All Souls Trilogie Band 2: Wo die Nacht beginnt
Roman. Deutsche Erstausgabe
Die größte Liebesgeschichte seit Romeo und Julia - die Fortsetzung des Erfolgsromans!
Ihre Liebe ist stärker als jede Regel, stärker als die Zeit und das Leben selbst. Doch als Diana und Matthew im elisabethanischen...
Ihre Liebe ist stärker als jede Regel, stärker als die Zeit und das Leben selbst. Doch als Diana und Matthew im elisabethanischen...
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Produktinformationen zu „All Souls Trilogie Band 2: Wo die Nacht beginnt “
Die größte Liebesgeschichte seit Romeo und Julia - die Fortsetzung des Erfolgsromans!
Ihre Liebe ist stärker als jede Regel, stärker als die Zeit und das Leben selbst. Doch als Diana und Matthew im elisabethanischen London angekommen sind, werden sie auf eine harte Probe gestellt. In einer Welt der Spione und der Täuschung muss Diana einen Tutor finden, der sie in der fortgeschrittenen Hexenkunst unterweist, während Matthew unfreiwillig mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird. Und welche Rolle spielt der enge Kreis von Matthews Freunden, die einst die geheimnisvolle »Schule der Nacht« gründeten und ihre gemeinsame Zukunft bedrohen?
Nach ihrem großen Erfolg "Die Seelen der Nacht" ist "Wo die Nacht beginnt" Deborah Harkness' zweiter Roman.
Ihre Liebe ist stärker als jede Regel, stärker als die Zeit und das Leben selbst. Doch als Diana und Matthew im elisabethanischen London angekommen sind, werden sie auf eine harte Probe gestellt. In einer Welt der Spione und der Täuschung muss Diana einen Tutor finden, der sie in der fortgeschrittenen Hexenkunst unterweist, während Matthew unfreiwillig mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird. Und welche Rolle spielt der enge Kreis von Matthews Freunden, die einst die geheimnisvolle »Schule der Nacht« gründeten und ihre gemeinsame Zukunft bedrohen?
Nach ihrem großen Erfolg "Die Seelen der Nacht" ist "Wo die Nacht beginnt" Deborah Harkness' zweiter Roman.
Klappentext zu „All Souls Trilogie Band 2: Wo die Nacht beginnt “
Die grösste Liebesgeschichte seit Romeo und JuliaIhre Liebe ist stärker als jede Regel, stärker als die Zeit und das Leben selbst. Doch als Diana und Matthew im elisabethanischen London angekommen sind, werden sie auf eine harte Probe gestellt. In einer Welt der Spione und der Täuschung muss Diana einen Tutor finden, der sie in der fortgeschrittenen Hexenkunst unterweist, während Matthew unfreiwillig mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird. Und welche Rolle spielt der enge Kreis von Matthews Freunden, die einst die geheimnisvolle "Schule der Nacht" gründeten und ihre gemeinsame Zukunft bedrohen?
Nach ihrem grossen Erfolg "Die Seelen der Nacht" ist "Wo die Nacht beginnt" Deborah Harkness' zweiter Roman.
Lese-Probe zu „All Souls Trilogie Band 2: Wo die Nacht beginnt “
Wo die Nacht beginnt von Deborah HarknessErster Teil
Woodstock: Die Old Lodge
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1
Wir landeten wenig elegant in einem Haufen aus Hexe und Vampir. Matthew kam unter mir zu liegen, die Arme und
Beine unnatürlich abgewinkelt. Ein dickes Buch klemmte zwischen uns, und durch den heftigen Aufschlag wurde mir die kleine Silberfigur aus der Hand geschlagen und schlitterte über den Boden davon.
»Haben wir es geschafft?<< Ich kniff die Augen zu, aus Angst, wir könnten uns immer noch in Sarahs ländlicher Hopfenscheune im Amerika des 21. Jahrhunderts befinden und nicht im Oxfordshire des 16. Jahrhunderts. Allerdings sagten mir die ungewohnten Düfte, dass wir nicht mehr in meiner Zeit und meiner Heimat waren. Nach süßem Gras roch es hier und sommerlich nach Wachs. Gleichzeitig lag ein Anflug von Holzrauch in der Luft, und ich hörte ein Feuer knistern.
