Ausgebrannt
Thriller. Ausgezeichnet mit dem Kurd-Lasswitz-Preis, Bester Roman 2008
Ein mysteriöser Mann behauptet, auch dort Erdöl zu finden, wo andere längst aufgeben. Dann versiegt das größte Ölfeld der Erde.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Ausgebrannt “
Ein mysteriöser Mann behauptet, auch dort Erdöl zu finden, wo andere längst aufgeben. Dann versiegt das größte Ölfeld der Erde.
Klappentext zu „Ausgebrannt “
Die Menschheit vor ihrer grössten Herausforderung: Das Ende des Erdölzeitalters steht bevor!Als in Saudi-Arabien das grösste Ölfeld der Welt versiegt, kommt es weltweit zu Unruhen. Bahnt sich tatsächlich das Ende unserer Zivilisation an?Nur Markus Westermann glaubt an ein Wunder. Er glaubt eine Methode zu kennen, wie man noch Öl finden kann. Viel Öl. Doch der Schein trügt.Packend erzählt Bestseller-Autor Andreas Eschbach in seinem Thriller Ausgebrannt eine Geschichte, in der die globalisierte Welt an ihrer Ressourcenknappheit zu scheitern droht.
Die Menschheit vor ihrer grössten Herausforderung: Das Ende des Erdölzeitalters steht bevor! Als in Saudi-Arabien das grösste Ölfeld der Welt versiegt, kommt es weltweit zu Unruhen. Bahnt sich tatsächlich das Ende unserer Zivilisation an? Nur Markus Westermann glaubt an ein Wunder. Er glaubt eine Methode zu kennen, wie man noch Öl finden kann. Viel Öl. Doch der Schein trügt. Eschbach denkt konsequent weiter, was schon längst Gegenwart ist und kaum jemand wahrhaben will. Deutsche Welle Eschbach hat einen deutschen Wissenschaftsthriller geschrieben, der glaubhaft von globalen Problemen erzählt: gute Unterhaltung.
"Denis Scheck Eschbach versteht es glänzend, gut recherchierte, oft frappierende Fakten und Thrillerelemnte zu vermengen." FAZ
"Denis Scheck Eschbach versteht es glänzend, gut recherchierte, oft frappierende Fakten und Thrillerelemnte zu vermengen." FAZ
Lese-Probe zu „Ausgebrannt “
Ausgebrannt von Andreas Eschbach LESEPROBE Vergangenheit New York! Es war wie die Ankunft in einer anderen Welt, einer Welt, die heller strahlte, größer war und von weitaus mehr Energie erfüllt als das düstere, enge, müde Europa, aus dem Markus kam.
Er erwachte, als ihn jemand sanft am Arm rüttelte und mehrmals sagte: »Markus! Wir sind da!«
... mehr
Er fuhr hoch, sah grelles tageslicht durch das Fenster neben sich fluten, sah hinab auf glitzerndes blaues Wasser und erahnte die Silhouette einer Stadt, einer unglaublichen Stadt am Horizont. New York. »Noch nicht ganz«, entfuhr es ihm schlaftrunken. Im nächsten Moment stieg ein Glücksgefühl in ihm hoch, dass er laut jubeln hätte können. »Aber so gut wie!«, rief er und grinste seinen Sitznachbarn an. Es war der Italiener in ihrem team, ein sympathischer magerer Mann in seinem Alter, der Englisch mit einem lustigen Akzent, aber fließend sprach. Die Stewardess teilte schmale grüne Zettel aus. Es waren Formulare für die Einreise, auf denen man mit seiner Unterschrift versichern musste, keine Drogen zu schmuggeln, den Präsidenten nicht ermorden zu wollen und so weiter. Lauter Dinge, die kein Mensch freiwillig zugeben würde, erst recht nicht, wenn er etwas davon tatsächlich im Sinn hätte. Markus war kaum fertig damit, überall »Nein« anzukreuzen, als das Flugzeug zu einer Landung ansetzte, die so sanft war wie ein heißes Messer, das durch Butter gleitet. Bleiche, durchnächtigte Gesichter ringsum, als sich alles zum Aussteigen bereitmachte. Markus dagegen fühlte sich ausgeschlafen und voller Elan; in der tat hatte er so gut geschlafen wie schon lange nicht mehr.
