Dann klappt's auch mit dem Doktor
Roman
Halbgöttin in Weiss sucht Mann auf Rezept
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Produktinformationen zu „Dann klappt's auch mit dem Doktor “
Halbgöttin in Weiss sucht Mann auf Rezept
Klappentext zu „Dann klappt's auch mit dem Doktor “
Kinderärztin Dr. Anna Plüm liebt ihren Job. Selbst dann, wenn die Eltern ihrer kleinen Patienten das Fieber lieber auspendeln als behandeln lassen wollen oder Macho-Oberarzt Dr. Klemme ihr mal wieder das Leben zur Hölle macht. Als Anna eine eigene Ambulanz leiten soll, glaubt sie, das grosse Los gezogen zu haben, bis sie ihren neuen Kollegen Nils kennenlernt: Ein Pullunder tragender Psychologe, der sich gleich am ersten Tag als Spassbremse erweist - schlimmer geht's nicht, denkt Anna. Doch warum lassen sie dann seine braunen Augen nicht mehr los?
Lese-Probe zu „Dann klappt's auch mit dem Doktor “
Dann klappt's auch mit dem Doktor von Caroline LenzKapitel 1
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Sanft liebkosen seine Lippen meinen Nacken. »Du bist unglaublich «, keucht er. Schweiß rinnt über meinen Körper. Ein wohliges Kribbeln breitet sich von meinem Unterleib über den gesamten Körper aus. Mein Mund öffnet sich zu einem lustvollen, hemmungslosen Schrei, der gnadenlos vom Kreischen meines Weckers übertönt wird. »O Phil ...« Verwirrt blinzele ich in den Sonnenstrahl, der sich durch die Bambusrollos an meinem Schlafzimmerfenster hindurchgemogelt hat. Was ist los? Eben noch hatte ich den besten Sex meines Lebens mit Philipp Lahm und jetzt das: der Wecker. Schweißgebadet liege ich in meinem Bett und fühle mich einfach nur erschlagen. Es ist siebzehn Uhr, die Julisonne hat mein Schlafzimmer auf Höchsttemperaturen geheizt, und der Wecker kreischt immer noch unbarmherzig. Dummerweise steht er mal wieder am anderen Ende des Nachttisches. Meine unkoordinierten Schläge nach dem Ding führen dazu, dass es runterfällt und unter mein Bett kullert. Nach einem kurzen Kampf habe ich den Quälgeist endlich zum Schweigen gebracht, falle zurück in die Kissen und versuche Herr oder, besser gesagt, Frau der Lage zu werden.
Warum liege ich an einem heißen Sommertag im Bett, bin völlig erledigt und werde um siebzehn Uhr geweckt? Ich bin verwirrt, doch mit einem Schlag trifft mich die Erkenntnis: Nachtdienst. Ich bin keine Spielerfrau, sondern Kinderärztin in einer der besten Kinderkliniken unseres Landes und ... nein, nicht stolz darauf, sondern einfach nur müde. Es ist welcher Tag auch immer in einer langen, nicht enden wollenden Nachtdienstwoche, und ich muss um zweiundzwanzig Uhr zur Arbeit. Das macht es nicht besser.
Wieso eigentlich Philipp Lahm? Fußballer waren bislang nicht mein Typ. Nach einigen Minuten intensiven Nachdenkens findet sich auch dieses Rätsels Lösung. Verursacher dieses wilden Post-WM-Sommermärchen-Traumes ist eindeutig Familie Güngür. Am frühen Morgen hatte sie ihr jüngstes von sechs Kindern, Philipp, bei mir in der Notfallambulanz vorgestellt. Nach Ahmed, Zeki, Özlem, Funda und Tuncay hatte kurz nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 Philipp Güngür das Licht der Welt erblickt. Ein Schelm, wer sich bei dieser Namensgebung wundert. Es stellte sich heraus, dass das Ehepaar Güngür keinen Namen für ihr sechstes Kind gefunden und sich darauf geeinigt hatte, dass der damals noch ungeborene Sohn so heißen sollte wie der Fußballer, der bei der WM das erste Tor schießen würde. Das war nun mal Philipp Lahm. Es hätte auch ein Miroslav Güngür werden können. Oder ein Alvaro Güngür ...
