Burn Case
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»Besser kann man einen solchen Thriller nicht schreiben! Verpassen Sie ihn nicht!« (Kirkus Reviews)
Burn Case von Douglas Preston und Lincoln Child
LESEPROBE
Agnes Torresstellte ihren weissen Ford Escort auf der schmalen Parkfläche vor der fast vierMeter hohen Hecke ab, stieg aus und atmete tief die kühle Morgenluft ein. Einkurzer Blick nach oben bestätigte ihr, was sie ohnehin wusste: Mehr als dasspitze Schindeldach war von dem grossen Haus nicht auszumachen.
An der dichtenHecke prallten neugierige Blicke wie an einer Backsteinmauer ab. Sie verschlosssorgfältig den Wagen - eine Vorkehrung, die ihr selbst in dieser gepflegtenWohngegend geboten schien -, suchte den passenden Schlüssel an ihremumfangreichen Schlüsselbund und schob ihn ins Schloss. Das wuchtige,schmiedeeiserne Tor schwang auf und gab den Blick auf die Rasenfläche frei, diesich knapp dreihundert Meter weit bis zu dem von zwei Dünen gesäumten Stranderstreckt.
Doch dann fing aufeinem Tastenfeld direkt hinter dem Tor ein rotes Lämpchen zu blinken an - einWarnzeichen, das ihre Nerven flattern liess, denn von nun an blieben ihr nurdreissig Sekunden, um den Code einzugeben. Danach würde der Alarm ausgelöst.Einmal war ihr der Schlüsselbund aus der Hand gerutscht, und weil sie deshalbden Code nicht rechtzeitig eingeben konnte, hatte prompt die Alarmsirenelosgeheult und die ganze Nachbarschaft aufgeweckt. Die Polizei war mit dreiStreifenwagen angerückt, und Mr Jeremy hatte vor Wut Gift und Galle gespuckt -es war einfach schrecklich gewesen!
Diesmal schafftesie es, alle Kennziffern rechtzeitig einzutippen, die Kontrolllampe zeigtegrünes Licht, das Tor schloss sich. Sie atmete erleichtert auf und bekreuzigtesich dankbar. Alsdann griff sie zum Rosenkranz, fasste die erste Perle mit zweiFingern, und da sie wusste, dass sie nun gegen alle Unbill gerüstet war,schickte sie sich an, den Rasen zu überqueren. Wie immer, wenn sie dasGrove sche Anwesen betrat, ging sie langsam und betete dabei leise und aufSpanisch ein paar Perlen des Rosenkranzes.
Das weitläufige,düstere Haus war in Dunkel gehüllt, nur aus dem winzigen Fenster im Dachgiebelfiel ein gelber Lichtschimmer, der Agnes ein wenig an das missgünstigblinzelnde Auge eines Zyklopen erinnerte. Während über ihr unablässig mitschrillem Schreien die Seemöwen kreisten, wunderte sie sich ein wenig über dengelblichen Schimmer, denn sie hatte im Giebelfenster noch nie Licht gesehen.Was um alles in der Welt mochte Mr Jeremy morgens um sieben auf den Dachbodengelockt haben, obwohl er doch gewöhnlich nie vor der Mittagszeit aufstand?
Sie beendete ihrmorgendliches Gebet und steckte den Rosenkranz ein, freilich nicht, ohne die invielen Putzfrauenjahren rau gewordene Hand von der Stirn über den Mund zumHerzen huschen zu lassen.
Sie folgte demgewundenen, gepflasterten Weg zum Dienstboteneingang des Hauses, schob einenweiteren Schlüssel in das Schloss der Hintertür und durchlitt wieder tausendÄngste, bis das flackernde Warnlicht erlosch und sie sicher sein konnte, denrichtigen Code eingegeben zu haben. Die hinteren Räume kamen ihr jedes Malbedrückend düster und grau vor. Auch dem Blick aus den unterteilten Fensternkonnte Agnes nichts abgewinnen. Aufgewühltes Meer und angeschwemmter Seetang,so weit das Auge reichte. Ausserdem war es hier hinten sehr warm, um nicht zusagen unangenehm heiss.