Sie verließen die Maschine durch eine Fluggastbrücke, die ihre besten Tage weit hinter sich hatte, mit Wänden, die an den Nähten rosteten, und Bodenbelägen, die bis aufs Metall durchgelaufen waren. War das wichtig? Immerhin waren solche Einrichtungen auf dem JFK bereits üblich gewesen, als man sonst überall auf der Welt noch bei Wind und Wetter übers Rollfeld hatte stapfen müssen.
An einem Gelenk der Brücke stand eine Tür offen. Ein intensiver Geruch nach Benzin drang herein (Kerosin, korrigierte Markus sich in Gedanken), der näselnde Lärm von Triebwerken im Leerlauf – und eine durchdringende, überwältigende Hitze! Nach der Nacht in der kühlen, künstlich riechenden Luft an Bord des Flugzeugs war es, als schlüge ihm in diesem Moment der Atem des Landes entgegen, das zu erobern er ausgezogen war. Und siehe da, es war der Feueratem eines Drachen! Dann standen sie in Schlangenlinien vor der Einreisekontrolle und sahen zu, wie Bewaffnete in Uniform mit Metalldetektoren hantierten. Es ging langsam voran, geradezu quälend zäh. Man musste aufhören, auf die Uhr zu sehen. Die Kabinen aus Stahl und Glas kamen näher, Schritt um Schritt. Irgendwann würde es so weit sein, das war unausweichlich. War es wichtig, zu wissen, wann?
In diesen Minuten oder Stunden geschah es. In einem magischen Moment fiel Markus’ Blick auf den weinroten Pass in seinen Händen, auf den schmalen grünen Zettel, der darin steckte, und auf die erste gedruckte Zeile darauf.
UNITED STATES OF AMERICA
Der Anblick durchzuckte ihn wie ein elektrischer Schlag.
Einen Augenblick lang war ihm, als lägen alle Geheimnisse und Rätsel der Welt enthüllt vor ihm und als bestünde eines dieser Geheimnisse darin, dass es keine kraftvollere, keine machtvollere Anordnung von Buchstaben gab als diese. Dann bewegte sich der Rücken vor ihm einen Schritt weiter, es galt, die Lücke zu schließen, und der magische Moment war vorüber. Aber die Worte standen immer noch auf dem Papier, und sie hörten nicht auf zu leuchten.
Am Hauptausgang widersetzten sich vier Männer in Livree der Menschenbrandung, Schilder mit der Aufschrift »Lakeside and Rowe« in die Höhe reckend. Es galt zu warten, bis alle die Kontrollen passiert hatten und das Team vollzählig war. Auf einem Parkplatz in der Nähe warteten vier schwarze, lang gestreckte Limousinen, und jemand witzelte, ohne wirklich daran zu glauben, dass man sie damit wohl in die Stadt fahren würde. Die Männer in Livree hörten es, verzogen keine Miene dabei, aber genauso kam es. Das Team bestand aus sechzehn Leuten; es ging genau auf.
Es war wie im Film. Sie fuhren auf die graue Skyline am Horizont zu, überquerten eine Brücke und rauschten endlich nach Manhattan hinein, durch Häuserschluchten, Mann, die wirklich so hoch waren, wie er sie sich immer vorgestellt hatte, vorbei an grimmig rennenden Menschen in sämtlichen Hautfarben, die der Planet zu bieten hatte. Überall Fahrräder und die gelben Taxis, die er aus tausend Filmen kannte. Und Busse. Und ein silbrig glänzender, unwirklicher Dunst über allem, Abgase vielleicht oder schlicht Dampf, der im Sonnenlicht leuchtete, das unerwartet hell und heiß und intensiv war. New York, Himmel noch mal, er hatte es geschafft! Er war hier, wo er hingehörte: in der Hauptstadt der Welt, im Zentrum aller Dinge, da, wo der Puls der menschlichen Zivilisation schlug. Die Wolkenkratzer wurden höher, die Straßen schmaler: Upper Manhattan. Der Firmensitz, ein grauer, kantiger Bau aus der Gründerzeit, wirkte in echt kleiner als auf den Bildern in den Prospekten. Aber es gab eine eigene Auffahrt, die Limousinen hielten unter einem gediegenen Stoffdach, und man öffnete ihnen die Türen.
In Sachen Show hatten die Amis einfach was los. Wenn es um Auftritt und genau berechnete Wirkung ging, machte ihnen keiner was vor.
