Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner
Was würden Sie ändern, wenn Sie die letzten fünf Jahre noch einmal leben könnten? Kati ist mit Felix glücklich, aber nach fünf Jahren hat sich der Alltag in ihr Liebesleben geschlichen - und damit die Zweifel: Ist es...
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Produktinformationen zu „Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner “
Klappentext zu „Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner “
Was würden Sie ändern, wenn Sie die letzten fünf Jahre noch einmal leben könnten? Kati ist mit Felix glücklich, aber nach fünf Jahren hat sich der Alltag in ihr Liebesleben geschlichen - und damit die Zweifel: Ist es überhaupt eine gute Idee, mit ihm alt werden zu wollen? Als sie Mathias kennen lernt und sich in ihn verliebt, wird Katis Leben plötzlich kompliziert. Und turbulent. Besonders, als sie von einer Straßenbahn erfasst wird und im Krankenhaus wieder zu sich kommt. Exakt einen Tag, bevor sie Felix das erste Mal begegnet ist - fünf Jahre zuvor. Würden Sie alles genauso machen, wenn Sie die letzten fünf Jahre noch einmal leben könnten? Was würden Sie ändern? Dieses Mal möchte Kati alles richtig machen - und sich für den richtigen Mann entscheiden.Ein Roman über die große Liebe und das kleine Glück. Und über die Schwierigkeiten, das Schicksal zu überlisten.
Lese-Probe zu „Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner “
Auf der anderen Seite ist das Gras viel grüner von Kerstin GierMan sollte eigentlich im Leben niemals
die gleiche Dummheit zweimal machen,
denn die Auswahl ist so groß.
Bertrand Russell
... mehr
»Also, wenn ich mich in drei Adjektiven beschreiben müsste, würde ich sagen: Erstens: Ein Typ zum Pferdestehlen, zweitens: FKK-Anhänger und drittens: allen Späßen und Flirts gegenüber aufgeschlossen. Na?« Der Mann neben mir legte neckisch seinen Kopf schief.
Erstens: Niemand will, dass Sie sich in drei Adjektiven beschreiben. Zweitens: Das waren auch überhaupt keine Adjektive und drittens: Womit habe ich das verdient? Das sagte ich aber nicht laut. Ich hatte mich innerlich noch nicht auf eine Abwehrstrategie festgelegt und schwieg daher mit möglichst ausdruckslosem Gesicht, während ich überlegte, was ich für Optionen hatte. Weggehen schied schon mal aus: Der verdammte Zug war bis auf den »Ähm, also«, sagte ich und klappte mein Notebook auf. »Erstens bin ich glücklich verheiratet, zweitens muss ich jetzt ein paar dringende Mails beantworten, und drittens ... « Der Laptop gab einen alarmierenden Piepton von sich.
»Und drittens ist Ihr Akku leer und hier ist nirgendwo Strom.« Der Mann lehnte sich mit einem schadenfrohen Grinsen zurück. »Wir haben also alle Zeit der Welt für ein kleines Schwätzchen, Schätzchen. Haha, das reimt sich, haben Sie das gemerkt?«
Sei still, Bill. Halt´s Maul, Paul.
»Was machen Sie denn beruflich, dass Sie sogar abends im Zug arbeiten müssen?«
Wenn Sie nicht wären oder meine geizige Chefin noch eine Hotelübernachtung spendiert hätte, müsste ich ja gar nicht arbeiten beziehungsweise so tun als ob. Dann könnte ich mich jetzt von sechzehn angehenden Führungskräften erholen, die mich den ganzen Tag skeptisch angestarrt haben. Der Laptop-Akku war tatsächlich leer. Ich kramte in meiner Handtasche nach meinem Kalender, einem Stift und dem Handy. Irgendwie musste ich ja Arbeit vortäuschen, denn wir hatten Berlin gerade erst hinter uns gelassen.
»Also, wenn ich raten müsste ... «, sagte Bill.
»Business Coaching und Training«, murmelte ich schnell. »Und wie gesagt, ich müsste ein paar sehr dringende Mails ... ähm, SMS ... « Geschäftig drückte ich auf dem Handy herum. Felix hatte auf meine letzte SMS geantwortet: Bei mir wird es auch spät, ich bringe uns was vom Chinesen mit. Sofort bekam ich Hunger. Und Sehnsucht nach Felix. Und einer Dusche.
