Das Sigma-Protokoll
Als der Investmentbanker Ben Hartmann in Zürich selbst nur knapp einem Anschlag entgeht, folgt er gemeinsam mit der US-Agentin Anna Navarro den Spuren der...
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Als der Investmentbanker Ben Hartmann in Zürich selbst nur knapp einem Anschlag entgeht, folgt er gemeinsam mit der US-Agentin Anna Navarro den Spuren der Täter. Sie geraten dabei in den lebensgefährlichen Sog einer weltweiten Verschwörung.
''Robert Ludlum beherrscht noch immer unangefochten das Feld des klassischen Polit- und Agententhrillers.''
Chicago Tribune
Das SigmaProtokoll von Robert Ludlum
LESEPROBE
Zürich
»Darf ichIhnen inzwischen etwas zu trinken bringen?«
DerHotelpage war ein gedrungener junger Mann, auf dessen grüner Lodenuniform dasNamensschild aus Messing glänzte.
»Nein,danke,« sagte Ben Hartman mit einem schwachen Lächeln.
»Vielleichteinen Tee? Oder einen Kaffee oder ein Glas Mineralwasser?« Der Page schaute zuihm hoch. Er strahlte ihn mit den erwartungsvollen Augen eines Menschen an, demnur noch wenige Minuten blieben, das Trinkgeld in die Höhe zu treiben. »Tut mirfurchtbar Leid, dass der Wagen noch nicht da ist.«
»KeinProblem.«
Ben standin der Lobby des Hotels St. Gotthard, eines eleganten Etablissements aus dem19. Jahrhundert, dessen Spezialität die Betreuung des gut betuchten,internationalen Geschäftsmannes war. Und das, dachte Ben boshaft, bin ich jawohl. Nachdem er ohnehin schon ausgecheckt hatte, spielte er flüchtig mit demGedanken, dem Pagen ein Trinkgeld dafür zu geben, dass er ihm nicht die Taschenhinterhertrug, dass er ihm nicht wie eine Klette amBein hing, dass er sich nicht unaufhörlich dafür entschuldigte, dass der Wagen,der ihn zum Flugplatz bringen sollte, noch nicht da war. Überall auf der Weltbildeten sich Luxushotels auf dieses Herumscharwenzeln etwas ein. Ben warziemlich oft auf Reisen und hatte das schon immer als höchst aufdringlichesÄrgernis empfunden. Wie viel Zeit hatte er schon darauf verwendet, sich ausdiesem Kokon zu befreien. Doch die Fesseln aus uralten, ritualisiertenPrivilegien waren dann doch stärker gewesen. Der Hotelpage hatte ihndurchschaut, na schön. Für ihn war er nur einer von vielen reichen, verwöhntenAmerikanern.
Ben Hartmanwar sechsunddreissig, fühlte sich aber heute wesentlich älter. Und das lag nichtnur am Jetlag - er war gestern aus New York gekommen und stand immer noch etwasneben sich. Es hing damit zusammen, wieder in der Schweiz zu sein. Inglücklicheren Tagen hatte er viel Zeit hier verbracht: immer auf derÜberholspur, ob auf Skiern oder im Wagen. Unter den gesetzestreuen Bürgern mitihren versteinerten Gesichtern hatte er sich gefühlt wie ein wilder Freigeist.Er wünschte, dieses Feuer wieder entfachen zu können. Doch er konnte nicht. Inder Schweiz war er nicht mehr gewesen, seit hier sein eineiiger ZwillingsbruderPeter - der engste Freund, den er je gehabt hatte - vor vier Jahren umgekommenwar. Ben erkannte jetzt, dass es ein Fehler gewesen war, zurückzukommen. Erhatte zwar damit gerechnet, dass die Reise Erinnerungen aufwühlen würde,allerdings nicht solche. Seit er auf dem Flugplatz Klotengelandet war, war er völlig durcheinander, wurde er hin- und hergerissen zwischen Zorn, Kummer und Einsamkeit.
