Das Sehnen der Nacht
Deutsche Erstausgabe
Nach dem Tod ihres Geliebten Conlan zieht sich
Danika in ihre schottische Heimat zurück. Doch dann erfährt sie von den Machenschaften eines kriminellen Vampirs. Sie will ihn zur Rechenschaft ziehen doch sein Gefolgsmann Brannoc...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Das Sehnen der Nacht “
Nach dem Tod ihres Geliebten Conlan zieht sich
Danika in ihre schottische Heimat zurück. Doch dann erfährt sie von den Machenschaften eines kriminellen Vampirs. Sie will ihn zur Rechenschaft ziehen doch sein Gefolgsmann Brannoc lässt ihr Herz
höher schlagen.
Klappentext zu „Das Sehnen der Nacht “
Die Stammesgefährtin Danika ist nach dem Tod ihres Geliebten Conlan in ihre Heimat zurückgekehrt, um ihren kleinen Sohn in Frieden aufzuziehen. Als sie nach Schottland reist, erfährt sie durch Zufall von dunklen Machenschaften eines Gangsterbosses. Danika ist fest entschlossen, den kriminellen Vampir zur Rechenschaft zu ziehen. Dabei trifft sie auf dessen Gefolgsmann Brannoc, der ihr unerwartet zur Hilfe kommt - und ihr Herz nach langer Trauer wieder höher schlagen lässt ...Die Novelle "Das Sehnen der Nacht" ist Teil der erfolgreichen Vampirsaga "Midnight Breed" von Bestseller-Autorin Lara Adrian
Lese-Probe zu „Das Sehnen der Nacht “
Das Sehnen der Nacht von Lara Adrian1
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Weihnachtliche Melodien erfüllten den Ballsaal der Edinburgher Villa. Die Musiker trugen schwarze Smokings, und ungefähr zwei Dutzend wundervoll gekleidete Paare tanzten unter den Girlanden aus glänzenden Stechpalmenzweigen und duftendem immergrünen Reisig. Die riesigen Kronleuchter aus geschliffenem Kristall hoch über ihren Köpfen brachen das weiche Licht wie Diamanten und warfen glitzernde goldene Akzente auf die Versammlung im Dunklen Hafen. Draußen war es Nacht. Die Läden, die tagsüber die sechs Meter hohe Fensterwand des Tanzsaales hermetisch gegen das Licht abschirmten, waren jetzt aufgeklappt und gaben den Blick frei auf die unberührten, mondbeschienenen Hügel der Highlands, die mit winterlichem Weiß bedeckt waren.
Die Szenerie wirkte perfekt arrangiert, wie ein Foto in einem Hochglanzmagazin.
Elegant, außerordentlich kultiviert und absolut bezaubernd.
Danika hätte am liebsten lauthals geschrien.
Sie gehörte nicht hierher. Es war ein Fehler gewesen, über Weihnachten zurück nach Schottland zu kommen. Noch war sie keine zwei Tage in Edinburgh, und schon würde sie am liebsten sofort den nächsten Flug nach Hause buchen, zurück in ihr ruhiges Leben nach Dänemark. Doch Conlans wohlmeinende Verwandten hatten sie eingeladen, und sie hatte nicht Nein sagen können, auch nicht zu der Party des Stammes heute Nacht. Jetzt stand sie seit zwei Stunden in ihren hochhackigen Sandalen und dem schwarzen Cocktailkleid herum und machte krampfhaft Smalltalk mit sicherlich hundert Leuten, von denen sie niemanden kannte. Dabei schaute sie die Hälfte der Zeit sehnsüchtig zur Eingangstür der Villa hinüber.
»Amüsierst du dich gut, Danika?«
Gott, sie musste sich wirklich zusammenreißen, um die junge Frau neben ihr nicht einfach stehen zu lassen und einen verfrühten Abgang zu machen. Stattdessen lächelte sie ihr zu. »Aber sicher. Die Party ist wundervoll, Emma.«
»Siehst du? Wusste ich doch, dass es dir guttut, mal etwas rauszukommen«, sagte die zierliche Rothaarige. Sie war die Stammesgefährtin eines entfernten Cousins von Con und noch ein richtiges Kind, höchstens Mitte zwanzig. Ihre Haut leuchtete mit der Frische echter Jugend, und sie glühte geradezu im Bewusstsein der ewigen Blutsverbindung, die sie mit dem gut aussehenden Stammesvampir an ihrer Seite geschlossen hatte. Seine dunklen Augen wurden weich, wenn er Emma betrachtete, und er hatte beschützend seinen starken Arm um sie gelegt. Wenn er seine hübsche Gefährtin anlächelte, waren die hervortretenden Fangzähne hinter seinen Lippen deutlich zu sehen. Das Verlangen zeigte sich auch in seinen Augen, in denen glühende, bernsteinfarbene Funken aufblitzten.
Die beiden waren für alle sichtbar wahnsinnig ineinander verliebt, und Danika konnte das Gefühl von Neid auf ihre gemeinsame Zukunft nicht unterdrücken. Sie selbst konnte sich kaum an die Zeit erinnern, als sie frisch verliebt und ihre Blutsverbindung mit Con noch ganz neu gewesen war. Damals hatten sie gedacht, sie würden auf alle Ewigkeit zusammen sein.