Man geleitete sie nach oben, auf eine Art, dass sie sich wie hoch geschätzte Staatsgäste fühlten. Oben vor dem Aufzug begrüßte sie Irving Young, der Leiter Human Ressources höchstpersönlich. Einige der Chefs der diversen Regionen und Märkte standen dabei, und durch offen stehende Türen erhaschte Markus einen Blick in die Büros: traumhaft. Würde er überhaupt arbeiten können vor so einem Panorama? Die Skyline Manhattans, ein Fluss, der in der Sonne glänzte wie Quecksilber… Er konnte es kaum erwarten.
Ich bin da, wo ich hingehöre!, schoss ihm durch den Kopf. Unmöglich, zuzuhören, was Young alles erzählte, zumal er es in ausgesprochen langweiligem Ton tat.
Endlich ging es weiter, eine Treppe hoch, in einen Empfangsraum, in dem Sekt und Häppchen bereitstanden. An den Wänden hingen Illustrationen aus dem letzten Geschäftsbericht. Ein Pult stand bereit. Es war also mit weiteren Reden zu rechnen. Zu Markus’ Überraschung erschien kurz darauf der greise Simon Rowe, der letzte aus der Gründergeneration, hoch in den Neunzigern, aber immer noch Aufsichtsratsvorsitzender. Er ließ es sich nicht nehmen, jedem von ihnen die Hand zu schütteln. Man erzählte, er käme morgens so früh ins Büro, dass er den Nachtportier verabschieden konnte. Die Arbeit hielte ihn am Leben, pflegte er zu erklären. Wenn diese Erklärung in den Medien auftauchte, fehlte selten der Hinweis darauf, dass sich Rowes Partner Eric W. Lakeside dereinst im zarten Alter von 57 Jahren ins Privatleben zurückgezogen hatte, um Golf zu spielen, Rosen zu züchten, mit seiner Segeljacht vor Florida zu kreuzen und mit 63 zu sterben.
Rowe dagegen, der die ersten Module des Softwaresystems, mit dem sie die Finanzwelt beglückten, höchstpersönlich geschrieben hatte, in COBOL seinerzeit, lebte noch. Mit ergreifender Mühe erklomm er die kaum knöchelhohe Plattform, auf der das Pult stand. Oben blinzelte er in die Runde, faltete dann ein Blatt Papier auseinander, das aussah, als trage er es seit Jahrzehnten mit sich herum, und hielt eine Ansprache, die im Wesentlichen betonte, wie glücklich sie sich schätzen konnten, für die beste Firma der Welt zu arbeiten. Das Pathos war ein wenig dick aufgetragen, typisch amerikanisch eben – Markus sah, wie der Franzose in ihrem Team die Nase rümpfte –, aber die Geste als solche beeindruckte.
Als alle dachten, er sei fertig – eine verzeihliche Annahme, da er das Manuskript seiner Rede betulich zusammengefaltet und wieder in seinem Sakko verstaut hatte –, beugte sich der alte Mann über das Mikrofon und sagte: »Denken Sie daran, meine Damen und Herren – Geld regiert die Welt. Das stimmt heute mehr denn je. Die Finanzinstitute, die Banken, Investmentfonds und so weiter – unsere Kunden, mit einem Wort – halten eine unvergleichliche Macht in Händen. Es ist nicht die Macht der Gewehrläufe, es ist eine unblutige, subtile, aber um so wirkungsvollere Macht. Macht aber heißt auch: Verantwortung. Die Entscheidungen, die unsere Kunden treffen, beeinflussen das Leben von Millionen von Menschen. Viele dieser Entscheidungen beruhen auf Daten, die unsere Software liefert. Die Verantwortung dafür, dass diese Daten so genau und so wahrheitsgemäß wie nur irgend menschenmöglich sind – die liegt bei uns. Und was Ihr Projekt angeht, bei Ihnen. Seien Sie sich dessen bitte stets bewusst.« Er nickte mit seinem weitgehend kahlen, nur noch von wenigen weißen Haaren umflorten Schädel. »Ich danke Ihnen.«
Der Seniorchef ging unter Beifall ab. Danach zerfiel die Stimmung von Empfang und Ankunft rasch. Halbleere Sektgläser wurden zurück auf die Tische gestellt, die belegten Brötchen, Käsespieße und Fleischbällchen hörten auf, lecker auszusehen, und schließlich hielt Markus es nicht länger aus. Geradeheraus fragte er, welches ihre Büros sein würden.
