Bretonische Verhältnisse / Kommissar Dupin Bd.1
Kommissar Dupins erster Fall | »Ein Muss für Bretagne-Urlauber« WDR 5
Ein unwiderstehlicher Krimi aus der hochsommerlichen Bretagne
Im malerischen Künstlerdorf Pont Aven wird an einem heißen Julimorgen der Besitzer des berühmtesten Hotels am Platz brutal erstochen aufgefunden. Kommissar Dupin,...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Buch (Kartoniert)
Fr. 21.90
inkl. MwSt.
- Kreditkarte, Paypal, Rechnungskauf
- 30 Tage Widerrufsrecht
Produktdetails
Produktinformationen zu „Bretonische Verhältnisse / Kommissar Dupin Bd.1 “
Ein unwiderstehlicher Krimi aus der hochsommerlichen Bretagne
Im malerischen Künstlerdorf Pont Aven wird an einem heißen Julimorgen der Besitzer des berühmtesten Hotels am Platz brutal erstochen aufgefunden. Kommissar Dupin, eingefleischter Pariser und zwangsversetzt ans Ende der Welt, übernimmt den Fall und stößt in der bretonischen Sommeridylle auf ungeahnte Abgründe ...
Ein fesselnder Kriminalroman, durchzogen von hintergründigem Humor und so wunderbar stimmungsvoll, dass man sofort selbst durch die engen Gassen des Dorfes flanieren und die salzige Atlantikluft riechen möchte. Eine Krimisternstunde - nicht nur für Frankreichfans!
Klappentext zu „Bretonische Verhältnisse / Kommissar Dupin Bd.1 “
Ein merkwürdiger Mord in französischer Sommeridylle, eine grosse Familientragödie und ein verblüffendes Geheimnis - willkommen in der Bretagne! Der erste Fall der Krimi-Reihe von Jean-Luc Bannalec. Eine Krimisternstunde - nicht nur für Frankreichfans!Der erste Fall für Kommissar Dupin, eigensinniger Pinguinliebhaber und koffeinabhängig, gebürtiger Pariser und zwangsversetzt ans Ende der Welt. An einem heissen Julimorgen kurz vor der Hochsaison geschieht im pittoresken Künstlerdorf Pont Aven ein mysteriöser Mord: Pierre-Louis Pennec, der hochbetagte Inhaber des legendären Hotels Central, das schon Gauguin und andere grosse Künstler beherbergte, wird brutal erstochen. Wer ermordet einen 91-Jährigen und warum? Was ist in den letzten Tagen des Hotelbesitzers vorgefallen? Als kurz darauf eine zweite Leiche an der bretonischen Küste aufgefunden wird, realisiert Georges Dupin, dass er es mit einem Fall ungeahnten Ausmasses zu tun hat.
Während sich der Druck von Seiten der Öffentlichkeit verschärft und die kapriziösen Dorfbewohner beharrlich schweigen, begibt sich Dupin auf die Suche nach dem Mordmotiv - und kommt im Dickicht der bretonischen Verhältnisse einem spektakulären Geheimnis auf die Spur ...
»'Bretonische Verhältnisse' ist ungewöhnlich spannend, voller Atmosphäre, mit einem grundsympathischen Ermittler, dessen Ecken und Kanten den Leser sofort für ihn einnehmen.« Tilman Spreckelsen
Ein Kommissar von Maigret-Kaliber; ein Kriminalroman voller überraschender Wendungen, hochspannend, feinsinnig und klug. Durchzogen von hintergründigem Humor und dabei atmosphärisch so eindrücklich, dass man als Leser sofort selbst durch die engen Gassen des Dorfes flanieren, die Atlantikluft riechen und über die bretonischen Eigenarten schmunzeln möchte.
Grossformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Bretonische Verhältnisse / Kommissar Dupin Bd.1 “
Bretonische Verhältnisse von Jean-Luc BannalecDER ERSTE TAG
... mehr
Es war ein fabelhafter Sommertag, dieser 7. Juli. Einer dieser großen atlantischen Tage, die Kommissar Dupin für gewöhnlich ganz glücklich machten. Das Blau schien überall zu sein, die Luft war, für bretonische Verhältnisse, sehr warm, schon so früh morgens, und dabei ganz luzid; die Dinge besaßen eine klare, scharfe Gegenwart. Gestern Abend noch hatte es nach Weltuntergang ausgesehen, schwere, tief hängende, drohend schwarze Wolkenungetüme waren den Himmel entlanggerast und hatten es in heftigen Böen wieder und wieder sintflutartig regnen lassen.
