Brauchbare Illegalität
Vom Nutzen des Regelbruchs in Organisationen
Der Sinn von Regelbrüchen
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Produktinformationen zu „Brauchbare Illegalität “
Der Sinn von Regelbrüchen
Klappentext zu „Brauchbare Illegalität “
Alle weichen mal von den Regeln ab. Das gehört zum Leben in Organisationen dazu. Der Grund: Organisationen brauchen Regeln, um berechenbar zu sein, für situative Anpassungen sind aber auch Regelbrüche nötig. Da diese überhaupt erst das Funktionieren von Organisationen aufrechterhalten, spricht man in der Organisationsforschung von »brauchbarer Illegalität«. Dabei ist, so der Soziologie und Organisationsberater Stefan Kühl, nicht jeder Verstoss nützlich: Manchmal zielt er nur auf einen persönlichen Vorteil, nicht selten endet er in einem für die Organisation hochriskanten Skandal.Wie kommt es zu Regelbrüchen? Wann können von ihnen wichtige Impulse ausgehen? Wo liegen Probleme der Regelabweichungen? Wie kann man sich intern über sie austauschen? Anhand einer Vielzahl von konkreten Fällen wirft der Autor einen genauen Blick auf die Nützlichkeiten und Risiken der alltäglichen Regelabweichungen in Organisationen.
Grossformatiges Paperback. Klappenbroschur
Lese-Probe zu „Brauchbare Illegalität “
Regelverletzungen in Organisationen - Eine EinleitungWenn wieder einmal eine Organisation wegen eines Umweltverstosses, Schmiergeldskandals oder einer Finanzmanipulation in der öffentlichen Kritik steht, lohnt sich ein Blick in das klassische Theaterstück des Dramatikers Heinrich von Kleist über die Befehlsverweigerung des Prinzen Friedrich von Homburg. Kleist, der selbst in seiner Jugend als Leutnant in der preussischen Armee gedient hatte, konfrontiert in diesem Theaterstück seinen Helden mit allen Tücken einer erfolgreichen Regelabweichung. Die Geschichte ist denkbar einfach. Der Prinz von Homburg dient als General der Reiterei in der Armee des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Vor der Schlacht gegen die schwedischen Truppen erteilt der Kurfürst seinen Generälen den Befehl, den Feind nur nach ausdrücklicher Anordnung anzugreifen - jeder solle, »wie immer auch die Schlacht sich wenden mag, vom Platz nicht, der ihm angewiesen, weichen« (Kleist 1996, S. 528). Der oberste Befehlshaber der Armee verpflichtet die Organisation und all ihre Mitglieder auf strikte Gefolgschaft und Einhaltung der Befehlswege.Aber der Prinz von Homburg tut so, als hätte er diesen Befehl nicht gehört - vielleicht hat er ihn auch nicht gehört - und befiehlt seiner Kavallerie trotz der fehlenden Order und trotz der eindrücklichen Warnung seines ersten Offiziers den Angriff. Er fordert von seinen Untergebenen unbedingte Gefolgschaft ein: »Ein Schurke, wer seinem General zur Schlacht nicht folgt!« Und er übernimmt die Verantwortung: »Ich nehm's auf meine Kappe. Folgt mir, Brüder!« (Kleist 1996, S. 536) Der Prinz entpuppt sich also als Paradebeispiel einer proaktiv agierenden, Risiko eingehenden und Verantwortung übernehmenden transformationalen Führungskraft.Und die Risikobereitschaft zahlt sich aus. Der Überraschungseffekt gelingt. Durch die mutige Initiative des Prinzen gewinnt die Brandenburg-preussische Armee die Schlacht. Der Erfolg ändert jedoch nichts daran, dass es sich um einen