Danika wandte den Blick von den Verliebten ab und strich dabei die Trauerschärpe aus scharlachroter Seide glatt, die sie sich umgebunden hatte. Auf das traditionelle weiße Witwenkleid hatte sie verzichtet, doch dieses letzte Symbol ihres Verlustes konnte und wollte sie immer noch nicht ablegen, auch wenn Conlan schon vor anderthalb Jahren gestorben war. Hier in Schottland - Cons Heimat - spürte sie seine Abwesenheit noch deutlicher als sonst. Hier in den Highlands hatten sie zusammen ihre Geschichte geschrieben. Über Jahrhunderte waren sie in ihrer Blutsverbindung vereint gewesen und hatten ein friedvolles Leben geführt. Dann, vor etwa hundert Jahren, hatte Cons Pflicht- und Ehrgefühl sie nach Amerika geführt, wo er ein Krieger wurde und sein Schwert in den Dienst des Ordens stellte.
Nichts hatte ihnen zu ihrem Glück gefehlt, außer einem Kind. Drei Monate vor der fehlgeschlagenen Mission des Ordens, bei der Conlan getötet wurde, hatten sie ihren Sohn Connor gezeugt. Danika hatte das Baby heute Abend gar nicht gerne bei Cons Familie im Gäste-Cottage zurückgelassen, auch wenn es nur für ein paar Stunden war. Connor war alles, was ihr geblieben war, die einzige Verbindung zu ihrem Leben mit Conlan. Sie blickte über die Menge aus lauter Fremden, Stammesvampiren in Zivil und ihren Gefährtinnen - hundert unbekannte Gesichter an einem unvertrauten Ort. Sie blickte sie alle an und war noch nie so einsam gewesen.
»Bitte entschuldigt mich für einen Moment«, sagte sie zu dem Paar. »Ich sollte kurz im Cottage anrufen, ob mit Connor alles in Ordnung ist.«
»Aber du hast doch erst vor fünf Minuten angerufen ...«
Doch Danika ging schon auf eine ruhigere Stelle im Saal zu und holte das Handy aus ihrer kleinen Abendtasche. Emmas Bemerkung überhörte sie geflissentlich. In dem kleinen Cottage, wo sie und Connor untergebracht waren, gab es keine neuen Nachrichten. Alles war so wie beim letzten Mal, als sie angerufen hatte: Dem Baby ging es gut, Danika brauchte sich keine Sorgen zu machen.
Sie bedankte sich bei der Stammesgefährtin, die auf Connor aufpasste, und klappte das Handy zu. Es gab keinen Grund, weshalb sie die Party frühzeitig verlassen und schnell zurück zu ihrem Kind musste, und darüber sollte sie froh sein. Alle wollten, dass sie sich heute einen schönen Abend machte. Wo sie schon hier festsaß, bis ihre Begleiter aufbrechen wollten, sollte sie vielleicht wenigstens versuchen, ein bisschen Spaß auf der Party zu haben.
Danika ließ das Handy in ihre Abendtasche gleiten und schlenderte langsam in einem Kreis durch den Saal. Wegen der roten Schärpe um ihre Taille zeigten die ledigen Stammesvampire kaum Interesse; nur die draufgängerischsten schauten ihr nach. Dabei war sie mit ihren eins achtzig, den zusätzlichen Zwölf-Zentimeter-Absätzen und ihren langen, skandinavisch blonden Haaren kaum zu übersehen. Sie hatte kein Problem, die taxierenden Blicke der Männer im Saal zu ignorieren. Es waren die Blicke voller Mitgefühl, die ihr die anderen Stammesgefährtinnen zuwarfen, wegen derer sie sich unwohl in ihrer Haut fühlte.
Verwitwet nach so langer Zeit? Ich würde mich lieber umbringen, als meinen Gefährten so zu verlieren.
Für einen Moment schloss Danika die Augen, als der Gedanke ihr von der anderen Seite des Saals zugetragen wurde. Sie wusste nicht, von wem sie ihn aufgeschnappt hatte, und sie konnte auch nicht verhindern, dass sie in den Kopf eines anderen Vampirs eingedrungen war. Jede Stammesgefährtin besaß eine individuelle übersinnliche Gabe. Danika konnte Gedanken lesen, die von Stammesvampiren und ihren Gefährtinnen, und auch die vom ganz gewöhnlichen Homo sapiens. Seit Conlans Tod war ihre Gabe unberechenbar geworden, sie hatte die Kontrolle darüber verloren. Sein Stammesblut hatte ihren Körper über Jahrhunderte jung gehalten, und es hatte ihr Talent genährt und stark gemacht.
Schon mehrmals heute Abend war ihr plötzlich und unaufgefordert ein mentaler Kommentar durch den Kopf geschossen. Das meiste war banales Geschwätz und das übliche Geschwafel langweiliger Cocktailpartys. Doch auch einige weniger nette Gedanken hatten wie scharfe Pfeile den Weg zu ihr gefunden.
Das wäre nicht passiert, wenn Conlan in Schottland geblieben wäre, wo er hingehört. Er hätte sich nie eine Ausländerin als Gefährtin nehmen sollen.
Danika hob unwillkürlich ihr Kinn und schritt tiefer in die Menge der Zivilisten im Dunklen Hafen. Sollten sie sie doch anstarren. Was kümmerten sie diese stummen Anklagen und Verdächtigungen? Sollten sie eben glotzen, als käme Danika vom Mars. Sie war hier eine Außenseiterin, aber auf die Anerkennung von anderen hatte Danika nie etwas gegeben. Und die Anerkennung der Highlander brauchte sie gleich zweimal nicht.