»Karrierefrau, hm?« Bill beugte sich zu mir herüber. »Bei dem Dekolletee hätte ich eher auf etwas Kreatives getippt. Kindergärtnerin, zum Beispiel.«
Ich musste mich sehr zusammennehmen, um so zu tun, als hätte ich nichts gehört. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass man sich auf gar keinen Fall gesprächsbereit zeigen darf, sonst hat man am Ende der Fahrt nicht nur Sabber auf der Wange kleben, sondern auch zugesagt, ein halbes Rind zu kaufen oder eine Niere zu spenden. Angestrengt tippte ich weiter auf dem Handy herum. Ups, jetzt hatte ich nicht nur Felix´ SMS gelöscht, sondern alle, die sich in meinem Speicher befunden hatten. Na, egal, ich hatte die Nummern ja in meinem Telefonbuch gespeichert. Da stand Felix gleich zwischen meiner Schwester Eva und Fischbach, unserem Hausmeister.
»Und jetzt raten Sie mal, was ich beruflich mache, Schätzchen.«
Freue mich sehr auf chinesisch, schrieb ich an Felix und setzte nach kurzem Überlegen noch hinzu: Hätte auch nichts gegen französisch. Ein paar Anzüglichkeiten zur Auffrischung unseres Liebeslebens konnten nichts schaden. In den letzten Monaten hatten wir das doch ziemlich vernachlässigt.
»Produkttester! «, brüllte Bill Käsefuß triumphierend, und vor lauter Schreck drückte ich auf »senden«. »Und das ist noch viel interessanter, als es sich anhört. Raten Sie mal, was ich diese Woche teste.«
Deo war es jedenfalls schon mal nicht. Ich unterdrückte einen Seufzer und schrieb stattdessen eine SMS an Marlene. Du schuldest mir was. Arrogante, unbelehrbare Möchtegern-Führungskräfte-Krawattenjunkies haben mich fertig gemacht. Der obligatorische Zug-Irre gibt mir gerade den Rest. An dieser Stelle hielt ich kurz inne. Marlene und ich arbeiteten bei G&G Impulse Consulting, einer kleinen Firma für Personal- und Managementcoaching, und ich hatte dieses Seminar in Berlin kurzfristig für Marlene übernehmen müssen. Führungs- und Managementkompetenz war nicht mein Fachgebiet, und immer, wenn ich ein solches Seminar leiten musste, wusste ich auch wieder, warum. Die Seminarteilnehmer waren wie ein Rudel wilder Hunde, sie spürten, wenn jemand Angst vor ihnen hatte. Und sie wollten sich von jemandem, der selber offensichtlich keine Führungsqualitäten aufzuweisen hatte, nichts über selbige beibringen lassen. Wäre ihr Chef nicht anwesend gewesen, den Marlene von früher kannte und über den G&G den Auftrag bekommen hatte, sie hätten mich zerfleischt. Bei der Erinnerung daran musste ich lächeln. Ich war so aufgeregt gewesen, dass mir beinahe entgangen wäre, dass er auch ein bisschen mit mir geflirtet hatte. Allerdings hattest du recht, was die Chefkrawatte angeht - sehr süßer Arsch, tippte ich. In Wirklichkeit hatte ich keine Ahnung, wie sein Hintern ausgesehen hatte. Aber er hatte schöne Augen gehabt und so eine ganz besondere Ausstrahlung von natürlicher Autorität und Freundlichkeit. Obwohl ich Käsefuß-Bills Blicke auf mir ruhen fühlte, gestattete ich mir einen winzig kleinen Seufzer. Mathias Lenzen, Leiter Human Resources. Ich hatte seinen Namen zusammen mit seiner Handynummer gespeichert, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass ich sie jemals noch mal brauchen würde, bei Null lag. Denn erstens würde Marlene das nächste Seminar wieder selber übernehmen, und zweitens hatte ich Felix und daher gar kein Interesse an Flirts mit anderen Männern, egal, wie nett ihr Lächeln auch sein mochte. Auch wenn dieses wirklich ganz besonders nett ge ...
