Alle Wege führen nach Morden
Kriminalroman
Trixi Gellert geht für ihren neuen Reiseführer auf Recherche- Reise nach Norderney. Doch statt Urlaubsparadiesen findet sie dort eine tote Umweltaktivistin. Und plötzlich steckt Trixi mitten in einer Mörder-Jagd.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Alle Wege führen nach Morden “
Trixi Gellert geht für ihren neuen Reiseführer auf Recherche- Reise nach Norderney. Doch statt Urlaubsparadiesen findet sie dort eine tote Umweltaktivistin. Und plötzlich steckt Trixi mitten in einer Mörder-Jagd.
Klappentext zu „Alle Wege führen nach Morden “
Trixi Gellert liebt das Leben, weniger allerdings den Teil, der da Arbeit heisst. Ihre neue Reiseführer-Idee kommt aber so gut an, dass Trixi gleich auf Recherchereise geschickt wird. Nach Norderney. Zwischen Reisebussen, Strandkörben und Campingkochern findet sie jedoch nicht das versprochene Urlaubsparadies, sondern eine tote Umweltaktivistin. Statt verschiedenste Urlaubsmodelle zu testen - absurd teuer, familienfreundlich oder naturverbunden - macht Trixi Jagd auf den Mörder.
Lese-Probe zu „Alle Wege führen nach Morden “
Alle Wege führen nach Morden von Christiane Güth
»Liebe Kolleginnen und Kollegen. Dass Sie mich jetzt und hier stehen sehen, grenzt an ein Wunder, denn eigentlich sollte ich heute längst in meinem finsteren, kalten Grab liegen.«
Bernold Bellersen, dicklicher Erbe und Geschäftsführer eines der renommiertesten Reiseführerverlage, stand auf einer kleinen Bühne vor einem Mikrophonständer, erhob das Glas und prostete seinen Mitarbeitern zu.
Ohne auf das Raunen im Publikum zu achten, leerte er seine Champagnerflöte in einem Zug, kniff die tief liegenden Äuglein zusammen und spähte in die Runde.
»Wie Sie alle wissen, bin ich nur knapp einem perfiden Anschlag entgangen. Doch zum Glück habe ich mein Leben dem beherzten Eingreifen einer Dame zu verdanken, die heute auch hier ist: unserem jungen und mutigen Fräulein Gellert!«
Verhaltener Applaus. Ich hatte gerade einen großen Teller mit einer Auswahl exquisiter Vorspeisen beladen, als mein Herzschlag für einen Moment aussetzte.
Alle Blicke richteten sich auf mich, während Bellersen mir mit einem hektischen Winken zu verstehen gab, auf der Bühne zu erscheinen.
... mehr
Ich fühlte, wie ich rot anlief und kurzatmig wurde. Die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Unternehmensjubiläum des Reiseführerverlags Bellersen hatte ich mir doch vollkommen anders vorgestellt. Okay. Vor einigen Monaten war es mir, Trixi Gellert, groß, blond und blutjunge 31, tatsächlich gelungen, den geplanten Mord an Bernold Bellersen zu vereiteln. Ich hatte diese Episode allerdings längst unter spannend, aber nicht zu wiederholen abgelegt. Schließlich war ich nur eine Redaktionsaushilfe gewesen, die die Chronik des Verlagshauses geschrieben hatte. Und das auch noch unfreiwillig. Normalerweise hielt ich nämlich nichts von stumpfer Büroarbeit. Nur unter großem finanziellen Druck hatte ich diesen befristeten Job angenommen - und entgegen meinem Naturell sogar zu Ende gebracht. Danach war ich einfach nur heilfroh gewesen, die Anstalt des Schreckens nicht mehr betreten zu müssen. Bis auf einen fetten Scheck und eine vielversprechende Romanze bot der Verlag nicht viel Abwechslung.
Und nun das. Statt einen unbeschwerten Abend mit Small Talk und kostenlosen Speisen und Getränken zu verbringen, wurde ich gegen meinen Willen ins Rampenlicht beordert. Mit knurrendem Magen bahnte ich mir einen Weg durch die Menge. Kurz vor dem schmalen Treppenaufgang erblickte ich Robert van Gendt inmitten einer Gruppe mir unbekannter Frauen. Ich unterbrach sein teilnahmsloses Klatschen und drückte dem frisch ernannten Redaktionsleiter meinen Teller in die Hand.
»Aber nichts stibitzen«, flüsterte ich ihm zu.
»Keine Sorge, ich mische höchstens etwas Arsen unter Ihren Krabbencocktail«, hörte ich ihn granteln.
Als ich mich die Stufen hinauf hievte, fühlte es sich an, als hätte mir jemand Blei in die Schuhe gekippt. Meine Kehle war wie zugeschnürt, und augenblicklich wurde mir flau. Vor so vielen Menschen hatte ich das letzte Mal als Viertklässlerin gestanden und mit einem Blockflöten-Blackout den lang geprobten Weihnachtsauftritt meiner Klasse vermasselt. Seit diesem Tag waren mir öffentliche Auftritte vor mehr als drei Personen ein Gräuel.