Concarneau, die prächtige »Blaue Stadt«, wie sie ob der leuchtend blauen Fischernetze, die im letzten Jahrhundert die Quais gesäumt hatten, noch heute hieß, strahlte. Kommissar Georges Dupin saß im Amiral, ganz am Ende der Bar, wie immer die Zeitung vor sich ausgebreitet. Die runde Uhr über dem schönen alten Gebäude der Markthalle, wo man täglich fangfrisch kaufen konnte, was den hiesigen Fischern in den sehr frühen Morgenstunden ins Netz gegangen war, zeigte 7 Uhr 30. Das traditionsreiche Café und Restaurant, das früher auch ein Hotel gewesen war, lag direkt am Quai, gegenüber der berühmten Altstadt. Die von mächtigen Mauern und Wehrtürmen geschützte ville close war auf einer kleinen, lang gestreckten Insel gebaut worden, die wie gemalt in dem großen Hafenbecken lag, in das der träge Moros mündete. Seit Dupin vor zwei Jahren und sieben Monaten infolge »bestimmter Querelen« - so hatte es in den internen Papieren geheißen - aus Paris in die entlegenste Provinz »versetzt« worden war (und sein ganzes Leben zuvor in der glamourösen Hauptstadt verbracht hatte), trank er jeden Morgen seinen petit café im Amiral; ein ebenso strenges wie lustvolles Ritual.
Charme besaßen die Räume des Amiral keinen mehr, seitdem man sie vor ein paar Jahren mit großem Aufwand von Grund auf renoviert oder, wie Paul Girard, der leutselige Besitzer, stolz formulierte, »vollständig modernisiert« hatte. Wenig erinnerte noch an die großen Zeiten Ende des 19. Jahrhunderts, als weltberühmte Künstler oder später dann Maigret hier logierten. Gauguin hatte sich direkt vor dem Restaurant eine derbe Prügelei geliefert, rüde Seeleute hatten seine blutjunge javanesische Freundin beleidigt. Nur selten verirrten sich Touristen ins Amiral, sie bevorzugten die »idyllischeren« Cafés weiter unten am großen Platz. So war man hier weitgehend unter sich.
»Noch einen café. Und ein Croissant.«
Am Blick und an der knappen Geste des Kommissars erkannte Girard, was sein Gast wollte, der eher gemurmelt hatte als zu sprechen. Es war Dupins dritter café.
»Siebenunddreißig Millionen - haben Sie gesehen, Monsieur le Commis saire, siebenunddreißig Millionen sind jetzt drin.« Girard stand schon an der Espressomaschine, die Dupin jedes Mal aufs Neue beeindruckte, eine von denen, die noch richtige Geräusche machten.
Der Besitzer des Amiral war vielleicht sechzig, hatte einen beeindruckend länglichen Kopf, der vor allem von einem geprägt war: einem riesigen Schnurrbart, der schon lange so strahlend grau geworden war wie die verbliebenen wenigen Haare auf seinem Kopf. Seine Augen waren immer überall, er sah alles. Dupin mochte ihn gut leiden, auch wenn sie nie viel sprachen. Vielleicht deswegen. Girard hatte den Kommissar vom ersten Tag an akzeptiert - was viel hieß hier, generell, aber vor allem, weil Pariser den Bretonen die einzig wirklichen Ausländer waren.
»Verdammt.«
Dupin fiel ein, dass er unbedingt noch tippen wollte. Der gigantische Lotto-Jackpot, der die ganze Nation in Atem hielt, war auch letzte Woche nicht geknackt worden. Dupin hatte mutig zwölf Reihen getippt und es fertiggebracht, in zwei - unterschiedlichen - Kästen jeweils eine Richtige zu haben.
»Heute ist schon Freitag, Monsieur le Commissaire.«
»Ich weiß. Ich weiß.«
Er würde gleich zum Tabac-Presse nebenan gehen.