»Letzte Woche waren es italienische Rotweine und ein Haarglätter!« Bill schreckte mich aus meinen Gedanken. »Diese Woche sind es ein Knoblauchschäler, eine Kamera und Funktionsunterwäsche, und nächste Woche kann es schon ein Ferrari sein.«
Ich beugte mich hastig wieder über das Handy und drückte auf »senden«, womit ich, ohne es zu ahnen, die Dinge in Bewegung brachte oder, wie meine Kollegin Linda sagen würde,
dem »Karussell des Universums« einen kräf- tigen Schubs versetzte. Und nur, weil ich zu blöd war, ein Handy richtig zu bedienen.
Alles, was passiert, passiere aus gutem Grund, sagte Linda immer. Weil es passieren müsse. Weil für unser Leben von Bedeutung sei, was immer geschehe, auch wenn wir den Grund nicht immer sofort erkennen könnten. Und genau deshalb sollten wir dankbar sein für alles, was uns zustieße oder was wir höchstpersönlich verbockten. Linda zum Beispiel war auch dann noch voller Dankbarkeit, wenn sie mit ihrem Absatz in einem Gulli stecken blieb. Das hatte das Universum - laut Linda - nämlich nur geschickt eingefädelt, damit sie bei der Suche nach neuen Schuhen im Laden eine alte Schulfreundin wiedertreffen konnte, die sie spontan zu ihrer Geburtstagsparty einlud, auf welcher sie dann - voilà! - den Mann ihres Lebens kennenlernte.
Im Prinzip ein schöner Gedanke, oder? All die unschönen Momente im Leben, vom gerissenen BH-Träger (mitten während eines Vorstellungsgesprächs, ich werde immer noch rot, wenn ich daran denke) bis zur verpassten Straßenbahn, all die Begegnungen mit Verrückten und Käsefüßen hätten einen tieferen Sinn und dienten einem höheren Zweck und am Ende durfte man sogar noch dankbar dafür sein - herrlich! Aber leider konnte man Linda nicht wirklich ernst nehmen. Den Mann ihres Lebens lernte sie nämlich zwei- bis sechsmal im Jahr kennen, überdies ging sie auf sogenannte »Kuschelpartys« und traf sich regelmäßig auf
imaginären Regenbogenbrücken mit geschlechtlich nicht näher spezifizierten Wesenheiten, die ihr zum Beispiel zum Kauf eines grünen Pullovers rieten. Auch sonst ließ sie kein
esoterisches Klischeefeld unbesetzt: Sie behauptete, dass man vor den Meetings Salz in die Ecken eines Raums streuen soll, um für bessere Stimmung zu sorgen, dass man sich freie Parkplätze durch pure Willenskraft herbeiwünschen kann und dass unsere Chefin tief in ihrem Inneren »ein ganz lieber Mensch« sei, das sähe sie an ihrer Aura. Deshalb schied Linda für mich als Autorität in Sachen Schicksalsfügung aus, und deshalb passieren manche Dinge wohl ohne triftigen Grund, ohne tieferen Sinn - und dankbar muss man dafür auch nicht zwingend sein. Oder an diesem speziellen Fall erklärt: Hätte ich nicht für Marlene das Seminar übernehmen, nicht in diesem Zug sitzen, nicht wegen des stalkenden Produkttesters Arbeit vortäuschen müssen, hätte ich auch niemals diese SMS geschrieben und die blauen Augen und das nette Lächeln spätestens in ein paar Tagen vollkommen vergessen.