»Hoppla, Fräulein Gellert. Ich beiße nicht. Sie sind doch sonst nicht so zurückhaltend, wenn es ums Feiern geht. Es sollen ruhig alle wissen, was Sie geleistet haben!«
Bellersen schnaubte nickend in die Menge. Als ich in seine Reichweite kam, griff er plötzlich meine Hand und zog mich mit einem Ruck zu sich heran. Mit einer eindeutigen Geste forderte er das Publikum zu einem weiteren Applaus auf. Ein förmliches Händeschütteln mit diesem Grobian hätte ich gerade noch ertragen, aber meine Hand in seiner feuchten Pranke zu fühlen, unsere ungleichen Körper eng aneinandergepresst, ging zu weit. Mir blieb keine andere Wahl als die Flucht nach vorn. Ich riss mich aus dieser peinlichen Verbindung, machte einen Schritt zur Seite und wagte einen Blick in die Menge. Vor der Bühne standen etwa achtzig Mitarbeiter und noch einmal genau so viele Gäste. Zwischen den ehemaligen Kollegen entdeckte ich das Who is Who der Gütersloher Stadtverwaltung, Honoratioren aus Wirtschaft und Kultur sowie einige Vertreter der lokalen Presse und meinen früheren Kinderarzt Dr. Brandwehr, dessen schiefes Lächeln ich auch nach zwanzig Jahren in jeder größeren Menschenmenge orten würde.
Diesmal ohne Aussetzer, zeig es allen!, kommandierte mich meine innere Stimme. Wie durch ein Wunder zeigte dieser Befehl Wirkung. Ich schluckte kurz, dann schnappte ich mir das Mikro vom Ständer.
»Vielen Dank, das ist sehr nett von euch allen - und von Ihnen, Herr Bellersen!«
Was erwarteten die Zuhörer von mir? Ich sah in viele neugierige Gesichter, nicht zuletzt in das meines rundlichen Bosses, der mir gönnerhaft zuzwinkerte.
»Es war mir eine Ehre, Sie vor dem Schlimmsten zu bewahren und für Sie zu arbeiten«, presste ich zwar nicht ehrlich, aber so freundlich wie möglich hervor. »Nun bleibt mir nichts anderes zu sagen, als mich für die Einladung zu bedanken und Ihnen, lieber Herr Bellersen, und euch, liebe Gäste, viel Spaß am Buffet zu wünschen. Haut rein!«
»So kennen wir sie!«, scherzte Bellersen, der schon wieder verdächtig nah zu mir aufgeschlossen hatte. Ohne Vorankündigung legte er seinen massigen Arm um meine Taille und ergriff das Mikro in meiner Hand, um selbst hineinzusprechen.
»Glauben Sie allen Ernstes, so einfach davonzukommen? Wo stünde unser namhaftes Unternehmen ohne mutige und visionäre Menschen wie Sie und mich?«
Konnte Bellersen seine Eigenlobhudelei nicht allein fortführen? Sämtliche Geschichten zu den Verlagsbestsellern, die eigentlich sein Vater - Gott hatte ihn schon lange selig - zu verantworten hatte, kannte ich bereits auswendig. In der Aufbruchstimmung der Nachkriegszeit hatte Bellersen Senior es geschafft, mitten im ostwestfälischen Niemandsland ein kleines Medienimperium aufzubauen. Mit dem richtigen Riecher stillte er das Fernweh der Deutschen und produzierte mit großem Erfolg Reiseführer für alle Ziele und Geldbeutel. Nach seinem tragischen frühen Tod hatte Sohn Bernold die Geschäfte übernommen. Leider mangelte es dem groben Klotz Junior sowohl am richtigen Riecher als auch am erwünschten Erfolg.
Während er meine Taille noch fester umklammerte, glaubte ich, seinen hämmernden Pulsschlag zu spüren. Außerdem umgab Bellersen ein strenger Duft, der mich an vollgesogenes Katzenstreu erinnerte.
»Liebe Kollegen und Freunde des Hauses, wir haben Fräulein Gellert nicht nur mein Leben und somit den Fortbestand unseres Verlages zu verdanken, sondern noch etwas ganz Besonderes. «
Verschwörerisch zog er seine rechte Augenbraue hoch und sah mir dabei von unten ins Gesicht. Dass er einen halben Kopf kleiner war als ich, schien ihn überhaupt nicht zu stören.
»Ich muss zugeben, als Fräulein Gellert sich im letzten Jahr bei uns vorstellte, habe ich sie unterschätzt. Wie sie so vor mir stand, ein langer weiblicher Lulatsch in einer viel zu kurzen Bluse und einem abgewetzten Männersakko.«
Großes Gelächter.
»Man hätte meinen können, sie wollte den Job gar nicht.«
Bingo, Bernold. Treffender hätte ich mich vor großem Publikum auch nicht charakterisieren können. Nachdem Bellersen sich von einem lauten Lacher beruhigt hatte, redete er weiter.