Sie schritt ohne Eile und mit erhobenem Kopf mitten durch die versammelten Gäste. Jetzt schnappte sie auch gemurmelte Unterhaltungen auf, die mit dem Ansturm des unkontrollierten mentalen Inputs verschmolzen. Bald konnte Danika kaum mehr unterscheiden, welche Worte laut gesprochen wurden und welche nur Gedanken waren, die nur sie in ihrem Kopf hören konnte. Jemand ärgerte sich über seine unbequeme Kleidung, eine Frau schmiedete irgendwelche Pläne für die Feiertage. Das alles wurde überlagert von hitzigen Debatten über Stammespolitik und die schlechte wirtschaftliche Situation in der Welt der Menschen. In einigen Teilen der Erde sah es selbst für das Vampirvolk wirtschaftlich nicht besonders rosig aus.
Danika dröhnte der Schädel vom Stimmengewirr des doppelten mentalen Inputs. Endlich hatte sie die andere Seite des Saals erreicht. Ein bisschen frische Luft würde ihr jetzt guttun. Sie ging auf die Glastür zwischen den Vorhängen zu, die hinaus auf eine Terrasse führte.
Beim Näherkommen bemerkte sie draußen einige dunkle Gestalten, eine Gruppe von Stammesvampiren, die sich unterhielten. Sie redeten leise, und ihre tiefen Stimmen waren durch das Glas kaum zu verstehen. Einer erwähnte eine Lebendfracht, die schon längst am Edinburgher Flughafen hätte ankommen sollen - teure Ware, die offenbar Diskretion erforderte. Danikas Instinkte waren sofort geweckt, ein Prickeln lief ihr über den Rücken, und sie hielt in der Bewegung inne. Bei der nächsten Frage blieb sie wie angewurzelt vor der Terrassentür stehen.
»Enthält die Lieferung denn irgendwas ... Exotisches?«
»Kann schon sein«, kam in arrogantem Tonfall die geflüsterte Antwort. »Ich sage nur: Bietet, was das Zeug hält. Es ist für jeden Appetit etwas dabei.«
Ein leises, verschwörerisches Lachen war von der Vampirgruppe zu hören. Sie unterhielten sich weiter, doch ihre Stimmen wurden leiser, sodass Danika nichts mehr verstehen konnte. Sie schob sich noch näher an die Glastür und tat dabei so, als wäre sie völlig hingerissen von einem grässlichen Gemälde neben ihr an der Wand.
Nicht gerade die feine englische Art, fremde Unterhaltungen zu belauschen.
Der Gedanke erschien aus dem Nichts in ihrem Kopf. Er fühlte sich zäh und dickflüssig an wie Sirup, und sie konnte das rollende schottische R geradezu hören.
Du spielst mit dem Feuer, Mädel.
Hatte sie diese dunkle Stimme mit dem breiten Dialekt nicht schon einmal gehört? Und was noch wichtiger war, offenbar wusste der Besitzer der Stimme von ihrer Gabe - kannte er sie?
Danika schaute sich kurz um und suchte die Menge und die kleinen Grüppchen, die sich am Rand des Saals gebildet hatten, nach bekannten Gesichtern ab. Doch außer Conlans Vettern und ihren Gefährtinnen kannte sie niemanden hier.
Und doch war sie sich sicher: Diese sarkastische Stimme mit dem schleppenden Highland-Dialekt hatte sie schon einmal gehört. Die Gruppe von Stammesvampiren draußen auf der Terrasse kam ihr in den Sinn, und sie fragte sich, ob ...
In diesem Moment wurde die Glastür geöffnet, und die vier Vampire betraten die Villa. Danika ging rasch ein paar Schritte zur Seite, doch es war zu spät. Sie konnte nicht mehr so tun, als hätte sie nicht schon ein paar Minuten lang an der Tür gestanden.
Der Anführer des Rudels nahm sie sofort mit seinen kühlen, schiefergrauen Augen ins Visier. Er trug einen Smoking von Armani, die perfekte Kleidung für den Anlass, und sein schwarzes Haar war kunstvoll aus der Stirn gekämmt. Mit einem dünnlippigen Lächeln ging er auf sie zu.
»Wen haben wir denn hier?« Trotz des dick aufgetragenen süffisanten Charmes erkannte Danika die arrogante Stimme, die sie draußen auf der Terrasse gehört hatte. Die Begleiter des Mannes verschwanden in der Menge, nur einer - ein Muskelpaket mit breiten Schultern und einem finsteren, gefährlichen Ausdruck im Gesicht - blieb bei ihm stehen. »Da wäre ich doch fast gegangen, ohne die Bekanntschaft einer so schönen Frau zu machen.«
Danika antwortete nicht. Sie war wenig beeindruckt, außerdem war sie damit beschäftigt, den Stammesvampir hinter dem Mann besser ins Blickfeld zu bekommen; ob er Leibwächter oder gekaufter Schläger war, konnte sie nicht erkennen. Er war groß und beeindruckend gebaut, und unter seinem konservativ geschnittenen Anzug aus grauschwarzem Wollstoff trug er mehr als nur eine Schusswaffe. Seine Augen waren halb von einer losen Strähne seines dichten, kastanienbraunen Haars überschattet. Dennoch konnte Danika eine üble, wohl von einem Messer herrührende Narbe auf einer seiner bärtigen Wangen ausmachen, und sein Nasenrücken wies eine Erhebung auf, offenbar von einem schlecht verheilten Bruch. Während sie ihn anstarrte, verzog er seinen üppig geschwungenen Mund immer mehr, presste abweisend die Lippen über dem kantigen Kinn zusammen.
