrlich.«
Die vier wechselten einen Blick, der als Ausdruck ihrer besonderen Telepathie völlig an-tet war. Zugleich verdüsterte ihn Shume - ein altes Wort aus Mittwelt, das Scham, aber auch Kummer bedeuten konnte.
»Was?«, fragte Bix. »Was hab ich gesagt? Wenn ich um was Ungehöriges gebeten habe, so erfl ehe ich eure Verzeihung.«
»Durchaus nicht«, sagte Roland. »Aber Lud ...«
»Lud ist nichts als Staub im Wind«, sagte Susannah.
»Na ja«, sagte Eddie. »Nicht gerade Staub.«
»Asche«, sagte Jake. »Und zwar Asche, die im Dunkeln leuchtet.«
Bix wurde nachdenklich, schließlich nickte er bedächtig. »Ich möchte es trotzdem hören - oder wenigstens so viel, wie ihr in einer Stunde erzählen könnt. Ungefähr so lange dauert die Überfahrt.«
Übersetzung: Wulf Bergner
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München
In den Tagen nachdem sie den Grünen Palast verlassen hatten, der dann doch nicht Oz gewesen war - aber jetzt das Grab eines unangenehmen Zeitgenossen war, den Rolands Ka-Tet als den Ticktackmann kannte -, streifte der Junge Jake immer weiter vor Roland, Eddie und Susannah
umher.
»Machst du dir keine Sorgen um ihn?«, fragte Susannah Roland. »Wenn er dort draußen allein unterwegs ist?«
»Er hat Oy bei sich«, sagte Eddie und meinte damit den Billy-Bumbler, der Jake als seinen speziellen Freund adoptiert hatte. »Mr. Oy kommt mit netten Leuten ja gut aus, aber er zeigt allen, die nicht so nett sind, scharfe Zähne. Wie der widerliche Gasher zu seinem Leidwesen erfahren musste.«
»Außerdem hat er die Pistole seines Vaters«, sagte Roland. »Und er weiß sie zu gebrauchen. Darauf versteht er sich sogar sehr gut. Und er wird den Pfad des Balkens nicht verlassen.« Er zeigte mit seiner verkrüppelten Hand gen Himmel. Die tief hängenden Wolken bewegten sich zwar kaum, zogen aber als ein einzelnes Wolkenband stetig nach Südosten. In Richtung des Landes Donnerschlag, wenn die für sie zurückgelassene Mitteilung des Mannes, der sich selbst mit RF betitelte, die
Wahrheit gesagt hatte.
In Richtung Dunkler Turm.
»Aber warum ...«, begann Susannah, und dann polterte ihr Rollstuhl durch ein Schlagloch. Sie sah sich nach Eddie um. »Pass auf, wohin du mich schiebst, Süßer.«
»Sorry«, sagte Eddie. »Das Straßenbauamt hat die Schnellstraße hier in letzter Zeit irgendwie vernachlässigt. Hat bestimmt ziemlich mit Haushaltskürzungen zu kämpfen.«
Es war keine Schnellstraße, aber immerhin eine Straße - oder einmal eine gewesen: zwei geisterhafte Fahrspuren, entlang denen ab und zu verfallene Hütten standen, die ihren Verlauf bezeichneten. Am Morgen waren sie sogar an einem aufgegebenen Laden mit einem kaum noch lesbaren Schild vorbeigekommen: TOOK'S GEMISCHTWARENHANDLUNG - AUSSENSTELLE. Sie hatten sich dort nach Vorräten umgesehen - Jake und Oy waren noch bei ihnen gewesen -, aber nichts außer Staub, uralten Spinnweben und einem Skelett gefunden, das vermutlich von einem großen Waschbären, einem kleinen Hund oder einem Billy-Bumbler stammte. Oy hatte es fl üchtig beschnüffelt und dann auf die Knochen gepinkelt, bevor er aus dem Laden gelaufen war und sich mit seinem um die Pfoten gekringelten Ringelschwanz auf einen Hügel mitten auf der alten Straße gesetzt hatte. Dort hatte er die Schnauze in die Richtung gestreckt, aus der sie gekommen waren, und geschnüffelt.
