Das mangelnde Licht
In »Das mangelnde Licht« erzahlt Nino Haratischwili von einem verlorenen Land und einer verlorenen Generation, einer Revolution, die ihre Kinder frisst und einer bedingungslosen Frauenfreundschaft, die dem Tod trotzt. Ein grosser Roman mit epischem Atem und...
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Produktinformationen zu „Das mangelnde Licht “
In »Das mangelnde Licht« erzahlt Nino Haratischwili von einem verlorenen Land und einer verlorenen Generation, einer Revolution, die ihre Kinder frisst und einer bedingungslosen Frauenfreundschaft, die dem Tod trotzt. Ein grosser Roman mit epischem Atem und von dramatischer Pracht, der aufbricht wie ein Granatapfel - und eine Hommage an Georgien, an die Stadt Tbilissi und ihre Menschen, eine Liebeserklarung durch die Zeiten hindurch.
Klappentext zu „Das mangelnde Licht “
Nach der lang ersehnten Unabhangigkeit vom ins Taumeln geratenen Riesen stürzt der junge georgische Staat ins Chaos. Zwischen den feuchten Wanden und verwunschenen Holzbalkonen der Tbilisser Altstadt finden Ende der 1980er Jahre vier Madchen zusammen: die freiheitshungrige Dina, die kluge Aussenseiterin Ira, die romantische Nene, Nichte des machtigsten Kriminellen der Stadt, und die sensible Qeto. Die erste grosse Liebe, die nur im Verborgenen blühen darf, die aufbrandende Gewalt in den Strassen, die Stromaus-alle, das ins Land gespülte Heroin und die Gespaltenheit einer jungen Demokratie im Bürgerkrieg - allem trotzt ihre Freundschaft, bis ein unverzeihlicher Verrat und ein tragischer Tod sie schliesslich doch auseinandersprengt.Erst 2019 in Brüssel, anlasslich einer grossen Retrospektive mit Fotografien ihrer toten Freundin, kommt es zu einer Wiederbegegnung. Die Bilder zeigen ihre Geschichte, die zugleich die Geschichte ihres Landes ist, eine intime Rückschau, die sie zwingt, den Vorhang über der Vergangenheit zu heben und eine Vergebung scheint moglich.
Lese-Probe zu „Das mangelnde Licht “
Tbilissi, 1987Das Abendlicht verfing sich in ihren Haaren. Sie würde es schaffen, gleich würde sie auch dieses Hindernis überwinden, ihren Körper mit voller Wucht gegen das Gitter pressen, bis es ihrem Gewicht nur noch einen schwachen Widerstand leisten, leicht aufstöhnen und nachgeben würde. Ja, sie würde dieses Hindernis nicht nur für sich, sondern auch für uns drei durchbrechen, um ihren unzertrennlichen Gefährtinnen den Weg ins Abenteuer freizumachen. Für den Bruchteil eines Moments hielt ich den Atem an. Mit aufgerissenen Augen schauten wir auf unsere zwischen zwei Welten stehende Freundin: Dinas einer Fuss verharrte noch auf dem Gehsteig der Engelsstrasse, der andere ragte bereits in den dunklen Innenhof des Botanischen Gartens; sie schwebte zwischen dem Erlaubten und dem Verbotenem, zwischen dem Kitzel des Unbekannten und der Monotonie des Vertrauten, zwischen dem Weg nach Hause und dem Wagnis. Sie, die Mutigste von uns vieren, öffnete uns eine geheime Welt, zu der sie allein uns Zugang verschaffen konnte, weil für sie Gitter und Zäune keine Bedeutung besassen. Sie, deren Leben im letzten Jahr des bleiernen, kranken und nach Luft ringenden Jahrhunderts an einem Strick enden sollte, improvisiert aus dem Seil eines Gymnastikrings. In jener Nacht aber, viele ahnungslose Jahre vom Tod entfernt, war ich gebannt von einem allumfassenden Gefühl, das ich nicht genau einordnen konnte. Heute würde ich es vielleicht einen Rausch nennen, ein Geschenk, das einem das Leben so vollkommen unvorbereitet macht, dieser winzige Schlitz, der sich selten genug zwischen der ganzen hässlichen Alltäglichkeit, der ganzen Schwerstarbeit des Lebens öffnet und der einen erahnen lässt, dass hinter all dem Allzugewöhnlichen doch so viel mehr steckt, wenn man es bloss zulässt und sich von Zwängen und vorbestimmten Mustern löst, um den entscheidenden Schritt zu tun. Denn ohne es recht zu begreifen, ahnte ich bereits damals, dass sich mir dieser Moment für immer ins Gedächtnis einprägen und sich
