Das Handbuch der Exponatik
Vom Ausstellen und Zeigen
Vergangen sind die Zeiten, da Museen als verstaubt und verschlafen galten oder Ausstellungen geschmäht wurden. Angesichts des aktuellen Booms von Ausstellungen liegt die Frage nach dem WIE des Zeigens auf der Hand. Das enzyklopädisch angelegte Buch bietet...
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Produktinformationen zu „Das Handbuch der Exponatik “
Klappentext zu „Das Handbuch der Exponatik “
Vergangen sind die Zeiten, da Museen als verstaubt und verschlafen galten oder Ausstellungen geschmäht wurden. Angesichts des aktuellen Booms von Ausstellungen liegt die Frage nach dem WIE des Zeigens auf der Hand. Das enzyklopädisch angelegte Buch bietet praktizierenden und angehenden Ausstellungsmachern wertvolle Hinweise, mit welcher Art des Zeigens welche Reaktionen beim Betrachter erzeugt werden können. Was gesammelt wird, will auch in einer bestimmten Form, und dann vielleicht auch immer wieder anders und in andern Kontexten, ausgestellt werden. Was nicht ausgestellt ist oder wird, wird nicht zur Kenntnis genommen. Fritz Franz Vogels Handbuch der Exponatik ist ein Desiderat. Die Analyse von rund 150 Ausstellungsformaten gleicht einem Gang durch eine Ausstellung und bietet praktizierenden und angehenden Ausstellungsmachern wertvolle Anregungen. Die Ausstellungsformen werden beschrieben und zusätzlich durch zahlreiche Abbildungen visuell ergänzt und erweitert. Dabei werden die Szenarien des Zeigens nach folgenden variablen Gesichtspunkten und Funktionsmerkmalen untersucht: 1. Art/Charakteristik/Atmosphäre 2. Herkunft/Geschichte/Wandel 3. Mobilitätsverhalten/Navigation/Blickregime 4. Funktion/Kommunikation/Rezeption 5. Wirkung/Bedeutung/Nachhaltigkeit.
Lese-Probe zu „Das Handbuch der Exponatik “
Vom Ausstellen und Zeigen. Das Handbuch der Exponatik von Fritz Franz VogelDie Zufahrt: Wegleitung
Der Weg zu einer guten Ausstellung heisst zur Zeit für Kuratoren, die neue Signaltafel mit der Aufschrift «Exponatik» nach Möglichkeit nicht ausser Acht zu lassen. Der Methode der «Exponatik» gelingt es, aus den Ideen und Beispielen der Vergangenheit - vom Archiv bis zur White Cube - bemerkenswert neue Aspekte zu extrahieren. Dabei gliedert sich die präsentierte Vielfalt der Ausstellungsformen in fünf Funktionsweisen des Zeigens. Diese beziehen sich auf Phänomene wie Raum, Zeit, Verhalten, Kommunikation und Wirkung. Der Fokus des Handbuchs liegt weniger auf der Geschichte des Ausstellungswesens, sondern vielmehr auf dem unmittelbaren Blick auf Displays und deren komplexe Charakteristiken. Gewählt wird vom Autor die Form der Synopse mit dichten Beschreibungen und parallel verlaufenden Bilderfolgen. Der Weg zu einer guten Ausstellung führt ab nun von der Qual der Wahl an Präsentationsmodi zu einer ungeahnten Fülle des Ausstellens und Zeigens.
Ideenspeicher und Impulsgeber
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Dem Schweizer Volkskundler, Fotohistoriker und Kurator Fritz Franz Vogel gelingt mit diesem multiperspektivischen Zugang - unter der Begriffsschöpfung «Exponatik» - auf anschauliche und beredte Art und Weise, ein offenes Desiderat abzutragen. Denn das Erarbeiten, Beschreiben und Darstellen von Ausstellungsformaten und Displays innerhalb einer zeitgenössischen Praxis des Kuratierens ist jetzt mit der Verfügbarkeit eines Handbuch ausgestattet, das über einen hohen Anwendungsnutzen verfügt - für Experten, Praktiker, Lehrende, Studierende und Laien. Beim «Handbuch der Exponatik» handelt es sich um den erstmaligen Versuch, das «Rahmenwerk» des Ausstellens mit Anschaulichkeit und Prägnanz, mit Gedanken- dichte und Materialfülle darzustellen und zu vermitteln. Sehr ansprechend gelingt dabei die in knapper aber kompakter Form gehaltene theoretische Reflexion von aktuellen und relevanten Ausstellungsdiskursen. Durch die gründliche Analyse und Charakterisierung der Zeigegesten verspricht das Exponatik-Kompendium, die Anforderungen an einen Ideenspeicher und Impulsgeber zugleich zu erfüllen. Der im Buchtitel artikulierte Anspruch, nicht «ein», sondern «das» Handbuch zum Themenfeld Ausstellen und Zeigen erstellt zu haben, ist in der vorliegenden Form als eingelöst zu bezeichnen.
Diskursiv und präsentativ
Das Werk verschafft in Bild und Text einen Überblick über 50 Ausstellungsformate und bewältigt sein Thema sowohl mit diskursiven als auch mit präsentativen Mitteln. Das diskursive Ausbreiten und Zerlegen des komplexen Sachverhalts des Ausstellens und Zeigens erfährt eine Erweiterung in der sinnlichen Anschaulichkeit, in der wahrnehmbaren und konkreten Präsentation von 2300 Abbildungen. Diese visuelle Objektivierung durch Fotografien hat das Potenzial, repräsentierende Zeichen und Symbole zusammenzuführen. Diese sind jedoch zugleich auch präsentativ, weil sie «unmittelbar zu den Sinnen sprechen» (Susanne K. Langer). Die anschauungsnahe Bildersammlung beflügelt ein dem Begrifflichen vorausliegendes Verstehen von Zusammenhängen und führt zu Aha-Erlebnissen, die noch vor dem intellektuellen Erfassen der Zusammenhänge liegen. Die Exponatik als künstlerisch-wissenschaftliche Forschung zu betreiben heisst, sich auf einem Terrain zu bewegen, auf dem sich die Dimension des Sehens und das Verstehen ganz unmittelbar in Bilddenken verwandeln. Wobei dieses durch das Vermögen des Oszillierens zwischen praktischer Anschauung und theoretischer Begrifflichkeit charakterisiert wird. Dem System der Exponatik ist die Erkenntnis immanent, dass zur begrifflichen Beherrschung der Künste die Erfahrung ihrer Nicht-Beherrschbarkeit hinzutritt.
Wirkung und Performanz
Die Relevanz des «Medium Ausstellung» als diskursiver und präsentativer Ort per se beschreibt sich in einer zentralen Aussage von Vogel: «...das Ausgestellte verändert sich sehr wohl mit der Art des Ausstellens, zwar nicht in seiner Entität und Identität, aber in seiner Wirkung und Performanz» (10). Das Handbuch umkreist als Zentrum somit die Performanz sprich das Erscheinen der Dinge im Raum. Die Reflexion darüber wird nicht so sehr über die wissenschaftliche Literatur entwickelt, sondern orientiert sich an der Beobachtung des Feuilletons und des Vergleichs zwischen der Berichterstattung über Theateraufführungen (Person) und Kunstausstellungen (Objekt) als alternierende Leitmedien (12ff.). Gestreift werden Diskurs- Begriffe wie «Konstruktion», «Performanz», «Inszenierung», «Politik», «Rhetorik» und «turns», wie etwa «pictorial turn» oder «spatial turn». Die Bedingungen des Ausstellens erschliessen sich durch I-Begriffe, wie Ideologie/Interpretation, Institution/Image, Innovation/Information, Intention/Exposition (15ff.).
Der ausgebreitete «kuratorische Raffinierungsprozess» ist ebenso assoziationsreich wie das vorgeschlagene Bezugssystem von Objekt-Raum-Publikum wie auch von Haben-Soll-Sein bzw. Auswählen-Zeigen-Wahrnehmen bzw. Was-Wie-Wer über eine hohe Anregungsintensität verfügt (20ff.).
Begriffe, Bilder, Sammellust
Das Kapitel «Zeigegesten» macht sich aus dem Buch «Politik des Zeigens» (2010) relevante Aspekte für die Exponatik produktiv und zu eigen: Akt des Hinweisens (Zeigefinger), Akt des Lernens (Wer zeigt Was und Wem), Akt der Vermittelns (Zerlegung), Akt des Ausstellens (Zusammentreffen/ Zurichtung), Akt des Präsentierens (Öffentlichkeit) (25ff.). Das Kapitel «Metaphern der Vermittlung» thematisiert, wie sich Metaphern fürs Ausstellungswesen wirksam machen lassen: De-/Monstranz (performativ, dynamisch, Strahlkraft), Aura/Evidenz (Superimago, Fokussierung, Freistellung), Abjecta/Trophäe, Rapport/Fraktal (variable Harmonie, Rand-Zentrum-Ähnlichkeit), Rhizom/bewegliche Ziele (unterirdisches Magnetfeld), Cento/ Cluster/Amalgam (Verdichtung), Serendipität/Kontingenz (Zufälliges zulassen), Palimpsest/ Hypertext (Wunderblock, Wissensnetz) (29ff.).
Sowohl die Nomenklatur der Ausstellungsformate als auch ihre Taxonomie und Charakteristik als Kernelemente des gesamten «Exponatik»-Werks bilden einen sehr an- und aufregenden Parcours durch die Multifunktionalität von Displays im farbigen Bildteil.
Fritz Franz Vogel nimmt an einer Stelle eine Aussage vor, die das Potenzial der Exponatik aufschlussreich auf den Punkt bringt: «Der Ort des Ausstellens ist ein Ort, der Prozesse ermöglicht, gerade weil er Unsicherheiten, Ambivalenzen und Diskursivitäten zulässt.» (9) Als Autor tritt er in einen Dialog mit diesem Prozess, schreibt ihn fort und schreibt ihn um. In einer raffinierten Kombination von Begriffs(er)findung, Bilddenken und Sammellust führt das zu einem glanzvollen Produkt.
Die Adresse: Vorwort
Nicht nur in unseren Breitengraden definiert sich der homo sapiens über das, was er ist und besitzt. Alltagsgegenstände, Luxuswaren, Kultobjekte, überflüssiger Tand sind Teil des eigenen Selbstverständnisses. Wir definieren uns und unsere Gesellschaft über das, was wir produzieren und um uns hübsch, geschmack- und effektvoll anrichten. Auch das, was wir nicht haben, ist uns bewusst, macht uns zu Konkurrenten, Sammlern, Eifersüchtigen und Neidern.
Bestimmte Objekte sind gar charakteristisch für eine Zeit. Es sind Dinge des Übergangs, sogenannte Schwellenobjekte. Sie tauchen auf in Momenten der Neuorientierung hinsichtlich Verhalten, Technik, Kommunikation etc. Da der Mensch trotz seiner sozialen Ader und mündlichen Austauschfähigkeit ein Bedürfnis hat, Dinge sein Eigen zu nennen, dieses Privatkonvolut auszubauen, zu verfeinern, vor allem zu individualisieren und damit sich selbst unverwechselbar zu machen, haben wir es heute mit einem unheimlichen Bestand an (privaten) Waren zu tun. Dazu kommt, dass die Lebenszyklen unter dem Diktat der Mode viel rasanter ablaufen und damit noch mehr Dinge in ähnlicher Aufmachung und Funktion produziert werden. Da Flickarbeit keine bürgerliche Konzeption und Sparstrategie mehr ist, ist der Warenfluss unaufhaltsam angeschwollen.
Mit den Objektklassen wächst auch die Anzahl der Museen und ihren ausufernden und vor allem unscharfen Rändern und ihrem chamäleonartigen Sammlungsverhalten. Die Lager sind voll, die privaten Keller überlaufen, die Sammlungen in öffentlichen Institutionen sind überschwemmt. Ohne Krieg und Katastrophen werden die Waren ebenso wenig dezimiert wie mittels gesundem Menschenverstand, der mehr nach dem Neuen schielt als das Zweitneuste noch länger zu behalten und es auszutragen.
Und: was gesammelt wird, will auch irgendwann in einer bestimmten Form, und dann vielleicht auch immer wieder anders und in andern Kontexten, ausgestellt werden, denn Ausstellen ist seit je ein gesellschaftliches Bildungsvergnügen. Was nicht ausgestellt wird/ist, wird nicht zur Kenntnis genommen. Um das Wie des Zeigens, um die Vielfalt ästhetischer Veranschaulichungen, geht es in diesem Buch.
Das Entree: Eröffnung
Die Geschichte des Ausstellens, von den römischen Reliefs über die religiösen Prozessionen des Barock und die Kunst(verkaufs)messen bis hin zu den akademischen Salonausstellungen im 18. Jahrhundert ist aufgearbeitet,2 auch wenn die fundierte Publikation von Georg Friedrich Koch schändlicherweise kaum je Erwähnung findet. Die Anfänge der Unterhaltungsindustrie und ihre wissenschaftlichen Implikationen sind von Barbara Maria Stafford beschrieben worden.3 Deren Fortsetzung, die Schaustellerei, machte eine Arbeitsgruppe zum Untersuchungsgegenstand. 4Verschiedene Publikationen beschäftigen sich mit dem Phänomen der Wunderkammer, die gemeinhin (aber fälschlicherweise) als Beginn des Ausstellungswesens taxiert wird.5 Die mittlerweile 160-jährige, ephemere Leistungsschau der Weltausstellungen wurde ebenfalls verschiedentlich untersucht.6 Zum Design von Handelsmessen publizierte Robert B. Konikow mehrere Jahresbände,7 wobei das Konzept, erweitert um den Museumsbereich, von Uwe J. Reinhardt und Philipp Teufel für den deutschsprachigen Raum wiederaufgenommen zu sein scheint.8 Zur Herstellung von narrativen Räumen referiert eine umfangreiche Publikation aus der Sicht eines Gestaltungsateliers.9 Der Versuch, die Ausstellungsgestaltung eines gesamten Jahrhunderts zu fassen, kommt ebenfalls aus der ambitionierten Bücherküche avedition in Ludwigsburg.10
Zu einzelnen Ausstellungsdisplays gibt es verschiedene Publikationen und Aufsätze. Die vorliegende Publikation unternimmt eine synoptische Perspektive, da eine Übersicht in dieser Bandbreite und Vertiefung nicht existiert - bei all dem, was man heute aus Archiven, Depots und unspezifizierten Beständen zu zeigen bereit ist, durchaus ein Desiderat. So versammelt und vergleicht diese Studie die bekannten Ausstellungsformate und Displays ikonisch und strukturell und untersucht sie hinsichtlich ihrer Charakteristik - seien sie historisch oder zeitgenössisch, fixiert, temporär oder nomadisch.