Aber erhütete sich davor, seine Gefühle offen zu zeigen. Gestern Nachmittag hatte erein paar kleinere geschäftliche Dinge erledigt, und heute Morgen hatte er sichzu einem zwanglosen Gespräch mit Rolf Grendelmeier von der Union Bank of Switzerland getroffen. Zwar ohne besonderen Grund, aber manmüsste seine Kunden bei Laune halten; Höflichkeitsbesuche gehörten zumGeschäft. Um ehrlich zu sein, sie waren das Geschäft. Manchmal verspürte ereinen leichten Stich, wenn er daran dachte, wie leicht er in die Rolle deseinzigen überlebenden Sohnes des legendären Max Hartman geschlüpft war. Er warder mutmassliche Erbe des Familienvermögens und des Chefsessels von HartmanCapital Management, des von seinem Vater gegründeten milliardenschwerenUnternehmens.
Inzwischenbeherrschte Ben alle Tricks des internationalen Finanzgeschäfts. In seinenSchränken hingen Anzüge von Brioni und Kiton, er verfügte über das unbeschwerte Lächeln, denfesten Händedruck und - das vor allem - den nüchternen, ruhigen undinteressierten Blick, der zwar Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit undScharfsinn signalisierte, aber häufig nur schreckliche Langeweile verbarg.
Aber er warnicht in erster Linie aus beruflichen Gründen in die Schweiz gekommen. Von Kloten würde ihn ein kleines Flugzeug zum Skifahren nachSt. Moritz bringen, und zwar zu einem alten und äusserst wohlhabenden Kunden, zudessen Frau und dessen angeblich wunderschöner Enkelin. Der Mann setzte ihmhartnäckig, wenn auch auf humorvolle Weise zu. Ben war sich darüber im Klaren,dass er verkuppelt werden sollte. Das war eines der Risiken für einenvorzeigbaren, gut situierten und kreditwürdigen Single aus Manhattan: SeineKunden versuchten permanent, ihn mit ihren Töchtern, Nichten und Kusinen zu verbandeln. Höflich nein zu sagen war ziemlich schwierig.Aber gelegentlich war tatsächlich eine Frau dabei, in deren Gesellschaft ersich ausserordentlich wohl fühlte. Man konnte nie wissen. Wie auch immer, Maxwollte Enkel.
Max Hartman- Philanthrop, Kotzbrocken und Gründer von Hartman Capital Management. Der ausNazideutschland geflohene Selfmademan mit den sprichwörtlichen zehn Dollar inder Tasche, der direkt nach dem Krieg eine Investmentgesellschaft gegründet unddaraus mit eisernem Willen das heutige Multimilliardendollar-Unternehmengemacht hatte. >Old Max< war inzwischen über achtzig und lebte inprunkvoller Einsamkeit in Bedford, New York. Noch immer führte er dasUnternehmen und sorgte dafür, dass das auch niemand vergass.
Es ist nieeinfach, für seinen Vater zu arbeiten, aber richtig hart wird es erst, wenn manfür Investmentbanking, Portefeuille-Struktunerung,Risikomanagement und ähnlich nervtötende Dinge nur herzlich wenig Interesseaufbringt.
Oder wennman sich absolut nicht für Geld interessierte. Ben war natürlich klar, dass dasein Luxus war, dem vornehmlich die frönten, die zu viel Geld hatten. Wie dieHartmans mit ihren Treuhandvermögen und Privatschulen und dem gewaltigenLandsitz in Westchester County.Ganz zu schweigen von dem achttausend Hektar umfassenden Besitz am Greenbriar River und was die Familie sonst noch so hatte.
Bis PetersFlugzeug abstürzte, hatte Ben das tun können, was ihm wirklich Spass machte:unterrichten. Und zwar Kinder, die ihre Mitmenschen schon abgeschrieben hatten.In einer knallharten Schule in Brooklyn in einer Gegend, die man East NewYork nannte - hatte er Fünftklässler unterrichtet. Die meisten machten wirklichÄrger. Er hatte es zu tun mit Jugendgangs und abgestumpften Zehnjährigen, diebesser bewaffnet waren als kolumbianische Drogenbarone. Aber sie brauchteneinen Lehrer, der sich um sie kümmerte. Ben kümmerte sich. Und gelegentlichkonnte er tatsächlich in des einen oder anderen Leben etwas bewirken.