Als ich das nächste Mal die Augen öffne und einen Blick
auf den Wecker werfe, zeigt er zwanzig Uhr fünf an. Schon so spät? Mist! Ich muss wieder eingenickt sein. Lustlos steige ich aus dem Bett, öffne die Fensterrollos, um die immer noch warme Abendsonne hereinzulassen und genieße den Blick auf meine wunderschön bepflanzte Terrasse. Dieser idyllische Moment dauert genau drei Sekunden, vielleicht auch nur zwei. Alle, aber auch wirklich alle meiner liebevoll und genau aufeinander abgestimmt gepflanzten Blumen, Kräuter und Stauden lassen die Köpfe hängen. Sch... Sonne! Sch... Hitze! Eine Kinderärztin spricht das böse S...-Wort natürlich niemals aus! Andere nicht jugendfreie Worte nimmt sie dagegen ganz gerne mal in den Mund. O Mann, das wird knapp, ausgerechnet heute! Gestern war ich auch schon spät dran und mein Kollege stinksauer. Aber jammern nützt da jetzt nichts. Mit der Gießkanne bewaffnet, flitze ich auf die Terrasse und versuche meine Blumen zu retten. Sechs Kannen später ist es fast geschafft.
»He, Sie da! Frau Plüm! Passen Sie gefälligst auf!«, bellt meine Nachbarin Frau Beier mich von ihrem Balkon ein Stockwerk tiefer aus an.
»Was ist denn?«
»Was ist?! Schauen Sie doch! Sie setzen den Balkon Ihrer Nachbarn unter Wasser!« Mit drohend gerunzelter Stirn steht sie auf ihrem Balkon und beobachtet mich argwöhnisch. Ich folge ihrem Blick. Tatsächlich, da ich den Wasserverlust meiner armen Blumen großzügig ausgeglichen habe, tropft das überschüssige Wasser stetig aus den Töpfen auf den Balkon unter mir. Frau Beiers Balkon liegt blöderweise direkt daneben.
»Ach, die paar Tropfen, das trocknet wieder«, versuche ich abzuwiegeln.
»Also, das ist ja wohl die Höhe!«, ereifert sich Frau Beier, »Sie verstoßen gegen die Hausordnung! Das werde ich der Hausverwaltung melden!«
»Kümmern Sie sich doch zur Abwechslung einfach mal um Ihren eigenen Kram!«, pampe ich zurück, während ich die letzte Blume gieße. Wieder schwappt etwas Wasser über den Rand.
»Wie können Sie es wagen!« Frau Beier schnappt nach Luft.
Ich stelle die Gießkanne ab und eile ins Bad. Diese blöde Diskussion hat schon wieder viel zu viel Zeit gekostet.
Das Bild, das sich mir beim Zähneputzen im Spiegel bietet, passt perfekt zu diesem Tag. Da stehe ich nun, Anna Plüm, 29 Jahre alt, promoviert, Dr. med., Assistenzärztin in der Kinderheilkunde, Single, in voller Pracht. Die schulterlangen, ursprünglich mausgrauen, jetzt blond gesträhnten Haare stehen verschwitzt in alle Richtungen und sehen leider gar nicht nach dem Out-of-bed-Look aus, den man in diversen Modezeitschriften bewundern kann. Der Teint ist fleckig-blass. Meine eckige hellrosa Hornbrille betont meine sonst blauen, jetzt albinokaninchenroten Augen. Die Augenringe gleichen dunklen Furchen, und der Rest ist auch nicht besser. Jedes kleinste Zentimeterchen meiner Haut scheint sich sämtlichen Falten, die ein Bettlaken schlagen kann, angepasst zu haben. Einziger Lichtblick: Unter dem rechten Träger meines rosa Shirts lugt vorwitzig eine kleine, aber durchaus knackige A-Brust heraus.
Nach der Dusche sieht es noch nicht viel besser aus. Die Knitterfalten auf meiner rechten Wange halten sich prima, und die Haare sind immer noch unzähmbar. Auch Föhnen hilft da nicht. Das Gestrüpp auf meinem Kopf sieht aus wie ein geplatztes Sofakissen. Ich binde diesen Mob zu einem praktischen Pferdeschwanz zusammen. So wie fast jeden Tag. Ich habe nun mal keine bad-hair-days, ich habe ein badhair-life.
Die Brille setze ich für die Arbeit wieder auf. In der Klinik trage ich sie immer, in meiner Freizeit so oft wie möglich Kontaktlinsen. Am liebsten würde ich mir die Augen lasern lassen. Aber da ich von meinem karitativ mickrigen Kinderärztinnen- Gehalt nichts zur Seite legen kann, werde ich das nötige Geld dafür wohl nie zusammensparen.
Ein prüfender Blick in den heute echt unbarmherzigen Spiegel führt zu einem eindeutigen Urteil: Ohne Schminke kann ich auf keinen Fall aus dem Haus gehen. Die Zeit drängt: zwanzig nach neun. Ich muss mich beeilen. Mit reichlich Make-up versuche ich, leider erfolglos, die Knitter in meinem Gesicht zu glätten. Dann flitze ich in die Küche, schlinge zwei Bananen hinunter und trinke ein großes Glas Leitungswasser.