»Letzte Woche sind Freitagmorgen überall die Scheine ausgegangen.«
»Ich weiß.«
Dupin hatte - wie die ganzen letzten Wochen - miserabel geschlafen, er versuchte sich auf die Zeitung zu konzentrieren. Im Juni hatte das nördliche Finistère traurige 62 Prozent der Sonnenstunden abbekommen, die ein durchschnittlicher Juni normalerweise bot - 145. Das südliche Finistère hatte es auf 70 Prozent gebracht, das angrenzende Morbihan, lediglich ein paar Kilometer entfernt, auf immerhin 82 Prozent. Der Artikel war der Aufmacher des Ouest-France. Erstaunliche Statistiken über das Wetter waren eine Spezialität der Zeitung - eigentlich aller bretonischen Zeitungen und überhaupt aller Bretonen. »Seit Jahrzehnten«, das war die dramatische Quintessenz, »hat uns kein Juni mit so niederschmetternd wenig Sonnenstunden und Wärme zurückgelassen.« Wieder einmal. Und der Artikel endete wie er enden musste: »So ist es: In der Bretagne ist das Wetter schön - fünf Mal am Tag«; eine Art patriotisches Mantra. Nur die Bretonen selbst durften indes über das bretonische Wetter schimpfen oder lachen; wenn es andere taten, wurde es als sehr unhöflich empfunden. Das verhielt sich, wie Dupin in Nähe von Montreal, der Präfekt hat entfernte Verwandte dort, die ...«
»Es ist Viertel vor acht, Kadeg. Ich frühstücke.«
»Es ist dem Präfekten sehr wichtig, er hat ausschließlich deswegen angerufen. Und er hat mich gebeten, Sie unverzüglich zu informieren.«
»Zu informieren?«
Dupin legte auf. Er hatte keine Lust, sich auch nur einen Augenblick mit dieser Sache zu beschäftigen. Gott sei Dank war er zu müde, um sich wirklich aufzuregen. Dupin konnte Locmariaquer nicht ausstehen. Und außerdem hatte er bis heute keine rechte Idee davon, wie er diesen Namen auszusprechen hatte, was ihm zugegebenermaßen bei nicht wenigen Bretonen so ging und ihn, der in seinem Beruf nun einmal viel mit Menschen zu tun hatte, nicht selten in peinliche Situationen brachte.
Dupin wendete sich wieder der Zeitung zu. Der Ouest-France und der Télégramme, das waren die beiden großen Lokalzeitungen, die sich auf zuweilen kurios liebevoll-stolze Weise der Bretagne widmeten; nach einer Seite sehr summarischer internationaler und nationaler Nachrichten, die zügig das Weltgeschehen abhandelten, folgten dreißig Seiten regionaler und lokaler, meist sehr lokaler Meldungen. Kommissar Dupin liebte beide Blätter. Nach seiner »Versetzung« hatte er, zunächst widerwillig, dann mit wachsendem Interesse seine Studien der bretonischen Seele begonnen. Neben den Begegnungen mit den Menschen waren es genau diese kleinen, scheinbar unbedeutenden Geschichten, durch die er am meisten erfahren hatte. Geschichten über das Leben am »Ende der Welt«, dem »finis terra« - wie die Römer den äußersten Teil der weit in den tosenden Atlantik hineingestreckten, wild zerklüfteten Halbinsel genannt hatten und wie das Département bis heute hieß.
Das Telefon klingelte wieder. Wieder Kadeg. Dupin merkte, wie trotz aller Müdigkeit Wut in ihm aufstieg. »Ich werde heute Abend nicht können, ich habe zu tun, dienstliche Verpflichtungen, richten Sie das Loccarm - richten Sie das dem Präfekten aus.«
»Ein Mord. Es gab einen Mord.«
Kadegs Stimme war dünn und ohne Intonation.
»Was?«
»In Pont Aven, Monsieur le Commissaire. Pierre-Louis Pennec, der Besitzer des Hotel Central, wurde vor wenigen Minuten tot in seinem Restaurant aufgefunden. Man hat die Wache in Pont Aven angerufen.«
»Ist das ein Witz, Kadeg?«
»Die beiden Kollegen aus Pont Aven müssten schon da sein.« »In Pont Aven? Pierre-Louis Pennec?«
»Wie meinen Sie, Monsieur le Commissaire?«
»Was wissen Sie noch?«
»Nur das, was ich Ihnen gerade gesagt habe.«
»Und es ist sicher ein Mord?«
»Es sieht wohl so aus.«
»Warum?«
Dupin hatte sich über diese Frage fast schon geärgert, bevor sie ihm über die Lippen gekommen war.