Etwas regte sich tief in Danikas Adern. Das Gesicht passte überhaupt nicht, aber dieser grimmige Zug um den Mund ...
Sie kannte diesen dunklen Blick. Oder doch nicht?
»Ich heiße Reiver«, sagte der Vampir mit der sarkastischen Stimme. Seine schleimige Art verursachte bei Danika eine Gänsehaut. Er ließ seinen Blick an ihr hinabgleiten und hob die Augenbrauen, als er die scharlachrote Schärpe um ihre Hüften bemerkte. »Und Sie müssen die Witwe MacConn sein. Wirklich schade um Ihren Mann. Er war in eine gefährliche Sache involviert.«
Danika zuckte zusammen, als er ihren toten Gefährten erwähnte. Und sie hätte schwören können, dass sie auch bei Reivers bedrohlich wirkendem Begleiter ganz kurz eine Reaktion aufblitzen sah. »Conlan hat an die Sache geglaubt, für die er gestorben ist. Ob gefährlich oder nicht, war ihm egal. Er hat dem Orden immer ehrenvoll gedient.«
Der Vampir senkte den Kopf, eine vage zustimmende Geste. »Selbstverständlich. Mein aufrichtiges Beileid zu Ihrem Verlust.«
Fast hätte sie ihm sogar glauben können, wäre da nicht das anzügliche Glitzern in seinen Augen. »An Ihrer Art von Beileidsbezeugungen habe ich kein Interesse. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen - «
Sie drehte sich um und wollte weggehen, da packte er sie mit einem festen Griff am Arm. Danika registrierte ein grollendes Knurren in ihrem Rücken, doch sie konnte nicht ausmachen, ob es von Reiver oder dem Leibwächter hinter ihm gekommen war. Der Körper des Leibwächters straffte sich, er war in absoluter Alarmbereitschaft. Er schien fast zu vibrieren angesichts der Bedrohung, die er ausstrahlte. »Sie nehmen kein Blatt vor den Mund. Nun ja, die primitiven Ordenskrieger finden so was ja vielleicht attraktiv an einer Frau. Aber Sie sind hier weit weg von Boston. Etwas mehr Höflichkeit stünde Ihnen besser zu Gesicht.«
Danika blickte auf die langen Finger, die wie ein schlangenartiger Schraubstock um ihr Handgelenk lagen. Der Vampir hatte den Griff kein bisschen gelockert. Sein Leibwächter bewegte sich nach vorn, als wolle er zwischen sie treten. Doch Danika ließ sich weder von dem einen Kerl noch dem anderen einschüchtern. »Lassen Sie mich los.«
Reivers schmieriges Lächeln wurde zu einem dünnlippigen Grinsen. »Wir hatten doch kaum Gelegenheit, uns richtig kennenzulernen. Bleiben Sie. Ich bestehe darauf.«
»Ich sagte, lassen Sie los.«
Er hielt ihr Handgelenk fest umklammert, und sie schlug ihm mit der offenen Hand ins Gesicht. Das scharfe Klatschen hallte wie ein Echo durch den Saal.
Alle Anwesenden erstarrten wie vom Donner gerührt. Niemand tanzte mehr, die Klänge des Orchesters verebbten, dann war es vollkommen still. Gespräche brachen mitten im Satz ab, die Köpfe drehten sich zu ihnen um. Alle starrten auf Danika und den Vampir, der vor unterdrückter Wut kochte. Hätte sich der Leibwächter nicht wie eine Schutzmauer zwischen ihnen aufgebaut, hätte er mit Sicherheit zurückgeschlagen.
»Danika!« Emma stürzte mit James von der anderen Seite des Saals auf sie zu. Sie sahen sie entsetzt an, ganz so, als wäre Danika ein Kind, das ahnungslos mit einem Stock in einem Schlangennest herumstocherte. »Danika, was hast du denn getan?«
»Holen Sie meinen Wagen«, zischte Reiver seinen Leibwächter an. Es war nicht zu übersehen, wie wütend er war. Seine Augen glühten bernsteinfarben, seine Pupillen hatten sich zu Schlitzen verengt. Er bleckte die Lippen und enthüllte seine schimmernden, rasiermesserscharfen Fangzähne. »Das Spektakel ist zu Ende. Ich gehe.«
»Mr Reiver«, warf James ein, der sichtlich nervös war. »Es tut mir wirklich unendlich leid, dass es zu diesem ... Vorfall gekommen ist. Bitte entschuldigen das Verhalten unserer Cousine. Sie hat sicher nicht absichtlich ...«
»Nein«, sagte Danika. »Du brauchst dich nicht für mich zu entschuldigen. Ich kann sehr gut für mich selbst sprechen. Und wenn hier eine Entschuldigung angebracht wäre, würde ich es tun.«
Reivers Leibwächter brummte einen leisen Fluch in seinen Bart. Die Augen seines Bosses glühten nur noch intensiver. »Der Wagen, Brandogge. Machen Sie schon.«
Der große Vampir ging davon, um den Befehl auszuführen. Reiver musterte Danika, zog sie mit seinem abschätzigen Blick praktisch nackt aus. »Ich kann nur hoffen, dass sich die rüden Manieren, die Sie sich in Amerika zugelegt haben, während Ihres Aufenthalts in Schottland ein wenig verlieren, Witwe MacConn. Ihnen zuliebe hoffe ich das.«
Sie wollte ihm noch zurufen, wohin er sich seine unverschämte Bemerkung stecken könne, doch Conlans Verwandte zogen sie weg, damit Reiver die Party ohne einen weiteren Skandal verlassen konnte.