Die Ausstellungsformen werden einerseits deskriptiv charakterisiert, anderseits mittels eines Bildclusters visuell ergänzt und erweitert, um durch diesen intervisuellen Diskurs zusätzlichen Erkenntniswert zu erzeugen. Diese Szenarien des Zeigens werden untersucht nach fünf variablen Gesichtspunkten und Funktionsmerkmalen:
1. Art/Charakteristik/Atmosphäre
2. Herkunft/Geschichte/Wandel
3. Mobilitätsverhalten/Navigation/Blickregime
4. Funktion/Kommunikation/Rezeption
5. Wirkung/Bedeutung/Nachhaltigkeit.
Darin kommen Aspekte wie Raumart, Dimensionierung, Ressourcen, Licht, Zeigemacht, Visualität, Evidenz, Kommunikationsstruktur etc. zur Sprache. Mittels der synoptischen Betrachtung werden somit die typischen Merkmale herausgeschält. Dabei sollen die Erkenntnisse, was unter Ausstellen zu verstehen ist, auch an exotischen Beispielen exemplifiziert werden. So stehen konventionelle neben experimentellen Lösungen, performative neben situativen, schöne neben hässlichen, gescheite neben unsinnigen, unscheinbare neben repräsentativen, kunsthistorische neben populären, affirmative neben transformativen, abgeschottete neben berührungssensitiven...
Die Typologie des Exponierens im doppelten Sinn (ausstellen, bzw. sich auf die Äste hinauslassen) untersteht der Zeige- und Wirkmacht. Diese wird immer wieder anders erstellt und ist abhängig von den Leuten in und um das Ausstellungswesen, also den KuratorInnen, den SzenografInnen, den GrafikerInnen und WerberInnen, den WissenschaftlerInnen und den AdressatInnen. Insofern ist es wichtig, sich mit diesen unterschiedlich gefärbten Zeigegesten, der Politik des Zeigens, auseinanderzusetzen und sie zu decodieren.
Macht und Politik
Wer ausstellt, zeigt etwas. Wer etwas zeigt, kommt nicht darum herum, anderes zu vernachlässigen und auszublenden. Zeigen ist Deutung mit Absicht, ist Interpretation mit Ausschluss. Die Fokussierung auf das, was ist, erzeugt einen Aufmerksamkeitsgestus. Es ist die Rhetorik des Ausstellens, in der diese Aspekte - Raumordnung, Inszenierung, Deutungsabsicht, Narration, Wissenstransfer etc. - gebündelt werden, um Aufmerksamkeit zu erheischen. Und wo Rhetorik, also die verbalen Zutaten diskursiv behandelt werden, sind Macht und Politik des Ausstellens nicht weit. Dieses prozessuale System ist ein stetes Aushandeln der Verhältnisse von Präsentation, Exposition und Repräsentation und versteht sich als hierarchisierende Klammer, in der nicht nur die Feinheiten und Winkelzüge der Rhetorik zur Anwendung kommen, sondern zugleich Aspekte der Geltung, der Autonomie, der Gültigkeit, der Wirtschaftlichkeit oder der Nutzniessung verhandelt und etabliert werden.
Ein Ausstellungsort mit seinem spezifischen Ausstellungsdisplay ist heute ein diskursiver Ort per se. Ausstellen heisst, sich dieser Rhetorik und Politik zu stellen, heisst, den Umschlag von Wissen, die Aura von Objekten, die Strategie von Inszenierungsmodi und die Verheimlichung von Leerstellen transparent zu machen. Aus diesem Diskurs um Haben und Sein, um Präsentieren und Repräsentieren, um Zeigen und Verheimlichen, ergibt sich zwangsläufig ein Feld der Erkenntnisse und der Bedeutungsproduktion. Der kulturelle Akt des Ausstellens, seit einigen Jahren mit gesellschaftlicher Relevanz belegt, ist geistige Nahrung wie ästhetische Bildung, an denen immer mehr partizipieren (wollen). Der Ort des Ausstellens ist ein Ort, der Prozesse ermöglicht, gerade weil er Unsicherheiten, Ambivalenzen und Diskursivitäten zulässt. Durch den Kulturkonsum wird das individuelle Urteilsvermögen geschärft und somit demokratischer Bildungsgewinn erzielt. Als lebendiger Organismus ist er genauso ein eigen- wie gemeinnütziger Ort, wo Sichtweisen visualisiert und Gesten offenbart werden.
Exponatik
Die Ausstellungskunde, die Exponatik, um ein gar nicht schlechtes Wort zu erfinden und zu statuieren, alludiert sich an der Nomenklatur vergleichbarer, auf griechische oder latinisierende Gattungsbegriffe zurückgehende Felderkunde (z.B: Poetik, Heraldik, Akustik, Erotik, Kosmetik, Technik, Germanistik, Statistik etc., und in unserem Zusammenhang interessant, weil der Begriff die entgegengesetzte Strategie bezeichnet: Archivistik). Das lateinische Suffix -ica bezeichnet oft ein Handwerk, eine Technik oder eine Kunstfertigkeit, die in der Exponatik wesentliche Merkmale sind. Die beiden Stammwörter Expo und Exponat verweisen zudem auf den entsprechenden Inhalt, einerseits auf die Tätigkeit des Exponierens (im Sinne von «ausstellen» wie auch im Sinne von «sich aussetzen»), anderseits auf das Objekt selbst. Da zudem die Personalstruktur im Ausstellungswesen - ausser im Kunstbereich, wo die Arbeitsstelle an ein kunsthistorisches Grundstudium gekoppelt ist - weitgehend nicht akademisch ist, fällt auch ein Wissenschaftsterminus wie Displaywissenschaft, Expologie oder Kuratoristik ausser Betracht.
Das Ausstellungswesen wird hier weit breiter gefasst als nur unter dem Rubrum «Museum», denn es hat heute ganz verschiedene Berührungspunkte und tastet sich amöbenhaft mal mehr oder weniger an andere Gebiete, so:
- zur Architektur, zur Raumordnung, zum Raumverhalten und zur Proxemik
- zur sozialen Kommunikation und Interaktion, zur Performanz und Ereignistheorie
- zur Bildwissenschaft
- zur Subjekt/Objekt-Theorie
- zur Objekt- und Stilkunde, zur Ikonografie
- zur Szenografie, zur Kommunikationswissenschaft, zur Visualistik
- zum Diskurs um Fragen nach Repräsentation, Macht, Rasse oder Geschlecht
- zur Rezeptionsästhetik und Bildung
- zum Tourismus und Standortmarketing ...
Die Exponatik ist eine typische Inter- bzw. Transdisziplin, weil sie nicht nur ein Medium ist, also Mittlerin, sondern auch Vermittlerin und somit Schubladendenken überwindet. Die kulturellen Codes und Werthaltungen, die dem Ausstellen und seiner Stilgeschichte zugrunde liegen, können darüber hinaus anderswo, wie z.B. in der Agogik, ebenso fruchtbar gemacht werden. Die Exponatik, das hauptsächliche Arbeitsfeld der KuratorInnen, umfasst die Ausstellungsräume und -orte wie auch die Präsentationstechniken. Darüber hinaus umfasst sie die Performanz der Dinge, die sich daraus ergibt, wie sie präsentiert werden, wie sie sich zeigen und wie sie wahrgenommen werden. Solche Anmutungsqualität und Wirkungsästhetik werden erzeugt durch Dinge, die ihrerseits Dinge hervorheben. Es sind oftmals unscheinbare Trägermedien wie Rahmen oder Sockel, die dem ins entsprechende Licht gerückte Objekt, die exposita, erst ihre Präsenz und Bedeutung verleihen. Diese Rahmenstruktur um den Inhalt umfasst die Exponatik, denn das Ausgestellte verändert sich sehr wohl mit der Art des Ausstellens, zwar nicht in seiner Entität und Identität, aber in seiner Wirkung und Performanz.
Hypothesen und Fragestellungen
In dieser Untersuchung ist die Hypothese zu verifizieren, ob die Ausstellungsformate - und damit sind traditionelle wie nomadisch-eigensinnige, ja obsessive Formen gemeint - den Pluralismus gesellschaftlicher Denkformen und Verhaltensattitüden spiegeln und wie diese auf die Ausstellungsinhalte zurückwirken. Resultiert aus dem heutigen «Alles geht» mehr Unsicherheit als eine klare institutionelle Sprache? Sind die vielfältigen Ausstellungsformen mehr Stressfaktoren als Leitplanken? Steht das traditionelle Museum mit seiner herkömmlichen Ausstellungsdoktrin zur Disposition, dem Zeitgeist geschuldet, der immer Neues verlangt? Und gibt es überhaupt noch etwas, was nicht dem Diskurs über das Ausstellen unterlegen ist, weil doch alles immer Auftritt, Ästhetik, Präsentation, Instrumentalisierung und damit Rhetorik und Werbung, also Teil der Politik um (Selbst)darstellung und Aufmerksamkeit ist?
Zur Disposition steht auch die Frage nach der Performanz im Raum. Und vielleicht als fast ketzerische Frage, ist Ausstellen überhaupt noch eine kulturelle Praxis oder nicht schon eine wirtschaftliche Attitüde, die das Ausstellungsdisplay als attraktiven Stimulus des Verkaufs nutzt, bei dem eben nicht Partizipation, sondern Abhängigkeit sichtbar wird? Ist die Kreativwirtschaft lediglich noch Kuppler und Zubringer für das Bruttosozialprodukt, das entscheidende Quantum Euphemismus für das touristisch orientierte Standortmarketing, ein raffiniertes Deckmäntelchen der Geldwirtschaft?
Vademecum
Diese enzyklopädisch angelegte, kunsthistorisch vergleichende Arbeit über die verschiedenen Ausstellungstypen ist als Vademecum für Personen im Ausstellungsbetrieb gedacht. Es ist also ein Publikumsbuch, denn Ausstellende sind zugleich Zuschauende.
Das reichliche Bildmaterial - zugrunde liegt die Methode der vergleichenden Fotodokumentation - ist historisches Beweissstück wie Ideenspeicher zugleich. Es stammt aus Publikationen und Katalogen, Zeitungen und Zeitschriften, von Sammlern und Fotofreunden, aber vor allem aus dem eigenen Fundus, der sich von Besuchen in ganz unterschiedlichen Muse- umstypen, bei vielfach heimlicher Dokumentation (Kunst- und Kulturgenuss als Visionierung und Archivierung), und beim zufälligen Begegnen vielfältiger Präsentationsmodi geäufnet hat. Das Bildmaterial, die Frucht der teilnehmenden Beobachtung, will nicht nur Illustration der Ausstellungstypen sein, sondern da und dort auch eigensinnige, exponatorische Denkrichtungen aufzeigen.
Das Buch selber ist eine narrativ-dramatische Form des Ausstellens - die kuratorische Arbeit als ästhetischer Transferprozess. Diejenigen, die sich mit Büchern beschäftigen und ein bibliophiles Flair haben, werden erkennen, dass die Navigation durch das Buch, in und durch seine Räume einem Gang durch eine Ausstellungslandschaft gleicht, bei der Form und Inhalt verschmelzen. Das Buch ist gleichsam einer topografischen mise-en-page unterworfen, die von Ausstellungsplänen und den darin enthaltenen Abfolgen von Zimmern oder mäandrierenden Spaziergängen inspiriert ist. Kurzum: ein als Ganzes autothematisches Projekt, das Buch als ein auf Seiten aus- und angelegtes Ausstellungsprojekt.
Zürich, im Juli 2012
Der Museumsshop: Politik des Zeigens
Bei der kontinuierlichen Lektüre der Feuilletons der Tages- und Wochenpresse fällt auf, dass, nach Einbussen bezüglich Umfang und Personal in den frühen Nuller Jahren des 21. Jahrhunderts, der Kulturteil wieder ausbaut wird. Dies geschieht nicht zuletzt deshalb, weil sich der Kulturbegriff auf einen allgemeinen Gesellschaftsbegriff erweitert hat.11 Das spiegelt sich darin, dass die entsprechenden Zeitungsrubriken eher mit «Kultur & Gesellschaft» als mit «Feuilleton» betitelt sind.
Zwar gibt es in den Printmedien trotz der Flut an Nachrichten und Mitteilungsbedürfnissen nicht mehr Medientitel, doch findet eine Aufteilung statt, die im Zeitschriftenmarkt, wo ein stetes Kommen und Gehen herrscht, eklatant ist. Um die Ausdünnung der Abonnentenzahlen zu stoppen, wird heute versucht, die Mediennutzung zu individualisieren, ja die Information ad personam zu generieren. Während noch in den 1970er-Jahren problemlos an einem Morgen über etwas geplaudert werden konnte, was fast alle am Vorabend im Fernsehen gesehen hatten, ist das bei der ubiquitären Verfügbarkeit global operierender digitaler Medienkanäle nicht mehr möglich. Letztere liefern Kurzfutter frei Haus oder beschreiben ohne Unterlass die modernen Schiefertafeln der Pendlerströme. Darüber hinaus zappt jeder zur individuellen Unterhaltung das vermeintlich Nützliche auf den Schirm oder saugt es aus dem Netz.
Leitund Leidmedium
Mit dem gleichzeitigen Nebeneinander von Medien und deren Rezeption ist auch der Gedanke vom Leitmedium vom Tisch, so scheint es. Bei genauerer Betrachtung ist zu konstatieren, dass es durchaus eine gewisse Medienhierarchie gibt, oder zumindest ein Pluralismus akzeptiert ist. Radio, Fernsehen, Kino, Tagespresse, Zeitschriften, Buch, Telefonie etc. werden vom Internet und seinen digitalen Auslagen konkurrenziert. Die sogenannten sozialen Medien sind zwar von ihrer Struktur her nicht viel anders als Kommunikationsorte für gleichermassen interessierte Menschen, wie vor hundert Jahren z.B. Vereine, doch ist der Radius dieser Gesellschaft von Produzenten und Benutzern, die in sich die Produtzer (produser) bilden, angestiegen.
