Der Chirurg von Campodios
Ein buntes, prächtiges Lesevergnügen, nicht nur für Fans des ''Wanderchirurgen'', mit dem Wolf Serno einen Bestseller landete. Sein Held, Vitus von Campodios, muss nun Ozeane überqueren, um seine grosse Liebe zu finden.
England im 16. Jahrhundert: Der...
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Ein buntes, prächtiges Lesevergnügen, nicht nur für Fans des ''Wanderchirurgen'', mit dem Wolf Serno einen Bestseller landete. Sein Held, Vitus von Campodios, muss nun Ozeane überqueren, um seine grosse Liebe zu finden.
England im 16. Jahrhundert: Der Medicus Vitus hat endlich seine Verwandten gefunden. Aber sein Glück währt nicht lange: Er muss die schöne Arlette, an die er sein Herz verloren hat, finden. Ihre Spur führt in die Neue Welt und so tritt Vitus eine Reise als Schiffsarzt an. Doch auf dem Ozean lauern tödliche Krankheiten und grausame Piraten.
''Dramatische Liebesgeschichte mit Tiefgang.''
Freundin
Der Chirurgie von Campodios von Wolf Serno
LESEPROBE
DER STEUERMANN ÓMOGHRÁIN
»Nehmen wir an, eineKriegsgaleone wäre eine heranrauschende, vor Schmuck starrende adlige Dame mitherablassendem Gehabe und spitzer Zunge, dann wäre unsere Gallanteine derbe, gutmütige Magd, zwar in abgerissener Kleidung, aber fleissig,tüchtig und mit festem Kern ...«
Gott gebe, dass Barks nicht die Himbeerkrankheit hat«, seufzte Vitus. Erstand mit dem Magister in einer abgeteilten Ecke des Mannschaftslogis undbetrachtete den Koch, der in eine Decke gewickelt zu seinen Füssen lag. DasFieber des Mannes hatte in den letzten Tagen zwar nachgelassen, was auch derGrund gewesen war, warum man ihn in Funchal nicht anLand geschafft hatte, doch kurz darauf waren bei ihm im Gesicht unzähligekleiner himbeerfarbener Pusteln aufgetaucht. Eine Untersuchung des Oberkörpersund der Arme hatte ergeben, dass die Läsion sich auchhier schon ausbreitete. Vitus wandte sich ab, so dass der Kranke ihn nichthörte. »Ich könnte es nicht ertragen, wenn hier schon wieder ein hoffnungsloserFall vorläge.« In der Tat war Atkins,einer der beiden Fieberkranken, noch vor ihrer Ankunft in Funchalseinem Leiden erlegen, was Stout, dem es zu jenemZeitpunkt schon wieder blendend ging, zum Anlass genommen hatte, diesterblichen Überreste des Mannes möglichst rasch der See zu übergeben. DieBitte des Decksmannes Ambrosius, für die Seele desVerstorbenen eine Bibelstunde abhalten zu dürfen, war abschlägig beschiedenworden. Der Geizhals, dem es darum ging, möglichst wenig Zeit zu verlieren,hatte die Sache selbst in die Hand genommen und wie folgt gesprochen:
»Es umfingen mich desTodes Bande und die Fluten des Verderbens erschreckten mich. Des TotenreichsBande umfingen mich, und des Todes Stricke überwältigten mich. Als mir Angst war, rief ich den Herrn an und schrie zu meinem Gott.Da erhörte er meine Stimme von seinem Tempel und gab mir Frieden. Wir übergebenDir, oh Herr, die Seele des Matrosen Atkins und betendarum, dass Du ihm das ewige Leben bescheren mögest. Amen.«
Wie immer hatte Stout sich einePassage aus den Psalmen herausgesucht, wo sich für nahezu jedes Stichwort undjeden Anlass ein paar fromme Sätze fanden. Der andere Fieberkranke, ein Mannnamens Ellis, war bereits genesen, und das, obwohl Vitus alle Anzeichen desSchwarzen Erbrechens an ihm konstatiert hatte. Es war tröstlich zu wissen, dassdiese als tödlich geltende Geissel nicht zwangsläufig zum Exitus führte. »Erzählmir mehr über die Himbeerkrankheit«, bat der Magister. »Ist sie incurabilis?« Vitus entgegnete:»Die Frambösie, wie die Krankheit nach demfranzösischen framboise für Himbeere auch genanntwird, ist eine ansteckende Hautkrankheit, die ursprünglich aus Neu-Spanienstammt. Aus diesem Grund finde ich über sie leider nichts in meinem SammelwerkDe morbis. So viel allerdings ist bekannt: DieHimbeerkrankheit verläuft, ähnlich wie die Syphilis, in mehreren Stadien,welche sich über Jahre hinziehen können. Weil das so ist, vermute ich, wird fürsie dieselbe Therapie empfohlen wie für die Syphilis - nämlich regelmässigeQuecksilberschmierungen. Wenn ich es richtig sehe, leidet der Koch schon längeran Frambösie und hatte überdies das Pech, sich auchnoch eine Fieberkrankheit zuzuziehen. Vielleicht hat er beides, die Himbeerkrankheitund das Fieber, aus Neu-Spanien mitgebracht. Aber egal wie: Höchste Vorsichtist geboten.