»Doch zu unserer großen Überraschung entpuppte sich diese junge Frau als verlegerisches Naturtalent: kreativ, ein bisschen extravagant in ihrer Arbeitsweise, aber mit der nötigen unternehmerischen Weitsicht.«
Hallo? Jetzt musste Bellersen aber einen Totalblackout haben. Mit wem verwechselte er mich da gerade? Er konnte unmöglich mich meinen. Auch das Publikum schien irritiert - allen voran Robert van Gendt, dem der Mund offen stand. Wehe, er machte sich an meinen Hors d'oeuvres zu schaffen. Bellersen fuhr unbeirrt fort.
»Es ist die Königsidee! Fräulein Gellert hat das beste Buchkonzept entwickelt, das seit langem in diesem Haus vorgestellt wurde.«
Ach du Schande! Ganz langsam dämmerte es mir. Die vermeintliche Königsidee, die ich Bellersen vor wenigen Tagen so nebenbei untergejubelt hatte, stammte überhaupt nicht von mir, sondern war dem Gedankensalat eines pubertierenden Teenagers entkeimt. Meine für ihr Alter deutlich zu schlaue Nichte Rahel hatte mal wieder ihrer Phantasie freien Lauf gelassen und einen Entwurf für eine innovative Reiseführerreihe zu Papier gebracht. Eigentlich wollte die kleine Schlaumeierin sich mit der Idee um ein Schülerpraktikum im Verlag bewerben. Sie hatte mich gefragt, was ich von dem Konzept hielt. Ich fand es ganz passabel und schickte es per Mail an Bernold Bellersen - ohne ihm zu verraten, dass eine unbedarfte 15-Jährige dafür verantwortlich war.
»Um es auf den Punkt zu bringen: Fräulein Gellerts Konzept ist so grandios, dass ich mir langfristig sowohl wirtschaftlich als auch strategisch Großes davon verspreche. Damit der Erfolg nicht durch Informationsweitergabe gefährdet wird, halten wir das Projekt zunächst noch geheim.«
Ich verstand nur Bruchstücke von dem, was Bellersen da gerade von sich gab. Meine Knie zitterten, und ich war beinahe froh, dass das schwitzende Schwergewicht mich so fest umklammerte. Welche Überraschung würde dieser herrische Verlags- Houdini als Nächstes aus seinem XXL-Ärmel zaubern?
»Nur so viel möchte ich verraten: Die Verantwortung für dieses Projekt lege ich vertrauensvoll in vier Hände. In die fleißigen unseres erfahrenen Redaktionsleiters Robert van Gendt und in die hübschen, zarten langen Finger von Fräulein Gellert. Sie beide ernenne ich hiermit offiziell zu den Projektleitern. Und Robert, deine Idee für die ›Reiseführer in die gefährlichsten Krisengebiete‹ verschieben wir aufs nächste Jahr.«
Für mehr als die aushaltbaren drei Sekunden herrschte totale Stille im Innenhof des Verlagsgebäudes.
Bellersen schien das wenig zu interessieren. Er bat van Gendt auf die Bühne, der sogar meinen Teller mitbrachte. Dann gratulierte er uns und schickte uns zurück in die Schar der applaudierenden Gäste.
Robert van Gendt drückte mir meinen Vorspeisenteller in die Hand und stierte mich mit schmalen Lippen an. Auf seiner Glatze funkelten winzige Schweißperlen.
»Da bin ich aber ziemlich gespannt, was für ein Projekt Sie dem guten Bernold aufgetischt haben. Oder besser gesagt, wie Sie es geschafft haben. Mit Ihrer viel zu kurzen Bluse?«
Das musste ja kommen. Redaktionsschnösel van Gendt konnte sich seine Neidnummer sparen. Bis vor wenigen Minuten hatte ich von Bellersens Plänen schließlich selbst nichts gewusst. Wie hätte ich ahnen können, dass Rahels Hirngespinst eine derartige Reaktion hervorrufen würde?
Mit einem nicht ausgesprochenen Vollhonk änderte ich die Richtung und quetschte mich durch die glotzenden Gäste.
Was hatte Bellersen sich bloß bei seiner lausigen Ansprache gedacht? Kaum war das Fundament für mein selbstbestimmtes Leben außerhalb geschlossener Büroräume gegossen, versuchte er es zu zertrümmern. Bis zu meinem dreißigsten Lebensjahr war ich schließlich auch wunderbar ohne Bernold Bellersen und sein absolutistisch geführtes Verlagshaus klargekommen. Nach der Schule hatte ich es zunächst mit einem Journalistikstudium versucht, dann aber gemerkt, dass mir langes Sitzen, feste Arbeitszeiten und zermürbende Kopfarbeit nicht gut bekamen. Und weil das Leben mehr zu bieten hat als Schreibtische und Computerbildschirme, war ich in Gütersloh und Umgebung zur glücklichen und unangefochtenen Meisterin der Nebenjobs mutiert.