Viertel vor zehn: Während ich in meine Jacke schlüpfe, greife ich nach meiner Tasche und öffne die Tür, um fast pünktlich das Haus zu verlassen. Da klingelt das Telefon. Ohne weiter darüber nachzudenken, gehe ich dran, was sich an diesem ohnehin schon verkorksten Tag als schwerwiegender Fehler erweist: Am anderen Ende ist meine Mutter. Dafür habe ich jetzt absolut gar keine Zeit. Ich muss dringend zur Arbeit. Das interessiert sie aber leider überhaupt nicht. Sie ist mal wieder beleidigt. »Ich weiß schon, dass du keine Zeit für deine Mutter hast. Wenn ich mir deinetwegen nicht ständig solche Sorgen machen müsste, würde ich dich nicht belästigen. Aber ich kann gar nicht glauben, was mir da zu Ohren gekommen ist.«
Seufzend lehne ich mich an die Wand und stelle meine Tasche auf den Boden. Klingt nicht so, als ob ich sie schnell wieder loswerden würde. »Und, was ist dir so zu Ohren gekommen?«
»Das fragst du noch? Wie kommst du dazu, so mit deiner Nachbarin umzuspringen?«
»Mit wem?
»Jetzt tu nicht so. Frau Beier natürlich. Sie hat mir alles erzählt.«
Hmmm, das klingt nicht gut. »Was hat dir die Beier wann erzählt? Woher kennst du sie überhaupt?«
»Na, von meiner Frauen-Kegelgruppe.«
»Was macht die in eurem Kegelverein?«
»Nicht in unserem Verein, sie spielt in der überregionalen Frauen-Kegelgruppe mit. Das habe ich dir doch erzählt. Hörst du mir denn nie zu?«
Auf die Frage möchte sie bestimmt keine ehrliche Antwort haben.
»Ich habe Frau Beier während des Turniers am letzten Wochenende kennengelernt. Eine sehr nette und anständige Dame.«
»Das ist Geschmacksache. Sie kann auch anders.«
»Jetzt hör aber auf. Wie kannst du nur so unhöflich zu ihr sein? Und wie kommst du dazu, anderer Leute Balkone zu verwüsten?«
»Ich habe nichts verwüstet, ich habe meine Blumen gegossen. Vielleicht solltest du nicht alles glauben, was du hörst.«
»Im Gegensatz zu dir ist Frau Beier absolut zuverlässig.« Das habe ich befürchtet. »Na, wenn du meinst. Gibt's sonst noch was?«
»Jetzt sei nicht so pubertär-verstockt. Ich erwarte, dass du dich deinen Nachbarn gegenüber anständig verhältst.«
»Sonst noch was?«
»Dass du mehr auf dich achtest. Aber da kann ich mir ja den Mund fusselig reden. Ich mache mir wirklich Sorgen. Ich höre ja auch gar nichts mehr von dir«, jammert Mutter vorwurfsvoll.
»Wir haben doch gerade erst letzte Woche telefoniert. Du weißt doch, dass ich Nachtdienst habe.«
»Ja, aber Frau Beier und ich machen uns so unsere Gedanken. Sie meinte, dass du in letzter Zeit einen etwas verwahrlosten Eindruck machst.«
Verwahrlost? Das darf doch wohl nicht wahr sein! »Wann hat dir dein Spitzel aus deiner Hausfrauen Tratschtruppe denn das erzählt?«
»Also bitte, ich hatte schon befürchtet, dass du keine Ahnung von nachbarlicher Fürsorge hast. Da bist du leider ganz wie dein Vater. Das hat überhaupt nichts mit Tratsch zu tun.«
Letzteres ist eine glatte Lüge. Gelangweilte Hausfrauen, die von ihren Ehemännern zum Kegeln verpflichtet wurden und dabei noch nicht einmal genau wissen, was man mit der Kugel macht, sitzen in Mutters Kegelgruppe zusammen und tratschen ohne Punkt und Komma bei dem ein oder anderen Kirschlikör. Als die Frauen aus meinem Heimatort sich vor einiger Zeit tatsächlich nichts Neues mehr zu berichten hatten, schlossen sie sich einfach mit ein paar anderen Klatschbasen zusammen und gründeten eine überregionale Frauen-Kegelgruppe. Dass anscheinend nun auch Frau Beier zu der Truppe gehört, ist gerade extrem ätzend.