...
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Weihnachtliche Melodien erfüllten den Ballsaal der Edinburgher Villa. Die Musiker trugen schwarze Smokings, und ungefähr zwei Dutzend wundervoll gekleidete Paare tanzten unter den Girlanden aus glänzenden Stechpalmenzweigen und duftendem immergrünen Reisig. Die riesigen Kronleuchter aus geschliffenem Kristall hoch über ihren Köpfen brachen das weiche Licht wie Diamanten und warfen glitzernde goldene Akzente auf die Versammlung im Dunklen Hafen. Draußen war es Nacht. Die Läden, die tagsüber die sechs Meter hohe Fensterwand des Tanzsaales hermetisch gegen das Licht abschirmten, waren jetzt aufgeklappt und gaben den Blick frei auf die unberührten, mondbeschienenen Hügel der Highlands, die mit winterlichem Weiß bedeckt waren.
Die Szenerie wirkte perfekt arrangiert, wie ein Foto in einem Hochglanzmagazin.
Elegant, außerordentlich kultiviert und absolut bezaubernd.
Danika hätte am liebsten lauthals geschrien.
Sie gehörte nicht hierher. Es war ein Fehler gewesen, über Weihnachten zurück nach Schottland zu kommen. Noch war sie keine zwei Tage in Edinburgh, und schon würde sie am liebsten sofort den nächsten Flug nach Hause buchen, zurück in ihr ruhiges Leben nach Dänemark. Doch Conlans wohlmeinende Verwandten hatten sie eingeladen, und sie hatte nicht Nein sagen können, auch nicht zu der Party des Stammes heute Nacht. Jetzt stand sie seit zwei Stunden in ihren hochhackigen Sandalen und dem schwarzen Cocktailkleid herum und machte krampfhaft Smalltalk mit sicherlich hundert Leuten, von denen sie niemanden kannte. Dabei schaute sie die Hälfte der Zeit sehnsüchtig zur Eingangstür der Villa hinüber.
»Amüsierst du dich gut, Danika?«
Gott, sie musste sich wirklich zusammenreißen, um die junge Frau neben ihr nicht einfach stehen zu lassen und einen verfrühten Abgang zu machen. Stattdessen lächelte sie ihr zu. »Aber sicher. Die Party ist wundervoll, Emma.«
»Siehst du? Wusste ich doch, dass es dir guttut, mal etwas rauszukommen«, sagte die zierliche Rothaarige. Sie war die Stammesgefährtin eines entfernten Cousins von Con und noch ein richtiges Kind, höchstens Mitte zwanzig. Ihre Haut leuchtete mit der Frische echter Jugend, und sie glühte geradezu im Bewusstsein der ewigen Blutsverbindung, die sie mit dem gut aussehenden Stammesvampir an ihrer Seite geschlossen hatte. Seine dunklen Augen wurden weich, wenn er Emma betrachtete, und er hatte beschützend seinen starken Arm um sie gelegt. Wenn er seine hübsche Gefährtin anlächelte, waren die hervortretenden Fangzähne hinter seinen Lippen deutlich zu sehen. Das Verlangen zeigte sich auch in seinen Augen, in denen glühende, bernsteinfarbene Funken aufblitzten.
Die beiden waren für alle sichtbar wahnsinnig ineinander verliebt, und Danika konnte das Gefühl von Neid auf ihre gemeinsame Zukunft nicht unterdrücken. Sie selbst konnte sich kaum an die Zeit erinnern, als sie frisch verliebt und ihre Blutsverbindung mit Con noch ganz neu gewesen war. Damals hatten sie gedacht, sie würden auf alle Ewigkeit zusammen sein.
Danika wandte den Blick von den Verliebten ab und strich dabei die Trauerschärpe aus scharlachroter Seide glatt, die sie sich umgebunden hatte. Auf das traditionelle weiße Witwenkleid hatte sie verzichtet, doch dieses letzte Symbol ihres Verlustes konnte und wollte sie immer noch nicht ablegen, auch wenn Conlan schon vor anderthalb Jahren gestorben war. Hier in Schottland - Cons Heimat - spürte sie seine Abwesenheit noch deutlicher als sonst. Hier in den Highlands hatten sie zusammen ihre Geschichte geschrieben. Über Jahrhunderte waren sie in ihrer Blutsverbindung vereint gewesen und hatten ein friedvolles Leben geführt. Dann, vor etwa hundert Jahren, hatte Cons Pflicht- und Ehrgefühl sie nach Amerika geführt, wo er ein Krieger wurde und sein Schwert in den Dienst des Ordens stellte.