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klaren Fall von Befehlsverletzung handelt. Der Kurfürst von Brandenburg ist empört: »Wer immer auch die Reiterei geführt, am Tag der Schlacht ... damit ist aufgebrochen, eigenmächtig, ... bevor ich Order gab ..., der ist des Todes schuldig, das erklär ich.« (Kleist 1996, S. 544) Der Kurfürst lässt den Prinzen verhaften und verhängt das Todesurteil über den Gehorsamsverweigerer.Sicherlich - in Kleists Drama geht es nicht um die ähnlichen Verhaltensmuster der Vielen, sondern es lebt von der für Theaterstücke üblichen Zuspitzung auf einzelne Personen und ihre Konflikte. Dennoch stecken in dem Stück bereits fast alle Fragen, die sich Organisationen beim Umgang mit Regelabweichung und Gesetzesverstössen stellen. Es liegt ein klarer Regelverstoss vor, aber gibt der Erfolg dem Regelbrecher nicht nachträglich recht? Und wer darf beurteilen, ob der Regelbruch letztlich ein Erfolg gewesen ist? Die Schlacht ist gewonnen, aber ein Grossteil der schwedischen Armee konnte fliehen. Ist der Gewinn der Schlacht nicht nur ein Pyrrhussieg, der sich bei der nächsten Schlacht bitter rächen kann? Hätte ein kluges Abwarten vielleicht die Vernichtung des gegnerischen Heeres und damit nicht nur den Sieg in der Schlacht, sondern vielleicht auch im ganzen Krieg bedeutet? Und was treibt den Regelbrecher an? Auf den ersten Blick nur das Wohl der Organisation - aber spielt nicht auch die Suche nach individuellem Ruhm eine Rolle? Hat er die Kosten und Nutzen der Befehlsverweigerung für sich - und auch für das gesamte Herr - rational durchkalkuliert, oder hat er intuitiv gehandelt? Und last, but not least - wie soll die Organisation mit diesem auf den ersten Blick erfolgreichen Regelbruch umgehen? Soll man den Regelverletzer - wie vom Kurfürsten angekündigt - trotz seiner möglicherweise guten Absichten und trotz des Erfolges bestrafen oder soll man ihn als vorbildhaften Organisationsrebellen und Musterbrecher feiern?Funktionale Regelverletzungen und brauchbare IllegalitätOrganisationen müssen,
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Inhaltsverzeichnis zu „Brauchbare Illegalität “
InhaltRegelverletzungen in Organisationen - Eine Einleitung 91Funktionale Regelverstösse und brauchbare Illegalität - Warum sich Regelabweichungen in Organisationen nicht vermeiden lassen 231.1Die Personalisierung der Verantwortung 241.2Gründe für Regelabweichungen 281.3Zwischen formalen Konsistenzerwartungen und widersprüchlichen Umweltanforderungen 321.4Grauzonen zwischen Regeleinhaltung und Regelverletzung 372Verstösse gegen »Gesetze des Staates« und »Gesetze der Organisation« 432.1Wie man Erwartungen fixieren kann - Ähnlichkeiten und Unterschieden von Positivierung und Formalisierung 442.2Die Zurechnung der Verantwortung für Gesetzesverstösse 512.3Sensibilitäten und Toleranzen gegenüber Gesetzesverstössen 582.4Fliessende Übergänge zwischen Verstössen gegen Gesetze und Verstössen gegen die Formalstruktur 603Die schwierige Unterscheidung zwischen brauchbarer und unbrauchbarer Illegalität 653.1Auf der Suche nach persönlichen Vorteilen - Unterschlagung, Korruption, Arbeitsverweigerung 673.2Illegale Lösungen für das Motivationsproblem 713.3Der Charme informaler Entlohnungen in Organisationen 763.4Die Grenzen informaler Belohnungssysteme 784Zur Erosion formaler Normen - Der Kontakt von Organisationen mit eingehegter Illegalität zu Organisationen mit entgrenzter Illegalität 834.1Epidemische und eingedämmte Regelabweichung 854.2Eine Frage der Loyalität - Organisationsmitglieder in Rollenkonflikten 894.3Kontaktflächen - Kooperationen zwischen Organisationen mit eingehegter und entgrenzter Illegalität 974.4Organisationen im Graubereich zwischen kontrollierter und unkontrollierter Regelabweichung 1015Entstehung, Durchsetzung und Regulierung von Regelabweichungen 1055.1Die Entstehung von regelmässigen Regelabweichungen 1095.2Das Erlernen von Regelabweichungen 1135.3Die Herstellung von Kooperationsbeziehungen bei brauchbarer Illegalität 1175.4Zur Durchsetzung informaler Erwartungen 1205.5Öffnung und Schliessung von Fenstern rationaler Kalkulationen 1246Regelbuch statt Regelbruch -