»Wie du meinst. Was hat dir deine Sportkameradin, unser Blockwart Beier, denn alles erzählt?«
»Sprich bitte nicht so abfällig über sie. Da du es ja nicht nötig hast, mit mir zu sprechen, muss ich sie eben fragen, wie es dir geht.«
»Wenn du das wissen willst, frag mich doch einfach. Es geht mir gut!«
»Das behauptest du immer. Aber wenn ich höre, wie du mit einer älteren Dame umspringst, muss ich mir langsam wirklich Sorgen um deinen Geisteszustand machen.«
»Auch der ist gut. Vielleicht solltest du nicht immer auf das hören, was andere so von sich geben, vor allem nicht auf deine liebe Frau Beier.«
»Jetzt sei nicht gleich so zickig. Wir machen uns doch nur Sorgen um dich.«
»Ihr müsst euch keine Sorgen machen, es geht mir gut. Wie oft soll ich das noch sagen. Ich habe Nachtdienst ...«
»Und noch nicht mal einen Freund - oder verheimlichst du mir was? Natürlich hast du keinen Freund, und es geht dir nicht gut. Eine Mutter spürt, wenn mit ihrem Kind etwas nicht stimmt.«
Wenn das so ist, dann wurde ich eindeutig adoptiert. Zwischen meiner Mutter und mir liegen Welten.
»Halloho! Hast du mir zugehört? ES GEHT MIR GUT!«
»Nein, es geht dir überhaupt nicht gut. Das sieht man ja schon an deinem Verhalten gegenüber Frau Beier ...«
Diese verfluchte Frau Beier. Da zieht man kilometerweit von zu Hause weg, um seine Ruhe zu haben, und was passiert? Mutters Kegeltanten sind einfach überall.
»Du solltest froh sein, dass sich eine ältere Dame wie sie für ihre Mitmenschen interessiert. Wenn sie nicht wäre, wüsste ich ja nicht einmal, ob du noch am Leben bist. Eine Frau in deinem Alter sollte nicht allein leben, ohne Mann. Das ist doch unnatürlich. Vielleicht sollte ich dich mal wieder besuchen und deine Wohnung auf Vordermann bringen. Wenn du so vor dich hin vegetierst, vergraulst du natürlich jeden Mann.«
»Nein, also, nein wirklich, das ist nicht nötig. Hier ist alles picobello, das geht auf gar keinen Fall. Ich hab viel zu viel zu tun ...«
»Nun, wenn du meinst. Bei uns bist du jedenfalls immer willkommen. In der Firma deines Vaters hat ein neuer Abteilungsleiter angefangen. Der ist so etwa in deinem Alter und ein ganz gepflegter junger Mann ...«
Uuuuh, pflegen kann man so einiges.
»Ich muss jetzt wirklich los. Ich ruf dich an.«
Mit einem leisen Stöhnen lege ich auf. Frau Beier und meine Mutter, das ist eine ganz ungute Verbindung. Na klasse, und jetzt bin ich erst recht viel zu spät dran.
Auf dem Weg zu meinem Auto fische ich flugs die Zeitung aus dem Briefkasten und erfahre dort, dass heute Sonntag ist. Drei Nächte noch, dann werde ich zum Ausgleich fünf ganze Tage freihaben und ausgiebig mich und mein Leben feiern!
Schon auf dem Parkplatz der Klinik hellt sich meine Stimmung auf. Dort steht das Auto unseres neuen, einfach phantastisch aussehenden chirurgischen Oberarztes Dr. Klemme. Er hat also auch Dienst. Fein! Leider ist er nicht der Hellste und hat es außerdem in dem ersten Monat, den er hier gearbeitet hat, geschafft, fast die gesamte OP-Schwesternschaft flachzulegen. Aber er ist eindeutig was fürs Auge, und das hat ja auch was. Schließlich bin ich Single und möchte mein Leben genießen. Der Pförtner, der gelangweilt hinter seinem Tresen im Eingangsbereich des Krankenhauses sitzt und darauf aufpasst, dass jeder unserer kleinen Patienten den richtigen Weg in die Notaufnahme findet, begrüßt mich, kaum dass ich einen Fuß in die Klinik gesetzt habe, mit seinem obligatorischen: »'n Abend, Frau Plüm, wo haben Se denn Plüsch gelassen?«
Haha, wie witzig! Das sind Plisch und Plum, nicht Plüsch und Plüm! Ich versuche das Gespräch mit diesem überaus redseligen Mann auf einen kurzen Small Talk zu beschränken, um mir den Pieper zu schnappen und mich schnell zu verdrücken. Da wedelt er mit einem blassgelben Briefumschlag vor meiner Nase herum.