Roland hatte den Bumbler schon mehrmals dabei beobachtet, dass er das tat, und sich darüber Gedanken gemacht, auch wenn er zunächst nichts gesagt hatte. Folgte ihnen jemand? Das glaubte er eigentlich nicht, aber die Haltung des Bumblers - Nase hochgereckt, Ohren gespitzt, Schwanz um die Pfoten gerollt - rief irgendeine alte Erinnerung oder Assoziation wach, die er sich nicht ganz ins Gedächtnis zurückrufen konnte.
»Warum will Jake allein sein?«, fragte Susannah.
»Findest du das beunruhigend, Susannah von New York?«, fragte Roland.
»Ja, Roland von Gilead, ich fi nde es beunruhigend.« Sie lächelte durchaus freundlich, aber in ihren Augen glitzerte wieder das alte boshafte Licht. Das war der Detta-Walker-Aspekt ihrer Persönlichkeit, vermutete Roland. Er würde nie ganz verschwinden, aber das bedauerte er nicht. Ohne dass die widersprüchliche Frau, die sie einst gewesen war, weiter wie ein Eissplitter in ihrem Herzen steckte, wäre sie nur eine attraktive Schwarze ohne Beine unterhalb der Knie gewesen. Mit ihr war sie jemand, mit dem man rechnen musste. Eine gefährliche Persönlichkeit. Ein Revolvermann.
»Er hat reichlich Stoff zum Nachdenken«, sagte Eddie ruhig. »Er hat viel durchgemacht. Nicht jedes Kind kehrt von den Toten zurück. Und Roland hat natürlich recht - wenn sich jemand mit ihm anlegt, dürfte dieser Jemand den Kürzeren ziehen.« Eddie hielt den Rollstuhl an, wischte sich mit dem Unterarm Schweiß von der Stirn und sah zu Roland hinüber. »Gibt's in diesem speziellen Vorort von Nirgendwo überhaupt Jemande, Roland? Oder sind die alle weitergezogen?«
»Ein paar gibt es bestimmt, nehme ich an.«
Er nahm es nicht nur an; während sie weiter dem Pfad des Balkens folgten, waren sie mehrmals heimlich beobachtet worden. Einmal von einer Frau, die ihre Arme ängstlich um zwei Kinder gelegt hatte und in einem Wickeltuch einen Säugling trug. Einmal von einem alten Farmer - dem zuckenden Tentakel nach zu urteilen, der ihm von einem Mundwinkel herabhing, ein Halb-Mutie. Eddie und Susannah hatten keinen dieser Leute gesehen oder die anderen gespürt, die nach Rolands Überzeugung, in Hainen oder hohem Gras sicher versteckt, ihr Vorbeiziehen verfolgt hatten. Eddie und Susannah hatten noch viel zu lernen.
Zumindest schienen sie schon einiges Brauchbares gelernt zu haben, denn Eddie fragte jetzt: »Sind es die, die Oy ständig hinter uns wittert?«
»Das weiß ich nicht.« Roland überlegte, ob er hinzufügen solle, Oy gehe bestimmt etwas andres durch seinen merkwürdigen kleinen Bumblerkopf, entschied sich dann aber dagegen. Der Revolvermann hatte lange Jahre allein gelebt. Seine Gedanken für sich zu behalten war ihm zur Gewohnheit geworden. Wenn ihr Ka-Tet stark bleiben sollte, würde er sich das abgewöhnen müssen. Aber nicht jetzt, nicht zu dieser Stunde.