Theater vs. Ausstellung
Des weiteren ist zu beobachten, dass die Jahrhunderte alten Direktmedien Theater und Ausstellung, obwohl sie vor allem im 16. und 17. Jahrhundert eine Lehreinheit bildeten,12 in Konkurrenz zueinander geraten sind.13 Beide buhlen in der klassischen Kulturberichterstattung um öffentliche Aufmerksamkeit, weil sie Aushängeschilder der lokalen, regionalen und elitären Kulturproduktion darstellen. Und weil sie für die visuellen Reproduktionsmedien gutes Bildmaterial abzuliefern vermögen. Während in der Schweiz die Theaterberichterstattung14 ab den späten 1980er ein gutes Jahrzehnt lang Oberhand hatte, sind in den letzten Jahren die Szenerien verschoben. Es wird heute im Quervergleich mindestens so viel von (internationalen) Ausstellungen berichtet, wenn nicht gar im Verhältnis von 3:1.15 Dies ist einerseits auf die Inflation von (Privat)museen, Kunsthallen und temporären Wanderausstellungen zurückzuführen bei gleichzeitigem Zurückdrängen der Theaterhäuser aufgrund von mangelndem Geld (nur das kostengünstige, auf Vereinsbasis organisierte Volkstheater konnte sich dem Besucherschwund bislang gut widersetzen). In der Übermacht der Schaustellung von Kunst- und Kulturgut kann auch die Zweckbindung fixiert werden: die Schaubarkeit an sich, bei der das Exponat Ware, Bildungsmittel und reines Schauobjekt ist.
Anderseits manifestiert sich in diesem Befund vom szenischen Theaterfoto zum szenischen Ausstellungsfoto (gemeint ist nicht der gebührenpflichtige Abdruck von einzelnen Kunstreproduktionen) auch ein neues Bewusstsein für das Objekt als Träger kultureller Codes, das in der Ausstellung, und nur dort, seine gesellschaftliche Aura und Weihe erhält. Zudem ist der (museale) Artefakt in der Fotodokumentation einiges leichter zu handhaben als das flüchtige, personenintensive Medium Theater.
Zwar sind die narrativ-szenografischen Präsentationsformen Theater und Ausstellung auf einen gewissen Schaueffekt ausgerichtet, da sie ja zum Ziel der Betrachtung aufgebaut und arrangiert sind, eine Führung durch die kodierten Texte, Objekte, Requisiten und fiktionalen Orte und Zeiten vorgeben und somit beim Betrachter einen Denk- und Assoziationsraum auslösen. Dennoch unterscheiden sie sich in der Dramaturgie, auch wenn beide einen Anfang und ein Ende, einen Ein- und Ausgang kennen und der Verlauf von da nach dort eine Abfolge medial-dramaturgischer Blickpunkte, Verweise, Erkenntnisse, Handlungsoperationen, Verführungen, Gefühlsgewitter, Irritationen und/oder Fragestellungen beinhaltet. Während im Theater durch die Textstruktur ein sukzessiv emotionales setting weitgehend vorgegeben ist, kann dies in der Ausstellung weit weniger erzeugt werden, weil die Sprache als permanenter Kitzel im Sinne der Dramaturgie fehlt.
Ausstellungen sind in der Regel Medien der Montage; die Narration wird ebenfalls mit Mitteln der Aneinanderreihung erzeugt. Die mittels Quellen, besonderen Werken, beredten Objekten, interaktiven, Bezügen, atmosphärischen Parametern, optischen Verdichtungen, intellektuellen Verknotungen erzeugte «polyphone Erzählstruktur»16kann gar nichts anderes sein, als ein polymorphes Bedeutungssystem, ein artifizielles Feld von offensichtlichen und subkutanen Verweisen (im Einzelobjekt wie im gesamten Arrangement), die um Aufmerksamkeit, Bestätigung, Erkenntnis oder Irritation wetteifern, aber längst nicht immer dechiffriert werden (wollen). Dieser an sich ohne Besucher stumme Dialograum braucht den wachen Spaziergänger, der sich als Vermittler dieser Objekte zwischen diesen bewegt und das Bedeutungssystem für sich nutzbar macht. Der performative Duktus beider Medien vermag jedoch Ergriffen- und Betroffenheit auszulösen,17 wobei der Ausstellungsbesucher weit weniger konstruktiver, koproduktiver Komplize ist als der Theaterbesucher, der für den Schauspieler immer wahrnehmbar ist und damit als tertium comparationis ein Mitspieler ist. Erst in neuerer Zeit und in Ausweitung des Handlungsfeldes versucht sich das Ausstellungsgeschäft dank eruptiven Ereignissen einen partizipativen Raum zu schaffen und operative Felder zu ermöglichen. Tendenziell kommt man dabei aber weg von der Ästhetik Ausstellungswesen und landet in der performativen Vermittlungsarbeit und ihrem konsumorientierten Marketing.
Wie in der Literatur eine Exposition die Darstellung des Sachverhalts, aus dem sich dann die Dramaturgie entwickelt, ist in der Ausstellung die Exposition bereits das Ergebnis. Der Besucher macht sich die Dramaturgie, und mit ihr eine finale Erkenntnis, selber, indem er die Exposition in einem selbst verantworteten Zeitfenster erwandert, erweitert oder abkürzt. Die Exposition ist etwas, um mit sich selbst ins Gespräch zu kommen, sich selbst die kuratorische Exposition weiterzuerzählen, das Script weiterzuspinnen und zu fertigen. Unter didaktischen Gesichtspunkten ist also die Wahrnehmung einer Ausstellungssituation in ihrer vielgestaltigen Art und Weise ein Weg, Themen, Ästhetik, Reaktionsmuster, Handlungsdispositive etc. bei sich selbst zu erkennen. Dabei hilft uns, dass wir immer eine eigene Folie, eine Matrix von Wissen und Erfahrung haben und diese mit einer andern Zeit, Landschaft, Bevölkerung, Schicht etc. abgleichen können. Diese Empathie, in einer Ausstellung nicht auf etwas grundsätzlich Anderes zu stossen als das, was wir in nuce kennen, bereichert die Begegnung mit der Natur oder der Kultur, im Besonderen mit dem fremden Menschen, ihrem Kultus und Ritus, ihren Bräuchen, Sitten, Magien und codes nachhaltig.
Person vs. Objekt
Mit dem szenischen Ausstellungsbild in der Zeitung wird auch die Crux umschifft, wenn von einer Thema- oder Gruppenausstellung (und um solche handelt es sich oft) bloss ein Einzelbild oder singulärer Aspekt gezeigt wird. Mit der Abbildung eines Raumes wird insofern auch einem demokratischen Diktat der Gruppenharmonie Genüge getan. Zudem (ver)führt ein spannendes Display, wie ein eindringliches Theaterfoto in der Presse vor 20 Jahren, zu einem Besuch, was man aber auch kritisch beurteilen kann: Ein Szenenfoto ist ein Ausschnitt, hat also ein Davor und Danach, müsste also eher dazu geeignet sein, das Stück zu sehen (auch im Sinne, dass im Theater häufig Szenen-, Kostüm- oder Ortswechsel vorkommen und mit einem Bild, trotz allfälliger Dramatik, nie das Stück zu erfassen ist). Anhand eines Ausstellungsfotos aber kann man eine Ausstellung durchaus abhaken, weil es oft wenig mehr dazu gibt als weitere Perspektiven derselben Szene.
In Anbetracht der in der Tagespresse zahlenmässig vermehrten Ausstellungsbilder und der verminderten Theaterbilder könnte man zugespitzt formulieren, dass in den letzten Jahren eine Verschiebung von der dynamisch-personalen zu einer statisch-objekthaften Szenografie und Performanz stattgefunden hat, womit sich auch die Fülle an Ausstellungsdisplays erklären liesse. Trotz beidseitiger Legitimation als Bedeutungsträger, Erkenntnisproduzent und Welttransfer: Man könnte auch von einer Verschiebung von der Beredtsamkeit und Geschwätzigkeit des Theaters hin zur stummen Oase der Selbsterkenntnis sprechen, die einem in der Begegnung mit Kunst und Kult widerfährt.
Doch auch diese Verstummung angesichts der hoch inszenierten Aura des Kunstwerks ist eine Folge der Inflation musealer Üppigkeit. Georg Friedrich Koch sah noch weit mehr Potential zur Bildung gesellschaftlicher Kritikfähigkeit und wertete den Vermittlungsgedanken einer Ausstellung noch weit positiver: «Alle Formen der Kunstdiskussion, der Polemik, der Kunstpolitik und der Erziehung können durch die Ausstellung besonders begünstigt werden. Sie muss deshalb ... sich dieser Vermittlungspraxis ... bedienen ... [und] zu einer eigenen Macht werden... [...] Dieser ‹Ausstellungswert› des Kunstwerks braucht nicht notwendig mit seinem ursprünglichen, bestehenden oder zukünftigen festen Bindungswert identisch zu sein, sondern kann unter dem Leitgedanken der Ausstellung eine besondere Aufgabe besitzen. Damit ist die so flüchtige Gestalt der Kunstausstellung trotz ihres nur vermittelnden Charakters eine eigene Ausdrucksform von künstlerischen Bindungsverhältnissen, die die Fähigkeit besitzt, in ihrem Dienste dem Kunstwerk vorübergehend die Möglichkeit einer besonderen Eigenentfaltung und Sinngebung zu gewähren.»18
Muttenthaler/Wonisch treten für eine Schule des Sehens, wofür eine Ausstellung prädestiniert sei.19 Zu ihrer Medienkompetenz, Ausstellungskritiken zu verfassen, gehört, dass Ausstellungen nicht nur nach Thema und Exponaten besprochen werden, sondern auch die konstruktiven Prozesse der Installation und Inszenierung Erwähnung finden; die szenische Einrichtung oszilliert zwischen Anhäufung, Arrangement, Inszenierung und Komposition. Szenerie ist gleichzeitig Schau, Vermittlung und Deutung. Kuratorische Arbeit ist, wie im Theater die Regie, nicht nur Auswahl von Werken, sondern auch die Differenzierung von Inhalt und Umsetzung, was in der Theaterkritik klar getrennt wird. Sie orten den Mangel vor allem auch in den Pressestellen von Museen, die dem Präsentationsmodus von Erkenntnissen zu wenig Gewicht beimessen: «Dieser Befund wirft Fragen auf, inwiefern die Museen selbst - die PressereferentInnen aber auch die KuratorInnen - zu der dem Medium nicht adäquaten Ausstellungskritik beitragen. Und das Problem, dass Ausstellungsinhalt und Ausstellungsgestaltung nicht als sich gegenseitig bedingende Elemente, als Einheit, gesehen werden, liegt nicht zuletzt daran, dass sich auch viele AusstellungskuratorInnen vor allem als SpezialistInnen in einem wissenschaftlichen Bereich verstehen und die konzeptionelle und visuelle Umsetzung der Inhalte den AusstellungsgestalterInnen überlassen, statt in einen produktiven Austausch mit ihnen zu treten. Es liegt also auch in der Verantwortung der Institutionen selbst, den Blick von JournalistInnen für das Spezifikum Ausstellung zu öffnen.»20
Performanz vs. Rhetorik
In diesem Zusammenhang dürfte noch eine andere Feststellung eine Rolle spielen, nämlich die Kunstszenerie als Ersatz des kontemplativen Ortes der Kirche. Es ist jedenfalls verwunderlich und durchaus in gegenseitige Relation zu setzen, wie sich in unseren Breitengraden der Besucheransturm der Kirche zugunsten der Museen verschoben hat (nicht nur, dass der sonntägliche Matinee-Ansturm in die Kunsthäuser denjenigen in die Kirche übertreffen). Italien beispielsweise, wo die Kirchen per se als Kunstinstitutionen wahrgenommen werden, ist diesem Trend bislang nicht gefolgt, auch weil dort das private Mäzenatentum, das zeitgenössische Kunst in seiner ganzen Disparatheit sammelt und ausstellt, weniger ausgeprägt ist.
Vor 20 Jahren waren wissenschaftliche Beiträge untertitelt mit «Zur Konstruktion von Rasse, Geschlecht, Identität...» Danach folgte die Periode der «Performanz» und «Inszenierungen»; jeder Spassfaktor war der Reflexion über das intentional Szenische geschuldet. Nun unterliegt das akademische Studium dem gesellschaftlich erweiterten, in Hierarchien verstrickten Diskurs. Es wird debattiert über die «Politik» und die «Rhetorik», also eine Art systemische Gesamtheit, bei der die gegenseitigen Verflechtungen und Imponderabilien aufgezeigt werden, die sich aus dem Haben und Sein ergeben und die stets an eine wie auch immer geartete Öffentlichkeit gebunden sind. Das Medium Ausstellung ist von diesen systemischen Analysen besonders betroffen: Es ist immer wieder herausgefordert, diese Öffentlichkeit herzustellen, seine Sammlungstätigkeit und (Re)präsentationspflicht zu legitimieren. Diese Vermittlungsaspekte gehen einher mit einer unterschwelligen Auseinandersetzung über gesellschaftliche Präferenzen, die aufgehängt werden könnte am stigmatisierten Begriff der Leitkultur. Jedes Leitmedium muss sich an solchen diskursiven Reizwörtern abarbeiten, denn das Ausstellungswesen in seiner Gesamtheit (unabhängig von sperrigen Themen) ist heute, ohne Zweifel, ein auf Massen zugeschnittenes Leitmedium, wenn nicht gar die (gefühlte) Leitkultur aller vereinigten Kreativen. Und, es gilt für alle Beteiligten: Leiten und Leiden sind nah beieinander!
Pictorial und spatial turn
Das Ausstellungswesen bündelt zu einem grossen Teil die Kreativindustrie. Einerseits ihre Produzenten und Konsumenten, andererseits ihre Zulieferbetriebe zwischen Architekten und Beleuchtungstechnikern, zwischen Restauratorinnen und Raumgestalterinnen. Ausgelöst wurde dieser Aufschwung durch den pictorial turn, der Anfang der 1990er-Jahre beschrieben worden ist und sich anhand von immer neuen Schüben mindestens seit der Verbreitung des Holzschnitts im 15. Jahrhundert belegen lässt. Diese ikonische Wende hat sich zu einem spatial turn erweitert, wobei der Raumdiskurs heute, ausgelöst im Vorfeld und während der Weltausstellung in Hannover 2000 oder der nationalen Expo 2002 im Dreiseengebiet des schweizerischen Mittellandes, ein vielschichtiges Leitmotiv der öffentlichen Debatte geworden ist. Betrachtungsweisen sind hinsichtlich Raumplanung, Raumnot, Freiräume, verdichtetes Bauen, barrierefreie Zugänge, wiedererkennbare Repräsentationen, Landschaftsbild, öffentliche Einsicht in Privaträume, urbane Beleuchtungskonzepte, Stadtmöblierung und Kunst am Bau stets auch Ansichts- und Glaubenssache. Will heissen: jede/r hat eine Meinung.