»Frau Plüm, ich habe schon mal Ihr Fach in der Poststelle für Sie geleert. Die jungen Ärzte haben ja immer so viel zu tun.«
Unser Pförtner quatscht einem nicht nur die Ohren ab, sondern ist auch noch der absolut neugierigste Mensch, den ich kenne.
© Ullstein TB Verlag
Sanft liebkosen seine Lippen meinen Nacken. »Du bist unglaublich «, keucht er. Schweiß rinnt über meinen Körper. Ein wohliges Kribbeln breitet sich von meinem Unterleib über den gesamten Körper aus. Mein Mund öffnet sich zu einem lustvollen, hemmungslosen Schrei, der gnadenlos vom Kreischen meines Weckers übertönt wird. »O Phil ...« Verwirrt blinzele ich in den Sonnenstrahl, der sich durch die Bambusrollos an meinem Schlafzimmerfenster hindurchgemogelt hat. Was ist los? Eben noch hatte ich den besten Sex meines Lebens mit Philipp Lahm und jetzt das: der Wecker. Schweißgebadet liege ich in meinem Bett und fühle mich einfach nur erschlagen. Es ist siebzehn Uhr, die Julisonne hat mein Schlafzimmer auf Höchsttemperaturen geheizt, und der Wecker kreischt immer noch unbarmherzig. Dummerweise steht er mal wieder am anderen Ende des Nachttisches. Meine unkoordinierten Schläge nach dem Ding führen dazu, dass es runterfällt und unter mein Bett kullert. Nach einem kurzen Kampf habe ich den Quälgeist endlich zum Schweigen gebracht, falle zurück in die Kissen und versuche Herr oder, besser gesagt, Frau der Lage zu werden.
Warum liege ich an einem heißen Sommertag im Bett, bin völlig erledigt und werde um siebzehn Uhr geweckt? Ich bin verwirrt, doch mit einem Schlag trifft mich die Erkenntnis: Nachtdienst. Ich bin keine Spielerfrau, sondern Kinderärztin in einer der besten Kinderkliniken unseres Landes und ... nein, nicht stolz darauf, sondern einfach nur müde. Es ist welcher Tag auch immer in einer langen, nicht enden wollenden Nachtdienstwoche, und ich muss um zweiundzwanzig Uhr zur Arbeit. Das macht es nicht besser.
Wieso eigentlich Philipp Lahm? Fußballer waren bislang nicht mein Typ. Nach einigen Minuten intensiven Nachdenkens findet sich auch dieses Rätsels Lösung. Verursacher dieses wilden Post-WM-Sommermärchen-Traumes ist eindeutig Familie Güngür. Am frühen Morgen hatte sie ihr jüngstes von sechs Kindern, Philipp, bei mir in der Notfallambulanz vorgestellt. Nach Ahmed, Zeki, Özlem, Funda und Tuncay hatte kurz nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 Philipp Güngür das Licht der Welt erblickt. Ein Schelm, wer sich bei dieser Namensgebung wundert. Es stellte sich heraus, dass das Ehepaar Güngür keinen Namen für ihr sechstes Kind gefunden und sich darauf geeinigt hatte, dass der damals noch ungeborene Sohn so heißen sollte wie der Fußballer, der bei der WM das erste Tor schießen würde. Das war nun mal Philipp Lahm. Es hätte auch ein Miroslav Güngür werden können. Oder ein Alvaro Güngür ...
Als ich das nächste Mal die Augen öffne und einen Blick
auf den Wecker werfe, zeigt er zwanzig Uhr fünf an. Schon so spät? Mist! Ich muss wieder eingenickt sein. Lustlos steige ich aus dem Bett, öffne die Fensterrollos, um die immer noch warme Abendsonne hereinzulassen und genieße den Blick auf meine wunderschön bepflanzte Terrasse. Dieser idyllische Moment dauert genau drei Sekunden, vielleicht auch nur zwei. Alle, aber auch wirklich alle meiner liebevoll und genau aufeinander abgestimmt gepflanzten Blumen, Kräuter und Stauden lassen die Köpfe hängen. Sch... Sonne! Sch... Hitze! Eine Kinderärztin spricht das böse S...-Wort natürlich niemals aus! Andere nicht jugendfreie Worte nimmt sie dagegen ganz gerne mal in den Mund. O Mann, das wird knapp, ausgerechnet heute! Gestern war ich auch schon spät dran und mein Kollege stinksauer. Aber jammern nützt da jetzt nichts. Mit der Gießkanne bewaffnet, flitze ich auf die Terrasse und versuche meine Blumen zu retten. Sechs Kannen später ist es fast geschafft.