»Ich kann Ihnen nur sagen, was der Anrufer, der Koch des Hotels, dem diensthabenden Polizisten gesagt hat, und der wiederum ... «
»Ist schon gut. Aber was haben wir mit der Sache zu tun? Pont Aven fällt in den Zuständigkeitsbereich Quimperlés - das ist Dercaps Angelegenheit.«
»Kommissar Dercap ist seit Montag im Urlaub. Bei ernsteren Vorkommnissen sind wir zuständig. Deswegen hat die Wache in Pont Aven ... «
»Ja, ja ... Ich mache mich auf. Sie auch. Und rufen Sie Riwal an, ich will, dass er umgehend kommt.«
»Riwal ist schon unterwegs.«
»Gut. - Das darf nicht wahr sein. So ein Scheiß.«
»Monsieur le Commissaire?«
Dupin legte auf.
»Ich muss los«, rief er in Girards Richtung, der neugierig guckte. Dupin legte ein paar Münzen auf den Tresen und verließ das Amiral. Sein Wagen stand auf dem großen Parkplatz am Quai, nur ein paar Schritte entfernt.
...
© 2012, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
Es war ein fabelhafter Sommertag, dieser 7. Juli. Einer dieser großen atlantischen Tage, die Kommissar Dupin für gewöhnlich ganz glücklich machten. Das Blau schien überall zu sein, die Luft war, für bretonische Verhältnisse, sehr warm, schon so früh morgens, und dabei ganz luzid; die Dinge besaßen eine klare, scharfe Gegenwart. Gestern Abend noch hatte es nach Weltuntergang ausgesehen, schwere, tief hängende, drohend schwarze Wolkenungetüme waren den Himmel entlanggerast und hatten es in heftigen Böen wieder und wieder sintflutartig regnen lassen.
Concarneau, die prächtige »Blaue Stadt«, wie sie ob der leuchtend blauen Fischernetze, die im letzten Jahrhundert die Quais gesäumt hatten, noch heute hieß, strahlte. Kommissar Georges Dupin saß im Amiral, ganz am Ende der Bar, wie immer die Zeitung vor sich ausgebreitet. Die runde Uhr über dem schönen alten Gebäude der Markthalle, wo man täglich fangfrisch kaufen konnte, was den hiesigen Fischern in den sehr frühen Morgenstunden ins Netz gegangen war, zeigte 7 Uhr 30. Das traditionsreiche Café und Restaurant, das früher auch ein Hotel gewesen war, lag direkt am Quai, gegenüber der berühmten Altstadt. Die von mächtigen Mauern und Wehrtürmen geschützte ville close war auf einer kleinen, lang gestreckten Insel gebaut worden, die wie gemalt in dem großen Hafenbecken lag, in das der träge Moros mündete. Seit Dupin vor zwei Jahren und sieben Monaten infolge »bestimmter Querelen« - so hatte es in den internen Papieren geheißen - aus Paris in die entlegenste Provinz »versetzt« worden war (und sein ganzes Leben zuvor in der glamourösen Hauptstadt verbracht hatte), trank er jeden Morgen seinen petit café im Amiral; ein ebenso strenges wie lustvolles Ritual.
Charme besaßen die Räume des Amiral keinen mehr, seitdem man sie vor ein paar Jahren mit großem Aufwand von Grund auf renoviert oder, wie Paul Girard, der leutselige Besitzer, stolz formulierte, »vollständig modernisiert« hatte. Wenig erinnerte noch an die großen Zeiten Ende des 19. Jahrhunderts, als weltberühmte Künstler oder später dann Maigret hier logierten. Gauguin hatte sich direkt vor dem Restaurant eine derbe Prügelei geliefert, rüde Seeleute hatten seine blutjunge javanesische Freundin beleidigt. Nur selten verirrten sich Touristen ins Amiral, sie bevorzugten die »idyllischeren« Cafés weiter unten am großen Platz. So war man hier weitgehend unter sich.
»Noch einen café. Und ein Croissant.«
Am Blick und an der knappen Geste des Kommissars erkannte Girard, was sein Gast wollte, der eher gemurmelt hatte als zu sprechen. Es war Dupins dritter café.
»Siebenunddreißig Millionen - haben Sie gesehen, Monsieur le Commis saire, siebenunddreißig Millionen sind jetzt drin.« Girard stand schon an der Espressomaschine, die Dupin jedes Mal aufs Neue beeindruckte, eine von denen, die noch richtige Geräusche machten.