Es lässt sich darüber hinaus behaupten und nachweisen, dass Szenografie und Inszenierung von Bildern und Objekten wichtiger geworden sind als die Inhalte und die Kult- und Kunstwerke selbst, die notabene oftmals überhaupt nicht für die Verwendung als Ausstellungsgegenstand angefertigt wurden. Der Akt des Ausstellens ist die Währung der Kunst, nicht das Ausgestellte. In Zeiten von Raumplanung, Raumnot, resp. höheren Ansprüchen an (Frei- und Spiel)räume scheint ein besonderes Augenmerk auf die Wirkung von Bildern im temporären Raumgefüge - Museen, Galerien, Messen - vorhanden zu sein. Die Differenzierung von Formatierungen von Bildern einerseits - also die unterschiedlichen Parameter von Grössen, Proportionen, haptischen Qualitäten, Rahmungen, Berührungsdispositive -, korrespondiert mit die Modulation dieser Werke und Korpusse in einem entsprechenden Raum, wobei Hängungen, Lichtkonzepte, Bauten, Verknüpfungen mit historisch aufgeladenen Objekten einer weitgehend assoziativen Folge, titel- und thementoleranten Kadrierung und kuratorischen Pflege unterworfen sind.
Solche Ausstellungskonzepte sind Raumkonzepte - und in gewissem Sinne selber Bild/ image - und haben mit Materialitäten, mit Architekturen, aber auch mit intendierten Wahrnehmungsformen zu tun, resp. können diese nicht ausser acht lassen. Ausstellen ist von räumlichen Gegebenheiten abhängig, oder zumindest an sie gebunden. Eine Ausstellung zu stemmen ist folglich immer auch eine Art performative Raumbewältigung, was in üblichen Katalogen, die nur das Ausgestellte selber und aseptisch abbilden, kaum gewürdigt wird.
Der Zeigungswille ist zugleich auch ein Zeugungswille, nämlich die Monstranz von Besitz und Meinung, von Substanz und Signifikanz, von Zuspruch, Wirkung und Verheissung - dieser Grundgedanke lässt sich auch am sogenannten «Herrgottswinkel» in bäuerlichen Stuben und Wirtshäusern belegen! Die Vielfalt des Zeigens und Demonstrierens ist dabei eine eigene Kategorie geworden, die sich in Ausbildungen (u.a. ZHdK: master of art education) und autoriell verantworteter kuratorischer Praxis (Peter Greenaway, Harald Szeemann, Martin Heller, Peter Jezler, Bice Curiger, Hans-Ulrich Obrist, Samuel Keller, Dorothea Strauss, Francesca Ferguson...) niederschlägt, ja zum touristischen Marktfaktor21 der urbanen Kreativwirtschaft geworden ist (Documenta XY, Biennalen XY, Art XY, Kulturhauptstadt XY). Wir haben es mit einer hochqualifizierten Dienstleistung zu tun, wobei die direkte Wertschöpfung als relativ gering eingeschätzt werden kann.
Das grössenwahnsinnige, rekordaspirative oder skandalisierte Manna/Mantra der Kunst im abbildungswürdigen XXL-Format speist die Sinnstiftung des städtisch-globalisierten Hedonisten mehr als der kunst- und kulturkritische Diskurs. Das Nachsehen hat dabei, trotz ebenso guter Ausstellungen!, die «Provinz», resp. jene Institutionen und/oder KünstlerInnen, die nicht mit der grossen (Finanz)kelle anrühren können oder wollen. Denn: Eine gute Ausstellung ist nicht zwingend eine Frage des Geldes. Und eine publikumsreiche Ausstellung muss nicht unbedingt unter exponatischen Argumenten gut sein. Dass viele Leute in eine Ausstellung laufen, hat mit einem Strauss von Argumenten zu tun, vorwiegend mit Standort, Renommee, Reputation und Profil des Ortes, der sich auf Spektakularität, Originalität, monografische oder thematische Ausrichtung und Kuratorengilde gründet, die sich ihrerseits wieder dank der Presse in den Köpfen festsetzen. Je grösser die Städte, umso kulturell aufgeschlossener sind sie meist auch, resp. die Differenzierung verschiedener Museen und Häuser generiert per se schon ein bestimmtes Publikum.
Die von urban verankerten Volontären belieferte Presse - oftmals verschlimmbesserte Paraphrasierungen der institutionseigenen Pressetexte - ist Schmiermittel und Transmissionsriemen. Folglich werden die raum-, ja stadtgreifenden Regiearbeiten vom Zentrum, wo sie ohnehin schon sind, erneut ins Rezeptionszentrum gerückt und als kuratorische Handschrift charakterisiert, die gleichsam im Kunstraum/in der black box Theater ihre Vorbilder findet (Bob Wilson, Achim Freyer, Wilfried Minks, Erich Wonder, Anna Viebrock). Die Presse ist das knapp bemessene Leitkulturmedium, die ephemeren Eruptionen wenigstens für einen Tag kurz zu fixieren. Die Architektur ist der traditionelle und traditionsbewusste Beistand für die Kuratorenszene (Herzog/de Meuron, Santiago Calatrava, Mario Botta, Diener & Diener, Frank
O. Gehry, Jean Nouvel, Zaha Hadid, Renzo Piani); die einen bauen die Musentempel, die andern bestücken sie dank ihres global aktiven Netzwerks. Die Presse berichtet daher in ihren Feuilletons stets von den populären Brennpunkten (Berlin, Wien, Paris, London, New York), wenig von den Rändern, und wenn, dann lediglich in ihren diversifizierten, in den Zentren nicht zur Kenntnis zu nehmenden Lokalteilen. Ob die träge Besuchermasse trotz Information in die Vorstädte, Agglo oder Provinz pilgert, um sich eine gut besprochene Ausstellung anzusehen, ist dennoch zu bezweifeln. Im Sinne einer Kritik am urbanen Kultur-Jetset ist festzuhalten, dass viele der Meinung sind, ausserhalb der Stadt passiere ohnehin nur Zweitklassiges, womit sie natürlich bodenlos eingebildet und im Unrecht sind. In diesem Sinne: ein Lob auf die Provinz! Und noch etwas: Die Publikationen zu Ausstellungen, sogenannte Ausstellungskataloge mit ihrem Verzeichnis ihrer Präsenzkultur, werden mittlerweile als Standardware betrachtet; sie sind meist der medialen Rede und Reflexion nicht wert, sondern werden allenfalls als Stichwortlieferanten genutzt und in einer Fussnote erwähnt, obwohl gerade in ihnen interdisziplinäre Auseinandersetzung und nachhaltige Vermittlung geleistet werden. Noch besser als reine Ausstellungskataloge, die mit dem Ende einer Ausstellung oft als ebenso obsolet betrachtet werden und in manchem Depot wie Blei liegen, figurieren aber thematische Bücher, die via Verlage ein weiter gestreutes und interessiertes Publikum finden. Solche Sachbücher zu erstellen, die in ihrer bibliophilen Machart gleichsam Ausdruck, Pflicht wie Kür, der räumlichen Wende sind, ist aber meist sehr zeit- und kostenintensiv, da sie als vielschichtiger zu betrachten sind als ein Katalog, in dem nebst einem Einleitungstext einfach die ausgestellten Bilder und Objekte ganzseitig aufgereiht und mit einer knappen Objektbeschreibung (Titel, Entstehung, Masse, Technik, Provenienz) betextet werden.
Solche Kataloge sind auch deshalb langweilig, da sie die Bilder und Objekte nicht wie auf Ausstellungsfotos zueinander in Beziehung zu setzen vermögen, geschweige denn Grössenvergleiche, Ausmasse im Raum oder Rahmenstrukturen abbilden. Weil Kataloge zur Eröffnung fertig sein müssen, wie die Ausstellung selber, sind darin eben kaum Ausstellungsfotos zu finden. Der Katalog gibt also nur Oberflächen wieder, nicht aber Beziehungen und kuratorische Überlegungen zur Raumstruktur und Hängung. Dieses Defizit ist zumindest in diesem Buch erkannt und gegensätzlich betrachtet: Der Raum ist wichtig, weniger das autonome Werk an sich. Darin kann man auch eine latente Kritik am Werk selber, eine Absage an seine Autonomie, feststellen.
Sprachen des Ausstellens
Ausstellungen werden kaum je aus völligem Unwissen heraus besucht; Vorabinformationen, Plakate, Besprechungen, mündliche und schriftliche Berichterstattungen etc. sind Momente einer Hinwendung, ein entsprechendes Ausstellungsprodukt ins Visier zu nehmen und folglich mit, resp. aufgrund von losen Eindrücken zu besuchen. Aufgrund von Vorinformationen fallen Entscheide, sich etwas anzusehen. Bei positiver Bewertung steigen die Erwartungen, vor allem wenn es sich um einmalige, flüchtige oder performative, ja verschwenderische (Fest)akte handelt, wie bei Feuerwerken, Fliegervorführungen, Akrobatikgastspielen, Vernissagereden, Einweihungen und dergleichen, die wie Kirmestage, Pompanlässe und andere Volksbelustigungen zur «Unterhaltungsmathematik»22 gehören und die Erlebnisqualität, abgekoppelt vom Inhalt, zum Selbstzweck steigern.23
Ideologie und Interpretation
Im heutigen Ausstellungswesen gilt, wie für viele Branchen der Kultur: anything goes, um unter dem Slogan «Kultur für alle» eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen. Dies geschieht gerade im Wissen darum, da man seit dem schleichenden Untergang des Bürgertums nicht mehr weiss, wer das Publikum ist und was es will. Die Verhaftung im aktuellen Zeitgeist ist vor allem dadurch gegeben, dass alles möglich ist und keine Hierarchien, Vorschriften, Setzungen und dergl. befolgt werden müssen.
Als Grundprinzip für eine Publikumsorientierung wird aber oft ein metaphorischer Zugang gesucht, der sich in einem paradigmatischen Zeichen oder Fragment findet. Auch kann eine literarische Phrase, ein Wortspiel oder dergleichen als Metapher gelten und De/Monstranz bewerkstelligen.
Trotz aller Stile und Zugänge kann die Ausstellungspraxis nicht losgelöst sein von den kulturellen Reflexionen allgemein. So verlangen nicht nur ganz unterschiedliche Sammlungen und kuratorische Absichten adäquate Zeigegesten, die Einfluss haben auf die Präsentation und Rezeption von Bildern, Objekten oder Sachverhalten, sei es in der privaten, konsumorientierten oder musealen Umgebung. Diese Wertungen und Zuschreibungen zu Ausstellungsdisplays können auch als Ideologien gedeutet werden und bestimmen folglich Bedeutungsproduktion und Interpretation.
Institution und Image
Von den Raumkonzepten her ist es heute offensichtlich, dass diese entweder eine institutionelle Leitlinie verfolgen (müssen) oder durch bestimmte Ausstellungskuratoren und ihr «image» gegeben sind. Dabei ist es klar, dass für Aufwand, Inszenierung und Bestückung die Finanzen ebenso eine Rolle spielen wie die Vorgabe, ob es sich um eine unbestimmte Dauer- oder eine zeitlich limitierte Temporärausstellung handelt. Nachweisbar ist auch, dass im reinen Kunstbereich, also bei temporären Übernahmen anderswo konzipierter Schauen, weniger kuratorische Leistung bereitzustellen ist als in thematisch-historischen Ausstellungen, in denen Konzeptionen oftmals auch von neuen bildwissenschaftlichen, kunst- und objekthistorischen Forschungen zehren oder von besonderen Leihgaben und -gebern abhängen. Durch die Zeigemacht, das Materielle-Objekthafte als (objektiver) Beweis, wird der gesellschaftliche Diskurs gesteuert und in Perspektiven, Verweisen, Positionen, Referenzpunkten, Erkenntnissen und Fazits ausgefiltert. Letztlich sind Ausstellungen, vor allem im richtigen Umfeld, Weihe und Veredelung der Exponate, was vor allem Sammler mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen.
Innovation und Information
In Ausstellungen geht es auch darum, Fragen und Antworten kongruent zu halten. Beim Ausgestellten - ausgewählt, ausgelegt, geordnet, in Bezug gesetzt - sollten Fragen und Antworten in sich zusammenfallen oder zumindest eine Atmosphäre der Einsicht und des Erkenntnisgewinns erzeugen und Bedeutungen offenbaren. Wie jedes Produkt unterliegt auch eine Ausstellung bestimmten Parametern, die das Produkt entsprechend leichter oder schwieriger verständlicher und rezipierbar machen. Folglich liegen den verschiedenen Ausstellungsformaten und Zeigedispositiven Überlegungen zugrunde, um die Objekte in ihrer Präsentation und in der beabsichtigten Repräsentation erfahrbar zu machen. Oder aus anderer Perspektive: Der archivalische Umgang mit Material und dessen Wertigkeiten beeinflusst das Zeigen.
Ausstellungen ihrerseits sind analysierbar
- nach dem ersten Eindruck
- nach der inhaltlichen Ausrichtung
- nach der Lesetiefe (Beschriftung)
- nach der Wegführung (Navigation und Laufrichtung)
- nach den Mitteln der Ausstellung (Verwendung von Ausstellungsobjekten)
- nach dem Verhältnis von Mittel und Szenografie (Würde der Objekte, Inszenierung zum Denken, Sitzen, Anfassen, Distanznehmen, Distanz zum Besucher, Aktivität/Interaktivität)
- nach den Exponatstypen (Exklusivität, Konnotation, Querbezüge)
- nach den Vermittlungsaspekten (Wechselwirkung mit/zum Publikum)
- nach den Werbemitteln
- nach dem Aspekt der kuratorischen, thematischen und/oder ästhetischen Innovation.
Zu berücksichtigen sind bei einer Ausstellungsanalyse auch:
- die Präsenz der Themen («zwingende» Ausstellung?),
- die Verweildauer bei den Themen und/oder Objekten (Fragestellungen, Informationsgehalt, Referenzierbarkeit des Objekts),
- der Gehalt an Information vs. Erlebnis,
- die Wissensproduktion in der Ausstellung (Publikationen),
- die Erreichbarkeit einer Ausstellung (Hemmschwelle, Zugangsinteresse) sowie:
- die Nachhaltigkeit des Themas (Publikation, Katalog).
Intention und Exposition
Das führt zur vermessenen Frage, was denn Präsentation überhaupt ist. Am leichtesten lässt sich eine Antwort finden, wenn der Begriff der Ordnung der Unordnung gegenüber gestellt wird. Jedes zufällige Herumliegen, eine Lage haben - man denke auch an die chaotischen Verheerungen nach Naturkatastrophen - ist noch kein Ausstellen, weil das Bewusstsein fehlt, etwas auszustellen. Auch wenn diese Definition heute angesichts von bewusster Bezeichnung des öffentlichen Lebensraums (littering, scratching, tagging etc.) nicht mehr ganz so klar abzugrenzen ist, bleibt dennoch ein gewisses Mass an Absicht, an Intention bestehen, die sichtbar sein soll. Es ist, als ob die Aura es Hin- und Aufgestelltseins noch vor Ort spürbar sei. Diese Exposition meint, aus dem Gefüge und grauen Schmutz herauszutreten, eine Setzung vorzunehmen und folglich etwas mehr oder weniger Klares zeigen zu wollen.