»He, Sie da! Frau Plüm! Passen Sie gefälligst auf!«, bellt meine Nachbarin Frau Beier mich von ihrem Balkon ein Stockwerk tiefer aus an.
»Was ist denn?«
»Was ist?! Schauen Sie doch! Sie setzen den Balkon Ihrer Nachbarn unter Wasser!« Mit drohend gerunzelter Stirn steht sie auf ihrem Balkon und beobachtet mich argwöhnisch. Ich folge ihrem Blick. Tatsächlich, da ich den Wasserverlust meiner armen Blumen großzügig ausgeglichen habe, tropft das überschüssige Wasser stetig aus den Töpfen auf den Balkon unter mir. Frau Beiers Balkon liegt blöderweise direkt daneben.
»Ach, die paar Tropfen, das trocknet wieder«, versuche ich abzuwiegeln.
»Also, das ist ja wohl die Höhe!«, ereifert sich Frau Beier, »Sie verstoßen gegen die Hausordnung! Das werde ich der Hausverwaltung melden!«
»Kümmern Sie sich doch zur Abwechslung einfach mal um Ihren eigenen Kram!«, pampe ich zurück, während ich die letzte Blume gieße. Wieder schwappt etwas Wasser über den Rand.
»Wie können Sie es wagen!« Frau Beier schnappt nach Luft.
Ich stelle die Gießkanne ab und eile ins Bad. Diese blöde Diskussion hat schon wieder viel zu viel Zeit gekostet.
Das Bild, das sich mir beim Zähneputzen im Spiegel bietet, passt perfekt zu diesem Tag. Da stehe ich nun, Anna Plüm, 29 Jahre alt, promoviert, Dr. med., Assistenzärztin in der Kinderheilkunde, Single, in voller Pracht. Die schulterlangen, ursprünglich mausgrauen, jetzt blond gesträhnten Haare stehen verschwitzt in alle Richtungen und sehen leider gar nicht nach dem Out-of-bed-Look aus, den man in diversen Modezeitschriften bewundern kann. Der Teint ist fleckig-blass. Meine eckige hellrosa Hornbrille betont meine sonst blauen, jetzt albinokaninchenroten Augen. Die Augenringe gleichen dunklen Furchen, und der Rest ist auch nicht besser. Jedes kleinste Zentimeterchen meiner Haut scheint sich sämtlichen Falten, die ein Bettlaken schlagen kann, angepasst zu haben. Einziger Lichtblick: Unter dem rechten Träger meines rosa Shirts lugt vorwitzig eine kleine, aber durchaus knackige A-Brust heraus.
Nach der Dusche sieht es noch nicht viel besser aus. Die Knitterfalten auf meiner rechten Wange halten sich prima, und die Haare sind immer noch unzähmbar. Auch Föhnen hilft da nicht. Das Gestrüpp auf meinem Kopf sieht aus wie ein geplatztes Sofakissen. Ich binde diesen Mob zu einem praktischen Pferdeschwanz zusammen. So wie fast jeden Tag. Ich habe nun mal keine bad-hair-days, ich habe ein badhair-life.
Die Brille setze ich für die Arbeit wieder auf. In der Klinik trage ich sie immer, in meiner Freizeit so oft wie möglich Kontaktlinsen. Am liebsten würde ich mir die Augen lasern lassen. Aber da ich von meinem karitativ mickrigen Kinderärztinnen- Gehalt nichts zur Seite legen kann, werde ich das nötige Geld dafür wohl nie zusammensparen.
Ein prüfender Blick in den heute echt unbarmherzigen Spiegel führt zu einem eindeutigen Urteil: Ohne Schminke kann ich auf keinen Fall aus dem Haus gehen. Die Zeit drängt: zwanzig nach neun. Ich muss mich beeilen. Mit reichlich Make-up versuche ich, leider erfolglos, die Knitter in meinem Gesicht zu glätten. Dann flitze ich in die Küche, schlinge zwei Bananen hinunter und trinke ein großes Glas Leitungswasser.
Viertel vor zehn: Während ich in meine Jacke schlüpfe, greife ich nach meiner Tasche und öffne die Tür, um fast pünktlich das Haus zu verlassen. Da klingelt das Telefon. Ohne weiter darüber nachzudenken, gehe ich dran, was sich an diesem ohnehin schon verkorksten Tag als schwerwiegender Fehler erweist: Am anderen Ende ist meine Mutter. Dafür habe ich jetzt absolut gar keine Zeit. Ich muss dringend zur Arbeit. Das interessiert sie aber leider überhaupt nicht. Sie ist mal wieder beleidigt. »Ich weiß schon, dass du keine Zeit für deine Mutter hast. Wenn ich mir deinetwegen nicht ständig solche Sorgen machen müsste, würde ich dich nicht belästigen. Aber ich kann gar nicht glauben, was mir da zu Ohren gekommen ist.«
Seufzend lehne ich mich an die Wand und stelle meine Tasche auf den Boden. Klingt nicht so, als ob ich sie schnell wieder loswerden würde. »Und, was ist dir so zu Ohren gekommen?«
»Das fragst du noch? Wie kommst du dazu, so mit deiner Nachbarin umzuspringen?«
»Mit wem?