Nach PetersTod hatte man ihn fast gezwungen, in die Firma einzutreten. Seinen Freundenhatte er erzählt, dass er damit einem Wunsch seiner Mutter auf dem Sterbebettnachgekommen sei - was wohl auch stimmte. Krebs hin oder her, er hatte seinerMutter ohnehin nie einen Wunsch abschlagen können. Nur zu gut erinnerte er sichnoch an ihr abgespanntes Gesicht. Die Haut war von der letzten Chemotherapieaschfahl, die rötlichen Flecken unter den Augen sahen aus wie Blutergüsse. Dasie fast zwanzig Jahre jünger als sein Vater gewesen war, hatte sich der nievorstellen können, dass sie als Erste sterben würde. »Arbeite, denn es kommtdie Nacht«, hatte sie gesagt und ihn dabei tapfer angelächelt. Das war alles,den Rest brauchte sie gar nicht auszusprechen. Max Hartman hatte Dachauüberlebt und dann erleben müssen, wie sein Sohn starb. Und nun starb auch seineFrau. Wie viel konnte ein noch so starker Mann ertragen?
»Hat erdich auch verloren?«, hatte sie geflüstert. Zu jener Zeit hatte er ein paarStrassen von der Schule entfernt gewohnt, im fünften Stock eines baufälligenMietshauses ohne Aufzug. In den Gängen stank es nach Katzenpisse, und derLinoleumboden warf Blasen. Aus Prinzip lehnte er es ab, von seinen Eltern Geldanzunehmen.
»Verstehstdu, worum ich dich bitte, Ben?«
»Die Kinderin der Schule«, hatte Ben mit einer Stimme gesagt, in der die Niederlage schondurchklang. »Die brauchen mich.«
»Er brauchtdich«, hatte sie ganz leise geantwortet. Und damit war die Diskussion beendet.
Jetzt gaber den grossen Privatkunden beim Lunch das Gefühl, bedeutend und umsorgt zusein. Sie fühlten sich geschmeichelt durch die Tatsache, dass ihnen der Sohndes Firmengründers um den Bart ging. Nebenher und heimlich etwas ehrenamtlicheTätigkeit in einem Zentrum für »gefährdete Jugendliche«, die sich im Vergleichzu seinen Fünftklässlern wie Chorknaben ausnahmen. Und - wann immer es ging -Reisen, Ski fahren, Parasailing, Snowboarden,Bergsteigen. Und Frauen, wobei er peinlich darauf achtete, sich mit keinernäher einzulassen.
>OldMax< musste sich noch etwas gedulden.
Plötzlichhatte Ben das Gefühl, dass ihn die mit rosaroten Damaststoffen und schwerendunklen Wiener Möbeln ausstaffierte Lobby erdrückte. »Ich warte draussen auf denWagen«, sagte er zu dem Pagen. Der Mann in der grünen Lodenuniform lächelte ihnaffektiert an. »Natürlich, Sir, wie Sie wünschen.«
Ben trat indie grelle Mittagssonne und betrachtete blinzelnd die Fussgänger in dervornehmen Bahnhofstrasse. Linden, teure Geschäfte, Cafés und reihenweiseFinanzinstitute in herrschaftlichen Kalksteingebäuden säumten die Prachtavenue.Der Page hastete mit dem Gepäck hinter ihm her und wuselte so lange herum, bisBen einen Fünfzig-Franken-Schein zückte und ihm mit einer Handbewegungbedeutete, dass er jetzt gehen könne.
»HerzlichstenDank, Sir«, sagte der Page und mimte den Überraschten.