Ob es sich bei solcherlei Vorgängen des Auffallens um Verschmutzung oder Verzierung handelt, dürfte eine Frage der ideologischen Perspektive sein. Im Buhlen um Aufmerksamkeit sind auch unkonventionelle Methoden gefragt, die mit Guerillataktik um die Gunst des Publikums werben.
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Dem Schweizer Volkskundler, Fotohistoriker und Kurator Fritz Franz Vogel gelingt mit diesem multiperspektivischen Zugang - unter der Begriffsschöpfung «Exponatik» - auf anschauliche und beredte Art und Weise, ein offenes Desiderat abzutragen. Denn das Erarbeiten, Beschreiben und Darstellen von Ausstellungsformaten und Displays innerhalb einer zeitgenössischen Praxis des Kuratierens ist jetzt mit der Verfügbarkeit eines Handbuch ausgestattet, das über einen hohen Anwendungsnutzen verfügt - für Experten, Praktiker, Lehrende, Studierende und Laien. Beim «Handbuch der Exponatik» handelt es sich um den erstmaligen Versuch, das «Rahmenwerk» des Ausstellens mit Anschaulichkeit und Prägnanz, mit Gedanken- dichte und Materialfülle darzustellen und zu vermitteln. Sehr ansprechend gelingt dabei die in knapper aber kompakter Form gehaltene theoretische Reflexion von aktuellen und relevanten Ausstellungsdiskursen. Durch die gründliche Analyse und Charakterisierung der Zeigegesten verspricht das Exponatik-Kompendium, die Anforderungen an einen Ideenspeicher und Impulsgeber zugleich zu erfüllen. Der im Buchtitel artikulierte Anspruch, nicht «ein», sondern «das» Handbuch zum Themenfeld Ausstellen und Zeigen erstellt zu haben, ist in der vorliegenden Form als eingelöst zu bezeichnen.
Diskursiv und präsentativ
Das Werk verschafft in Bild und Text einen Überblick über 50 Ausstellungsformate und bewältigt sein Thema sowohl mit diskursiven als auch mit präsentativen Mitteln. Das diskursive Ausbreiten und Zerlegen des komplexen Sachverhalts des Ausstellens und Zeigens erfährt eine Erweiterung in der sinnlichen Anschaulichkeit, in der wahrnehmbaren und konkreten Präsentation von 2300 Abbildungen. Diese visuelle Objektivierung durch Fotografien hat das Potenzial, repräsentierende Zeichen und Symbole zusammenzuführen. Diese sind jedoch zugleich auch präsentativ, weil sie «unmittelbar zu den Sinnen sprechen» (Susanne K. Langer). Die anschauungsnahe Bildersammlung beflügelt ein dem Begrifflichen vorausliegendes Verstehen von Zusammenhängen und führt zu Aha-Erlebnissen, die noch vor dem intellektuellen Erfassen der Zusammenhänge liegen. Die Exponatik als künstlerisch-wissenschaftliche Forschung zu betreiben heisst, sich auf einem Terrain zu bewegen, auf dem sich die Dimension des Sehens und das Verstehen ganz unmittelbar in Bilddenken verwandeln. Wobei dieses durch das Vermögen des Oszillierens zwischen praktischer Anschauung und theoretischer Begrifflichkeit charakterisiert wird. Dem System der Exponatik ist die Erkenntnis immanent, dass zur begrifflichen Beherrschung der Künste die Erfahrung ihrer Nicht-Beherrschbarkeit hinzutritt.
Wirkung und Performanz
Die Relevanz des «Medium Ausstellung» als diskursiver und präsentativer Ort per se beschreibt sich in einer zentralen Aussage von Vogel: «...das Ausgestellte verändert sich sehr wohl mit der Art des Ausstellens, zwar nicht in seiner Entität und Identität, aber in seiner Wirkung und Performanz» (10). Das Handbuch umkreist als Zentrum somit die Performanz sprich das Erscheinen der Dinge im Raum. Die Reflexion darüber wird nicht so sehr über die wissenschaftliche Literatur entwickelt, sondern orientiert sich an der Beobachtung des Feuilletons und des Vergleichs zwischen der Berichterstattung über Theateraufführungen (Person) und Kunstausstellungen (Objekt) als alternierende Leitmedien (12ff.). Gestreift werden Diskurs- Begriffe wie «Konstruktion», «Performanz», «Inszenierung», «Politik», «Rhetorik» und «turns», wie etwa «pictorial turn» oder «spatial turn». Die Bedingungen des Ausstellens erschliessen sich durch I-Begriffe, wie Ideologie/Interpretation, Institution/Image, Innovation/Information, Intention/Exposition (15ff.).
Der ausgebreitete «kuratorische Raffinierungsprozess» ist ebenso assoziationsreich wie das vorgeschlagene Bezugssystem von Objekt-Raum-Publikum wie auch von Haben-Soll-Sein bzw. Auswählen-Zeigen-Wahrnehmen bzw. Was-Wie-Wer über eine hohe Anregungsintensität verfügt (20ff.).
Begriffe, Bilder, Sammellust
Das Kapitel «Zeigegesten» macht sich aus dem Buch «Politik des Zeigens» (2010) relevante Aspekte für die Exponatik produktiv und zu eigen: Akt des Hinweisens (Zeigefinger), Akt des Lernens (Wer zeigt Was und Wem), Akt der Vermittelns (Zerlegung), Akt des Ausstellens (Zusammentreffen/ Zurichtung), Akt des Präsentierens (Öffentlichkeit) (25ff.). Das Kapitel «Metaphern der Vermittlung» thematisiert, wie sich Metaphern fürs Ausstellungswesen wirksam machen lassen: De-/Monstranz (performativ, dynamisch, Strahlkraft), Aura/Evidenz (Superimago, Fokussierung, Freistellung), Abjecta/Trophäe, Rapport/Fraktal (variable Harmonie, Rand-Zentrum-Ähnlichkeit), Rhizom/bewegliche Ziele (unterirdisches Magnetfeld), Cento/ Cluster/Amalgam (Verdichtung), Serendipität/Kontingenz (Zufälliges zulassen), Palimpsest/ Hypertext (Wunderblock, Wissensnetz) (29ff.).
Sowohl die Nomenklatur der Ausstellungsformate als auch ihre Taxonomie und Charakteristik als Kernelemente des gesamten «Exponatik»-Werks bilden einen sehr an- und aufregenden Parcours durch die Multifunktionalität von Displays im farbigen Bildteil.
Fritz Franz Vogel nimmt an einer Stelle eine Aussage vor, die das Potenzial der Exponatik aufschlussreich auf den Punkt bringt: «Der Ort des Ausstellens ist ein Ort, der Prozesse ermöglicht, gerade weil er Unsicherheiten, Ambivalenzen und Diskursivitäten zulässt.» (9) Als Autor tritt er in einen Dialog mit diesem Prozess, schreibt ihn fort und schreibt ihn um. In einer raffinierten Kombination von Begriffs(er)findung, Bilddenken und Sammellust führt das zu einem glanzvollen Produkt.
Die Adresse: Vorwort
Nicht nur in unseren Breitengraden definiert sich der homo sapiens über das, was er ist und besitzt. Alltagsgegenstände, Luxuswaren, Kultobjekte, überflüssiger Tand sind Teil des eigenen Selbstverständnisses. Wir definieren uns und unsere Gesellschaft über das, was wir produzieren und um uns hübsch, geschmack- und effektvoll anrichten. Auch das, was wir nicht haben, ist uns bewusst, macht uns zu Konkurrenten, Sammlern, Eifersüchtigen und Neidern.
Bestimmte Objekte sind gar charakteristisch für eine Zeit. Es sind Dinge des Übergangs, sogenannte Schwellenobjekte. Sie tauchen auf in Momenten der Neuorientierung hinsichtlich Verhalten, Technik, Kommunikation etc. Da der Mensch trotz seiner sozialen Ader und mündlichen Austauschfähigkeit ein Bedürfnis hat, Dinge sein Eigen zu nennen, dieses Privatkonvolut auszubauen, zu verfeinern, vor allem zu individualisieren und damit sich selbst unverwechselbar zu machen, haben wir es heute mit einem unheimlichen Bestand an (privaten) Waren zu tun. Dazu kommt, dass die Lebenszyklen unter dem Diktat der Mode viel rasanter ablaufen und damit noch mehr Dinge in ähnlicher Aufmachung und Funktion produziert werden. Da Flickarbeit keine bürgerliche Konzeption und Sparstrategie mehr ist, ist der Warenfluss unaufhaltsam angeschwollen.
Mit den Objektklassen wächst auch die Anzahl der Museen und ihren ausufernden und vor allem unscharfen Rändern und ihrem chamäleonartigen Sammlungsverhalten. Die Lager sind voll, die privaten Keller überlaufen, die Sammlungen in öffentlichen Institutionen sind überschwemmt. Ohne Krieg und Katastrophen werden die Waren ebenso wenig dezimiert wie mittels gesundem Menschenverstand, der mehr nach dem Neuen schielt als das Zweitneuste noch länger zu behalten und es auszutragen.
Und: was gesammelt wird, will auch irgendwann in einer bestimmten Form, und dann vielleicht auch immer wieder anders und in andern Kontexten, ausgestellt werden, denn Ausstellen ist seit je ein gesellschaftliches Bildungsvergnügen. Was nicht ausgestellt wird/ist, wird nicht zur Kenntnis genommen. Um das Wie des Zeigens, um die Vielfalt ästhetischer Veranschaulichungen, geht es in diesem Buch.
Das Entree: Eröffnung
Die Geschichte des Ausstellens, von den römischen Reliefs über die religiösen Prozessionen des Barock und die Kunst(verkaufs)messen bis hin zu den akademischen Salonausstellungen im 18. Jahrhundert ist aufgearbeitet,2 auch wenn die fundierte Publikation von Georg Friedrich Koch schändlicherweise kaum je Erwähnung findet. Die Anfänge der Unterhaltungsindustrie und ihre wissenschaftlichen Implikationen sind von Barbara Maria Stafford beschrieben worden.3 Deren Fortsetzung, die Schaustellerei, machte eine Arbeitsgruppe zum Untersuchungsgegenstand. 4Verschiedene Publikationen beschäftigen sich mit dem Phänomen der Wunderkammer, die gemeinhin (aber fälschlicherweise) als Beginn des Ausstellungswesens taxiert wird.5 Die mittlerweile 160-jährige, ephemere Leistungsschau der Weltausstellungen wurde ebenfalls verschiedentlich untersucht.6 Zum Design von Handelsmessen publizierte Robert B. Konikow mehrere Jahresbände,7 wobei das Konzept, erweitert um den Museumsbereich, von Uwe J. Reinhardt und Philipp Teufel für den deutschsprachigen Raum wiederaufgenommen zu sein scheint.8 Zur Herstellung von narrativen Räumen referiert eine umfangreiche Publikation aus der Sicht eines Gestaltungsateliers.9 Der Versuch, die Ausstellungsgestaltung eines gesamten Jahrhunderts zu fassen, kommt ebenfalls aus der ambitionierten Bücherküche avedition in Ludwigsburg.10
Zu einzelnen Ausstellungsdisplays gibt es verschiedene Publikationen und Aufsätze. Die vorliegende Publikation unternimmt eine synoptische Perspektive, da eine Übersicht in dieser Bandbreite und Vertiefung nicht existiert - bei all dem, was man heute aus Archiven, Depots und unspezifizierten Beständen zu zeigen bereit ist, durchaus ein Desiderat. So versammelt und vergleicht diese Studie die bekannten Ausstellungsformate und Displays ikonisch und strukturell und untersucht sie hinsichtlich ihrer Charakteristik - seien sie historisch oder zeitgenössisch, fixiert, temporär oder nomadisch.
Die Ausstellungsformen werden einerseits deskriptiv charakterisiert, anderseits mittels eines Bildclusters visuell ergänzt und erweitert, um durch diesen intervisuellen Diskurs zusätzlichen Erkenntniswert zu erzeugen. Diese Szenarien des Zeigens werden untersucht nach fünf variablen Gesichtspunkten und Funktionsmerkmalen:
1. Art/Charakteristik/Atmosphäre
2. Herkunft/Geschichte/Wandel
3. Mobilitätsverhalten/Navigation/Blickregime
4. Funktion/Kommunikation/Rezeption
5. Wirkung/Bedeutung/Nachhaltigkeit.
Darin kommen Aspekte wie Raumart, Dimensionierung, Ressourcen, Licht, Zeigemacht, Visualität, Evidenz, Kommunikationsstruktur etc. zur Sprache. Mittels der synoptischen Betrachtung werden somit die typischen Merkmale herausgeschält. Dabei sollen die Erkenntnisse, was unter Ausstellen zu verstehen ist, auch an exotischen Beispielen exemplifiziert werden. So stehen konventionelle neben experimentellen Lösungen, performative neben situativen, schöne neben hässlichen, gescheite neben unsinnigen, unscheinbare neben repräsentativen, kunsthistorische neben populären, affirmative neben transformativen, abgeschottete neben berührungssensitiven...
Die Typologie des Exponierens im doppelten Sinn (ausstellen, bzw. sich auf die Äste hinauslassen) untersteht der Zeige- und Wirkmacht. Diese wird immer wieder anders erstellt und ist abhängig von den Leuten in und um das Ausstellungswesen, also den KuratorInnen, den SzenografInnen, den GrafikerInnen und WerberInnen, den WissenschaftlerInnen und den AdressatInnen. Insofern ist es wichtig, sich mit diesen unterschiedlich gefärbten Zeigegesten, der Politik des Zeigens, auseinanderzusetzen und sie zu decodieren.
Macht und Politik
Wer ausstellt, zeigt etwas. Wer etwas zeigt, kommt nicht darum herum, anderes zu vernachlässigen und auszublenden. Zeigen ist Deutung mit Absicht, ist Interpretation mit Ausschluss. Die Fokussierung auf das, was ist, erzeugt einen Aufmerksamkeitsgestus. Es ist die Rhetorik des Ausstellens, in der diese Aspekte - Raumordnung, Inszenierung, Deutungsabsicht, Narration, Wissenstransfer etc. - gebündelt werden, um Aufmerksamkeit zu erheischen. Und wo Rhetorik, also die verbalen Zutaten diskursiv behandelt werden, sind Macht und Politik des Ausstellens nicht weit. Dieses prozessuale System ist ein stetes Aushandeln der Verhältnisse von Präsentation, Exposition und Repräsentation und versteht sich als hierarchisierende Klammer, in der nicht nur die Feinheiten und Winkelzüge der Rhetorik zur Anwendung kommen, sondern zugleich Aspekte der Geltung, der Autonomie, der Gültigkeit, der Wirtschaftlichkeit oder der Nutzniessung verhandelt und etabliert werden.