Bill bohrte in seiner Nase. Ich sah es ganz genau, obwohl ich überhaupt nicht hinschaute. »Kondome durfte ich auch schon mal testen. Sagen Sie mal, hören Sie mir überhaupt zu?«
Und wie ich zuhörte. Ich hoffte nur, dass er es mir nicht ansah. Sitze neben beklopptem Kondomtester und finde mein Leben gerade wieder mal suboptimal, simste ich meiner Schwester. Linda bekam auch eine SMS. Selbst du hättest Probleme, die guten Seiten meines Sitznachbars zu erkennen. Wette, sein persönliches Krafttier ist ein Nacktmull und seine Aura hat die Farbe von Popel, welche er übrigens auch gerne isst. Bevor der Zug in den nächsten Bahnhof einlief, hatte ich fünfzehn SMS abgeschickt, darunter auch eine an meine Mama (Ich weiß, dass du dein Handy nie eingeschaltet hast, das hier schreibe ich auch nur, weil ich so tun muss, als ob ich arbeite), und sicher wären es bis Köln
noch sehr viel mehr geworden, wenn Bill nicht überraschend in Wolfsburg ausgestiegen wäre. Ich starrte ihn ungläubig an, als er seine Sachen zusammensuchte.
»Leider ist unser hübsches Intermezzo nun schon zu Ende. Aber man sieht sich!« Er reichte mir zum Abschied eine Visitenkarte. »Sie finden mich übrigens auch bei Facebook.« Mit einem vielsagenden Zwinkern verschwand er - und mit ihm der Käsefußgeruch.
Ich konnte mein Glück kaum fassen. Du wirst es nicht glauben, aber der Zug-Irre heißt tatsächlich Habenschaden mit Nachnamen, simste ich meiner Schwester.
Leise vor mich hinkichernd lehnte ich mich zurück und wollte mich gerade für den Rest der Fahrt entspannen, als das Handy eine eingehende SMS ankündigte. Es war Hausmeister Fischbach. Oh lala, verehrte Frau Wedekind, danke für das Angebot, ich komme nächste Woche dann mal wegen der Entlüftung der Heizung vorbei. Ihr Hermann Fischbach. P.S. Lieber französisch als chinesisch, wenn ich wählen darf. Noch während ich fassungslos auf das Display starrte und versuchte zu verstehen, was das zu bedeuten hatte, trudelte eine weitere SMS ein. Von meiner Schwiegermutter, perfekt mit Groß- und Kleinschreibung sowie Interpunktion. Wie lieb, dass du dich mal meldest, Herzchen. Es tut mir leid, dass dein Sitznachbar keine Manieren hat. Wenn ihr am Sonntag zum Mittagessen kommt, könnt ihr euch auf Sauer- braten freuen. Viele Grüße von Luise.
Mir dämmerte, was passiert sein musste: Luise stand in meinem Telefonbuch unter Linda, und Fischbach kam gleich nach Felix. Was bedeutete, dass ich ... oh, nein! So blöd konnte ich doch bitte nicht gewesen sein! Da, wieder eine SMS. Von Mathias Lenzen, dem Human-Resources-Mann mit dem netten Lächeln, der im Verzeichnis gleich hinter Marlene stand. Ich wagte sie kaum zu öffnen. Als ich es schließlich doch tat, glühten meine Wangen.
Die Möchtegern-Führungskräfte sind halt noch Möchtegerns. Und weit entfernt davon, jemanden wie Sie fertig machen zu können. Danke übrigens
für das Kompliment meinen Hintern betreffend. Ich fand Ihren auch sehr hübsch.
Komischerweise hatte ich beim Lesen sofort wieder seine Stimme im Kopf - und die Lachfältchen um seine Augen. Ich grübelte, was ich zurückschreiben konnte, ohne alles noch schlimmer zu machen. Dass es sich um eine fehlgeleitete SMS handelte, lag ja wohl auf der Hand. Eigentlich fand ich Ihre Leute gar nicht so übel - würde nur schleimig wirken. Es war die Rede von einem anderen Seminar - würde er mir wohl nicht abnehmen. Ich freue mich sehr, dass Sie meinen Hintern hübsch fanden ging natürlich überhaupt nicht. Gerne hätte ich klargestellt, dass ich das Wort »Arsch« normalerweise nicht benutzte, aber was hätte er wohl mit dieser Information anfangen können?
Schließlich schrieb ich: Ihre war nur eine von fünfzehn SMS, die an den falschen Empfänger gingen, und es ist noch nicht mal die peinlichste. Mein Hausmeister glaubt, ich hätte ihm ein unmoralisches Angebot unterbreitet. Im Boden versunkene Grüße.