»Kommt, wir wollen weiter«, sagte er. »Bestimmt wartet Jake weiter vorn auf uns.«
2
Zwei Stunden später, kurz vor Mittag, erreichten sie einen Hügelrücken und machten dort halt. Sie blickten auf einen breiten, langsam dahinfließenden Fluss hinunter, der unter dem bewölkten Himmel zinngrau aussah. Am Nordwestufer - auf ihrer Seite des Flusses - stand ein scheunenartiges Gebäude, dessen grelles Grün in den trüben Tag hinausschrie. Die offene Giebelseite ragte auf Pfählen, die im selben grellen Grün gestrichen waren, übers Wasser hinaus. Dort lag, mit dicken Trossen an zwei Pfählen vertäut, ein mindestens 25 mal 25 Meter großes Floß. Es war gelb und rot gestreift. In der Mitte ragte eine hohe Holzstange auf, die eine Art Mast zu sein schien, aber das dazugehörige Segel war nirgends zu sehen. Dem Ufer zugewandt, standen mehrere Korbsessel davor. In einem davon saß Jake. Neben ihm saß ein alter Mann, der einen breitkrempigen Strohhut, weite grüne Hosen und hohe Schaftstiefel trug. Sein Oberkörper war lediglich mit einem dünnen weißen Kleidungsstück bedeckt - eine Art Trägerunterhemd, die Roland als Slinkum bezeichnete. Jake und der Alte aßen irgendwelche gefüllten Popkins. Roland lief das Wasser im Mund zusammen. Oy saß hinter ihnen am Rand des zirkusartig bunten Fahrzeugs und starrte fasziniert sein Spiegelbild im Wasser an. Vielleicht auch das Spiegelbild des Drahtseils, das über ihnen den Fluss überspannte. Susannah wandte sich an Roland. »Ist das der Whye?«
»Yar.«
Eddie grinste. »Du sagst Whye; ich sage Whye Not?«
Er hob eine Hand und schwenkte sie über dem Kopf.
»Jake! He, Jake! Oy!«
Jake winkte seinerseits. Der Fluss und das an seinem Ufer vertäute Floß waren noch ein paar Hundert Meter entfernt, aber alle hatten die gleichen scharfen Augen und konnten deshalb die Zähne des Jungen beim Lächeln weiß aufblitzen sehen.
Susannah legte beide Hände an den Mund. »Oy! Oy! Komm zu mir, Süßer! Komm zu deiner Mama!«
Mit einem schrillen Jaulen, das ein Bellen imitieren sollte, flitzte Oy über das Floß. Er verschwand in dem scheunenartigen Gebäude und kam auf ihrer Seite wieder zum Vorschein. Mit angelegten Ohren und glänzenden goldgeränderten Augen kam er den Weg heraufgerast.
»Langsamer, Schatz, sonst trifft dich der Schlag!«, rief Susannah lachend.
Oy schien das als Aufforderung zu verstehen, sein Tempo noch zu steigern. In weniger als zwei Minuten erreichte er Susannahs Rollstuhl und war mit einem Satz auf ihrem Schoß. Gleich darauf sprang er wieder zu Boden und sah vergnügt zu ihnen auf. »Olan! Ed! Suze!«
»Heil, Sir Throcken«, sagte Roland, der das alte Wort für Bumbler gebrauchte, das er erstmals gehört hatte, als seine Mutter ihm das Buch Der Throcken und der Drache vorgelesen hatte.
Oy hob ein Bein, bewässerte ein Grasbüschel, setzte sich dann wieder, blickte in die Richtung, aus der sie gekommen waren, schnüffelte in die Luft und ließ den Horizont nicht aus den Augen.
»Wieso macht er das dauernd, Roland?«, fragte Eddie.
»Weiß ich nicht.« Aber er wusste es beinahe. Stand da nicht etwas in irgendeiner alten Geschichte, nicht in Der Throcken und der Drache, aber in einer ziemlich ähnlichen? Roland war so. Er dachte flüchtig an grüne Augen, die aus dem Dunkel lugten, und empfand einen leichten Schauder - nicht direkt aus Angst (obwohl auch die eine Rolle spielen mochte), sondern einer Erinnerung wegen. Dann war der Augenblick vorüber.
Es wird Wasser geben, so Gott will, dachte er und merkte erst, dass er laut gesprochen hatte, als Eddie verständnislos »Hä?« sagte.
»Schon gut«, sagte Roland. »Ich schlage vor, wir halten mit Jakes neuem Freund ein kleines Palaver ab. Vielleicht hat er sogar ein paar Popkins übrig.«
Eddie, der ihr zähes Grundnahrungsmittel, das sie Revolvermann- Burritos nannten, satthatte, war sofort besser gelaunt. »Teufel, yeah«, sagte er und sah auf eine imaginäre Uhr an seinem gebräunten Handgelenk. »Du meine Güte, wie ich sehe, ist gerade Fresszeit.«
»Halt einfach die Klappe, und schieb, Schätzchen«, sagte Susannah.
Eddie hielt die Klappe und schob.