Das änderte sich, als meine Familie mich in eine Reihe unerfreulicher Situationen bugsierte. Meine Eltern waren ohne meine Zustimmung in die Mongolei ausgewandert und hatten mir aus heiterem Himmel den Geldhahn zugedreht. Dann hatte meine Schwester Betty mich aus der gemeinsamen Wohnung geworfen, und ich war gezwungen, diesen langweiligen Schreibjob anzunehmen. Zur Belohnung war für die Fertigstellung der Verlagschronik ein stattliches Honorar auf meinem ansonsten wenig frequentierten Konto eingetrudelt. Ein Sümmchen, das ich sofort in die Zukunft investierte: den Umzug in meine erste eigene Wohnung. Dahin hatte ich es zum Glück nicht weit, denn unser Vermieterehepaar Florence und Gerd besaß einen respektablen Immobilienfundus, in dem gerade eine hübsche, kleine Wohneinheit frei geworden war. Praktischerweise im Nachbarhaus.
»Hast du PMS, oder warum bist du so blass?«, fragte Alan mit provokantem Lächeln, während er mich mit seinen arktiseisblauen Augen fixierte. Der irischstämmige Graphiker und Schwarm aller Verlagsfrauen war seit einigen Monaten mehr On- als Off-Lover für mich - so genau wollte ich mich nicht festlegen. Zum Missfallen einiger Kolleginnen hatten Alan und ich schnell unsere Zuneigung füreinander entdeckt. Die verschwand auch nicht, als Alan mir offenbarte, leidenschaftlicher Rennradfahrer zu sein. Bei aller Liebe und meinem Hang zu rasanten Hobbys - zeitgetriebenes Radfahren mit festgeklickten Füßen war die reizloseste Sportart, die ich mir vorstellen konnte. Wenn ich nicht meinen ganzen Körper bewegen konnte, hatte ich keinen Spaß. Während Alan also in seiner Freizeit Kilometer für Kilometer durch die Landschaft preschte, vergnügte ich mich beim Joggen, Tanzen, Kickboxen - jedem das Seine.
Ohne mich zu fragen, schnappte Alan sich den Krabbencocktail von meinem Teller und ließ ihn sich auf der Zunge zergehen. In jedem anderen Moment hätte ich diesen Anblick genossen, aber mir war die gute Laune vergangen. Alan startete einen zweiten Aufmunterungsversuch und hauchte mir einen zärtlichen Kuss auf die Wange. Auch dieser Schuss ging nach hinten los, denn genau in diesem Moment marschierte Bellersens Assistentin Luise Heyster an uns vorüber. Auf eleganten Highheels versuchte sie, auf dem unebenen Rasen Balance zu halten, was ihr souverän gelang.
»Wer hätte gedacht, dass Sie uns noch länger erhalten bleiben. Na, dann ein Prosit auf gute Zusammenarbeit!«, raunte sie in vertrauter Phonetik. Aus Frau Heyster wurde man nicht schlau. Mit ihrem seidenglatten Pagenkopf und perfekten Auftreten war sie die Inkarnation von Professionalität und somit das genaue Gegenteil ihres cholerischen Chefs. Nichts schien die schlanke Mittfünfzigerin aus der Ruhe bringen zu können. Selbst Alan, der Frau Heyster schon seit Jahren kannte, wusste nicht, ob sie Bellersens Allüren aus Pflichtgefühl ertrug oder ob sie zu den Spezies gehörte, die täglich eine neue Herausforderung brauchten.
»Wenn ich Bellersen richtig verstanden habe, hat er dir soeben ganz offiziell einen festen Job angeboten«, jubelte Alan.
»Messerscharf kombiniert«, maulte ich zurück. Bellersens krude Offerte passte mir überhaupt nicht in den Kram. Eigentlich wollte ich in den kommenden Tagen meine karge Wohnung einrichten, gleich darauf den wohlverdienten Urlaub antreten und mich anschließend in aller Ruhe nach einem stressfreien Job umsehen. Nach der Schufterei hatte ich mir eine Auszeit verdient, und wer wusste schon, wann ich in nächster Zeit wieder so viel Geld zur Verfügung hatte?
»Was soll aus meiner Balireise werden?«, hielt ich Alans Freudentaumel entgegen.
»Flug verschieben, Job annehmen, Flug im nächsten Jahr mit mir zusammen nachholen - so einfach ist das.«
Er schnappte sich eine Erdbeere von meinem Teller, steckte sie sich zwischen die Lippen und beugte sich zu mir vor.
Ich tippte ihm an die Stirn und stopfte ihm mit einem dumpfen Plopp die sinnliche Frucht in den Mund.
»Morgen rede ich ein ernstes Wörtchen mit Bellersen«, erklärte ich. »Glaubt dieser Feistling allen Ernstes, dass ich springe, sobald er mit seinen Wurstfingern schnippt?«
Alan schaute kurz über meine Schulter hinweg und lächelte versöhnlich. Ich wusste, er freute sich, wenn wir zusammen arbeiteten. Aber darum ging es mir in diesem Moment nicht, und während ich mich weiter in Rage meckerte, musste Alan mir auch noch zuzwinkern.
»Wahrscheinlich findest du es besonders amüsant, dass ich ausgerechnet mit diesem Meister Proper für Intellektuelle zusammenarbeiten soll.«
»Meinen Sie mich?«, hörte ich van Gendts Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und sah direkt in sein feucht glänzendes Gesicht. Über der Stirn sonderte seine Kopfhaut laufend frische Schweißperlen ab.