Der Besitzer des Amiral war vielleicht sechzig, hatte einen beeindruckend länglichen Kopf, der vor allem von einem geprägt war: einem riesigen Schnurrbart, der schon lange so strahlend grau geworden war wie die verbliebenen wenigen Haare auf seinem Kopf. Seine Augen waren immer überall, er sah alles. Dupin mochte ihn gut leiden, auch wenn sie nie viel sprachen. Vielleicht deswegen. Girard hatte den Kommissar vom ersten Tag an akzeptiert - was viel hieß hier, generell, aber vor allem, weil Pariser den Bretonen die einzig wirklichen Ausländer waren.
»Verdammt.«
Dupin fiel ein, dass er unbedingt noch tippen wollte. Der gigantische Lotto-Jackpot, der die ganze Nation in Atem hielt, war auch letzte Woche nicht geknackt worden. Dupin hatte mutig zwölf Reihen getippt und es fertiggebracht, in zwei - unterschiedlichen - Kästen jeweils eine Richtige zu haben.
»Heute ist schon Freitag, Monsieur le Commissaire.«
»Ich weiß. Ich weiß.«
Er würde gleich zum Tabac-Presse nebenan gehen.
»Letzte Woche sind Freitagmorgen überall die Scheine ausgegangen.«
»Ich weiß.«
Dupin hatte - wie die ganzen letzten Wochen - miserabel geschlafen, er versuchte sich auf die Zeitung zu konzentrieren. Im Juni hatte das nördliche Finistère traurige 62 Prozent der Sonnenstunden abbekommen, die ein durchschnittlicher Juni normalerweise bot - 145. Das südliche Finistère hatte es auf 70 Prozent gebracht, das angrenzende Morbihan, lediglich ein paar Kilometer entfernt, auf immerhin 82 Prozent. Der Artikel war der Aufmacher des Ouest-France. Erstaunliche Statistiken über das Wetter waren eine Spezialität der Zeitung - eigentlich aller bretonischen Zeitungen und überhaupt aller Bretonen. »Seit Jahrzehnten«, das war die dramatische Quintessenz, »hat uns kein Juni mit so niederschmetternd wenig Sonnenstunden und Wärme zurückgelassen.« Wieder einmal. Und der Artikel endete wie er enden musste: »So ist es: In der Bretagne ist das Wetter schön - fünf Mal am Tag«; eine Art patriotisches Mantra. Nur die Bretonen selbst durften indes über das bretonische Wetter schimpfen oder lachen; wenn es andere taten, wurde es als sehr unhöflich empfunden. Das verhielt sich, wie Dupin in Nähe von Montreal, der Präfekt hat entfernte Verwandte dort, die ...«
»Es ist Viertel vor acht, Kadeg. Ich frühstücke.«
»Es ist dem Präfekten sehr wichtig, er hat ausschließlich deswegen angerufen. Und er hat mich gebeten, Sie unverzüglich zu informieren.«
»Zu informieren?«
Dupin legte auf. Er hatte keine Lust, sich auch nur einen Augenblick mit dieser Sache zu beschäftigen. Gott sei Dank war er zu müde, um sich wirklich aufzuregen. Dupin konnte Locmariaquer nicht ausstehen. Und außerdem hatte er bis heute keine rechte Idee davon, wie er diesen Namen auszusprechen hatte, was ihm zugegebenermaßen bei nicht wenigen Bretonen so ging und ihn, der in seinem Beruf nun einmal viel mit Menschen zu tun hatte, nicht selten in peinliche Situationen brachte.
Dupin wendete sich wieder der Zeitung zu. Der Ouest-France und der Télégramme, das waren die beiden großen Lokalzeitungen, die sich auf zuweilen kurios liebevoll-stolze Weise der Bretagne widmeten; nach einer Seite sehr summarischer internationaler und nationaler Nachrichten, die zügig das Weltgeschehen abhandelten, folgten dreißig Seiten regionaler und lokaler, meist sehr lokaler Meldungen. Kommissar Dupin liebte beide Blätter. Nach seiner »Versetzung« hatte er, zunächst widerwillig, dann mit wachsendem Interesse seine Studien der bretonischen Seele begonnen. Neben den Begegnungen mit den Menschen waren es genau diese kleinen, scheinbar unbedeutenden Geschichten, durch die er am meisten erfahren hatte. Geschichten über das Leben am »Ende der Welt«, dem »finis terra« - wie die Römer den äußersten Teil der weit in den tosenden Atlantik hineingestreckten, wild zerklüfteten Halbinsel genannt hatten und wie das Département bis heute hieß.