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mit der Zeit in ein Sinnbild des Glücklichseins verwandeln sollte. Ich spürte, dass dieser Moment magisch war, und das nicht, weil etwas im eigentlichen Sinne Besonderes geschah, sondern weil wir in unserem Zusammenhalt eine unzerstörbare Kraft bildeten, eine Gemeinschaft, die vor keiner Herausforderung mehr zurückschrecken würde.Ich hielt den Atem an und beobachtete, wie Dina durch das Gitter in den Hof hineinbrach, mit diesem frohlockenden, triumphalen Gesichtsausdruck. Und auch ich wähnte mich für einen Moment als Herrscherin über jedes Glück und jede Freude, als Königin der Wagemutigen, denn ich war für einen Augenblick sie, Dina, meine tollkühne Freundin. Und nicht nur ich, auch die beiden anderen wurden zu ihr, teilten dieses Gefühl von Freiheit, das lauter Versprechen zu bergen schien, wartete hinter diesen rostigen Streben doch eine ganze Welt nur darauf, von uns erkundet und erobert zu werden, eine Welt, die sich uns zu Füssen legen wollte.Wir näherten uns der alten Umzäunung des Botanischen Gartens, bestaunten das von Dina vollbrachte Wunder, während sie selbstzufrieden zu uns herübersah, als wolle sie Applaus und Anerkennung dafür, dass sie unseren Zweifeln zum Trotz recht behalten hatte, dass uns nämlich dieses vom Rost zerfressene Gitterstück an der Engelsstrasse den idealen Durchschlupf bot, um das grosse und langersehnte Abenteuer zu beginnen.- Na, wird es endlich?, rief sie uns von der anderen Seite zu, und eine von uns, ich weiss nicht mehr, welche, legte den Zeigefinger auf die zusammengepressten Lippen und stiess ein sorgenvolles "Psst!" hervor. Das Licht einer einsamen Laterne auf der Strassenseite gegenüber fiel auf Dinas Gesicht, sie hatte Spuren von Rost auf beiden Wangen. Ich machte den ersten Schritt, überwand mit dem Schwung meines rechten Beins die Angst und die Aufregung, unmöglich zu sagen, was überwog. Ich drückte mich fest an Dina, die mir das Gitter so gut es ging auseinanderhielt, blieb mit dem Haar an einer der sich kräuselnden und
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Autoren-Porträt von Nino Haratischwili
Nino Haratischwili, geboren 1983 in Tbilissi/Georgien, ist preisgekronte Theaterautorin, -regisseurin und Romanautorin. Ihr grosses Familienepos »Das achte Leben (Für Brilka)«, in 25 Sprachen übersetzt, avancierte zum weltweiten Bestseller, eine grosse internationale Verfilmung ist in Vorbereitung. Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Anna-Seghers-Literaturpreis, dem Bertolt-Brecht-Preis und dem Schiller-Gedachtnispreis, ihr Roman »Die Katze und der General« stand auf der auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2019. Ihr neuer Roman »Das mangelnde Licht« wurde bereits vor Erscheinen in 15 Lander verkauft. Die Autorin lebt in Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nino Haratischwili
- 2022, 3. Aufl., 832 Seiten, Masse: 13,2 x 21,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Frankfurter Verlagsanstalt
- ISBN-10: 3627002938
- ISBN-13: 9783627002930
- Erscheinungsdatum: 23.02.2022
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