»Interessanter Vergleich«, zischte van Gendt, und seine Nasenflügel bebten. Zum Glück tauchte Bellersen hinter ihm auf. Mit hochrotem Kugelschädel nahm er van Gendt und mich zur Seite. Nachdem für einen winzigen Moment ein konspiratives Lächeln über sein grimmiges Gesicht huschte, begann er mit gedämpfter Stimme zu nuscheln. Um ihn zu verstehen, steckten wir widerwillig die Köpfe zusammen. Bellersens würziges Katzenstreu-Odeur machte die Sache auch nicht angenehmer.
»Frau Gellert. Herr van Gendt. Wie Sie wissen, fahre ich Montag für eine Woche zum Verlegertreffen nach Spanien. Wir stehen unter enormem Druck. Ihre Arbeit duldet keinen Aufschub. Sie müssen sofort anfangen. Folgen Sie mir in mein Büro. Ich erkläre Ihnen alles zum Geheimprojekt Nordflügel.«
© Ullstein Verlag
Ich fühlte, wie ich rot anlief und kurzatmig wurde. Die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Unternehmensjubiläum des Reiseführerverlags Bellersen hatte ich mir doch vollkommen anders vorgestellt. Okay. Vor einigen Monaten war es mir, Trixi Gellert, groß, blond und blutjunge 31, tatsächlich gelungen, den geplanten Mord an Bernold Bellersen zu vereiteln. Ich hatte diese Episode allerdings längst unter spannend, aber nicht zu wiederholen abgelegt. Schließlich war ich nur eine Redaktionsaushilfe gewesen, die die Chronik des Verlagshauses geschrieben hatte. Und das auch noch unfreiwillig. Normalerweise hielt ich nämlich nichts von stumpfer Büroarbeit. Nur unter großem finanziellen Druck hatte ich diesen befristeten Job angenommen - und entgegen meinem Naturell sogar zu Ende gebracht. Danach war ich einfach nur heilfroh gewesen, die Anstalt des Schreckens nicht mehr betreten zu müssen. Bis auf einen fetten Scheck und eine vielversprechende Romanze bot der Verlag nicht viel Abwechslung.
Und nun das. Statt einen unbeschwerten Abend mit Small Talk und kostenlosen Speisen und Getränken zu verbringen, wurde ich gegen meinen Willen ins Rampenlicht beordert. Mit knurrendem Magen bahnte ich mir einen Weg durch die Menge. Kurz vor dem schmalen Treppenaufgang erblickte ich Robert van Gendt inmitten einer Gruppe mir unbekannter Frauen. Ich unterbrach sein teilnahmsloses Klatschen und drückte dem frisch ernannten Redaktionsleiter meinen Teller in die Hand.
»Aber nichts stibitzen«, flüsterte ich ihm zu.
»Keine Sorge, ich mische höchstens etwas Arsen unter Ihren Krabbencocktail«, hörte ich ihn granteln.
Als ich mich die Stufen hinauf hievte, fühlte es sich an, als hätte mir jemand Blei in die Schuhe gekippt. Meine Kehle war wie zugeschnürt, und augenblicklich wurde mir flau. Vor so vielen Menschen hatte ich das letzte Mal als Viertklässlerin gestanden und mit einem Blockflöten-Blackout den lang geprobten Weihnachtsauftritt meiner Klasse vermasselt. Seit diesem Tag waren mir öffentliche Auftritte vor mehr als drei Personen ein Gräuel.
»Hoppla, Fräulein Gellert. Ich beiße nicht. Sie sind doch sonst nicht so zurückhaltend, wenn es ums Feiern geht. Es sollen ruhig alle wissen, was Sie geleistet haben!«
Bellersen schnaubte nickend in die Menge. Als ich in seine Reichweite kam, griff er plötzlich meine Hand und zog mich mit einem Ruck zu sich heran. Mit einer eindeutigen Geste forderte er das Publikum zu einem weiteren Applaus auf. Ein förmliches Händeschütteln mit diesem Grobian hätte ich gerade noch ertragen, aber meine Hand in seiner feuchten Pranke zu fühlen, unsere ungleichen Körper eng aneinandergepresst, ging zu weit. Mir blieb keine andere Wahl als die Flucht nach vorn. Ich riss mich aus dieser peinlichen Verbindung, machte einen Schritt zur Seite und wagte einen Blick in die Menge. Vor der Bühne standen etwa achtzig Mitarbeiter und noch einmal genau so viele Gäste. Zwischen den ehemaligen Kollegen entdeckte ich das Who is Who der Gütersloher Stadtverwaltung, Honoratioren aus Wirtschaft und Kultur sowie einige Vertreter der lokalen Presse und meinen früheren Kinderarzt Dr. Brandwehr, dessen schiefes Lächeln ich auch nach zwanzig Jahren in jeder größeren Menschenmenge orten würde.
Diesmal ohne Aussetzer, zeig es allen!, kommandierte mich meine innere Stimme. Wie durch ein Wunder zeigte dieser Befehl Wirkung. Ich schluckte kurz, dann schnappte ich mir das Mikro vom Ständer.