Nichts hatte ihnen zu ihrem Glück gefehlt, außer einem Kind. Drei Monate vor der fehlgeschlagenen Mission des Ordens, bei der Conlan getötet wurde, hatten sie ihren Sohn Connor gezeugt. Danika hatte das Baby heute Abend gar nicht gerne bei Cons Familie im Gäste-Cottage zurückgelassen, auch wenn es nur für ein paar Stunden war. Connor war alles, was ihr geblieben war, die einzige Verbindung zu ihrem Leben mit Conlan. Sie blickte über die Menge aus lauter Fremden, Stammesvampiren in Zivil und ihren Gefährtinnen - hundert unbekannte Gesichter an einem unvertrauten Ort. Sie blickte sie alle an und war noch nie so einsam gewesen.
»Bitte entschuldigt mich für einen Moment«, sagte sie zu dem Paar. »Ich sollte kurz im Cottage anrufen, ob mit Connor alles in Ordnung ist.«
»Aber du hast doch erst vor fünf Minuten angerufen ...«
Doch Danika ging schon auf eine ruhigere Stelle im Saal zu und holte das Handy aus ihrer kleinen Abendtasche. Emmas Bemerkung überhörte sie geflissentlich. In dem kleinen Cottage, wo sie und Connor untergebracht waren, gab es keine neuen Nachrichten. Alles war so wie beim letzten Mal, als sie angerufen hatte: Dem Baby ging es gut, Danika brauchte sich keine Sorgen zu machen.
Sie bedankte sich bei der Stammesgefährtin, die auf Connor aufpasste, und klappte das Handy zu. Es gab keinen Grund, weshalb sie die Party frühzeitig verlassen und schnell zurück zu ihrem Kind musste, und darüber sollte sie froh sein. Alle wollten, dass sie sich heute einen schönen Abend machte. Wo sie schon hier festsaß, bis ihre Begleiter aufbrechen wollten, sollte sie vielleicht wenigstens versuchen, ein bisschen Spaß auf der Party zu haben.
Danika ließ das Handy in ihre Abendtasche gleiten und schlenderte langsam in einem Kreis durch den Saal. Wegen der roten Schärpe um ihre Taille zeigten die ledigen Stammesvampire kaum Interesse; nur die draufgängerischsten schauten ihr nach. Dabei war sie mit ihren eins achtzig, den zusätzlichen Zwölf-Zentimeter-Absätzen und ihren langen, skandinavisch blonden Haaren kaum zu übersehen. Sie hatte kein Problem, die taxierenden Blicke der Männer im Saal zu ignorieren. Es waren die Blicke voller Mitgefühl, die ihr die anderen Stammesgefährtinnen zuwarfen, wegen derer sie sich unwohl in ihrer Haut fühlte.
Verwitwet nach so langer Zeit? Ich würde mich lieber umbringen, als meinen Gefährten so zu verlieren.
Für einen Moment schloss Danika die Augen, als der Gedanke ihr von der anderen Seite des Saals zugetragen wurde. Sie wusste nicht, von wem sie ihn aufgeschnappt hatte, und sie konnte auch nicht verhindern, dass sie in den Kopf eines anderen Vampirs eingedrungen war. Jede Stammesgefährtin besaß eine individuelle übersinnliche Gabe. Danika konnte Gedanken lesen, die von Stammesvampiren und ihren Gefährtinnen, und auch die vom ganz gewöhnlichen Homo sapiens. Seit Conlans Tod war ihre Gabe unberechenbar geworden, sie hatte die Kontrolle darüber verloren. Sein Stammesblut hatte ihren Körper über Jahrhunderte jung gehalten, und es hatte ihr Talent genährt und stark gemacht.
Schon mehrmals heute Abend war ihr plötzlich und unaufgefordert ein mentaler Kommentar durch den Kopf geschossen. Das meiste war banales Geschwätz und das übliche Geschwafel langweiliger Cocktailpartys. Doch auch einige weniger nette Gedanken hatten wie scharfe Pfeile den Weg zu ihr gefunden.
Das wäre nicht passiert, wenn Conlan in Schottland geblieben wäre, wo er hingehört. Er hätte sich nie eine Ausländerin als Gefährtin nehmen sollen.
Danika hob unwillkürlich ihr Kinn und schritt tiefer in die Menge der Zivilisten im Dunklen Hafen. Sollten sie sie doch anstarren. Was kümmerten sie diese stummen Anklagen und Verdächtigungen? Sollten sie eben glotzen, als käme Danika vom Mars. Sie war hier eine Außenseiterin, aber auf die Anerkennung von anderen hatte Danika nie etwas gegeben. Und die Anerkennung der Highlander brauchte sie gleich zweimal nicht.
Sie schritt ohne Eile und mit erhobenem Kopf mitten durch die versammelten Gäste. Jetzt schnappte sie auch gemurmelte Unterhaltungen auf, die mit dem Ansturm des unkontrollierten mentalen Inputs verschmolzen. Bald konnte Danika kaum mehr unterscheiden, welche Worte laut gesprochen wurden und welche nur Gedanken waren, die nur sie in ihrem Kopf hören konnte. Jemand ärgerte sich über seine unbequeme Kleidung, eine Frau schmiedete irgendwelche Pläne für die Feiertage. Das alles wurde überlagert von hitzigen Debatten über Stammespolitik und die schlechte wirtschaftliche Situation in der Welt der Menschen. In einigen Teilen der Erde sah es selbst für das Vampirvolk wirtschaftlich nicht besonders rosig aus.
Danika dröhnte der Schädel vom Stimmengewirr des doppelten mentalen Inputs. Endlich hatte sie die andere Seite des Saals erreicht. Ein bisschen frische Luft würde ihr jetzt guttun. Sie ging auf die Glastür zwischen den Vorhängen zu, die hinaus auf eine Terrasse führte.