Dann starrte ich sehr lange auf das Display, aber es kam keine Antwort mehr, nur noch eine SMS von Marlene, in der stand: Muss ich mir Sorgen machen, weil du mich Mama nennst? Darmspiegelung war übrigens superlustig, danke der Nachfrage.
Ich musste grinsen. Wenigstens hatte ich die Darmspiegelung in meiner fehlgeleiteten Mail nicht erwähnt - dafür konnte ich doch wirklich dankbar sein.
...
»Also, wenn ich mich in drei Adjektiven beschreiben müsste, würde ich sagen: Erstens: Ein Typ zum Pferdestehlen, zweitens: FKK-Anhänger und drittens: allen Späßen und Flirts gegenüber aufgeschlossen. Na?« Der Mann neben mir legte neckisch seinen Kopf schief.
Erstens: Niemand will, dass Sie sich in drei Adjektiven beschreiben. Zweitens: Das waren auch überhaupt keine Adjektive und drittens: Womit habe ich das verdient? Das sagte ich aber nicht laut. Ich hatte mich innerlich noch nicht auf eine Abwehrstrategie festgelegt und schwieg daher mit möglichst ausdruckslosem Gesicht, während ich überlegte, was ich für Optionen hatte. Weggehen schied schon mal aus: Der verdammte Zug war bis auf den »Ähm, also«, sagte ich und klappte mein Notebook auf. »Erstens bin ich glücklich verheiratet, zweitens muss ich jetzt ein paar dringende Mails beantworten, und drittens ... « Der Laptop gab einen alarmierenden Piepton von sich.
»Und drittens ist Ihr Akku leer und hier ist nirgendwo Strom.« Der Mann lehnte sich mit einem schadenfrohen Grinsen zurück. »Wir haben also alle Zeit der Welt für ein kleines Schwätzchen, Schätzchen. Haha, das reimt sich, haben Sie das gemerkt?«
Sei still, Bill. Halt´s Maul, Paul.
»Was machen Sie denn beruflich, dass Sie sogar abends im Zug arbeiten müssen?«
Wenn Sie nicht wären oder meine geizige Chefin noch eine Hotelübernachtung spendiert hätte, müsste ich ja gar nicht arbeiten beziehungsweise so tun als ob. Dann könnte ich mich jetzt von sechzehn angehenden Führungskräften erholen, die mich den ganzen Tag skeptisch angestarrt haben. Der Laptop-Akku war tatsächlich leer. Ich kramte in meiner Handtasche nach meinem Kalender, einem Stift und dem Handy. Irgendwie musste ich ja Arbeit vortäuschen, denn wir hatten Berlin gerade erst hinter uns gelassen.
»Also, wenn ich raten müsste ... «, sagte Bill.
»Business Coaching und Training«, murmelte ich schnell. »Und wie gesagt, ich müsste ein paar sehr dringende Mails ... ähm, SMS ... « Geschäftig drückte ich auf dem Handy herum. Felix hatte auf meine letzte SMS geantwortet: Bei mir wird es auch spät, ich bringe uns was vom Chinesen mit. Sofort bekam ich Hunger. Und Sehnsucht nach Felix. Und einer Dusche.
»Karrierefrau, hm?« Bill beugte sich zu mir herüber. »Bei dem Dekolletee hätte ich eher auf etwas Kreatives getippt. Kindergärtnerin, zum Beispiel.«
Ich musste mich sehr zusammennehmen, um so zu tun, als hätte ich nichts gehört. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass man sich auf gar keinen Fall gesprächsbereit zeigen darf, sonst hat man am Ende der Fahrt nicht nur Sabber auf der Wange kleben, sondern auch zugesagt, ein halbes Rind zu kaufen oder eine Niere zu spenden. Angestrengt tippte ich weiter auf dem Handy herum. Ups, jetzt hatte ich nicht nur Felix´ SMS gelöscht, sondern alle, die sich in meinem Speicher befunden hatten. Na, egal, ich hatte die Nummern ja in meinem Telefonbuch gespeichert. Da stand Felix gleich zwischen meiner Schwester Eva und Fischbach, unserem Hausmeister.