Ein Ausstellungsort mit seinem spezifischen Ausstellungsdisplay ist heute ein diskursiver Ort per se. Ausstellen heisst, sich dieser Rhetorik und Politik zu stellen, heisst, den Umschlag von Wissen, die Aura von Objekten, die Strategie von Inszenierungsmodi und die Verheimlichung von Leerstellen transparent zu machen. Aus diesem Diskurs um Haben und Sein, um Präsentieren und Repräsentieren, um Zeigen und Verheimlichen, ergibt sich zwangsläufig ein Feld der Erkenntnisse und der Bedeutungsproduktion. Der kulturelle Akt des Ausstellens, seit einigen Jahren mit gesellschaftlicher Relevanz belegt, ist geistige Nahrung wie ästhetische Bildung, an denen immer mehr partizipieren (wollen). Der Ort des Ausstellens ist ein Ort, der Prozesse ermöglicht, gerade weil er Unsicherheiten, Ambivalenzen und Diskursivitäten zulässt. Durch den Kulturkonsum wird das individuelle Urteilsvermögen geschärft und somit demokratischer Bildungsgewinn erzielt. Als lebendiger Organismus ist er genauso ein eigen- wie gemeinnütziger Ort, wo Sichtweisen visualisiert und Gesten offenbart werden.
Exponatik
Die Ausstellungskunde, die Exponatik, um ein gar nicht schlechtes Wort zu erfinden und zu statuieren, alludiert sich an der Nomenklatur vergleichbarer, auf griechische oder latinisierende Gattungsbegriffe zurückgehende Felderkunde (z.B: Poetik, Heraldik, Akustik, Erotik, Kosmetik, Technik, Germanistik, Statistik etc., und in unserem Zusammenhang interessant, weil der Begriff die entgegengesetzte Strategie bezeichnet: Archivistik). Das lateinische Suffix -ica bezeichnet oft ein Handwerk, eine Technik oder eine Kunstfertigkeit, die in der Exponatik wesentliche Merkmale sind. Die beiden Stammwörter Expo und Exponat verweisen zudem auf den entsprechenden Inhalt, einerseits auf die Tätigkeit des Exponierens (im Sinne von «ausstellen» wie auch im Sinne von «sich aussetzen»), anderseits auf das Objekt selbst. Da zudem die Personalstruktur im Ausstellungswesen - ausser im Kunstbereich, wo die Arbeitsstelle an ein kunsthistorisches Grundstudium gekoppelt ist - weitgehend nicht akademisch ist, fällt auch ein Wissenschaftsterminus wie Displaywissenschaft, Expologie oder Kuratoristik ausser Betracht.
Das Ausstellungswesen wird hier weit breiter gefasst als nur unter dem Rubrum «Museum», denn es hat heute ganz verschiedene Berührungspunkte und tastet sich amöbenhaft mal mehr oder weniger an andere Gebiete, so:
- zur Architektur, zur Raumordnung, zum Raumverhalten und zur Proxemik
- zur sozialen Kommunikation und Interaktion, zur Performanz und Ereignistheorie
- zur Bildwissenschaft
- zur Subjekt/Objekt-Theorie
- zur Objekt- und Stilkunde, zur Ikonografie
- zur Szenografie, zur Kommunikationswissenschaft, zur Visualistik
- zum Diskurs um Fragen nach Repräsentation, Macht, Rasse oder Geschlecht
- zur Rezeptionsästhetik und Bildung
- zum Tourismus und Standortmarketing ...
Die Exponatik ist eine typische Inter- bzw. Transdisziplin, weil sie nicht nur ein Medium ist, also Mittlerin, sondern auch Vermittlerin und somit Schubladendenken überwindet. Die kulturellen Codes und Werthaltungen, die dem Ausstellen und seiner Stilgeschichte zugrunde liegen, können darüber hinaus anderswo, wie z.B. in der Agogik, ebenso fruchtbar gemacht werden. Die Exponatik, das hauptsächliche Arbeitsfeld der KuratorInnen, umfasst die Ausstellungsräume und -orte wie auch die Präsentationstechniken. Darüber hinaus umfasst sie die Performanz der Dinge, die sich daraus ergibt, wie sie präsentiert werden, wie sie sich zeigen und wie sie wahrgenommen werden. Solche Anmutungsqualität und Wirkungsästhetik werden erzeugt durch Dinge, die ihrerseits Dinge hervorheben. Es sind oftmals unscheinbare Trägermedien wie Rahmen oder Sockel, die dem ins entsprechende Licht gerückte Objekt, die exposita, erst ihre Präsenz und Bedeutung verleihen. Diese Rahmenstruktur um den Inhalt umfasst die Exponatik, denn das Ausgestellte verändert sich sehr wohl mit der Art des Ausstellens, zwar nicht in seiner Entität und Identität, aber in seiner Wirkung und Performanz.
Hypothesen und Fragestellungen
In dieser Untersuchung ist die Hypothese zu verifizieren, ob die Ausstellungsformate - und damit sind traditionelle wie nomadisch-eigensinnige, ja obsessive Formen gemeint - den Pluralismus gesellschaftlicher Denkformen und Verhaltensattitüden spiegeln und wie diese auf die Ausstellungsinhalte zurückwirken. Resultiert aus dem heutigen «Alles geht» mehr Unsicherheit als eine klare institutionelle Sprache? Sind die vielfältigen Ausstellungsformen mehr Stressfaktoren als Leitplanken? Steht das traditionelle Museum mit seiner herkömmlichen Ausstellungsdoktrin zur Disposition, dem Zeitgeist geschuldet, der immer Neues verlangt? Und gibt es überhaupt noch etwas, was nicht dem Diskurs über das Ausstellen unterlegen ist, weil doch alles immer Auftritt, Ästhetik, Präsentation, Instrumentalisierung und damit Rhetorik und Werbung, also Teil der Politik um (Selbst)darstellung und Aufmerksamkeit ist?
Zur Disposition steht auch die Frage nach der Performanz im Raum. Und vielleicht als fast ketzerische Frage, ist Ausstellen überhaupt noch eine kulturelle Praxis oder nicht schon eine wirtschaftliche Attitüde, die das Ausstellungsdisplay als attraktiven Stimulus des Verkaufs nutzt, bei dem eben nicht Partizipation, sondern Abhängigkeit sichtbar wird? Ist die Kreativwirtschaft lediglich noch Kuppler und Zubringer für das Bruttosozialprodukt, das entscheidende Quantum Euphemismus für das touristisch orientierte Standortmarketing, ein raffiniertes Deckmäntelchen der Geldwirtschaft?
Vademecum
Diese enzyklopädisch angelegte, kunsthistorisch vergleichende Arbeit über die verschiedenen Ausstellungstypen ist als Vademecum für Personen im Ausstellungsbetrieb gedacht. Es ist also ein Publikumsbuch, denn Ausstellende sind zugleich Zuschauende.
Das reichliche Bildmaterial - zugrunde liegt die Methode der vergleichenden Fotodokumentation - ist historisches Beweissstück wie Ideenspeicher zugleich. Es stammt aus Publikationen und Katalogen, Zeitungen und Zeitschriften, von Sammlern und Fotofreunden, aber vor allem aus dem eigenen Fundus, der sich von Besuchen in ganz unterschiedlichen Muse- umstypen, bei vielfach heimlicher Dokumentation (Kunst- und Kulturgenuss als Visionierung und Archivierung), und beim zufälligen Begegnen vielfältiger Präsentationsmodi geäufnet hat. Das Bildmaterial, die Frucht der teilnehmenden Beobachtung, will nicht nur Illustration der Ausstellungstypen sein, sondern da und dort auch eigensinnige, exponatorische Denkrichtungen aufzeigen.
Das Buch selber ist eine narrativ-dramatische Form des Ausstellens - die kuratorische Arbeit als ästhetischer Transferprozess. Diejenigen, die sich mit Büchern beschäftigen und ein bibliophiles Flair haben, werden erkennen, dass die Navigation durch das Buch, in und durch seine Räume einem Gang durch eine Ausstellungslandschaft gleicht, bei der Form und Inhalt verschmelzen. Das Buch ist gleichsam einer topografischen mise-en-page unterworfen, die von Ausstellungsplänen und den darin enthaltenen Abfolgen von Zimmern oder mäandrierenden Spaziergängen inspiriert ist. Kurzum: ein als Ganzes autothematisches Projekt, das Buch als ein auf Seiten aus- und angelegtes Ausstellungsprojekt.
Zürich, im Juli 2012
Der Museumsshop: Politik des Zeigens
Bei der kontinuierlichen Lektüre der Feuilletons der Tages- und Wochenpresse fällt auf, dass, nach Einbussen bezüglich Umfang und Personal in den frühen Nuller Jahren des 21. Jahrhunderts, der Kulturteil wieder ausbaut wird. Dies geschieht nicht zuletzt deshalb, weil sich der Kulturbegriff auf einen allgemeinen Gesellschaftsbegriff erweitert hat.11 Das spiegelt sich darin, dass die entsprechenden Zeitungsrubriken eher mit «Kultur & Gesellschaft» als mit «Feuilleton» betitelt sind.
Zwar gibt es in den Printmedien trotz der Flut an Nachrichten und Mitteilungsbedürfnissen nicht mehr Medientitel, doch findet eine Aufteilung statt, die im Zeitschriftenmarkt, wo ein stetes Kommen und Gehen herrscht, eklatant ist. Um die Ausdünnung der Abonnentenzahlen zu stoppen, wird heute versucht, die Mediennutzung zu individualisieren, ja die Information ad personam zu generieren. Während noch in den 1970er-Jahren problemlos an einem Morgen über etwas geplaudert werden konnte, was fast alle am Vorabend im Fernsehen gesehen hatten, ist das bei der ubiquitären Verfügbarkeit global operierender digitaler Medienkanäle nicht mehr möglich. Letztere liefern Kurzfutter frei Haus oder beschreiben ohne Unterlass die modernen Schiefertafeln der Pendlerströme. Darüber hinaus zappt jeder zur individuellen Unterhaltung das vermeintlich Nützliche auf den Schirm oder saugt es aus dem Netz.
Leitund Leidmedium
Mit dem gleichzeitigen Nebeneinander von Medien und deren Rezeption ist auch der Gedanke vom Leitmedium vom Tisch, so scheint es. Bei genauerer Betrachtung ist zu konstatieren, dass es durchaus eine gewisse Medienhierarchie gibt, oder zumindest ein Pluralismus akzeptiert ist. Radio, Fernsehen, Kino, Tagespresse, Zeitschriften, Buch, Telefonie etc. werden vom Internet und seinen digitalen Auslagen konkurrenziert. Die sogenannten sozialen Medien sind zwar von ihrer Struktur her nicht viel anders als Kommunikationsorte für gleichermassen interessierte Menschen, wie vor hundert Jahren z.B. Vereine, doch ist der Radius dieser Gesellschaft von Produzenten und Benutzern, die in sich die Produtzer (produser) bilden, angestiegen.
Theater vs. Ausstellung
Des weiteren ist zu beobachten, dass die Jahrhunderte alten Direktmedien Theater und Ausstellung, obwohl sie vor allem im 16. und 17. Jahrhundert eine Lehreinheit bildeten,12 in Konkurrenz zueinander geraten sind.13 Beide buhlen in der klassischen Kulturberichterstattung um öffentliche Aufmerksamkeit, weil sie Aushängeschilder der lokalen, regionalen und elitären Kulturproduktion darstellen. Und weil sie für die visuellen Reproduktionsmedien gutes Bildmaterial abzuliefern vermögen. Während in der Schweiz die Theaterberichterstattung14 ab den späten 1980er ein gutes Jahrzehnt lang Oberhand hatte, sind in den letzten Jahren die Szenerien verschoben. Es wird heute im Quervergleich mindestens so viel von (internationalen) Ausstellungen berichtet, wenn nicht gar im Verhältnis von 3:1.15 Dies ist einerseits auf die Inflation von (Privat)museen, Kunsthallen und temporären Wanderausstellungen zurückzuführen bei gleichzeitigem Zurückdrängen der Theaterhäuser aufgrund von mangelndem Geld (nur das kostengünstige, auf Vereinsbasis organisierte Volkstheater konnte sich dem Besucherschwund bislang gut widersetzen). In der Übermacht der Schaustellung von Kunst- und Kulturgut kann auch die Zweckbindung fixiert werden: die Schaubarkeit an sich, bei der das Exponat Ware, Bildungsmittel und reines Schauobjekt ist.
Anderseits manifestiert sich in diesem Befund vom szenischen Theaterfoto zum szenischen Ausstellungsfoto (gemeint ist nicht der gebührenpflichtige Abdruck von einzelnen Kunstreproduktionen) auch ein neues Bewusstsein für das Objekt als Träger kultureller Codes, das in der Ausstellung, und nur dort, seine gesellschaftliche Aura und Weihe erhält. Zudem ist der (museale) Artefakt in der Fotodokumentation einiges leichter zu handhaben als das flüchtige, personenintensive Medium Theater.
Zwar sind die narrativ-szenografischen Präsentationsformen Theater und Ausstellung auf einen gewissen Schaueffekt ausgerichtet, da sie ja zum Ziel der Betrachtung aufgebaut und arrangiert sind, eine Führung durch die kodierten Texte, Objekte, Requisiten und fiktionalen Orte und Zeiten vorgeben und somit beim Betrachter einen Denk- und Assoziationsraum auslösen. Dennoch unterscheiden sie sich in der Dramaturgie, auch wenn beide einen Anfang und ein Ende, einen Ein- und Ausgang kennen und der Verlauf von da nach dort eine Abfolge medial-dramaturgischer Blickpunkte, Verweise, Erkenntnisse, Handlungsoperationen, Verführungen, Gefühlsgewitter, Irritationen und/oder Fragestellungen beinhaltet. Während im Theater durch die Textstruktur ein sukzessiv emotionales setting weitgehend vorgegeben ist, kann dies in der Ausstellung weit weniger erzeugt werden, weil die Sprache als permanenter Kitzel im Sinne der Dramaturgie fehlt.