3
Der Alte hatte gesessen, als sie ins Bootshaus kamen, empfing sie aber stehend, als sie auf der anderen Seite auf den Steg hinaustraten. Er besah sich Rolands und Eddies Waffen - schwere Revolver mit Sandelholzgriffen - mit großen Augen. Er ließ sich auf ein Knie sinken. Es war so still, dass Roland tatsächlich die Gelenke des Alten knacken hörte.
»Heil, Revolvermann«, sagte er und legte eine von Arthritis geschwollene Hand an die Stirn. »Ich grüße dich.«
»Erhebe dich, Freund«, sagte Roland, der nur hoffen konnte, dass der Alte wirklich ein Freund war - Jake jedenfalls schien es zu glauben, und Roland hatte gelernt, auf dessen Instinkt zu vertrauen. Von dem des Billy-Bumblers ganz abgesehen. »Erhebe dich.«
Der Alte hatte beim Aufstehen Mühe, weshalb Eddie an Bord sprang und ihn unter dem Arm stützte.
»Dank dir, Sohn, dank dir. Bist du auch ein Revolvermann oder noch Lehrling?«
Eddie sah zu Roland hinüber. Als von Roland nichts kam, erwiderte er den Blick des Alten, zuckte die Achseln und grinste. »Irgendwie ein bisschen beides. Ich bin Eddie Dean von New York. Das hier ist meine Frau Susannah. Und das hier ist Roland Deschain. Von Gilead.«
Der alte Flößer riss die Augen noch weiter auf. »Aus dem Gilead von einst? Sagst du das?«
»Aus dem Gilead von einst«, bestätigte Roland und fühlte ungewohnten Kummer aus seinem Herzen aufsteigen. Die Zeit war ein Gesicht auf dem Wasser, und sie tat wie der Strom vor ihnen nichts, als zu fließen.
»Dann kommt an Bord. Und seid willkommen. Dieser junge Mann und ich sind schon gute Freunde, das sind wir.« Als Oy das große Floß betrat, beugte der Alte sich hinunter, um den hochgereckten Kopf des Bumblers zu streicheln. »Und das sind auch wir, nicht wahr, kleiner Kerl? Weißt du meinen Namen noch?«
»Bix!«, sagte Oy prompt, dann drehte er sich in die Richtung, aus der sie gekommen waren, und hob die Schnauze. Seine goldgeränderten Augen starrten wie gebannt die Wolkenstraße an, die den Pfad des Balkens bezeichnete.
4
»Wollt ihr mithalten?«, fragte Bix sie. »Was ich habe, ist kümmerlich und bescheiden, aber ich will mein Weniges gern mit euch teilen.«
»Danke, gern«, sagte Susannah. Sie sah zu dem Drahtseil auf, das den Fluss schräg überspannte. »Das hier ist eine Fähre, oder?«
»Yeah«, sagte Jake. »Bix hat mir erzählt, dass drüben am anderen Ufer Leute wohnen. Nicht nahe, aber auch nicht weit entfernt. Er glaubt, dass sie Reisfarmer sind, allerdings kommen sie nicht oft hierher.«
Bix trat von dem großen Floß auf den Steg und verschwand im Bootshaus. Eddie wartete, bis sie den Alten herumkramen hörten, dann beugte er sich zu Jake hinüber und fragte ihn leise: »Ist er in Ordnung?«
»Ziemlich«, sagte Jake. »Freut sich darauf, jemand rüberbringen zu können. Das letzte Mal liegt Jahre zurück, sagt er.«
»Darauf würde ich wetten«, stimmte Eddie zu.
Bix kam mit einem Weidenkorb zurück, den Roland ihm sofort abnahm - sonst wäre der Alte womöglich damit ins Wasser geplumpst. Bald saßen sie alle in den Korbsesseln und mampften Popkins, die mit rosa Fischfleisch gefüllt waren. Es war gewürzt und schmeckte köstlich.
»Esst nach Herzenslust«, sagte Bix. »Der Fluss ist voller Shannies, und die meisten weisen keine Mutationen auf. Das gilt hier im Äußeren für fast alle Lebewesen. Die Muties werfe ich zurück. Früher waren wir angewiesen, die schlechten ans Ufer zu werfen, damit sie sich nicht weiter vermehren können, und ich hab's auch eine Zeit lang getan, aber jetzt ...« Er zuckte die Achseln. »Leben und leben lassen, sag ich mir. Als jemand, der selbst lange gelebt hat, fi nd ich, dass ich das sagen darf.«
»Wie alt bist du denn?«, fragte Jake.