»Und jetzt raten Sie mal, was ich beruflich mache, Schätzchen.«
Freue mich sehr auf chinesisch, schrieb ich an Felix und setzte nach kurzem Überlegen noch hinzu: Hätte auch nichts gegen französisch. Ein paar Anzüglichkeiten zur Auffrischung unseres Liebeslebens konnten nichts schaden. In den letzten Monaten hatten wir das doch ziemlich vernachlässigt.
»Produkttester! «, brüllte Bill Käsefuß triumphierend, und vor lauter Schreck drückte ich auf »senden«. »Und das ist noch viel interessanter, als es sich anhört. Raten Sie mal, was ich diese Woche teste.«
Deo war es jedenfalls schon mal nicht. Ich unterdrückte einen Seufzer und schrieb stattdessen eine SMS an Marlene. Du schuldest mir was. Arrogante, unbelehrbare Möchtegern-Führungskräfte-Krawattenjunkies haben mich fertig gemacht. Der obligatorische Zug-Irre gibt mir gerade den Rest. An dieser Stelle hielt ich kurz inne. Marlene und ich arbeiteten bei G&G Impulse Consulting, einer kleinen Firma für Personal- und Managementcoaching, und ich hatte dieses Seminar in Berlin kurzfristig für Marlene übernehmen müssen. Führungs- und Managementkompetenz war nicht mein Fachgebiet, und immer, wenn ich ein solches Seminar leiten musste, wusste ich auch wieder, warum. Die Seminarteilnehmer waren wie ein Rudel wilder Hunde, sie spürten, wenn jemand Angst vor ihnen hatte. Und sie wollten sich von jemandem, der selber offensichtlich keine Führungsqualitäten aufzuweisen hatte, nichts über selbige beibringen lassen. Wäre ihr Chef nicht anwesend gewesen, den Marlene von früher kannte und über den G&G den Auftrag bekommen hatte, sie hätten mich zerfleischt. Bei der Erinnerung daran musste ich lächeln. Ich war so aufgeregt gewesen, dass mir beinahe entgangen wäre, dass er auch ein bisschen mit mir geflirtet hatte. Allerdings hattest du recht, was die Chefkrawatte angeht - sehr süßer Arsch, tippte ich. In Wirklichkeit hatte ich keine Ahnung, wie sein Hintern ausgesehen hatte. Aber er hatte schöne Augen gehabt und so eine ganz besondere Ausstrahlung von natürlicher Autorität und Freundlichkeit. Obwohl ich Käsefuß-Bills Blicke auf mir ruhen fühlte, gestattete ich mir einen winzig kleinen Seufzer. Mathias Lenzen, Leiter Human Resources. Ich hatte seinen Namen zusammen mit seiner Handynummer gespeichert, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass ich sie jemals noch mal brauchen würde, bei Null lag. Denn erstens würde Marlene das nächste Seminar wieder selber übernehmen, und zweitens hatte ich Felix und daher gar kein Interesse an Flirts mit anderen Männern, egal, wie nett ihr Lächeln auch sein mochte. Auch wenn dieses wirklich ganz besonders nett ge ...
»Letzte Woche waren es italienische Rotweine und ein Haarglätter!« Bill schreckte mich aus meinen Gedanken. »Diese Woche sind es ein Knoblauchschäler, eine Kamera und Funktionsunterwäsche, und nächste Woche kann es schon ein Ferrari sein.«
Ich beugte mich hastig wieder über das Handy und drückte auf »senden«, womit ich, ohne es zu ahnen, die Dinge in Bewegung brachte oder, wie meine Kollegin Linda sagen würde,
dem »Karussell des Universums« einen kräf- tigen Schubs versetzte. Und nur, weil ich zu blöd war, ein Handy richtig zu bedienen.