Ausstellungen sind in der Regel Medien der Montage; die Narration wird ebenfalls mit Mitteln der Aneinanderreihung erzeugt. Die mittels Quellen, besonderen Werken, beredten Objekten, interaktiven, Bezügen, atmosphärischen Parametern, optischen Verdichtungen, intellektuellen Verknotungen erzeugte «polyphone Erzählstruktur»16kann gar nichts anderes sein, als ein polymorphes Bedeutungssystem, ein artifizielles Feld von offensichtlichen und subkutanen Verweisen (im Einzelobjekt wie im gesamten Arrangement), die um Aufmerksamkeit, Bestätigung, Erkenntnis oder Irritation wetteifern, aber längst nicht immer dechiffriert werden (wollen). Dieser an sich ohne Besucher stumme Dialograum braucht den wachen Spaziergänger, der sich als Vermittler dieser Objekte zwischen diesen bewegt und das Bedeutungssystem für sich nutzbar macht. Der performative Duktus beider Medien vermag jedoch Ergriffen- und Betroffenheit auszulösen,17 wobei der Ausstellungsbesucher weit weniger konstruktiver, koproduktiver Komplize ist als der Theaterbesucher, der für den Schauspieler immer wahrnehmbar ist und damit als tertium comparationis ein Mitspieler ist. Erst in neuerer Zeit und in Ausweitung des Handlungsfeldes versucht sich das Ausstellungsgeschäft dank eruptiven Ereignissen einen partizipativen Raum zu schaffen und operative Felder zu ermöglichen. Tendenziell kommt man dabei aber weg von der Ästhetik Ausstellungswesen und landet in der performativen Vermittlungsarbeit und ihrem konsumorientierten Marketing.
Wie in der Literatur eine Exposition die Darstellung des Sachverhalts, aus dem sich dann die Dramaturgie entwickelt, ist in der Ausstellung die Exposition bereits das Ergebnis. Der Besucher macht sich die Dramaturgie, und mit ihr eine finale Erkenntnis, selber, indem er die Exposition in einem selbst verantworteten Zeitfenster erwandert, erweitert oder abkürzt. Die Exposition ist etwas, um mit sich selbst ins Gespräch zu kommen, sich selbst die kuratorische Exposition weiterzuerzählen, das Script weiterzuspinnen und zu fertigen. Unter didaktischen Gesichtspunkten ist also die Wahrnehmung einer Ausstellungssituation in ihrer vielgestaltigen Art und Weise ein Weg, Themen, Ästhetik, Reaktionsmuster, Handlungsdispositive etc. bei sich selbst zu erkennen. Dabei hilft uns, dass wir immer eine eigene Folie, eine Matrix von Wissen und Erfahrung haben und diese mit einer andern Zeit, Landschaft, Bevölkerung, Schicht etc. abgleichen können. Diese Empathie, in einer Ausstellung nicht auf etwas grundsätzlich Anderes zu stossen als das, was wir in nuce kennen, bereichert die Begegnung mit der Natur oder der Kultur, im Besonderen mit dem fremden Menschen, ihrem Kultus und Ritus, ihren Bräuchen, Sitten, Magien und codes nachhaltig.
Person vs. Objekt
Mit dem szenischen Ausstellungsbild in der Zeitung wird auch die Crux umschifft, wenn von einer Thema- oder Gruppenausstellung (und um solche handelt es sich oft) bloss ein Einzelbild oder singulärer Aspekt gezeigt wird. Mit der Abbildung eines Raumes wird insofern auch einem demokratischen Diktat der Gruppenharmonie Genüge getan. Zudem (ver)führt ein spannendes Display, wie ein eindringliches Theaterfoto in der Presse vor 20 Jahren, zu einem Besuch, was man aber auch kritisch beurteilen kann: Ein Szenenfoto ist ein Ausschnitt, hat also ein Davor und Danach, müsste also eher dazu geeignet sein, das Stück zu sehen (auch im Sinne, dass im Theater häufig Szenen-, Kostüm- oder Ortswechsel vorkommen und mit einem Bild, trotz allfälliger Dramatik, nie das Stück zu erfassen ist). Anhand eines Ausstellungsfotos aber kann man eine Ausstellung durchaus abhaken, weil es oft wenig mehr dazu gibt als weitere Perspektiven derselben Szene.
In Anbetracht der in der Tagespresse zahlenmässig vermehrten Ausstellungsbilder und der verminderten Theaterbilder könnte man zugespitzt formulieren, dass in den letzten Jahren eine Verschiebung von der dynamisch-personalen zu einer statisch-objekthaften Szenografie und Performanz stattgefunden hat, womit sich auch die Fülle an Ausstellungsdisplays erklären liesse. Trotz beidseitiger Legitimation als Bedeutungsträger, Erkenntnisproduzent und Welttransfer: Man könnte auch von einer Verschiebung von der Beredtsamkeit und Geschwätzigkeit des Theaters hin zur stummen Oase der Selbsterkenntnis sprechen, die einem in der Begegnung mit Kunst und Kult widerfährt.
Doch auch diese Verstummung angesichts der hoch inszenierten Aura des Kunstwerks ist eine Folge der Inflation musealer Üppigkeit. Georg Friedrich Koch sah noch weit mehr Potential zur Bildung gesellschaftlicher Kritikfähigkeit und wertete den Vermittlungsgedanken einer Ausstellung noch weit positiver: «Alle Formen der Kunstdiskussion, der Polemik, der Kunstpolitik und der Erziehung können durch die Ausstellung besonders begünstigt werden. Sie muss deshalb ... sich dieser Vermittlungspraxis ... bedienen ... [und] zu einer eigenen Macht werden... [...] Dieser ‹Ausstellungswert› des Kunstwerks braucht nicht notwendig mit seinem ursprünglichen, bestehenden oder zukünftigen festen Bindungswert identisch zu sein, sondern kann unter dem Leitgedanken der Ausstellung eine besondere Aufgabe besitzen. Damit ist die so flüchtige Gestalt der Kunstausstellung trotz ihres nur vermittelnden Charakters eine eigene Ausdrucksform von künstlerischen Bindungsverhältnissen, die die Fähigkeit besitzt, in ihrem Dienste dem Kunstwerk vorübergehend die Möglichkeit einer besonderen Eigenentfaltung und Sinngebung zu gewähren.»18
Muttenthaler/Wonisch treten für eine Schule des Sehens, wofür eine Ausstellung prädestiniert sei.19 Zu ihrer Medienkompetenz, Ausstellungskritiken zu verfassen, gehört, dass Ausstellungen nicht nur nach Thema und Exponaten besprochen werden, sondern auch die konstruktiven Prozesse der Installation und Inszenierung Erwähnung finden; die szenische Einrichtung oszilliert zwischen Anhäufung, Arrangement, Inszenierung und Komposition. Szenerie ist gleichzeitig Schau, Vermittlung und Deutung. Kuratorische Arbeit ist, wie im Theater die Regie, nicht nur Auswahl von Werken, sondern auch die Differenzierung von Inhalt und Umsetzung, was in der Theaterkritik klar getrennt wird. Sie orten den Mangel vor allem auch in den Pressestellen von Museen, die dem Präsentationsmodus von Erkenntnissen zu wenig Gewicht beimessen: «Dieser Befund wirft Fragen auf, inwiefern die Museen selbst - die PressereferentInnen aber auch die KuratorInnen - zu der dem Medium nicht adäquaten Ausstellungskritik beitragen. Und das Problem, dass Ausstellungsinhalt und Ausstellungsgestaltung nicht als sich gegenseitig bedingende Elemente, als Einheit, gesehen werden, liegt nicht zuletzt daran, dass sich auch viele AusstellungskuratorInnen vor allem als SpezialistInnen in einem wissenschaftlichen Bereich verstehen und die konzeptionelle und visuelle Umsetzung der Inhalte den AusstellungsgestalterInnen überlassen, statt in einen produktiven Austausch mit ihnen zu treten. Es liegt also auch in der Verantwortung der Institutionen selbst, den Blick von JournalistInnen für das Spezifikum Ausstellung zu öffnen.»20
Performanz vs. Rhetorik
In diesem Zusammenhang dürfte noch eine andere Feststellung eine Rolle spielen, nämlich die Kunstszenerie als Ersatz des kontemplativen Ortes der Kirche. Es ist jedenfalls verwunderlich und durchaus in gegenseitige Relation zu setzen, wie sich in unseren Breitengraden der Besucheransturm der Kirche zugunsten der Museen verschoben hat (nicht nur, dass der sonntägliche Matinee-Ansturm in die Kunsthäuser denjenigen in die Kirche übertreffen). Italien beispielsweise, wo die Kirchen per se als Kunstinstitutionen wahrgenommen werden, ist diesem Trend bislang nicht gefolgt, auch weil dort das private Mäzenatentum, das zeitgenössische Kunst in seiner ganzen Disparatheit sammelt und ausstellt, weniger ausgeprägt ist.
Vor 20 Jahren waren wissenschaftliche Beiträge untertitelt mit «Zur Konstruktion von Rasse, Geschlecht, Identität...» Danach folgte die Periode der «Performanz» und «Inszenierungen»; jeder Spassfaktor war der Reflexion über das intentional Szenische geschuldet. Nun unterliegt das akademische Studium dem gesellschaftlich erweiterten, in Hierarchien verstrickten Diskurs. Es wird debattiert über die «Politik» und die «Rhetorik», also eine Art systemische Gesamtheit, bei der die gegenseitigen Verflechtungen und Imponderabilien aufgezeigt werden, die sich aus dem Haben und Sein ergeben und die stets an eine wie auch immer geartete Öffentlichkeit gebunden sind. Das Medium Ausstellung ist von diesen systemischen Analysen besonders betroffen: Es ist immer wieder herausgefordert, diese Öffentlichkeit herzustellen, seine Sammlungstätigkeit und (Re)präsentationspflicht zu legitimieren. Diese Vermittlungsaspekte gehen einher mit einer unterschwelligen Auseinandersetzung über gesellschaftliche Präferenzen, die aufgehängt werden könnte am stigmatisierten Begriff der Leitkultur. Jedes Leitmedium muss sich an solchen diskursiven Reizwörtern abarbeiten, denn das Ausstellungswesen in seiner Gesamtheit (unabhängig von sperrigen Themen) ist heute, ohne Zweifel, ein auf Massen zugeschnittenes Leitmedium, wenn nicht gar die (gefühlte) Leitkultur aller vereinigten Kreativen. Und, es gilt für alle Beteiligten: Leiten und Leiden sind nah beieinander!
Pictorial und spatial turn
Das Ausstellungswesen bündelt zu einem grossen Teil die Kreativindustrie. Einerseits ihre Produzenten und Konsumenten, andererseits ihre Zulieferbetriebe zwischen Architekten und Beleuchtungstechnikern, zwischen Restauratorinnen und Raumgestalterinnen. Ausgelöst wurde dieser Aufschwung durch den pictorial turn, der Anfang der 1990er-Jahre beschrieben worden ist und sich anhand von immer neuen Schüben mindestens seit der Verbreitung des Holzschnitts im 15. Jahrhundert belegen lässt. Diese ikonische Wende hat sich zu einem spatial turn erweitert, wobei der Raumdiskurs heute, ausgelöst im Vorfeld und während der Weltausstellung in Hannover 2000 oder der nationalen Expo 2002 im Dreiseengebiet des schweizerischen Mittellandes, ein vielschichtiges Leitmotiv der öffentlichen Debatte geworden ist. Betrachtungsweisen sind hinsichtlich Raumplanung, Raumnot, Freiräume, verdichtetes Bauen, barrierefreie Zugänge, wiedererkennbare Repräsentationen, Landschaftsbild, öffentliche Einsicht in Privaträume, urbane Beleuchtungskonzepte, Stadtmöblierung und Kunst am Bau stets auch Ansichts- und Glaubenssache. Will heissen: jede/r hat eine Meinung.
Es lässt sich darüber hinaus behaupten und nachweisen, dass Szenografie und Inszenierung von Bildern und Objekten wichtiger geworden sind als die Inhalte und die Kult- und Kunstwerke selbst, die notabene oftmals überhaupt nicht für die Verwendung als Ausstellungsgegenstand angefertigt wurden. Der Akt des Ausstellens ist die Währung der Kunst, nicht das Ausgestellte. In Zeiten von Raumplanung, Raumnot, resp. höheren Ansprüchen an (Frei- und Spiel)räume scheint ein besonderes Augenmerk auf die Wirkung von Bildern im temporären Raumgefüge - Museen, Galerien, Messen - vorhanden zu sein. Die Differenzierung von Formatierungen von Bildern einerseits - also die unterschiedlichen Parameter von Grössen, Proportionen, haptischen Qualitäten, Rahmungen, Berührungsdispositive -, korrespondiert mit die Modulation dieser Werke und Korpusse in einem entsprechenden Raum, wobei Hängungen, Lichtkonzepte, Bauten, Verknüpfungen mit historisch aufgeladenen Objekten einer weitgehend assoziativen Folge, titel- und thementoleranten Kadrierung und kuratorischen Pflege unterworfen sind.
Solche Ausstellungskonzepte sind Raumkonzepte - und in gewissem Sinne selber Bild/ image - und haben mit Materialitäten, mit Architekturen, aber auch mit intendierten Wahrnehmungsformen zu tun, resp. können diese nicht ausser acht lassen. Ausstellen ist von räumlichen Gegebenheiten abhängig, oder zumindest an sie gebunden. Eine Ausstellung zu stemmen ist folglich immer auch eine Art performative Raumbewältigung, was in üblichen Katalogen, die nur das Ausgestellte selber und aseptisch abbilden, kaum gewürdigt wird.
Der Zeigungswille ist zugleich auch ein Zeugungswille, nämlich die Monstranz von Besitz und Meinung, von Substanz und Signifikanz, von Zuspruch, Wirkung und Verheissung - dieser Grundgedanke lässt sich auch am sogenannten «Herrgottswinkel» in bäuerlichen Stuben und Wirtshäusern belegen! Die Vielfalt des Zeigens und Demonstrierens ist dabei eine eigene Kategorie geworden, die sich in Ausbildungen (u.a. ZHdK: master of art education) und autoriell verantworteter kuratorischer Praxis (Peter Greenaway, Harald Szeemann, Martin Heller, Peter Jezler, Bice Curiger, Hans-Ulrich Obrist, Samuel Keller, Dorothea Strauss, Francesca Ferguson...) niederschlägt, ja zum touristischen Marktfaktor21 der urbanen Kreativwirtschaft geworden ist (Documenta XY, Biennalen XY, Art XY, Kulturhauptstadt XY). Wir haben es mit einer hochqualifizierten Dienstleistung zu tun, wobei die direkte Wertschöpfung als relativ gering eingeschätzt werden kann.