Einer derPortiers würde ihm schon Bescheid sagen, wenn der Wagen in der gepflasterten Einfahrtan der linken Seite des Hotels auftauchte. Ben hatte es nicht eilig. NachStunden in stickigen und überhitzten Räumen, in denen der Duft von Kaffee und-ganz leicht, aber unverkennbar - Zigarrenqualm in der Luft hing, genoss er dieerfrischende Brise vom Zürichsee.
Ben lehnteseine nagelneuen Volant-Ti-Super-Skier neben seineTaschen an eine der korinthischen Säulen und beobachtete die Passanten in derbelebten Fussgängerzone. Ein zwielichtig aussehender junger Geschäftsmann, derin sein Handy brüllte. Eine fette Frau in einem roten Parka, die einenKinderwagen vor sich herschob. Japanische Touristen,die aufgeregt aufeinander einschwatzten. Ein grosser Mann mittleren Alters, dereinen gedeckten Anzug trug und sich das ergrauende Haar zu einem Pferdeschwanzzusammengebunden hatte. Ein Bote in der unverwechselbaren orange-schwarzenUniform der gehobenen Floristenkette Blümchengalerie - unter dem Arm einenKarton Lilien. Eine auffällige, teuer gekleidete junge Blondine mit einer Festina-Einkaufstasche, die vage in Bens Richtung schaute,dann mit kurz aufblitzendem Interesse noch mal genauer hinschaute, bevor siedie Augen abwendete. Hätten wir nur Raum genug und Zeit, dachte Ben. Er liessden Blick wieder schweifen. Der Verkehrslärm aus der etwa einhundert Meterentfernten Löwenstrasse drang gedämpft an sein Ohr. Das aufgeregte Jaulen einesHundes war zu hören. Ein Mann um die fünfzig ging vorbei, dessen purpurroterBlazer für Zürich ein bisschen zu schrill war. Und dann sah Ben einen Mann, derungefähr in seinem Alter war und gerade mit zielstrebigen Schritten an derKonditorei Koss vorbeiging. Er kam ihm irgendwiebekannt vor.
Sehrbekannt sogar.
© HeyneVerlag
Übersetzung:Wolfgang Müller
Autoren-Porträt von Robert Ludlum
Robert Ludlum wurde am 25. Mai 1927 in New YorkCity geboren. Mit 14 Jahren verlässt ersein Elternhaus, um zur Bühne zu gehen. Nachdem er von seiner Mutter nach Hausezurückgeholt wird, schafft er drei Jahre später den Absprung und geht zunächstzum Militär. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann er eine Karriere alsSchauspieler .Trotz seines Erfolges am Theater und im Fernsehen und auch alsProduzent, beschloss er mit vierzig, diese Karriere an den Nagel zu hängen undstudierte Kunstgeschichte. Seine "vierte" Karriere als Schriftstellerbegann 1971 mit seinem ersten Buch "Das Scarlatti-Erbe", an dem Ludlum 18Monate arbeitet, und welches auf Anhieb Platz 1 der Bestsellerlisten erreichte.Ähnlich erfolgreich waren auch alle folgenden Ludlum-Romane wie zum Beispiel "DasOsterman-Wochenende", "Die Scorpio-Illusion" oder "Der Ikarus-Plan". SeineErfahrung als Schauspieler kommt ihm auch beim Schreiben zugute: "Manlernt, wie man die Aufmerksamkeit des Publikums behält", erklärt Ludlum.Jeden Morgen sitzt er um 4.30 Uhr an seinem Schreibtisch, um in Ruhe an seinenThrillern zu arbeiten. Seine Bücher werden in mehr als 30 Sprachen übersetzt,in mehr als 40 Ländern veröffentlicht und erreicht eine Auflage von über 200MillionenExemplaren. Robert Ludlum lebte bis zu seinem Tod am 12. März 2001 mitseiner Frau Mary und seinen Kindern in Florida und Connecticut.
- Autor: Robert Ludlum
- 2004, 670 Seiten, Masse: 11,9 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Wolfgang Müller
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453877764
- ISBN-13: 9783453877764
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