»Oh«, sagte Young, ein Mann mit lavendelblauen Augen und einem Lächeln, das wie angeschraubt wirkte, »nicht hier.« Die Entwicklungsabteilung, erfuhr Markus zu seiner maßlosen Enttäuschung, befand sich nicht mehr im Lakeside and Rowe Building, sondern im Gebäude des technischen Service USA-Ost draußen in Pennsylvania, in einem Ort mit dem unwahrscheinlichen Namen Paradise Valley. Seit einem halben Jahr. Aus Kostengründen. Aber es sei schön dort, die Entwickler alle vollauf glücklich. Pocono Mountains, ein Traum. Und nur hundert Meilen von New York entfernt. »Hundert Meilen?«, hörte Markus sich wiederholen.
»Ungefähr«, nickte der Leiter der Human Ressources. »Können auch ein paar mehr sein.«
So ging es mit dem Aufzug wieder hinunter. Tatsächlich: Fast neben jedem Knopf prangte das Namensschild einer anderen Firma. Das war Markus auf der Fahrt hinauf entgangen. Lakeside and Rowe residierten nur noch in den obersten beiden Etagen.
Als sie unten ins Freie traten, waren die Limousinen fort; stattdessen stand ein grauer Bus in der Auffahrt. Ein paar schwarze Bedienstete in blauen Overalls luden gerade ihre Koffer ein.
»Die Mieten in New York sind sowieso unbezahlbar«, meinte der Italiener beim Einsteigen. Silvio hieß er, Silvio Damiano. Man merkte, dass er versuchte, sich seine Enttäuschung schönzureden. »Ich habe gehört, dass manche für eine Einzimmerwohnung mit Klo auf dem Flur so viel Miete bezahlen, wie eine Vierzimmerwohnung in Rom kostet. In Rom!«
»Ja«, nickte Markus grimmig. »Aber das würden sie nicht machen, wenn sie es nicht geil fänden, in New York zu leben.« Silvio ließ sich in einen freien Doppelsitz fallen und schien nichts dagegen zu haben, dass Markus sich neben ihn setzte. »Paradise Valley«, sagte der magere Italiener. »Klingt wie: ›Ende der Welt‹.«
Das Projekt bestand schlicht und einfach darin, LR-8, das neue Softwaresystem, das Ende des Jahres auf dem Markt eingeführt werden sollte, zu lokalisieren.
Lokalisierung bedeutete, alle Programme so anzupassen, dass sie in dem jeweiligen Land einsetzbar waren. Das hieß zum Beispiel, dass in sämtlichen Eingabemasken, Menüs und Ausgabereports die entsprechenden deutschen, italienischen, französischen und so weiter Begriffe eingefügt werden mussten. Es war zu prüfen, dass die richtigen Datumsformate und Zahlendarstellungen verwendet wurden. Benutzerhandbücher und Hilfefunktionen waren zu übersetzen, Schulungsunterlagen zu erstellen und dergleichen mehr.
© Verlagsgruppe Lübbe
Sie verließen die Maschine durch eine Fluggastbrücke, die ihre besten Tage weit hinter sich hatte, mit Wänden, die an den Nähten rosteten, und Bodenbelägen, die bis aufs Metall durchgelaufen waren. War das wichtig? Immerhin waren solche Einrichtungen auf dem JFK bereits üblich gewesen, als man sonst überall auf der Welt noch bei Wind und Wetter übers Rollfeld hatte stapfen müssen.
An einem Gelenk der Brücke stand eine Tür offen. Ein intensiver Geruch nach Benzin drang herein (Kerosin, korrigierte Markus sich in Gedanken), der näselnde Lärm von Triebwerken im Leerlauf – und eine durchdringende, überwältigende Hitze! Nach der Nacht in der kühlen, künstlich riechenden Luft an Bord des Flugzeugs war es, als schlüge ihm in diesem Moment der Atem des Landes entgegen, das zu erobern er ausgezogen war. Und siehe da, es war der Feueratem eines Drachen! Dann standen sie in Schlangenlinien vor der Einreisekontrolle und sahen zu, wie Bewaffnete in Uniform mit Metalldetektoren hantierten. Es ging langsam voran, geradezu quälend zäh. Man musste aufhören, auf die Uhr zu sehen. Die Kabinen aus Stahl und Glas kamen näher, Schritt um Schritt. Irgendwann würde es so weit sein, das war unausweichlich. War es wichtig, zu wissen, wann?
In diesen Minuten oder Stunden geschah es. In einem magischen Moment fiel Markus’ Blick auf den weinroten Pass in seinen Händen, auf den schmalen grünen Zettel, der darin steckte, und auf die erste gedruckte Zeile darauf.