»Vielen Dank, das ist sehr nett von euch allen - und von Ihnen, Herr Bellersen!«
Was erwarteten die Zuhörer von mir? Ich sah in viele neugierige Gesichter, nicht zuletzt in das meines rundlichen Bosses, der mir gönnerhaft zuzwinkerte.
»Es war mir eine Ehre, Sie vor dem Schlimmsten zu bewahren und für Sie zu arbeiten«, presste ich zwar nicht ehrlich, aber so freundlich wie möglich hervor. »Nun bleibt mir nichts anderes zu sagen, als mich für die Einladung zu bedanken und Ihnen, lieber Herr Bellersen, und euch, liebe Gäste, viel Spaß am Buffet zu wünschen. Haut rein!«
»So kennen wir sie!«, scherzte Bellersen, der schon wieder verdächtig nah zu mir aufgeschlossen hatte. Ohne Vorankündigung legte er seinen massigen Arm um meine Taille und ergriff das Mikro in meiner Hand, um selbst hineinzusprechen.
»Glauben Sie allen Ernstes, so einfach davonzukommen? Wo stünde unser namhaftes Unternehmen ohne mutige und visionäre Menschen wie Sie und mich?«
Konnte Bellersen seine Eigenlobhudelei nicht allein fortführen? Sämtliche Geschichten zu den Verlagsbestsellern, die eigentlich sein Vater - Gott hatte ihn schon lange selig - zu verantworten hatte, kannte ich bereits auswendig. In der Aufbruchstimmung der Nachkriegszeit hatte Bellersen Senior es geschafft, mitten im ostwestfälischen Niemandsland ein kleines Medienimperium aufzubauen. Mit dem richtigen Riecher stillte er das Fernweh der Deutschen und produzierte mit großem Erfolg Reiseführer für alle Ziele und Geldbeutel. Nach seinem tragischen frühen Tod hatte Sohn Bernold die Geschäfte übernommen. Leider mangelte es dem groben Klotz Junior sowohl am richtigen Riecher als auch am erwünschten Erfolg.
Während er meine Taille noch fester umklammerte, glaubte ich, seinen hämmernden Pulsschlag zu spüren. Außerdem umgab Bellersen ein strenger Duft, der mich an vollgesogenes Katzenstreu erinnerte.
»Liebe Kollegen und Freunde des Hauses, wir haben Fräulein Gellert nicht nur mein Leben und somit den Fortbestand unseres Verlages zu verdanken, sondern noch etwas ganz Besonderes. «
Verschwörerisch zog er seine rechte Augenbraue hoch und sah mir dabei von unten ins Gesicht. Dass er einen halben Kopf kleiner war als ich, schien ihn überhaupt nicht zu stören.
»Ich muss zugeben, als Fräulein Gellert sich im letzten Jahr bei uns vorstellte, habe ich sie unterschätzt. Wie sie so vor mir stand, ein langer weiblicher Lulatsch in einer viel zu kurzen Bluse und einem abgewetzten Männersakko.«
Großes Gelächter.
»Man hätte meinen können, sie wollte den Job gar nicht.«
Bingo, Bernold. Treffender hätte ich mich vor großem Publikum auch nicht charakterisieren können. Nachdem Bellersen sich von einem lauten Lacher beruhigt hatte, redete er weiter.
»Doch zu unserer großen Überraschung entpuppte sich diese junge Frau als verlegerisches Naturtalent: kreativ, ein bisschen extravagant in ihrer Arbeitsweise, aber mit der nötigen unternehmerischen Weitsicht.«
Hallo? Jetzt musste Bellersen aber einen Totalblackout haben. Mit wem verwechselte er mich da gerade? Er konnte unmöglich mich meinen. Auch das Publikum schien irritiert - allen voran Robert van Gendt, dem der Mund offen stand. Wehe, er machte sich an meinen Hors d'oeuvres zu schaffen. Bellersen fuhr unbeirrt fort.
»Es ist die Königsidee! Fräulein Gellert hat das beste Buchkonzept entwickelt, das seit langem in diesem Haus vorgestellt wurde.«
Ach du Schande! Ganz langsam dämmerte es mir. Die vermeintliche Königsidee, die ich Bellersen vor wenigen Tagen so nebenbei untergejubelt hatte, stammte überhaupt nicht von mir, sondern war dem Gedankensalat eines pubertierenden Teenagers entkeimt. Meine für ihr Alter deutlich zu schlaue Nichte Rahel hatte mal wieder ihrer Phantasie freien Lauf gelassen und einen Entwurf für eine innovative Reiseführerreihe zu Papier gebracht. Eigentlich wollte die kleine Schlaumeierin sich mit der Idee um ein Schülerpraktikum im Verlag bewerben. Sie hatte mich gefragt, was ich von dem Konzept hielt. Ich fand es ganz passabel und schickte es per Mail an Bernold Bellersen - ohne ihm zu verraten, dass eine unbedarfte 15-Jährige dafür verantwortlich war.