Beim Näherkommen bemerkte sie draußen einige dunkle Gestalten, eine Gruppe von Stammesvampiren, die sich unterhielten. Sie redeten leise, und ihre tiefen Stimmen waren durch das Glas kaum zu verstehen. Einer erwähnte eine Lebendfracht, die schon längst am Edinburgher Flughafen hätte ankommen sollen - teure Ware, die offenbar Diskretion erforderte. Danikas Instinkte waren sofort geweckt, ein Prickeln lief ihr über den Rücken, und sie hielt in der Bewegung inne. Bei der nächsten Frage blieb sie wie angewurzelt vor der Terrassentür stehen.
»Enthält die Lieferung denn irgendwas ... Exotisches?«
»Kann schon sein«, kam in arrogantem Tonfall die geflüsterte Antwort. »Ich sage nur: Bietet, was das Zeug hält. Es ist für jeden Appetit etwas dabei.«
Ein leises, verschwörerisches Lachen war von der Vampirgruppe zu hören. Sie unterhielten sich weiter, doch ihre Stimmen wurden leiser, sodass Danika nichts mehr verstehen konnte. Sie schob sich noch näher an die Glastür und tat dabei so, als wäre sie völlig hingerissen von einem grässlichen Gemälde neben ihr an der Wand.
Nicht gerade die feine englische Art, fremde Unterhaltungen zu belauschen.
Der Gedanke erschien aus dem Nichts in ihrem Kopf. Er fühlte sich zäh und dickflüssig an wie Sirup, und sie konnte das rollende schottische R geradezu hören.
Du spielst mit dem Feuer, Mädel.
Hatte sie diese dunkle Stimme mit dem breiten Dialekt nicht schon einmal gehört? Und was noch wichtiger war, offenbar wusste der Besitzer der Stimme von ihrer Gabe - kannte er sie?
Danika schaute sich kurz um und suchte die Menge und die kleinen Grüppchen, die sich am Rand des Saals gebildet hatten, nach bekannten Gesichtern ab. Doch außer Conlans Vettern und ihren Gefährtinnen kannte sie niemanden hier.
Und doch war sie sich sicher: Diese sarkastische Stimme mit dem schleppenden Highland-Dialekt hatte sie schon einmal gehört. Die Gruppe von Stammesvampiren draußen auf der Terrasse kam ihr in den Sinn, und sie fragte sich, ob ...
In diesem Moment wurde die Glastür geöffnet, und die vier Vampire betraten die Villa. Danika ging rasch ein paar Schritte zur Seite, doch es war zu spät. Sie konnte nicht mehr so tun, als hätte sie nicht schon ein paar Minuten lang an der Tür gestanden.
Der Anführer des Rudels nahm sie sofort mit seinen kühlen, schiefergrauen Augen ins Visier. Er trug einen Smoking von Armani, die perfekte Kleidung für den Anlass, und sein schwarzes Haar war kunstvoll aus der Stirn gekämmt. Mit einem dünnlippigen Lächeln ging er auf sie zu.
»Wen haben wir denn hier?« Trotz des dick aufgetragenen süffisanten Charmes erkannte Danika die arrogante Stimme, die sie draußen auf der Terrasse gehört hatte. Die Begleiter des Mannes verschwanden in der Menge, nur einer - ein Muskelpaket mit breiten Schultern und einem finsteren, gefährlichen Ausdruck im Gesicht - blieb bei ihm stehen. »Da wäre ich doch fast gegangen, ohne die Bekanntschaft einer so schönen Frau zu machen.«
Danika antwortete nicht. Sie war wenig beeindruckt, außerdem war sie damit beschäftigt, den Stammesvampir hinter dem Mann besser ins Blickfeld zu bekommen; ob er Leibwächter oder gekaufter Schläger war, konnte sie nicht erkennen. Er war groß und beeindruckend gebaut, und unter seinem konservativ geschnittenen Anzug aus grauschwarzem Wollstoff trug er mehr als nur eine Schusswaffe. Seine Augen waren halb von einer losen Strähne seines dichten, kastanienbraunen Haars überschattet. Dennoch konnte Danika eine üble, wohl von einem Messer herrührende Narbe auf einer seiner bärtigen Wangen ausmachen, und sein Nasenrücken wies eine Erhebung auf, offenbar von einem schlecht verheilten Bruch. Während sie ihn anstarrte, verzog er seinen üppig geschwungenen Mund immer mehr, presste abweisend die Lippen über dem kantigen Kinn zusammen.
Etwas regte sich tief in Danikas Adern. Das Gesicht passte überhaupt nicht, aber dieser grimmige Zug um den Mund ...
Sie kannte diesen dunklen Blick. Oder doch nicht?