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Reaktion auf das Bekanntwerden brauchbarer Illegalität 1276.1Auf der Suche nach der transparenten, durchformalisierten Organisation 1296.2Ungewollte Nebenfolgen einer Politik konsequenter Regelkonformität 1346.3Das geschicktere Verstecken von Regelabweichungen 1416.4Die Zerstörung des informalen Wissensmanagements 1457Die Moralisierung der Organisation - Zur Produktion von Heuchelei 1477.1Zum Unterschied von Legalität und Moralität 1507.2Moral als Ausdruck der Achtung und Missachtung von Personen 1557.3Moralisch aufgeladene Kulturprogramme als Aufforderung zur Heuchelei 1587.4Die Akzeptanz der Funktionalität von Regelabweichungen 1648Zum Management von Regelkonformität und Regelabweichung - Ein Fazit 1678.1Regelkonformität und Regelabweichung als Sprichwörter des Managements 1698.2Daumenregeln zum Umgang mit brauchbarer und unbrauchbarer Illegalität 1718.3Die Thematisierbarkeit des Nichtthematisierbaren 1748.4Auswege aus dem Prinz-von-Homburg-Dilemma 179Anhang - Theoretische und methodische Überlegungen 183Zur Konzeption des Buches 183Empirischer Zugriff 185Zur Anonymisierung der Empirie 190Anmerkungen 197Literatur 231
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Autoren-Porträt von Stefan Kühl
Stefan Kühl ist Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld. Er arbeitet als Organisationsberater der Firma Metaplan für Ministerien, Verwaltungen, Unternehmen und Hochschulen. Zuletzt erschienen von ihm bei Campus »Wenn die Affen den Zoo regieren. Die Tücke der flachen Hierarchien«, »Das Regenmacher-Phänomen. Widersprüche im Konzept der lernenden Organisation« und »Sisyphos im Management. Die vergebliche Suche nach der optimalen Organisationsstruktur«.
Bibliographische Angaben
- Autor: Stefan Kühl
- 2020, 278 Seiten, Masse: 13,9 x 21,1 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: CAMPUS VERLAG
- ISBN-10: 3593513013
- ISBN-13: 9783593513010
- Erscheinungsdatum: 11.09.2020
Pressezitat
»An dem Buch fasziniert, wie Kühl das verschiedenartige Lernen der Akzeptanz und Entstehung der brauchbaren Illegalität in Organisationen seziert. Hier liegt der grosse Nutzen des Buches. Diese Analysen basieren auf der von Kühl hervorragend beherrschten Verknüpfung von Theorie und Praxis.« Karsten Trebesch, OrganisationsEntwicklung, 15.01.2021»In kurzweiliger, aber gleichwohl wissenschaftlich fundierter Darstellung leuchtet der Autor die Untiefen und Grauzonen der Illegalität aus, vermittelt die Entstehung, Durchsetzung und Regulierung von Regelabweichungen sowie deren Management. Die Ausführungen eignen sich hervorragend, um die eigene Organisationskultur zu reflektieren, seine Position darin zu klären und weiterzuentwickeln.« Sitftung & Sponsoring, 28.06.2021»Insgesamt gelingt es Stefan Kühl, bisherige Erkenntnisse zu den Ursachen von Regelverstössen in und von Organisationen geschickt aufzubereiten und systemtheoretisch zu reflektieren.« Sebastian Starystach, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (2021) 73: 151-154
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