»Um es auf den Punkt zu bringen: Fräulein Gellerts Konzept ist so grandios, dass ich mir langfristig sowohl wirtschaftlich als auch strategisch Großes davon verspreche. Damit der Erfolg nicht durch Informationsweitergabe gefährdet wird, halten wir das Projekt zunächst noch geheim.«
Ich verstand nur Bruchstücke von dem, was Bellersen da gerade von sich gab. Meine Knie zitterten, und ich war beinahe froh, dass das schwitzende Schwergewicht mich so fest umklammerte. Welche Überraschung würde dieser herrische Verlags- Houdini als Nächstes aus seinem XXL-Ärmel zaubern?
»Nur so viel möchte ich verraten: Die Verantwortung für dieses Projekt lege ich vertrauensvoll in vier Hände. In die fleißigen unseres erfahrenen Redaktionsleiters Robert van Gendt und in die hübschen, zarten langen Finger von Fräulein Gellert. Sie beide ernenne ich hiermit offiziell zu den Projektleitern. Und Robert, deine Idee für die ›Reiseführer in die gefährlichsten Krisengebiete‹ verschieben wir aufs nächste Jahr.«
Für mehr als die aushaltbaren drei Sekunden herrschte totale Stille im Innenhof des Verlagsgebäudes.
Bellersen schien das wenig zu interessieren. Er bat van Gendt auf die Bühne, der sogar meinen Teller mitbrachte. Dann gratulierte er uns und schickte uns zurück in die Schar der applaudierenden Gäste.
Robert van Gendt drückte mir meinen Vorspeisenteller in die Hand und stierte mich mit schmalen Lippen an. Auf seiner Glatze funkelten winzige Schweißperlen.
»Da bin ich aber ziemlich gespannt, was für ein Projekt Sie dem guten Bernold aufgetischt haben. Oder besser gesagt, wie Sie es geschafft haben. Mit Ihrer viel zu kurzen Bluse?«
Das musste ja kommen. Redaktionsschnösel van Gendt konnte sich seine Neidnummer sparen. Bis vor wenigen Minuten hatte ich von Bellersens Plänen schließlich selbst nichts gewusst. Wie hätte ich ahnen können, dass Rahels Hirngespinst eine derartige Reaktion hervorrufen würde?
Mit einem nicht ausgesprochenen Vollhonk änderte ich die Richtung und quetschte mich durch die glotzenden Gäste.
Was hatte Bellersen sich bloß bei seiner lausigen Ansprache gedacht? Kaum war das Fundament für mein selbstbestimmtes Leben außerhalb geschlossener Büroräume gegossen, versuchte er es zu zertrümmern. Bis zu meinem dreißigsten Lebensjahr war ich schließlich auch wunderbar ohne Bernold Bellersen und sein absolutistisch geführtes Verlagshaus klargekommen. Nach der Schule hatte ich es zunächst mit einem Journalistikstudium versucht, dann aber gemerkt, dass mir langes Sitzen, feste Arbeitszeiten und zermürbende Kopfarbeit nicht gut bekamen. Und weil das Leben mehr zu bieten hat als Schreibtische und Computerbildschirme, war ich in Gütersloh und Umgebung zur glücklichen und unangefochtenen Meisterin der Nebenjobs mutiert.
Das änderte sich, als meine Familie mich in eine Reihe unerfreulicher Situationen bugsierte. Meine Eltern waren ohne meine Zustimmung in die Mongolei ausgewandert und hatten mir aus heiterem Himmel den Geldhahn zugedreht. Dann hatte meine Schwester Betty mich aus der gemeinsamen Wohnung geworfen, und ich war gezwungen, diesen langweiligen Schreibjob anzunehmen. Zur Belohnung war für die Fertigstellung der Verlagschronik ein stattliches Honorar auf meinem ansonsten wenig frequentierten Konto eingetrudelt. Ein Sümmchen, das ich sofort in die Zukunft investierte: den Umzug in meine erste eigene Wohnung. Dahin hatte ich es zum Glück nicht weit, denn unser Vermieterehepaar Florence und Gerd besaß einen respektablen Immobilienfundus, in dem gerade eine hübsche, kleine Wohneinheit frei geworden war. Praktischerweise im Nachbarhaus.
»Hast du PMS, oder warum bist du so blass?«, fragte Alan mit provokantem Lächeln, während er mich mit seinen arktiseisblauen Augen fixierte. Der irischstämmige Graphiker und Schwarm aller Verlagsfrauen war seit einigen Monaten mehr On- als Off-Lover für mich - so genau wollte ich mich nicht festlegen. Zum Missfallen einiger Kolleginnen hatten Alan und ich schnell unsere Zuneigung füreinander entdeckt. Die verschwand auch nicht, als Alan mir offenbarte, leidenschaftlicher Rennradfahrer zu sein. Bei aller Liebe und meinem Hang zu rasanten Hobbys - zeitgetriebenes Radfahren mit festgeklickten Füßen war die reizloseste Sportart, die ich mir vorstellen konnte. Wenn ich nicht meinen ganzen Körper bewegen konnte, hatte ich keinen Spaß. Während Alan also in seiner Freizeit Kilometer für Kilometer durch die Landschaft preschte, vergnügte ich mich beim Joggen, Tanzen, Kickboxen - jedem das Seine.