Das grössenwahnsinnige, rekordaspirative oder skandalisierte Manna/Mantra der Kunst im abbildungswürdigen XXL-Format speist die Sinnstiftung des städtisch-globalisierten Hedonisten mehr als der kunst- und kulturkritische Diskurs. Das Nachsehen hat dabei, trotz ebenso guter Ausstellungen!, die «Provinz», resp. jene Institutionen und/oder KünstlerInnen, die nicht mit der grossen (Finanz)kelle anrühren können oder wollen. Denn: Eine gute Ausstellung ist nicht zwingend eine Frage des Geldes. Und eine publikumsreiche Ausstellung muss nicht unbedingt unter exponatischen Argumenten gut sein. Dass viele Leute in eine Ausstellung laufen, hat mit einem Strauss von Argumenten zu tun, vorwiegend mit Standort, Renommee, Reputation und Profil des Ortes, der sich auf Spektakularität, Originalität, monografische oder thematische Ausrichtung und Kuratorengilde gründet, die sich ihrerseits wieder dank der Presse in den Köpfen festsetzen. Je grösser die Städte, umso kulturell aufgeschlossener sind sie meist auch, resp. die Differenzierung verschiedener Museen und Häuser generiert per se schon ein bestimmtes Publikum.
Die von urban verankerten Volontären belieferte Presse - oftmals verschlimmbesserte Paraphrasierungen der institutionseigenen Pressetexte - ist Schmiermittel und Transmissionsriemen. Folglich werden die raum-, ja stadtgreifenden Regiearbeiten vom Zentrum, wo sie ohnehin schon sind, erneut ins Rezeptionszentrum gerückt und als kuratorische Handschrift charakterisiert, die gleichsam im Kunstraum/in der black box Theater ihre Vorbilder findet (Bob Wilson, Achim Freyer, Wilfried Minks, Erich Wonder, Anna Viebrock). Die Presse ist das knapp bemessene Leitkulturmedium, die ephemeren Eruptionen wenigstens für einen Tag kurz zu fixieren. Die Architektur ist der traditionelle und traditionsbewusste Beistand für die Kuratorenszene (Herzog/de Meuron, Santiago Calatrava, Mario Botta, Diener & Diener, Frank
O. Gehry, Jean Nouvel, Zaha Hadid, Renzo Piani); die einen bauen die Musentempel, die andern bestücken sie dank ihres global aktiven Netzwerks. Die Presse berichtet daher in ihren Feuilletons stets von den populären Brennpunkten (Berlin, Wien, Paris, London, New York), wenig von den Rändern, und wenn, dann lediglich in ihren diversifizierten, in den Zentren nicht zur Kenntnis zu nehmenden Lokalteilen. Ob die träge Besuchermasse trotz Information in die Vorstädte, Agglo oder Provinz pilgert, um sich eine gut besprochene Ausstellung anzusehen, ist dennoch zu bezweifeln. Im Sinne einer Kritik am urbanen Kultur-Jetset ist festzuhalten, dass viele der Meinung sind, ausserhalb der Stadt passiere ohnehin nur Zweitklassiges, womit sie natürlich bodenlos eingebildet und im Unrecht sind. In diesem Sinne: ein Lob auf die Provinz! Und noch etwas: Die Publikationen zu Ausstellungen, sogenannte Ausstellungskataloge mit ihrem Verzeichnis ihrer Präsenzkultur, werden mittlerweile als Standardware betrachtet; sie sind meist der medialen Rede und Reflexion nicht wert, sondern werden allenfalls als Stichwortlieferanten genutzt und in einer Fussnote erwähnt, obwohl gerade in ihnen interdisziplinäre Auseinandersetzung und nachhaltige Vermittlung geleistet werden. Noch besser als reine Ausstellungskataloge, die mit dem Ende einer Ausstellung oft als ebenso obsolet betrachtet werden und in manchem Depot wie Blei liegen, figurieren aber thematische Bücher, die via Verlage ein weiter gestreutes und interessiertes Publikum finden. Solche Sachbücher zu erstellen, die in ihrer bibliophilen Machart gleichsam Ausdruck, Pflicht wie Kür, der räumlichen Wende sind, ist aber meist sehr zeit- und kostenintensiv, da sie als vielschichtiger zu betrachten sind als ein Katalog, in dem nebst einem Einleitungstext einfach die ausgestellten Bilder und Objekte ganzseitig aufgereiht und mit einer knappen Objektbeschreibung (Titel, Entstehung, Masse, Technik, Provenienz) betextet werden.
Solche Kataloge sind auch deshalb langweilig, da sie die Bilder und Objekte nicht wie auf Ausstellungsfotos zueinander in Beziehung zu setzen vermögen, geschweige denn Grössenvergleiche, Ausmasse im Raum oder Rahmenstrukturen abbilden. Weil Kataloge zur Eröffnung fertig sein müssen, wie die Ausstellung selber, sind darin eben kaum Ausstellungsfotos zu finden. Der Katalog gibt also nur Oberflächen wieder, nicht aber Beziehungen und kuratorische Überlegungen zur Raumstruktur und Hängung. Dieses Defizit ist zumindest in diesem Buch erkannt und gegensätzlich betrachtet: Der Raum ist wichtig, weniger das autonome Werk an sich. Darin kann man auch eine latente Kritik am Werk selber, eine Absage an seine Autonomie, feststellen.
Sprachen des Ausstellens
Ausstellungen werden kaum je aus völligem Unwissen heraus besucht; Vorabinformationen, Plakate, Besprechungen, mündliche und schriftliche Berichterstattungen etc. sind Momente einer Hinwendung, ein entsprechendes Ausstellungsprodukt ins Visier zu nehmen und folglich mit, resp. aufgrund von losen Eindrücken zu besuchen. Aufgrund von Vorinformationen fallen Entscheide, sich etwas anzusehen. Bei positiver Bewertung steigen die Erwartungen, vor allem wenn es sich um einmalige, flüchtige oder performative, ja verschwenderische (Fest)akte handelt, wie bei Feuerwerken, Fliegervorführungen, Akrobatikgastspielen, Vernissagereden, Einweihungen und dergleichen, die wie Kirmestage, Pompanlässe und andere Volksbelustigungen zur «Unterhaltungsmathematik»22 gehören und die Erlebnisqualität, abgekoppelt vom Inhalt, zum Selbstzweck steigern.23
Ideologie und Interpretation
Im heutigen Ausstellungswesen gilt, wie für viele Branchen der Kultur: anything goes, um unter dem Slogan «Kultur für alle» eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen. Dies geschieht gerade im Wissen darum, da man seit dem schleichenden Untergang des Bürgertums nicht mehr weiss, wer das Publikum ist und was es will. Die Verhaftung im aktuellen Zeitgeist ist vor allem dadurch gegeben, dass alles möglich ist und keine Hierarchien, Vorschriften, Setzungen und dergl. befolgt werden müssen.
Als Grundprinzip für eine Publikumsorientierung wird aber oft ein metaphorischer Zugang gesucht, der sich in einem paradigmatischen Zeichen oder Fragment findet. Auch kann eine literarische Phrase, ein Wortspiel oder dergleichen als Metapher gelten und De/Monstranz bewerkstelligen.
Trotz aller Stile und Zugänge kann die Ausstellungspraxis nicht losgelöst sein von den kulturellen Reflexionen allgemein. So verlangen nicht nur ganz unterschiedliche Sammlungen und kuratorische Absichten adäquate Zeigegesten, die Einfluss haben auf die Präsentation und Rezeption von Bildern, Objekten oder Sachverhalten, sei es in der privaten, konsumorientierten oder musealen Umgebung. Diese Wertungen und Zuschreibungen zu Ausstellungsdisplays können auch als Ideologien gedeutet werden und bestimmen folglich Bedeutungsproduktion und Interpretation.
Institution und Image
Von den Raumkonzepten her ist es heute offensichtlich, dass diese entweder eine institutionelle Leitlinie verfolgen (müssen) oder durch bestimmte Ausstellungskuratoren und ihr «image» gegeben sind. Dabei ist es klar, dass für Aufwand, Inszenierung und Bestückung die Finanzen ebenso eine Rolle spielen wie die Vorgabe, ob es sich um eine unbestimmte Dauer- oder eine zeitlich limitierte Temporärausstellung handelt. Nachweisbar ist auch, dass im reinen Kunstbereich, also bei temporären Übernahmen anderswo konzipierter Schauen, weniger kuratorische Leistung bereitzustellen ist als in thematisch-historischen Ausstellungen, in denen Konzeptionen oftmals auch von neuen bildwissenschaftlichen, kunst- und objekthistorischen Forschungen zehren oder von besonderen Leihgaben und -gebern abhängen. Durch die Zeigemacht, das Materielle-Objekthafte als (objektiver) Beweis, wird der gesellschaftliche Diskurs gesteuert und in Perspektiven, Verweisen, Positionen, Referenzpunkten, Erkenntnissen und Fazits ausgefiltert. Letztlich sind Ausstellungen, vor allem im richtigen Umfeld, Weihe und Veredelung der Exponate, was vor allem Sammler mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen.
Innovation und Information
In Ausstellungen geht es auch darum, Fragen und Antworten kongruent zu halten. Beim Ausgestellten - ausgewählt, ausgelegt, geordnet, in Bezug gesetzt - sollten Fragen und Antworten in sich zusammenfallen oder zumindest eine Atmosphäre der Einsicht und des Erkenntnisgewinns erzeugen und Bedeutungen offenbaren. Wie jedes Produkt unterliegt auch eine Ausstellung bestimmten Parametern, die das Produkt entsprechend leichter oder schwieriger verständlicher und rezipierbar machen. Folglich liegen den verschiedenen Ausstellungsformaten und Zeigedispositiven Überlegungen zugrunde, um die Objekte in ihrer Präsentation und in der beabsichtigten Repräsentation erfahrbar zu machen. Oder aus anderer Perspektive: Der archivalische Umgang mit Material und dessen Wertigkeiten beeinflusst das Zeigen.
Ausstellungen ihrerseits sind analysierbar
- nach dem ersten Eindruck
- nach der inhaltlichen Ausrichtung
- nach der Lesetiefe (Beschriftung)
- nach der Wegführung (Navigation und Laufrichtung)
- nach den Mitteln der Ausstellung (Verwendung von Ausstellungsobjekten)
- nach dem Verhältnis von Mittel und Szenografie (Würde der Objekte, Inszenierung zum Denken, Sitzen, Anfassen, Distanznehmen, Distanz zum Besucher, Aktivität/Interaktivität)
- nach den Exponatstypen (Exklusivität, Konnotation, Querbezüge)
- nach den Vermittlungsaspekten (Wechselwirkung mit/zum Publikum)
- nach den Werbemitteln
- nach dem Aspekt der kuratorischen, thematischen und/oder ästhetischen Innovation.
Zu berücksichtigen sind bei einer Ausstellungsanalyse auch:
- die Präsenz der Themen («zwingende» Ausstellung?),
- die Verweildauer bei den Themen und/oder Objekten (Fragestellungen, Informationsgehalt, Referenzierbarkeit des Objekts),
- der Gehalt an Information vs. Erlebnis,
- die Wissensproduktion in der Ausstellung (Publikationen),
- die Erreichbarkeit einer Ausstellung (Hemmschwelle, Zugangsinteresse) sowie:
- die Nachhaltigkeit des Themas (Publikation, Katalog).
Intention und Exposition
Das führt zur vermessenen Frage, was denn Präsentation überhaupt ist. Am leichtesten lässt sich eine Antwort finden, wenn der Begriff der Ordnung der Unordnung gegenüber gestellt wird. Jedes zufällige Herumliegen, eine Lage haben - man denke auch an die chaotischen Verheerungen nach Naturkatastrophen - ist noch kein Ausstellen, weil das Bewusstsein fehlt, etwas auszustellen. Auch wenn diese Definition heute angesichts von bewusster Bezeichnung des öffentlichen Lebensraums (littering, scratching, tagging etc.) nicht mehr ganz so klar abzugrenzen ist, bleibt dennoch ein gewisses Mass an Absicht, an Intention bestehen, die sichtbar sein soll. Es ist, als ob die Aura es Hin- und Aufgestelltseins noch vor Ort spürbar sei. Diese Exposition meint, aus dem Gefüge und grauen Schmutz herauszutreten, eine Setzung vorzunehmen und folglich etwas mehr oder weniger Klares zeigen zu wollen.
Ob es sich bei solcherlei Vorgängen des Auffallens um Verschmutzung oder Verzierung handelt, dürfte eine Frage der ideologischen Perspektive sein. Im Buhlen um Aufmerksamkeit sind auch unkonventionelle Methoden gefragt, die mit Guerillataktik um die Gunst des Publikums werben.
Copyright © Böhlau (Verlag)
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Autoren-Porträt von Fritz Fr. Vogel
Fritz Franz Vogel 1957 in Luzern, lebt in CH-Diessenhofen. Matura in Immensee. 1977-80 Studium und Diplom klin. Heilpädagogik an der Uni Fribourg. 1984-86 Weiterbildung an der Schule für Gestaltung Zürich/Fachbereich Fotografie. 1985-92 Arbeit im Sozialbereich. 1992-96 Studium und Lizentiat an der Uni Zürich (Volkskunde, Kunst- und Fotogeschichte). Lizentiatsarbeit über erotisch-pornografische Privatfotografie (Uni Zürich/Volkskunde). Seit 1983 Dokumentation und Archivierung des freien und schulischen Theaterschaffens der Schweiz (Plakate, Programmhefte, Fotos). Er arbeitet seit 1992 produktiv, kooperativ und interdisziplinär in den Medien Text, Fotografie und Buch (Herstellung und Herausgeberschaft). Forschungen, Publikationen und Ausstellungen in den Bereichen inszenierte und dokumentarische Fotografie, populäres und freies Theater, Alphabete und visuelle Kommunikation, Körperbilder und Erotica. Broterwerb als Kursleiter an der EB Zürich (Informatik, Einstieg und DTP). 10 von 30 Buchpublikationen: Menschenalphabete. Nackte Models, wilde Typen, modische Charaktere (Marburg 2001); BILD.Legenden. 99 Texte zu historischen und zeitgenössischen Fotografien (Zürich 2002); Der verschämte Blick. Von der Konstruktion des Hässlichen bis zur Verkitschung der Entstellung (Wädenswil 2003); flick gut! Panne, Blätz, Prothese. Kulturgeschichtliches zur Instandstellung (Marburg 2004); Johannes und Hans Meiner. Fotografiertes Bürgertum von der Wiege bis zur Bahre. (Zürich 2005).
Bibliographische Angaben
- Autor: Fritz Fr. Vogel
- 2012, 320 Seiten, 2000 farbige Abbildungen, Masse: 23,3 x 30,1 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Böhlau
- ISBN-10: 3412209899
- ISBN-13: 9783412209896
- Erscheinungsdatum: 03.09.2012
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