»Ich heiße Reiver«, sagte der Vampir mit der sarkastischen Stimme. Seine schleimige Art verursachte bei Danika eine Gänsehaut. Er ließ seinen Blick an ihr hinabgleiten und hob die Augenbrauen, als er die scharlachrote Schärpe um ihre Hüften bemerkte. »Und Sie müssen die Witwe MacConn sein. Wirklich schade um Ihren Mann. Er war in eine gefährliche Sache involviert.«
Danika zuckte zusammen, als er ihren toten Gefährten erwähnte. Und sie hätte schwören können, dass sie auch bei Reivers bedrohlich wirkendem Begleiter ganz kurz eine Reaktion aufblitzen sah. »Conlan hat an die Sache geglaubt, für die er gestorben ist. Ob gefährlich oder nicht, war ihm egal. Er hat dem Orden immer ehrenvoll gedient.«
Der Vampir senkte den Kopf, eine vage zustimmende Geste. »Selbstverständlich. Mein aufrichtiges Beileid zu Ihrem Verlust.«
Fast hätte sie ihm sogar glauben können, wäre da nicht das anzügliche Glitzern in seinen Augen. »An Ihrer Art von Beileidsbezeugungen habe ich kein Interesse. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen - «
Sie drehte sich um und wollte weggehen, da packte er sie mit einem festen Griff am Arm. Danika registrierte ein grollendes Knurren in ihrem Rücken, doch sie konnte nicht ausmachen, ob es von Reiver oder dem Leibwächter hinter ihm gekommen war. Der Körper des Leibwächters straffte sich, er war in absoluter Alarmbereitschaft. Er schien fast zu vibrieren angesichts der Bedrohung, die er ausstrahlte. »Sie nehmen kein Blatt vor den Mund. Nun ja, die primitiven Ordenskrieger finden so was ja vielleicht attraktiv an einer Frau. Aber Sie sind hier weit weg von Boston. Etwas mehr Höflichkeit stünde Ihnen besser zu Gesicht.«
Danika blickte auf die langen Finger, die wie ein schlangenartiger Schraubstock um ihr Handgelenk lagen. Der Vampir hatte den Griff kein bisschen gelockert. Sein Leibwächter bewegte sich nach vorn, als wolle er zwischen sie treten. Doch Danika ließ sich weder von dem einen Kerl noch dem anderen einschüchtern. »Lassen Sie mich los.«
Reivers schmieriges Lächeln wurde zu einem dünnlippigen Grinsen. »Wir hatten doch kaum Gelegenheit, uns richtig kennenzulernen. Bleiben Sie. Ich bestehe darauf.«
»Ich sagte, lassen Sie los.«
Er hielt ihr Handgelenk fest umklammert, und sie schlug ihm mit der offenen Hand ins Gesicht. Das scharfe Klatschen hallte wie ein Echo durch den Saal.
Alle Anwesenden erstarrten wie vom Donner gerührt. Niemand tanzte mehr, die Klänge des Orchesters verebbten, dann war es vollkommen still. Gespräche brachen mitten im Satz ab, die Köpfe drehten sich zu ihnen um. Alle starrten auf Danika und den Vampir, der vor unterdrückter Wut kochte. Hätte sich der Leibwächter nicht wie eine Schutzmauer zwischen ihnen aufgebaut, hätte er mit Sicherheit zurückgeschlagen.
»Danika!« Emma stürzte mit James von der anderen Seite des Saals auf sie zu. Sie sahen sie entsetzt an, ganz so, als wäre Danika ein Kind, das ahnungslos mit einem Stock in einem Schlangennest herumstocherte. »Danika, was hast du denn getan?«
»Holen Sie meinen Wagen«, zischte Reiver seinen Leibwächter an. Es war nicht zu übersehen, wie wütend er war. Seine Augen glühten bernsteinfarben, seine Pupillen hatten sich zu Schlitzen verengt. Er bleckte die Lippen und enthüllte seine schimmernden, rasiermesserscharfen Fangzähne. »Das Spektakel ist zu Ende. Ich gehe.«
»Mr Reiver«, warf James ein, der sichtlich nervös war. »Es tut mir wirklich unendlich leid, dass es zu diesem ... Vorfall gekommen ist. Bitte entschuldigen das Verhalten unserer Cousine. Sie hat sicher nicht absichtlich ...«
»Nein«, sagte Danika. »Du brauchst dich nicht für mich zu entschuldigen. Ich kann sehr gut für mich selbst sprechen. Und wenn hier eine Entschuldigung angebracht wäre, würde ich es tun.«
Reivers Leibwächter brummte einen leisen Fluch in seinen Bart. Die Augen seines Bosses glühten nur noch intensiver. »Der Wagen, Brandogge. Machen Sie schon.«
Der große Vampir ging davon, um den Befehl auszuführen. Reiver musterte Danika, zog sie mit seinem abschätzigen Blick praktisch nackt aus. »Ich kann nur hoffen, dass sich die rüden Manieren, die Sie sich in Amerika zugelegt haben, während Ihres Aufenthalts in Schottland ein wenig verlieren, Witwe MacConn. Ihnen zuliebe hoffe ich das.«
Sie wollte ihm noch zurufen, wohin er sich seine unverschämte Bemerkung stecken könne, doch Conlans Verwandte zogen sie weg, damit Reiver die Party ohne einen weiteren Skandal verlassen konnte.
...
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Lara Adrian
Lara Adrian lebt mit ihrem Mann in Neuengland. Seit ihrer Kindheit hegt sie eine besondere Vorliebe für Vampirromane. Zu ihren Lieblingsautoren zählen Bram Stoker und Anne Rice.
Bibliographische Angaben
- Autor: Lara Adrian
- Altersempfehlung: Ab 16 Jahre
- 2012, 160 Seiten, Masse: 12,4 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Lisa Kuppler, Katrin Kremmler
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802588800
- ISBN-13: 9783802588808
- Erscheinungsdatum: 09.10.2012
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