Der Bär / Siggi Baumeister Bd.10
Es ist Sommer in der Eifel, und Siggi Baumeister wird mit einem Kriminalfall der besonderen Art betraut: Die Studentin Tessa Schmitz hat sich in den Kopf gesetzt, einen Täter zu überführen, der vor nicht weniger als 111 Jahren zwischen Gerolstein und Daun...
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Es ist Sommer in der Eifel, und Siggi Baumeister wird mit einem Kriminalfall der besonderen Art betraut: Die Studentin Tessa Schmitz hat sich in den Kopf gesetzt, einen Täter zu überführen, der vor nicht weniger als 111 Jahren zwischen Gerolstein und Daun einen fahrenden Händler erschlagen hat. Die alten Leute aus der Eifel erinnern sich noch erstaunlich deutlich an die Erzählungen von der mysteriösen Leiche, die damals mit zertrümmertem Schädel gefunden worden war. Die alte Betty aus Lissingen, der alte Mattä in Büscheich, sie alle wissen etwas von Tutut, dem Zigeuner.
Tutut, so fügen Baumeister und seine Mitstreiter Rodenstock und Emma das Puzzle Stück für Stück zusammen, war kein Händler, sondern verrichtete Botendienste und zog mit einem leibhaftigen Bären über die Märkte der Eifel. Und dieser Bär war mit dem Tag der Untat für immer im Eifelwald verschwunden.
Warum musste Tutut sterben? Was haben die Auswanderer mit seinem Schicksal zu tun, die damals zu Hunderten die arme Eifel verliessen und nach Amerika fuhren? Und dann taucht in Baumeisters Haus auch noch die hübsche junge Jüdin Esther auf, ein neurotisches Modepüppchen, das in der Abgeschiedenheit des Eifeler Landlebens den verzweifelten Versuch macht, ihr verkorkstes Leben neu zu ordnen.
Jacques Berndorf verfasste den waschechten Eifelkrimi "Der Bär" im Auftrag des Gerolsteiner Brunnens, anlässlich des 111-jährigen Bestehens der weltbekannten Mineralwasserfirma im Jahr 1999.
Der Bär von JacquesBerndorf
LESEPROBE
1. Kapitel
Morgens um sieben war die Welt nochin Ordnung, die Sonne schien, mein Teich lag zur Hälfte in gleissendem Licht,ein Feuerschwanzlibellenpaar versuchte einen Hochzeitsflug und machte eineBruchlandung auf einem Seerosenblatt, weil irgendetwas nicht klappte. Ich warfden Fischen eine Handvoll Futter in das Wasser und wartete, dass sie kamen. Siekamen und wirkten ausgesprochen dümmlich, weil sie immer so aussehen, als habeihnen jemand einen Kaugummi gegen schlechten Mundgeruch verordnet. Und weil ichgut gelaunt war, fand ich, dass sie aussahen wie eine Meute hungriger Menschen,die bei McDonald's auf den argentinischenEinheitsbrei warten.
Satchmo sprang durch die Zaunlückevon der Kirche hinauf, hielt eine beachtlich grosse Maus im Maul und brüllte trotzdemseinen Triumph hinaus. Er kam an den Teichrand, setzte die Maus wie einSpielzeug sorgfältig ab und liess sie laufen. Die Maus sauste imGeschwindschritt die Schräge in den Garten hinunter und war im Grasverschwunden. Satchmo schien das nicht im Geringsten zu interessieren, bis ersich kurz straffte und die zwei Meter im Flug erledigte.Dann hielt er die Maus im Maul und jaulte, als habe er den Gral gefunden. Daswürde eine Weile so weitergehen, aber fressen würde er sie nicht. Das warabsolut unter seiner Würde.
Unter dem Basaltbrocken am Moorbeethatten sich wie üblich etwa fünfzig kleine Frösche versammelt, die nicht grösserwaren als der Nagel meines kleinen Fingers. Als die Sonne sie traf, bewegtensie sich unruhig. Ich wusste nichts über ihre Nacht und ihren Tag, ich wusstenur, dass sie wachsen und dann verschwunden sein würden, um irgendwann wiederaufzutauchen und ihre Eier in meinen Teich zu legen. Vielleicht würden ein oderzwei die Reise überleben, Glück haben. Das Gartenrotschwänzchen kam, tschilptelaut, nahm schnell von einem Stein aus Wasser auf und verschwand wieder.Schwalben und Mauersegler huschten durch die Luft und jagten Futter für ihreunersättliche Brut. Es war ein Eifelmorgen, er war still und voller Leben, undnur selten kam ein Auto vorbei.
Dann schrillte das Telefon, und ichging nicht sonderlich schnell an den Apparat. Es war Dr. Michael Winter aus Koblenz,und er war aufgeregt.
»Wir suchen doch nach altenKatastereinträgen an der Ahr. Wir wollen rausfinden, wer die Grundstücke und Häuser der Juden übernahm.Das ist vielleicht ein heisses Ding. Wollen Sie es wissen?«
»Will ich.«
»Tut mir leid, dass ich so frühanrufe. Also, es existieren sechstausend Akten über diesen Vorgang im Bereichdes Bundes. Aber die Akten unterliegen angeblich dem Datenschutz, sie werdennicht herausgegeben.«
»Dann müssen wir den krummen Wegnehmen und über einzelne Hausbesitzer gehen, die genau wissen, dass ihr Hauseinmal ein jüdisches Haus war.«
Er schwieg einen Augenblick. »Ichhabe jedenfalls in ein Wespennest gestochen. Meine Nachfrage war denen richtig peinlich.Sehen wir uns?«
»Wir sehen uns.«Wir machten einen Termin aus. Er war von der nachdenklichen Sorte, er war einangenehmer Mensch, ein Vollblutjournalist.