UNITED STATES OF AMERICA
Der Anblick durchzuckte ihn wie ein elektrischer Schlag.
Einen Augenblick lang war ihm, als lägen alle Geheimnisse und Rätsel der Welt enthüllt vor ihm und als bestünde eines dieser Geheimnisse darin, dass es keine kraftvollere, keine machtvollere Anordnung von Buchstaben gab als diese. Dann bewegte sich der Rücken vor ihm einen Schritt weiter, es galt, die Lücke zu schließen, und der magische Moment war vorüber. Aber die Worte standen immer noch auf dem Papier, und sie hörten nicht auf zu leuchten.
Am Hauptausgang widersetzten sich vier Männer in Livree der Menschenbrandung, Schilder mit der Aufschrift »Lakeside and Rowe« in die Höhe reckend. Es galt zu warten, bis alle die Kontrollen passiert hatten und das Team vollzählig war. Auf einem Parkplatz in der Nähe warteten vier schwarze, lang gestreckte Limousinen, und jemand witzelte, ohne wirklich daran zu glauben, dass man sie damit wohl in die Stadt fahren würde. Die Männer in Livree hörten es, verzogen keine Miene dabei, aber genauso kam es. Das Team bestand aus sechzehn Leuten; es ging genau auf.
Es war wie im Film. Sie fuhren auf die graue Skyline am Horizont zu, überquerten eine Brücke und rauschten endlich nach Manhattan hinein, durch Häuserschluchten, Mann, die wirklich so hoch waren, wie er sie sich immer vorgestellt hatte, vorbei an grimmig rennenden Menschen in sämtlichen Hautfarben, die der Planet zu bieten hatte. Überall Fahrräder und die gelben Taxis, die er aus tausend Filmen kannte. Und Busse. Und ein silbrig glänzender, unwirklicher Dunst über allem, Abgase vielleicht oder schlicht Dampf, der im Sonnenlicht leuchtete, das unerwartet hell und heiß und intensiv war. New York, Himmel noch mal, er hatte es geschafft! Er war hier, wo er hingehörte: in der Hauptstadt der Welt, im Zentrum aller Dinge, da, wo der Puls der menschlichen Zivilisation schlug. Die Wolkenkratzer wurden höher, die Straßen schmaler: Upper Manhattan. Der Firmensitz, ein grauer, kantiger Bau aus der Gründerzeit, wirkte in echt kleiner als auf den Bildern in den Prospekten. Aber es gab eine eigene Auffahrt, die Limousinen hielten unter einem gediegenen Stoffdach, und man öffnete ihnen die Türen.
In Sachen Show hatten die Amis einfach was los. Wenn es um Auftritt und genau berechnete Wirkung ging, machte ihnen keiner was vor.
Man geleitete sie nach oben, auf eine Art, dass sie sich wie hoch geschätzte Staatsgäste fühlten. Oben vor dem Aufzug begrüßte sie Irving Young, der Leiter Human Ressources höchstpersönlich. Einige der Chefs der diversen Regionen und Märkte standen dabei, und durch offen stehende Türen erhaschte Markus einen Blick in die Büros: traumhaft. Würde er überhaupt arbeiten können vor so einem Panorama? Die Skyline Manhattans, ein Fluss, der in der Sonne glänzte wie Quecksilber… Er konnte es kaum erwarten.
Ich bin da, wo ich hingehöre!, schoss ihm durch den Kopf. Unmöglich, zuzuhören, was Young alles erzählte, zumal er es in ausgesprochen langweiligem Ton tat.
Endlich ging es weiter, eine Treppe hoch, in einen Empfangsraum, in dem Sekt und Häppchen bereitstanden. An den Wänden hingen Illustrationen aus dem letzten Geschäftsbericht. Ein Pult stand bereit. Es war also mit weiteren Reden zu rechnen. Zu Markus’ Überraschung erschien kurz darauf der greise Simon Rowe, der letzte aus der Gründergeneration, hoch in den Neunzigern, aber immer noch Aufsichtsratsvorsitzender. Er ließ es sich nicht nehmen, jedem von ihnen die Hand zu schütteln. Man erzählte, er käme morgens so früh ins Büro, dass er den Nachtportier verabschieden konnte. Die Arbeit hielte ihn am Leben, pflegte er zu erklären. Wenn diese Erklärung in den Medien auftauchte, fehlte selten der Hinweis darauf, dass sich Rowes Partner Eric W. Lakeside dereinst im zarten Alter von 57 Jahren ins Privatleben zurückgezogen hatte, um Golf zu spielen, Rosen zu züchten, mit seiner Segeljacht vor Florida zu kreuzen und mit 63 zu sterben.