« »Verstehe. Nur gut, dass du den Mann,ähnlich wie die beiden Fieberkranken, vom ersten Augenblick an von den anderengetrennt hast. Möchte nicht wissen, wer alles sich sonst schon angesteckt hätte.« »Pssst, nicht so laut,Magister! Matrosen haben vor nichts auf der Welt so viel Angst wie vor Syphilisund ansteckendem Fieber. Und nun komm, die anderen Patienten warten.« Ein mitleidiger Blick streifte noch einmal den Kranken.Laut sagte Vitus: »Kopf hoch, Barks, nimm nur weiterdas Kantharidin und lass dir reichlich Frischwassergeben, so viel du trinken kannst. Jetzt, nach unserem Funchal-Aufenthalt,dürfte ja genügend vorhanden sein.« Barks murmelte etwas Unverständliches und wickelte sichfester in seine Decke. »So, und nun wollen wir mal sehen, was unsereAlltagsfälle machen.« Vitus ging, den Magister imKielwasser, zur anderen Seite der Mannschaftsunterkunft, wo schon eine Schlangegeduldig dreinblickender Männer seiner harrte.
Die Matrosen waren, wie alle Matrosen dieser Welt, für jedeUnterbrechung ihres eintönigen, harten Dienstes dankbar, selbst auf die Gefahrhin, bei der Behandlung ihrer Zipperlein Schmerzen ertragen zu müssen. Miteiniger Zufriedenheit stellte Vitus fest, dass die Männer, wie alle anderenauch, gesundheitlich einen besseren Eindruck machten als noch vor wenigenWochen. Es hatte sich gelohnt, dass er in Funchal aufeigene Kosten Gemüse und Fleisch an Bord bringen liess - die Farbe in ihrenGesichtern, das fester gewordene Zahnfleisch und das Verschwinden der Hämatomebewiesen es. »Was macht dein Ekzem, Robson?«, fragte er den ersten Mann in der Reihe. »Ach, s gehtso, Cirurgicus.« Der Matrosestreckte seinen rechten Unterarm vor, dessen Haut auf ganzer Länge rau, rot undrissig aussah. »Juckt es noch so stark?« »Hmja, Sir, vielleicht ist s n bisschen besser.« »Lass mal sehen.« Vitus beugtesich über den Arm. Die meisten Männer litten unter hartnäckigen Ekzemen oderFlechten. Sie nahmen es als gottgewollt hin, ähnlich wie die Plagen desScharbocks. Vitus hatte schon in den ersten Tagen festgestellt, dass dieUmstände, unter denen sie ihr Leben fristeten, dafür verantwortlich waren: dasschlechte, eintönige Essen, die feuchte Luft unter Deck, das aggressiveSalzwasser und die selten trocken werdende Leibwäsche. Es glich einem Wunder,dass die Mannschaft unter diesen Bedingungen noch einigermassen Disziplin hielt- andererseits hatte sie keine andere Wahl, denn wer nicht spurte, schmeckte diePeitsche oder, schlimmer noch, wurde in Eisen gelegt. An der Ernährung konnteer auf die Dauer nichts ändern und ebenso wenig an der Tücke des Salzwassers,also hatte er die Leute dazu angehalten, ihre Hemden und Hosen so häufig wiemöglich gegen trockene Kleidung zu wechseln, was aber leichter gesagt als getanwar, denn die meisten besassen nur das, was sie auf dem Leibe trugen. Ausserdemhatte er, nach Absprache mit Gerald, verfügt, dass die Unterkunft tagsüberoffen blieb - zumindest bei gutem Wetter. Ferner hatte er aus einem alten Segeleinen trichterförmigen Windsack nähen und ihn so aufhängen lassen, dass erständig eine frische Brise durch den Raum lenkte, zur Vertreibung des Miasmas -der giftigen Ausdünstungen in der Luft. Was noch zu tun blieb, und das täglich,war die eigentliche Behandlung der Männer. Da er in Ermangelung von saurerMolke keine Bäder in dieser segensreichen Flüssigkeit verordnen konnte,versuchte er, sich mit Kalkpulver sowie einer Mischung aus Wollfettcreme undJohannisöl zu behelfen. Beide Arzneien hatte er sich in Funchalbesorgt.