»Ich bin vor ziemlich langer Zeit hundertzwanzig geworden, aber seither bin ich beim Zählen durcheinandergeraten, das bin ich. Auf dieser Seite der Tür ist die Zeit kurz, müsst ihr wissen.«
Auf dieser Seite der Tür. Wieder zupfte die Erinnerung an irgendeine alte Geschichte an Roland, verschwand aber wieder genauso schnell.
»Folgt ihr dem da ...?« Der Alte deutete auf das dahinziehende Wolkenband.
»Das tun wir.«
»Zu den Callas oder noch weiter?«
»Weiter.«
»Ins große Dunkel?« Bei dieser Vorstellung wirkte Bix besorgt und fasziniert zugleich.
»Wir gehen unseren Weg«, sagte Roland. »Was verlangst du fürs Übersetzen, Sai Fährmann?«
Bix lachte. Sein brüchiges Lachen klang vergnügt.
»Geld nutzt nichts, wenn man es nicht ausgeben kann. Ihr habt kein Vieh, und dass ich mehr zu essen habe als ihr, ist klar wie der lichte Tag. Und ihr könntet eure Waffen ziehen und mich zwingen, euch überzusetzen.«
»Niemals!«, sagte Susannah sichtlich schockiert.
»Das weiß ich«, sagte Bix mit einer beruhigenden Handbewegung. »Verwüster täten's vielleicht - und würden noch dazu meine Fähre verbrennen, sobald sie drüben wären -, aber wahre Revolvermänner niemals. Und ihre Frauen ebenfalls nicht. Du scheinst nicht bewaffnet zu sein, Missus, aber bei Frauen weiß man das ja nie.«
Susannah quittierte das mit einem schmallippigen Lächeln, ging aber sonst nicht weiter darauf ein.
Bix wandte sich an Roland. »Mir scheint, ihr kommt aus Lud. Erzählt mir, wie die Dinge dort stehen. Das war nämlich eine wundervolle Stadt, das war es. Schon damals heruntergekommen und immer befremdlicher, aber trotzdem herrlich.«
Die vier wechselten einen Blick, der als Ausdruck ihrer besonderen Telepathie völlig an-tet war. Zugleich verdüsterte ihn Shume - ein altes Wort aus Mittwelt, das Scham, aber auch Kummer bedeuten konnte.
»Was?«, fragte Bix. »Was hab ich gesagt? Wenn ich um was Ungehöriges gebeten habe, so erfl ehe ich eure Verzeihung.«
»Durchaus nicht«, sagte Roland. »Aber Lud ...«
»Lud ist nichts als Staub im Wind«, sagte Susannah.
»Na ja«, sagte Eddie. »Nicht gerade Staub.«
»Asche«, sagte Jake. »Und zwar Asche, die im Dunkeln leuchtet.«
Bix wurde nachdenklich, schließlich nickte er bedächtig. »Ich möchte es trotzdem hören - oder wenigstens so viel, wie ihr in einer Stunde erzählen könnt. Ungefähr so lange dauert die Überfahrt.«
Übersetzung: Wulf Bergner
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München
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Autoren-Porträt von Stephen King
King, StephenStephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Bislang haben sich seine Bücher weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk bekam er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk und 2015 mit dem Edgar Allan Poe Award den bedeutendsten kriminalliterarischen Preis für Mr. Mercedes. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn zudem mit der National Medal of Arts. 2018 erhielt er den PEN America Literary Service Award für sein Wirken, gegen jedwede Art von Unterdrückung aufzubegehren und die hohen Werte der Humanität zu verteidigen.Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag.
Bibliographische Angaben
- Autor: Stephen King
- 2012, 413 Seiten, Masse: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Aus d. Amerikan. v. Bergner, Wulf
- Übersetzer: Wulf Bergner
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 345326794X
- ISBN-13: 9783453267947
- Erscheinungsdatum: 10.09.2012
Rezension zu „Der Dunkle Turm Band 8: Wind “
"King erzählt gewohnt souverän. Die Figuren leben auf, Lesers Kopf wird zum Kino."
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