Rowe dagegen, der die ersten Module des Softwaresystems, mit dem sie die Finanzwelt beglückten, höchstpersönlich geschrieben hatte, in COBOL seinerzeit, lebte noch. Mit ergreifender Mühe erklomm er die kaum knöchelhohe Plattform, auf der das Pult stand. Oben blinzelte er in die Runde, faltete dann ein Blatt Papier auseinander, das aussah, als trage er es seit Jahrzehnten mit sich herum, und hielt eine Ansprache, die im Wesentlichen betonte, wie glücklich sie sich schätzen konnten, für die beste Firma der Welt zu arbeiten. Das Pathos war ein wenig dick aufgetragen, typisch amerikanisch eben – Markus sah, wie der Franzose in ihrem Team die Nase rümpfte –, aber die Geste als solche beeindruckte.
Als alle dachten, er sei fertig – eine verzeihliche Annahme, da er das Manuskript seiner Rede betulich zusammengefaltet und wieder in seinem Sakko verstaut hatte –, beugte sich der alte Mann über das Mikrofon und sagte: »Denken Sie daran, meine Damen und Herren – Geld regiert die Welt. Das stimmt heute mehr denn je. Die Finanzinstitute, die Banken, Investmentfonds und so weiter – unsere Kunden, mit einem Wort – halten eine unvergleichliche Macht in Händen. Es ist nicht die Macht der Gewehrläufe, es ist eine unblutige, subtile, aber um so wirkungsvollere Macht. Macht aber heißt auch: Verantwortung. Die Entscheidungen, die unsere Kunden treffen, beeinflussen das Leben von Millionen von Menschen. Viele dieser Entscheidungen beruhen auf Daten, die unsere Software liefert. Die Verantwortung dafür, dass diese Daten so genau und so wahrheitsgemäß wie nur irgend menschenmöglich sind – die liegt bei uns. Und was Ihr Projekt angeht, bei Ihnen. Seien Sie sich dessen bitte stets bewusst.« Er nickte mit seinem weitgehend kahlen, nur noch von wenigen weißen Haaren umflorten Schädel. »Ich danke Ihnen.«
Der Seniorchef ging unter Beifall ab. Danach zerfiel die Stimmung von Empfang und Ankunft rasch. Halbleere Sektgläser wurden zurück auf die Tische gestellt, die belegten Brötchen, Käsespieße und Fleischbällchen hörten auf, lecker auszusehen, und schließlich hielt Markus es nicht länger aus. Geradeheraus fragte er, welches ihre Büros sein würden.
»Oh«, sagte Young, ein Mann mit lavendelblauen Augen und einem Lächeln, das wie angeschraubt wirkte, »nicht hier.« Die Entwicklungsabteilung, erfuhr Markus zu seiner maßlosen Enttäuschung, befand sich nicht mehr im Lakeside and Rowe Building, sondern im Gebäude des technischen Service USA-Ost draußen in Pennsylvania, in einem Ort mit dem unwahrscheinlichen Namen Paradise Valley. Seit einem halben Jahr. Aus Kostengründen. Aber es sei schön dort, die Entwickler alle vollauf glücklich. Pocono Mountains, ein Traum. Und nur hundert Meilen von New York entfernt. »Hundert Meilen?«, hörte Markus sich wiederholen.
»Ungefähr«, nickte der Leiter der Human Ressources. »Können auch ein paar mehr sein.«
So ging es mit dem Aufzug wieder hinunter. Tatsächlich: Fast neben jedem Knopf prangte das Namensschild einer anderen Firma. Das war Markus auf der Fahrt hinauf entgangen. Lakeside and Rowe residierten nur noch in den obersten beiden Etagen.
Als sie unten ins Freie traten, waren die Limousinen fort; stattdessen stand ein grauer Bus in der Auffahrt. Ein paar schwarze Bedienstete in blauen Overalls luden gerade ihre Koffer ein.