Robsons Ekzem war ein trockenes, weshalbVitus ihm den Arm mit Creme einrieb. »Lass den Ärmel noch so langeaufgekrempelt, bis das Medikament vollends eingezogen ist.«»Jawohl, Cirurgicus. Danke, Cirurgicus.«Die feuchten Ekzeme behandelte Vitus mit Kalkpulver, immer getreu derErkenntnis der grossen Meister, nach der Feuchtes mit Trockenem und Trockenesmit Feuchtem bekämpft werden sollte. Neben den Ekzemen und Flechten warenQuetsch- und Risswunden, verursacht durch die tägliche Arbeit, die häufigstenBeschwerden. Als Vitus mit Hilfe des Magisters auch diese versorgt hatte, tratzu seiner Überraschung als letzter Patient der Steuermann Ó Moghráinvor. »Nanu, welch Überraschung! Ich hoffe, Euch fehlt nichts, Mister Ó Moghráin?« »Ich fürchte, ich mussEuch enttäuschen, Cirurgicus.«Ó Moghráin wies auf sein linkes Handgelenk, dasziemlich angeschwollen war. »Könnt Ihr die Hand bewegen?«Statt einer Antwort bog der Steuermann, wenn auch sichtlich unter Schmerzen,die Handfläche in alle Richtungen. »Das sieht nach einer Verstauchung aus.Wartet, das haben wir gleich.« Wenig später hatteVitus eine schmerzlindernde Salbe aufgetragen und der Magister einen seinerkunstvollen Verbände angelegt, die sich besonders dadurch auszeichneten, dasssie fest, aber nicht zu fest sassen. »Go raibh maith agat!« Der kleine Gelehrte blinzelteverständnislos. »Äh ... wie bitte?« »Danke.« Ó Moghráin grinste. »Ich sagte nur >danke<.« »Hm.« Der Magister schieltedurch seine Berylle. »Und was heisst >gerngeschehen< in Eurer seltsamen Sprache?« »Táfáilte romhat.« »Alsodann: Tá fáilte romhat.« Der Steuermann lachte. »Eure Aussprache lässtnoch etwas zu wünschen übrig, aber für den Anfang wars nicht schlecht.« Der Magister verbeugte sich geschmeichelt. »Go raibh maith agat,mein Herr! Nehmt noch diese Armschlinge und hängt Eure Hand hinein, Ihr werdetsehen, das wirkt Wunder.« Vitus ergänzte:»Vorausgesetzt, Ihr setzt für zwei oder drei Tage mit dem Dienst aus.« Ó Moghráin, gerade im Begriff,die Hand in die Schlinge zu stecken, wurde unversehens ernst. »Cirurgicus, das wird nicht möglich sein. Das Schiff brauchtmich, und solange ich noch eine heile zweite Hand habe, versehe ich meineArbeit. Ausserdem steht jetzt mein Kontrollgang durch alle Decks an, ein Weg,der unmöglich ausfallen kann, weil er Aufschluss darüber gibt, ob das SchiffWasser macht oder nicht.« Die Stirn des kleinenGelehrten legte sich in Falten. »Aha, ich verstehe. Nun, Sir, es ist Eure Hand,mit der Ihr tun und lassen könnt, was Ihr wollt, aber sagt einmal ... Washieltet Ihr davon, wenn der Cirurgicus und ich Euchbegleiten würden? Die Behandlungsstunde ist vorbei, und wie ich meinen Freundkenne, wäre er einem solchen Unterfangen durchaus nicht abgeneigt.« »Bei Gott, das wäre ich nicht!«Vitus Augen leuchteten. »Nun, an mir solls nicht liegen, Gentlemen.« Ó Moghráin lächelte schonwieder, wandte sich um und verliess zielstrebig das Logis. Unterwegs wies er aufeine grosse Laterne. »Wenn Ihr so gut sein wollt, die Lampe zu halten, HerrMagister? Go raibh maithagat. Ihr werdet sehen, es ist eine rechteKletterpartie, und wohl dem, der sich wenigstens mit einer Hand abstützen kann.« »Tá fáilte romhat, Steuermann.«
©Verlagsgruppe Droemer Knaur
Autoren-Porträt von Wolf Serno
Wolf Serno, Jahrgang 1944, hat lange als Werbetexter in grossenAgenturen und 20 Jahre lang als Creative Director in einer grossen Hamburger Agentur gearbeitet. Dochseine grosse Leidenschaft ist die Geschichte, die er im "Wanderchirurg"meisterhaft zu einem Roman verarbeitet hat. Wolf Sernolebt mit seiner Frau und seinen zwei Hunden in Hamburg.
- Autor: Wolf Serno
- 2004, 13., erw. Aufl., 608 Seiten, Masse: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426626616
- ISBN-13: 9783426626610
- Erscheinungsdatum: 01.05.2004
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