»Jetzt tu nicht so. Frau Beier natürlich. Sie hat mir alles erzählt.«
Hmmm, das klingt nicht gut. »Was hat dir die Beier wann erzählt? Woher kennst du sie überhaupt?«
»Na, von meiner Frauen-Kegelgruppe.«
»Was macht die in eurem Kegelverein?«
»Nicht in unserem Verein, sie spielt in der überregionalen Frauen-Kegelgruppe mit. Das habe ich dir doch erzählt. Hörst du mir denn nie zu?«
Auf die Frage möchte sie bestimmt keine ehrliche Antwort haben.
»Ich habe Frau Beier während des Turniers am letzten Wochenende kennengelernt. Eine sehr nette und anständige Dame.«
»Das ist Geschmacksache. Sie kann auch anders.«
»Jetzt hör aber auf. Wie kannst du nur so unhöflich zu ihr sein? Und wie kommst du dazu, anderer Leute Balkone zu verwüsten?«
»Ich habe nichts verwüstet, ich habe meine Blumen gegossen. Vielleicht solltest du nicht alles glauben, was du hörst.«
»Im Gegensatz zu dir ist Frau Beier absolut zuverlässig.« Das habe ich befürchtet. »Na, wenn du meinst. Gibt's sonst noch was?«
»Jetzt sei nicht so pubertär-verstockt. Ich erwarte, dass du dich deinen Nachbarn gegenüber anständig verhältst.«
»Sonst noch was?«
»Dass du mehr auf dich achtest. Aber da kann ich mir ja den Mund fusselig reden. Ich mache mir wirklich Sorgen. Ich höre ja auch gar nichts mehr von dir«, jammert Mutter vorwurfsvoll.
»Wir haben doch gerade erst letzte Woche telefoniert. Du weißt doch, dass ich Nachtdienst habe.«
»Ja, aber Frau Beier und ich machen uns so unsere Gedanken. Sie meinte, dass du in letzter Zeit einen etwas verwahrlosten Eindruck machst.«
Verwahrlost? Das darf doch wohl nicht wahr sein! »Wann hat dir dein Spitzel aus deiner Hausfrauen Tratschtruppe denn das erzählt?«
»Also bitte, ich hatte schon befürchtet, dass du keine Ahnung von nachbarlicher Fürsorge hast. Da bist du leider ganz wie dein Vater. Das hat überhaupt nichts mit Tratsch zu tun.«
Letzteres ist eine glatte Lüge. Gelangweilte Hausfrauen, die von ihren Ehemännern zum Kegeln verpflichtet wurden und dabei noch nicht einmal genau wissen, was man mit der Kugel macht, sitzen in Mutters Kegelgruppe zusammen und tratschen ohne Punkt und Komma bei dem ein oder anderen Kirschlikör. Als die Frauen aus meinem Heimatort sich vor einiger Zeit tatsächlich nichts Neues mehr zu berichten hatten, schlossen sie sich einfach mit ein paar anderen Klatschbasen zusammen und gründeten eine überregionale Frauen-Kegelgruppe. Dass anscheinend nun auch Frau Beier zu der Truppe gehört, ist gerade extrem ätzend.
»Wie du meinst. Was hat dir deine Sportkameradin, unser Blockwart Beier, denn alles erzählt?«
»Sprich bitte nicht so abfällig über sie. Da du es ja nicht nötig hast, mit mir zu sprechen, muss ich sie eben fragen, wie es dir geht.«
»Wenn du das wissen willst, frag mich doch einfach. Es geht mir gut!«
»Das behauptest du immer. Aber wenn ich höre, wie du mit einer älteren Dame umspringst, muss ich mir langsam wirklich Sorgen um deinen Geisteszustand machen.«
»Auch der ist gut. Vielleicht solltest du nicht immer auf das hören, was andere so von sich geben, vor allem nicht auf deine liebe Frau Beier.«
»Jetzt sei nicht gleich so zickig. Wir machen uns doch nur Sorgen um dich.«
»Ihr müsst euch keine Sorgen machen, es geht mir gut. Wie oft soll ich das noch sagen. Ich habe Nachtdienst ...«
»Und noch nicht mal einen Freund - oder verheimlichst du mir was? Natürlich hast du keinen Freund, und es geht dir nicht gut. Eine Mutter spürt, wenn mit ihrem Kind etwas nicht stimmt.«
Wenn das so ist, dann wurde ich eindeutig adoptiert. Zwischen meiner Mutter und mir liegen Welten.