»Die Mieten in New York sind sowieso unbezahlbar«, meinte der Italiener beim Einsteigen. Silvio hieß er, Silvio Damiano. Man merkte, dass er versuchte, sich seine Enttäuschung schönzureden. »Ich habe gehört, dass manche für eine Einzimmerwohnung mit Klo auf dem Flur so viel Miete bezahlen, wie eine Vierzimmerwohnung in Rom kostet. In Rom!«
»Ja«, nickte Markus grimmig. »Aber das würden sie nicht machen, wenn sie es nicht geil fänden, in New York zu leben.« Silvio ließ sich in einen freien Doppelsitz fallen und schien nichts dagegen zu haben, dass Markus sich neben ihn setzte. »Paradise Valley«, sagte der magere Italiener. »Klingt wie: ›Ende der Welt‹.«
Das Projekt bestand schlicht und einfach darin, LR-8, das neue Softwaresystem, das Ende des Jahres auf dem Markt eingeführt werden sollte, zu lokalisieren.
Lokalisierung bedeutete, alle Programme so anzupassen, dass sie in dem jeweiligen Land einsetzbar waren. Das hieß zum Beispiel, dass in sämtlichen Eingabemasken, Menüs und Ausgabereports die entsprechenden deutschen, italienischen, französischen und so weiter Begriffe eingefügt werden mussten. Es war zu prüfen, dass die richtigen Datumsformate und Zahlendarstellungen verwendet wurden. Benutzerhandbücher und Hilfefunktionen waren zu übersetzen, Schulungsunterlagen zu erstellen und dergleichen mehr.
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Autoren-Porträt von Andreas Eschbach
Andreas Eschbach, geboren 1959, studierte Luft- und Raumfahrttechnik und arbeitete zunächst als Softwareentwickler, bevor er sich ausschliesslich der Schriftstellerei widmete. Er lebt als freier Schriftsteller mit seiner Frau an der französischen Atlantikküste.
Autoren-Interview mit Andreas Eschbach
Interview mit Andreas Eschbach Herr Eschbach, wie viele Literaturpreise haben Sie eigentlich inzwischen gewonnen?
Das weiß ich nicht auswendig, da müsste ich nachzählen gehen. Generell sind mir Literaturpreise nicht so wichtig; wenn ich mitbekomme, dass Leser begeistert nach meinen Büchern greifen, bedeutet mir das viel mehr.
"Der Nobelpreis" erzählt die Geschichte dreister Gangster, die die Mitglieder des Nobelpreis-Komitees unter Druck setzen, um ihren Kandidaten durchzusetzen (darin verstrickt ist ein Schweizer Konzern mit dem wunderbaren Namen "Rütlipharm"). Mit Gunnar Forsberg erleben wir einen eher untypischen Romanhelden. Was zeichnet ihn aus?
Gunnar Forsberg ist ein Einbrecher, ein Industriespion - und stolz darauf. Ein Kämpfer, mit dem nicht zu spaßen ist. Man kann eventuellen Bösewichten nur wünschen, ihm nicht in die Finger zu geraten. Dabei ist er im Grunde eine düstere Figur, verstrickt in einen einsamen Kampf, allein gegen den Rest der Welt. Er sucht trotz allem sein Glück, glaubt aber im Grunde, dass es überhaupt nicht existiert. Genau das ist das Problem, um das es geht - bloß ist Gunnar der Letzte, der das merkt.
Hat die Nobel-Stiftung auf Ihr Buch reagiert? Ist man dort eher verärgert oder amüsiert über die Machenschaften, die Ihr fiktional zugeschrieben werden?
Nein, von der Nobel-Stiftung hat mich keine Reaktion erreicht. Es hätte mich auch gewundert. Denn erstens zieht man es dort vor, über den Dingen zu stehen und sich nicht zu äußern, wenn es nicht sein muss, und zweitens... Nun, selbst wenn das anders wäre: Wer den Roman zu Ende gelesen hat, versteht, warum die Nobel-Stiftung nicht einmal dann Ärger über mein Buch verlauten lassen würde.
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Sie sind nicht der klassische Typus des Fortsetzungsautors, der seinen Helden, dem Genre und den Themen treu bleibt und leicht einzuordnen wäre. Woher rührt das? Was wird bei Ihnen zum Romanstoff?
Die Idee, die mich anhaltend fasziniert. Und ich habe einfach relativ unterschiedliche Ideen. Das war am Anfang durchaus nicht unproblematisch, weil Verleger das nicht so gerne sehen. Inzwischen erwarten meine Leser aber, glaube ich, fast von mir, "Haken zu schlagen", und so sehe ich mich in der angenehmen Situation, im Grunde schreiben zu können, was ich will.