Sie schnüffelte. Einmerkwürdiger Geruch lag in der Luft, wie von einem Braten, der zu lange im Ofengeblieben und angebrannt war. Sie ging in die Küche, aber dort schmorte undbrutzelte nichts. In der Spüle türmte sich wie üblich das benutzte Geschirr,doch war dies nicht die Quelle des Geruchs. Mr Jeremy hatte offenbar Fischgekocht. Normalerweise hatte sie dienstags ihren freien Tag, aber am Abendzuvor hatte er wieder eine seiner unzähligen Dinnerpartys gegeben und hatte siedeshalb gebeten, heute zu kommen. Die Saison dafür war zwar schon langevorüber, aber wie sie Mr Jeremy kannte, würde er seine Partys sicher noch bisin den November hinein feiern.
Sie trat insWohnzimmer und schnupperte abermals. Irgendwo brutzelte etwas, da gab es nichtszu deuteln. Und jetzt mischte sich noch ein anderer Geruch darunter - als habejemand mit Streichhölzern gezündelt. Nicht, dass sie alarmiert gewesen wäre, aber eine gewisse Unruhe konntesie nicht leugnen. Bis auf die übervollen Aschenbecher, die leerenWeinflaschen, das schmutzige Geschirr und den auf dem Teppich breit getretenenWeichkäse sah alles so aus, wie sie es von gestern Nachmittag kurz nach zwei inErinnerung hatte. Trotzdem, irgendwie kam ihr das Ganze nicht geheuer vor. Siereckte ihren plumpen Hals und schnupperte noch einmal. Der seltsame Geruch kamzweifellos von oben. Ohne einen Laut stieg sie die gewundene Treppe hinauf,wobei sie von Zeit zu Zeit stehen blieb, um abermals zu schnuppern. Nachdem sieleise wie auf Katzenpfoten am Arbeitszimmer des Hausherrn und seinemSchlafzimmer vorbeigeschlichen war, lag vor ihr die Tür zum Dachgeschoss.
Der Geruch warbeissender und die Hitze noch drückender geworden. Sie versuchte ihr Glück mitder Türklinke, stellte aber verblüfft fest, dass die Tür verschlossen war.Wieder zog sie ihren Schlüsselbund hervor, fummelte nach dem passendenSchlüssel und öffnete die Tür. Madre de Dios - der Gestank war kaumauszuhalten. Sie erklomm die steile Treppe. Ihren arthritischen Beinen zuliebelegte Agnes auf der obersten Stufe eine kleine Verschnaufpause ein, riskierteaber schon mal einen neugierigen Blick ins Dachgeschoss. Der lang gezogene Flurschien kein Ende zu nehmen. Hier oben wäre reichlich Platz für ein DutzendKinderzimmer, ein grosses Spielzimmer und etliche Badezimmer gewesen, nur, fürall das hatte Mr Jeremy nie Verwendung gehabt. Im nächsten Augenblick zucktesie erschrocken zusammen. Unter der Tür am Ende des langen Flurs entdeckte sieeinen gelblichen Lichtschimmer. Widerstrebend ging sie langsam darauf zu.
Ihr Herz hämmertelaut, aber weil sie mit der Linken den Rosenkranz umklammert hielt, wusste siesich sicher. Der beissende Geruch wurde stärker, je näher sie der Tür kam. Sieklopfte so leise wie möglich an, denn es konnte ja sein, dass einer von MrJeremys Gästen hier oben seinen Rausch ausschlief. Drinnen rührte sich nichts.Sie fasste nach dem Türknauf, der sich ungewöhnlich warm anfühlte. In derDachkammer war doch hoffentlich kein Brand ausgebrochen?
Nicht auszudenken,wenn jemand mit einer brennenden Zigarette in der Hand eingeschlafen war! Esroch eindeutig nach Rauch, aber irgendwie kam es ihr vor, als mische sich nochein anderer, stärkerer Geruch dazu. Sie rüttelte am Türknauf, aber der warverschlossen. Unwillkürlich musste sie an ihre Zeit in der Klosterschule unddie Nacht denken, in der die kauzige Schwester Ana gestorben war. Da war ihnenauch nichts anderes übrig geblieben, als die Tür aufzubrechen. Wer weiss,vielleicht lag dort drin auch jemand, der krank war und Hilfe brauchte?