Ohne mich zu fragen, schnappte Alan sich den Krabbencocktail von meinem Teller und ließ ihn sich auf der Zunge zergehen. In jedem anderen Moment hätte ich diesen Anblick genossen, aber mir war die gute Laune vergangen. Alan startete einen zweiten Aufmunterungsversuch und hauchte mir einen zärtlichen Kuss auf die Wange. Auch dieser Schuss ging nach hinten los, denn genau in diesem Moment marschierte Bellersens Assistentin Luise Heyster an uns vorüber. Auf eleganten Highheels versuchte sie, auf dem unebenen Rasen Balance zu halten, was ihr souverän gelang.
»Wer hätte gedacht, dass Sie uns noch länger erhalten bleiben. Na, dann ein Prosit auf gute Zusammenarbeit!«, raunte sie in vertrauter Phonetik. Aus Frau Heyster wurde man nicht schlau. Mit ihrem seidenglatten Pagenkopf und perfekten Auftreten war sie die Inkarnation von Professionalität und somit das genaue Gegenteil ihres cholerischen Chefs. Nichts schien die schlanke Mittfünfzigerin aus der Ruhe bringen zu können. Selbst Alan, der Frau Heyster schon seit Jahren kannte, wusste nicht, ob sie Bellersens Allüren aus Pflichtgefühl ertrug oder ob sie zu den Spezies gehörte, die täglich eine neue Herausforderung brauchten.
»Wenn ich Bellersen richtig verstanden habe, hat er dir soeben ganz offiziell einen festen Job angeboten«, jubelte Alan.
»Messerscharf kombiniert«, maulte ich zurück. Bellersens krude Offerte passte mir überhaupt nicht in den Kram. Eigentlich wollte ich in den kommenden Tagen meine karge Wohnung einrichten, gleich darauf den wohlverdienten Urlaub antreten und mich anschließend in aller Ruhe nach einem stressfreien Job umsehen. Nach der Schufterei hatte ich mir eine Auszeit verdient, und wer wusste schon, wann ich in nächster Zeit wieder so viel Geld zur Verfügung hatte?
»Was soll aus meiner Balireise werden?«, hielt ich Alans Freudentaumel entgegen.
»Flug verschieben, Job annehmen, Flug im nächsten Jahr mit mir zusammen nachholen - so einfach ist das.«
Er schnappte sich eine Erdbeere von meinem Teller, steckte sie sich zwischen die Lippen und beugte sich zu mir vor.
Ich tippte ihm an die Stirn und stopfte ihm mit einem dumpfen Plopp die sinnliche Frucht in den Mund.
»Morgen rede ich ein ernstes Wörtchen mit Bellersen«, erklärte ich. »Glaubt dieser Feistling allen Ernstes, dass ich springe, sobald er mit seinen Wurstfingern schnippt?«
Alan schaute kurz über meine Schulter hinweg und lächelte versöhnlich. Ich wusste, er freute sich, wenn wir zusammen arbeiteten. Aber darum ging es mir in diesem Moment nicht, und während ich mich weiter in Rage meckerte, musste Alan mir auch noch zuzwinkern.
»Wahrscheinlich findest du es besonders amüsant, dass ich ausgerechnet mit diesem Meister Proper für Intellektuelle zusammenarbeiten soll.«
»Meinen Sie mich?«, hörte ich van Gendts Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und sah direkt in sein feucht glänzendes Gesicht. Über der Stirn sonderte seine Kopfhaut laufend frische Schweißperlen ab.
»Interessanter Vergleich«, zischte van Gendt, und seine Nasenflügel bebten. Zum Glück tauchte Bellersen hinter ihm auf. Mit hochrotem Kugelschädel nahm er van Gendt und mich zur Seite. Nachdem für einen winzigen Moment ein konspiratives Lächeln über sein grimmiges Gesicht huschte, begann er mit gedämpfter Stimme zu nuscheln. Um ihn zu verstehen, steckten wir widerwillig die Köpfe zusammen. Bellersens würziges Katzenstreu-Odeur machte die Sache auch nicht angenehmer.
»Frau Gellert. Herr van Gendt. Wie Sie wissen, fahre ich Montag für eine Woche zum Verlegertreffen nach Spanien. Wir stehen unter enormem Druck. Ihre Arbeit duldet keinen Aufschub. Sie müssen sofort anfangen. Folgen Sie mir in mein Büro. Ich erkläre Ihnen alles zum Geheimprojekt Nordflügel.«
© Ullstein Verlag
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Autoren-Porträt von Christiane Güth
Güth, ChristianeChristiane Güth, geboren 1967, schreibt neben Kriminalromanen auch Kinderbücher und ist Dozentin für Kreatives Schreiben. Sie lebt mit ihrer Familie in Gütersloh.
Bibliographische Angaben
- Autor: Christiane Güth
- 2013, 320 Seiten, Masse: 12 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 3548284205
- ISBN-13: 9783548284200
- Erscheinungsdatum: 10.06.2013
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