Als Konstante führen Sie das "Marsprojekt" fort. Was ist die größere Herausforderung - originell an eine bestehende Geschichte anzuknüpfen oder einen völlig unabhängigen Roman zu verfassen?
Also, ganz klar: Es ist wesentlich einfacher, eine Geschichte fortzusetzen. Man kennt die Figuren schon, kennt die Schauplätze - da ergibt sich die Handlung wie von selbst. Wobei es beim "Marsprojekt" so ist, dass ich durchaus einen übergeordneten Handlungsbogen verfolge; es werden insgesamt fünf Bände werden, die mir so weitgehend von Anfang an vor dem inneren Auge standen.
Mit "Mirandas Traum" ist nun auch Ihre Frau Marianne unter die Schriftsteller gegangen. Wie kam es dazu?
Das war nur eine Frage der Zeit. Meine Frau hat immer schon geschrieben, auch schon, ehe wir uns kennen lernten. "Mirandas Traum" ist eine märchenhafte und auch sehr philosophische Erzählung, an der sie buchstäblich zwanzig Jahre lang gefeilt hat, ehe die Geschichte nun zu einem wunderschönen Buch geworden ist. Ich hoffe, dass es viele Leser für sich entdecken werden.
Die Fragen stellte Henrik Flor, Literaturtest.
Die Idee, die mich anhaltend fasziniert. Und ich habe einfach relativ unterschiedliche Ideen. Das war am Anfang durchaus nicht unproblematisch, weil Verleger das nicht so gerne sehen. Inzwischen erwarten meine Leser aber, glaube ich, fast von mir, "Haken zu schlagen", und so sehe ich mich in der angenehmen Situation, im Grunde schreiben zu können, was ich will.
Als Konstante führen Sie das "Marsprojekt" fort. Was ist die größere Herausforderung - originell an eine bestehende Geschichte anzuknüpfen oder einen völlig unabhängigen Roman zu verfassen?
Also, ganz klar: Es ist wesentlich einfacher, eine Geschichte fortzusetzen. Man kennt die Figuren schon, kennt die Schauplätze - da ergibt sich die Handlung wie von selbst. Wobei es beim "Marsprojekt" so ist, dass ich durchaus einen übergeordneten Handlungsbogen verfolge; es werden insgesamt fünf Bände werden, die mir so weitgehend von Anfang an vor dem inneren Auge standen.
Mit "Mirandas Traum" ist nun auch Ihre Frau Marianne unter die Schriftsteller gegangen. Wie kam es dazu?
Das war nur eine Frage der Zeit. Meine Frau hat immer schon geschrieben, auch schon, ehe wir uns kennen lernten. "Mirandas Traum" ist eine märchenhafte und auch sehr philosophische Erzählung, an der sie buchstäblich zwanzig Jahre lang gefeilt hat, ehe die Geschichte nun zu einem wunderschönen Buch geworden ist. Ich hoffe, dass es viele Leser für sich entdecken werden.
Die Fragen stellte Henrik Flor, Literaturtest.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Andreas Eschbach
- 2015, 12. Aufl., 752 Seiten, Masse: 12,5 x 18,4 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404159233
- ISBN-13: 9783404159239
- Erscheinungsdatum: 09.09.2008
Rezension zu „Ausgebrannt “
"Eschbach versteht es glänzend, gut recherchierte, oft frappierende Fakten und Thrillerelemente zu vermengen." Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt "(Glaubhafter) Wirtschafts- und Wissenschaftsthriller über eine vielleicht gar nicht so ferne Vision, die Sie nicht schlafen lassen wird!" Frankfurter Stadtkurier, Frankfurt "Eschbach hat einen deutschen Wissenschaftsthriller geschrieben, der glaubhaft von globalen Problemen erzählt: gute Unterhaltung." Denis Scheck, DeutschlandRadio, Köln
Pressezitat
"Eschbach versteht es glänzend, gut recherchierte, oft frappierende Fakten und Thrillerelemente zu vermengen." Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt "(Glaubhafter) Wirtschafts- und Wissenschaftsthriller über eine vielleicht gar nicht so ferne Vision, die Sie nicht schlafen lassen wird!" Frankfurter Stadtkurier, Frankfurt "Eschbach hat einen deutschen Wissenschaftsthriller geschrieben, der glaubhaft von globalen Problemen erzählt: gute Unterhaltung." Denis Scheck, DeutschlandRadio, Köln
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