Es half allesnichts, sie musste ihr Glück wieder mit ihrem Schlüsselbund versuchen. Einmühseliges Puzzlespiel, erst beim zehnten Versuch traf sie ins Schwarze. Siewagte vor Aufregung kaum zu atmen, aber dann fasste sie Mut und wollte die Türaufschieben. Nur, die verflixte Tür war durch irgendetwas blockiert. Siestemmte sich mit aller Kraft gegen das Hindernis, bis es in der Dachkammer aufeinmal laut zu rumpeln und zu poltern begann.
Santa Maria, bei dem Lärmmusste Mr Jeremy ja aufwachen!
Erst als allesstill blieb, wagte sie, sich noch einmal gegen die Tür zu stemmen, diesmal solange, bis sie ihren Kopf durch den Türspalt schieben konnte.
Ein übler Gestankschlug ihr entgegen. Es war heiss wie in einem Backofen. An den Spinnweben konntesie sofort sehen, dass der Raum seit Jahren nicht mehr benutzt worden war. Essah so aus, als wären sämtliche Möbel als Barriere vor die Tür geschobenworden. Bis auf das Bett, das an der gegenüberliegenden Wand stand. Und aufdiesem Bett lag eine Gestalt, genauer gesagt ein Mann. Nicht etwa imSchlafanzug oder im Nachthemd, nein, im korrekten Abendanzug.
»Mr Jeremy?«
Aber Agnes Torreswusste bereits, dass er nicht antworten würde. Er lag nicht schlafend da.Niemand schläft mit offenen Augen und weit aufgerissenem Mund, aus dem dieZunge - schwarz und zur Grösse eines Chorizowürstchens angeschwollen - aufragtwie ein Fahnenmast. Niemand schläft mit hoch gereckten Armen und zur Faustgeballten Händen, zwischen deren Fingern das Blut hervorquillt. Schlafendelagen nicht mit verkohltem und in sich zusammengefallenem Oberkörper da wie einScheit Kaminholz. Agnes kannte sich aus, sie hatte während ihrer Kindheit inKolumbien viele Tote gesehen. Und Mr Jeremy war so tot, wie Tote nur seinkönnen.
Während sie nochauf den Leichnam starrte, hörte sie plötzlich jemanden sprechen. Es dauerteeine Weile, bis ihr klar wurde, dass sie selbst es war, die zu murmeln begonnenhatte:
En el nombre delPadre, y del Hijo, y del Espíritu Santo Um ganz sicherzugehen, schlug sie rasch dasKreuzzeichen und griff eilends nach ihrem Rosenkranz. Im selben Momententdeckte sie das Brandzeichen am Fussende des Bettes. Und da wusste sie, was MrJeremy Grove widerfahren war.
Ein lautesSeufzen, ähnlich einem erstickten Schrei, dann hatte sie die erste Paniküberwunden. Sorgfältig verschloss sie die Tür der Dachkammer, und genausogewissenhaft verfuhr sie bei allen anderen, die sie geöffnet hatte. Was ihrfreilich, wie sie sehr wohl wusste, nur gelingen konnte, weil sie denRosenkranz fest umklammert hielt, von Zeit zu Zeit das Kreuzzeichen schlug undunermüdlich vor sich hin murmelte:
Creo en Dios, Padre todopoderoso, creador del cielo y de la tierra. Erst als dieletzte Treppenstufe hinter ihr lag, erlaubte sie sich die Schwäche, vor Erleichterungzu schluchzen - aber nur ganz leise, fast lautlos. Sie hatte das Zeichen miteigenen Augen gesehen: ein eingebrannter Hufabdruck. Der Teufel persönlichhatte Jeremy Grove seine Aufwartung gemacht.
© DroemerKnaurVerlag
Übersetzung: KlausFröba
- Autoren: Douglas Preston , Lincoln Child
- 2005, 623 Seiten, Masse: 14,3 x 21,8 cm, Geb. mit Su., Deutsch
- Verlag: DROEMER KNAUR
- ISBN-10: 3426196492
- ISBN-13: 9783426196496
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