Das Telefon klingelte wieder. Wieder Kadeg. Dupin merkte, wie trotz aller Müdigkeit Wut in ihm aufstieg. »Ich werde heute Abend nicht können, ich habe zu tun, dienstliche Verpflichtungen, richten Sie das Loccarm - richten Sie das dem Präfekten aus.«
»Ein Mord. Es gab einen Mord.«
Kadegs Stimme war dünn und ohne Intonation.
»Was?«
»In Pont Aven, Monsieur le Commissaire. Pierre-Louis Pennec, der Besitzer des Hotel Central, wurde vor wenigen Minuten tot in seinem Restaurant aufgefunden. Man hat die Wache in Pont Aven angerufen.«
»Ist das ein Witz, Kadeg?«
»Die beiden Kollegen aus Pont Aven müssten schon da sein.« »In Pont Aven? Pierre-Louis Pennec?«
»Wie meinen Sie, Monsieur le Commissaire?«
»Was wissen Sie noch?«
»Nur das, was ich Ihnen gerade gesagt habe.«
»Und es ist sicher ein Mord?«
»Es sieht wohl so aus.«
»Warum?«
Dupin hatte sich über diese Frage fast schon geärgert, bevor sie ihm über die Lippen gekommen war.
»Ich kann Ihnen nur sagen, was der Anrufer, der Koch des Hotels, dem diensthabenden Polizisten gesagt hat, und der wiederum ... «
»Ist schon gut. Aber was haben wir mit der Sache zu tun? Pont Aven fällt in den Zuständigkeitsbereich Quimperlés - das ist Dercaps Angelegenheit.«
»Kommissar Dercap ist seit Montag im Urlaub. Bei ernsteren Vorkommnissen sind wir zuständig. Deswegen hat die Wache in Pont Aven ... «
»Ja, ja ... Ich mache mich auf. Sie auch. Und rufen Sie Riwal an, ich will, dass er umgehend kommt.«
»Riwal ist schon unterwegs.«
»Gut. - Das darf nicht wahr sein. So ein Scheiß.«
»Monsieur le Commissaire?«
Dupin legte auf.
»Ich muss los«, rief er in Girards Richtung, der neugierig guckte. Dupin legte ein paar Münzen auf den Tresen und verließ das Amiral. Sein Wagen stand auf dem großen Parkplatz am Quai, nur ein paar Schritte entfernt.
...
© 2012, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
... weniger
Autoren-Porträt von Jean-Luc Bannalec
Jean-Luc Bannalec ist der Künstlername von Jörg Bong. Er ist in Frankfurt am Main und im südlichen Finistère zu Hause. Die Krimireihe mit Kommissar Dupin wurde für das Fernsehen verfilmt und in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2016 wurde der Autor von der Region Bretagne mit dem Titel »Mécène de Bretagne« ausgezeichnet. Seit 2018 ist er Ehrenmitglied der Académie littéraire de Bretagne. Zuletzt erhielt er den Preis der Buchmesse HomBuch für die deutsch-französischen Beziehungen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Jean-Luc Bannalec
- 2012, 33. Aufl., 304 Seiten, 2 farbige Abbildungen, Masse: 13,5 x 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- ISBN-10: 3462044060
- ISBN-13: 9783462044065
- Erscheinungsdatum: 09.03.2012
Rezension zu „Bretonische Verhältnisse / Kommissar Dupin Bd.1 “
»Ungewöhnlich spannend, voller Atmosphäre, mit einem grundsympathischen Ermittler, dessen Ecken und Kanten den Leser sofort für ihn einnehmen.« Tilman Spreckelsen FAZ
Pressezitat
»Ungewöhnlich spannend, voller Atmosphäre, mit einem grundsympathischen Ermittler, dessen Ecken und Kanten den Leser sofort für ihn einnehmen.« Tilman Spreckelsen FAZ
Kommentar zu "Bretonische Verhältnisse / Kommissar Dupin Bd.1"
0 Gebrauchte Artikel zu „Bretonische Verhältnisse / Kommissar Dupin Bd.1“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Bretonische Verhältnisse / Kommissar Dupin Bd.1".
Kommentar verfassen