»Halloho! Hast du mir zugehört? ES GEHT MIR GUT!«
»Nein, es geht dir überhaupt nicht gut. Das sieht man ja schon an deinem Verhalten gegenüber Frau Beier ...«
Diese verfluchte Frau Beier. Da zieht man kilometerweit von zu Hause weg, um seine Ruhe zu haben, und was passiert? Mutters Kegeltanten sind einfach überall.
»Du solltest froh sein, dass sich eine ältere Dame wie sie für ihre Mitmenschen interessiert. Wenn sie nicht wäre, wüsste ich ja nicht einmal, ob du noch am Leben bist. Eine Frau in deinem Alter sollte nicht allein leben, ohne Mann. Das ist doch unnatürlich. Vielleicht sollte ich dich mal wieder besuchen und deine Wohnung auf Vordermann bringen. Wenn du so vor dich hin vegetierst, vergraulst du natürlich jeden Mann.«
»Nein, also, nein wirklich, das ist nicht nötig. Hier ist alles picobello, das geht auf gar keinen Fall. Ich hab viel zu viel zu tun ...«
»Nun, wenn du meinst. Bei uns bist du jedenfalls immer willkommen. In der Firma deines Vaters hat ein neuer Abteilungsleiter angefangen. Der ist so etwa in deinem Alter und ein ganz gepflegter junger Mann ...«
Uuuuh, pflegen kann man so einiges.
»Ich muss jetzt wirklich los. Ich ruf dich an.«
Mit einem leisen Stöhnen lege ich auf. Frau Beier und meine Mutter, das ist eine ganz ungute Verbindung. Na klasse, und jetzt bin ich erst recht viel zu spät dran.
Auf dem Weg zu meinem Auto fische ich flugs die Zeitung aus dem Briefkasten und erfahre dort, dass heute Sonntag ist. Drei Nächte noch, dann werde ich zum Ausgleich fünf ganze Tage freihaben und ausgiebig mich und mein Leben feiern!
Schon auf dem Parkplatz der Klinik hellt sich meine Stimmung auf. Dort steht das Auto unseres neuen, einfach phantastisch aussehenden chirurgischen Oberarztes Dr. Klemme. Er hat also auch Dienst. Fein! Leider ist er nicht der Hellste und hat es außerdem in dem ersten Monat, den er hier gearbeitet hat, geschafft, fast die gesamte OP-Schwesternschaft flachzulegen. Aber er ist eindeutig was fürs Auge, und das hat ja auch was. Schließlich bin ich Single und möchte mein Leben genießen. Der Pförtner, der gelangweilt hinter seinem Tresen im Eingangsbereich des Krankenhauses sitzt und darauf aufpasst, dass jeder unserer kleinen Patienten den richtigen Weg in die Notaufnahme findet, begrüßt mich, kaum dass ich einen Fuß in die Klinik gesetzt habe, mit seinem obligatorischen: »'n Abend, Frau Plüm, wo haben Se denn Plüsch gelassen?«
Haha, wie witzig! Das sind Plisch und Plum, nicht Plüsch und Plüm! Ich versuche das Gespräch mit diesem überaus redseligen Mann auf einen kurzen Small Talk zu beschränken, um mir den Pieper zu schnappen und mich schnell zu verdrücken. Da wedelt er mit einem blassgelben Briefumschlag vor meiner Nase herum.
»Frau Plüm, ich habe schon mal Ihr Fach in der Poststelle für Sie geleert. Die jungen Ärzte haben ja immer so viel zu tun.«
Unser Pförtner quatscht einem nicht nur die Ohren ab, sondern ist auch noch der absolut neugierigste Mensch, den ich kenne.
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Autoren-Porträt von Caroline Lenz
Lenz, CarolineCaroline Lenz, geboren 1981, hat Medizin studiert und arbeitet seit einigen Jahren als Kinderärztin. Wann immer ihr der Schichtdienst Zeit dazu lässt, widmet sie sich ihrer Leidenschaft, dem Schreiben.
Bibliographische Angaben
- Autor: Caroline Lenz
- 2012, 336 Seiten, Masse: 12,3 x 19,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548283632
- ISBN-13: 9783548283630
- Erscheinungsdatum: 10.08.2012
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