Alles, was passiert, passiere aus gutem Grund, sagte Linda immer. Weil es passieren müsse. Weil für unser Leben von Bedeutung sei, was immer geschehe, auch wenn wir den Grund nicht immer sofort erkennen könnten. Und genau deshalb sollten wir dankbar sein für alles, was uns zustieße oder was wir höchstpersönlich verbockten. Linda zum Beispiel war auch dann noch voller Dankbarkeit, wenn sie mit ihrem Absatz in einem Gulli stecken blieb. Das hatte das Universum - laut Linda - nämlich nur geschickt eingefädelt, damit sie bei der Suche nach neuen Schuhen im Laden eine alte Schulfreundin wiedertreffen konnte, die sie spontan zu ihrer Geburtstagsparty einlud, auf welcher sie dann - voilà! - den Mann ihres Lebens kennenlernte.
Im Prinzip ein schöner Gedanke, oder? All die unschönen Momente im Leben, vom gerissenen BH-Träger (mitten während eines Vorstellungsgesprächs, ich werde immer noch rot, wenn ich daran denke) bis zur verpassten Straßenbahn, all die Begegnungen mit Verrückten und Käsefüßen hätten einen tieferen Sinn und dienten einem höheren Zweck und am Ende durfte man sogar noch dankbar dafür sein - herrlich! Aber leider konnte man Linda nicht wirklich ernst nehmen. Den Mann ihres Lebens lernte sie nämlich zwei- bis sechsmal im Jahr kennen, überdies ging sie auf sogenannte »Kuschelpartys« und traf sich regelmäßig auf
imaginären Regenbogenbrücken mit geschlechtlich nicht näher spezifizierten Wesenheiten, die ihr zum Beispiel zum Kauf eines grünen Pullovers rieten. Auch sonst ließ sie kein
esoterisches Klischeefeld unbesetzt: Sie behauptete, dass man vor den Meetings Salz in die Ecken eines Raums streuen soll, um für bessere Stimmung zu sorgen, dass man sich freie Parkplätze durch pure Willenskraft herbeiwünschen kann und dass unsere Chefin tief in ihrem Inneren »ein ganz lieber Mensch« sei, das sähe sie an ihrer Aura. Deshalb schied Linda für mich als Autorität in Sachen Schicksalsfügung aus, und deshalb passieren manche Dinge wohl ohne triftigen Grund, ohne tieferen Sinn - und dankbar muss man dafür auch nicht zwingend sein. Oder an diesem speziellen Fall erklärt: Hätte ich nicht für Marlene das Seminar übernehmen, nicht in diesem Zug sitzen, nicht wegen des stalkenden Produkttesters Arbeit vortäuschen müssen, hätte ich auch niemals diese SMS geschrieben und die blauen Augen und das nette Lächeln spätestens in ein paar Tagen vollkommen vergessen.
Bill bohrte in seiner Nase. Ich sah es ganz genau, obwohl ich überhaupt nicht hinschaute. »Kondome durfte ich auch schon mal testen. Sagen Sie mal, hören Sie mir überhaupt zu?«
Und wie ich zuhörte. Ich hoffte nur, dass er es mir nicht ansah. Sitze neben beklopptem Kondomtester und finde mein Leben gerade wieder mal suboptimal, simste ich meiner Schwester. Linda bekam auch eine SMS. Selbst du hättest Probleme, die guten Seiten meines Sitznachbars zu erkennen. Wette, sein persönliches Krafttier ist ein Nacktmull und seine Aura hat die Farbe von Popel, welche er übrigens auch gerne isst. Bevor der Zug in den nächsten Bahnhof einlief, hatte ich fünfzehn SMS abgeschickt, darunter auch eine an meine Mama (Ich weiß, dass du dein Handy nie eingeschaltet hast, das hier schreibe ich auch nur, weil ich so tun muss, als ob ich arbeite), und sicher wären es bis Köln
noch sehr viel mehr geworden, wenn Bill nicht überraschend in Wolfsburg ausgestiegen wäre. Ich starrte ihn ungläubig an, als er seine Sachen zusammensuchte.
»Leider ist unser hübsches Intermezzo nun schon zu Ende. Aber man sieht sich!« Er reichte mir zum Abschied eine Visitenkarte. »Sie finden mich übrigens auch bei Facebook.« Mit einem vielsagenden Zwinkern verschwand er - und mit ihm der Käsefußgeruch.
Ich konnte mein Glück kaum fassen. Du wirst es nicht glauben, aber der Zug-Irre heißt tatsächlich Habenschaden mit Nachnamen, simste ich meiner Schwester.