Rudi Latten stand in der Tür. »Ichnehme mal deine Mähmaschine auseinander und schärfe das Messer.« Er grinste. »Ich habe sowieso nichts zu tun.«
»Dann mach mal, duMähmaschinenmesserschärfer.«
Er verschwand hinter dem Haus, undich lobte das Dorf. Wer hat schon Nachbarn wie diese?
Paulchen rieb sich an meinen Beinen,und ich gab ihm etwas von dem Industriefutter, das er über alles liebte. Huhn undKarnickel in feiner Sosse. Willi fehlte, ich hatte Willi überhaupt noch nichtgesehen, und wahrscheinlich hatte er wieder einmal seinen Spezialtrickbenutzt. Ich ging also in das Schlafzimmer und fand ihn unter der Decke. Erschlief fest und anscheinend traumlos. Es ist jeden Morgen dasselbe Theater: Erwartet vor der Tür, bis ich schlaftrunken herauskomme, wischt dann in den Raumhinein unter das Bett und sucht sich anschliessend genussvoll den wärmstenPlatz. Ich nahm ihn, sagte »Guten Morgen« und warf ihn raus. Er war beleidigtund verdrückte sich hüftschwenkend, sein Hintern warreinste Verachtung.
Hermann, der Hans Dampf in allmeinen Hausgassen, rumorte auf dem Dachboden herum, ein Radio dudelte »Ich habdich so lieb«, es war alles in allem ein ganz normaler Start in den Tag.
Nicht so normal war der AnrufGünther Probsts von der DaunerBurg, der guttural und bedächtig etwa folgendes Statement abgab: »Also, Siesollten vielleicht mal kommen. Also, wir könnten ja einen Happen zusammenessen. Frühstück also. Kaffee oder Tee? Na ja, ist ja alles da. Ich hätte nämlicheventuell eine Story für Sie, also eine ziemlich ... na, wie sagt man da? Alsoeine ziemlich verrückte Geschichte. Ur-Bayern würden das deppert nennen. Alsokomisch irgendwie. Also ...«
»Ich komme gleich. Das passt mir gut.« Und weil er ein feines Hotel hat, rasierte ich mich.
Ich rollte über den Querverbinder nach Rengen undhatte eines dieser Erlebnisse, die so typisch für die Eifel sind. Da standrechts am Strassenrand ein Golf mit Warnblinkanlage. Der Fahrer kniete vor demFahrzeug im tiefen Gras und beschäftigte sich mit irgendetwas. Ich bremste,stieg aus und ging zu ihm.
Der Mann war etwa fünfzig, trugArbeitskleidung und kniete vor einem jungen Rehbock. Das Tier litt, hatte einenzerschmetterten rechten Lauf, das Bein war verdreht und das Sprunggelenkunnatürlich angewinkelt. Das Tier stöhnte in einem festen Rhythmus, es klangerbärmlich.
»Ist mir reingesprungen,verdammt noch mal«, sagte der Mann. Es klang wie türkisches Deutsch, es klanghart und bekümmert. »Weisst du, ist mir einfach reingesprungen.Ging zu schnell, ging sehr schnell. Husch, war er raus aus dem Gebüsch undknallt mir auf den Kotflügel. Kannst du sehen, ist Beule. Ich konnte nichtsmachen.«
»Hast du den Förster angerufen? Odersonstwen? Hast du ein Handy?«,
»Ja, habe ich. Aber habe ich keineNummer. Handy ist für meine Frau. Die hat Asthma und kann mich anrufen, aberich rufe nie an.«
»Die Bullen vielleicht, äh, diePolizei?«
»Na ja, aber weiss ich nicht dieNummer. Notruf, oder so. Oh verdammt noch mal!« Erstreichelte dem Tier ununterbrochen über den Kopf. »Muss ich in Apotheke, mussich Medikament holen für Asthma. Oh, Scheisse! Kannst du totmachen?«
»Ich? Bist du verrückt?!«
»Ich kann auch nicht, ich kann sowas nicht. Wer kann so was?«
»Vielleicht Förster, vielleichtPolizisten. Ich weiss nicht. Ich telefoniere mal.« Ichging zu meinem Wagen und rief die Polizei an. Sie sagten, sie würden vorbeikommen.
»Polizei kommt gleich«, murmelteich.
Er sagte: »Meine Frau ist krank,schlimm krank. Muss ich Asthmamittel holen.«
»Dann fahr doch, ich bleibe hier.« »Machst du das?«, fragte er.
»Na sicher mache ich das. Du kommstdann wieder hier vorbei, falls die Polizisten dich brauchen.«
»Das ist gut, Mensch«, sagte er undstand auf. Dann fuhr er los.
Jemand in einem lindgrünen Subarurollte heran und stieg aus. Er trug Grün, was ich unter diesen Umständen fürhervorragend hielt.
»Er hat Schmerzen, da ist eine Mengekaputt.«
Der Mann war vielleicht dreissig.»Das haben wir gleich«, sagte er. Er ging zu seinem Wagen und kam mit einemBrecheisen zurück. »Gehen Sie mal weg da«, sagte er.
Ich ging sogar ganz schnell weg, ichkann bei diesen Dingen nicht zuschauen.
Er sagte: »Ist schon erledigt.«
Ich sagte: »Die Polizei kommt gleich.«
»Ich mache das schon«, versicherteer und wischte sich die Hände an der Jeans ab.
Tod am Morgen.
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© KBVVerlag
- Autor: Jacques Berndorf
- 2007, 8. Aufl., 216 Seiten, Masse: 12 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: KBV
- ISBN-10: 394007702X
- ISBN-13: 9783940077028
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