Leise vor mich hinkichernd lehnte ich mich zurück und wollte mich gerade für den Rest der Fahrt entspannen, als das Handy eine eingehende SMS ankündigte. Es war Hausmeister Fischbach. Oh lala, verehrte Frau Wedekind, danke für das Angebot, ich komme nächste Woche dann mal wegen der Entlüftung der Heizung vorbei. Ihr Hermann Fischbach. P.S. Lieber französisch als chinesisch, wenn ich wählen darf. Noch während ich fassungslos auf das Display starrte und versuchte zu verstehen, was das zu bedeuten hatte, trudelte eine weitere SMS ein. Von meiner Schwiegermutter, perfekt mit Groß- und Kleinschreibung sowie Interpunktion. Wie lieb, dass du dich mal meldest, Herzchen. Es tut mir leid, dass dein Sitznachbar keine Manieren hat. Wenn ihr am Sonntag zum Mittagessen kommt, könnt ihr euch auf Sauer- braten freuen. Viele Grüße von Luise.
Mir dämmerte, was passiert sein musste: Luise stand in meinem Telefonbuch unter Linda, und Fischbach kam gleich nach Felix. Was bedeutete, dass ich ... oh, nein! So blöd konnte ich doch bitte nicht gewesen sein! Da, wieder eine SMS. Von Mathias Lenzen, dem Human-Resources-Mann mit dem netten Lächeln, der im Verzeichnis gleich hinter Marlene stand. Ich wagte sie kaum zu öffnen. Als ich es schließlich doch tat, glühten meine Wangen.
Die Möchtegern-Führungskräfte sind halt noch Möchtegerns. Und weit entfernt davon, jemanden wie Sie fertig machen zu können. Danke übrigens
für das Kompliment meinen Hintern betreffend. Ich fand Ihren auch sehr hübsch.
Komischerweise hatte ich beim Lesen sofort wieder seine Stimme im Kopf - und die Lachfältchen um seine Augen. Ich grübelte, was ich zurückschreiben konnte, ohne alles noch schlimmer zu machen. Dass es sich um eine fehlgeleitete SMS handelte, lag ja wohl auf der Hand. Eigentlich fand ich Ihre Leute gar nicht so übel - würde nur schleimig wirken. Es war die Rede von einem anderen Seminar - würde er mir wohl nicht abnehmen. Ich freue mich sehr, dass Sie meinen Hintern hübsch fanden ging natürlich überhaupt nicht. Gerne hätte ich klargestellt, dass ich das Wort »Arsch« normalerweise nicht benutzte, aber was hätte er wohl mit dieser Information anfangen können?
Schließlich schrieb ich: Ihre war nur eine von fünfzehn SMS, die an den falschen Empfänger gingen, und es ist noch nicht mal die peinlichste. Mein Hausmeister glaubt, ich hätte ihm ein unmoralisches Angebot unterbreitet. Im Boden versunkene Grüße.
Dann starrte ich sehr lange auf das Display, aber es kam keine Antwort mehr, nur noch eine SMS von Marlene, in der stand: Muss ich mir Sorgen machen, weil du mich Mama nennst? Darmspiegelung war übrigens superlustig, danke der Nachfrage.
Ich musste grinsen. Wenigstens hatte ich die Darmspiegelung in meiner fehlgeleiteten Mail nicht erwähnt - dafür konnte ich doch wirklich dankbar sein.
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Autoren-Porträt von Kerstin Gier
Kerstin Gier, geboren 1966, ist seit 1995 als selbstständige Schriftstellerin tätig und hatte schon mit ihren ersten Büchern riesigen Erfolg. Inzwischen hat sie zahlreiche Romane für Erwachsene und Jugendliche geschrieben, die regelmäßig auf den Bestsellerlisten stehen. Die DeLIA-Preisträgerin lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Bergisch Gladbach.
Bibliographische Angaben
- Autor: Kerstin Gier
- 2011, 282 Seiten, Masse: 13,5 x 21,5 cm, Klappenbroschur, Deutsch
- ISBN-10:
- ISBN-13: 4250968807784
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