»Sieh dich um, Diana, und überzeuge dich selbst.<< Federleicht strichen kühle Lippen über meine Wange, dann hörte ich ein leises Lachen. Augen, grau wie das Meer im Sturm, blickten mich aus einem Gesicht an, das so bleich war, dass es nur einem Vampir gehören konnte. Matthews Hände strichen von meinem Hals abwärts über meine Schultern. »Ist bei dir alles in Ordnung?<<
Nach der weiten Reise in Matthews Vergangenheit fühlte ich mich, als würde mein Körper beim leisesten Windstoß in tausend Teile zerstieben. So hatte sich das nach unseren kurzen Zeitreise-Übungen im Haus meiner Tante ganz und gar nicht angefühlt.
»Es geht schon. Was ist mit dir?<< Ich hatte immer noch Angst, mich umzusehen, und blickte weiterhin ausschließlich den unter mir liegenden Matthew an, der es seinerseits offensichtlich nicht eilig hatte, seine Last loszuwerden.
»Ich bin froh, wieder daheim zu sein.<< Matthew ließ den Kopf auf den Holzboden sinken und sog gierig den Duft der darauf verstreuten Binsen und Lorbeerzweige ein. Auch im Jahr 1590 fühlte er sich in der Old Lodge sichtlich zu Hause.
Allmählich gewöhnten sich meine Augen an das matte Licht. Ein stabiles Bett, ein kleiner Tisch, schmale Bänke und ein einzelner Sessel schälten sich aus dem Dunkel heraus. Hinter den mit Schnitzereien verzierten Pfosten des Himmelbetts sah ich einen Durchgang in einen weiteren Raum. Von dort aus ergoss sich in einem verzerrten goldenen Rechteck Licht über den Boden und die Bettdecke. Die Wände waren mit denselben gefalteten Holzpaneelen vertäfelt, die mir schon im 21. Jahrhundert bei meinen Besuchen in Matthews Heim in Woodstock aufgefallen waren. Ich legte den Kopf in den Nacken und sah zur Decke hoch. Sie war dick verputzt, in Kassetten unterteilt, und jede Vertiefung war golden grundiert und mit einer strahlend rot-weif3en Tudor-Rose verziert.
»Die Rosen waren eine Auflage, damit ich das Haus bauen durfte<<, kommentierte Matthew spröde. »Ich finde sie schrecklich. Wir werden sie weiß überstreichen, sobald es sich machen lässt.<<
Die Flammen über der Kerze auf dem Tisch flackerten in einem Luftzug, beleuchteten dabei die untere Ecke eines sattbunten Wandteppichs und brachten die dunklen, glänzenden Fäden zum Leuchten, mit denen das Blätter- und Früchtemuster der hellen Tagesdecke auf dem Bett eingefasst war. So schimmerten keine modernen Stoffe.
Plötzlich war ich sehr aufgeregt und musste unwillkürlich lächeln. »Ich habe es wirklich geschafft. Ich habe nicht gepatzt oder uns sonstwohin geschickt, nach Monticello zum Beispiel oder ...<<
»Nein.<< Er lächelte ebenfalls. »Du hast das ganz wunderbar gemacht. Willkommen im England Elisabeths I.<<
Zum ersten Mal in meinem Leben war ich überglücklich, eine Hexe zu sein. Als Historikerin hatte ich die Vergangenheit studiert. Als Hexe konnte ich sie tatsächlich besuchen. Wir waren ins Jahr 1590 gereist, weil ich in der vergessenen Kunst der Magie unterrichtet werden sollte, doch es gab hier für mich noch so viel mehr zu lernen.
Ich wollte mich gerade vorbeugen, um das mit einem Kuss zu feiern, als eine Tür quietschte und mich innehalten ließ.
Matthew legte einen Finger auf meine Lippen. Er drehte den Kopf zur Seite, und seine Nasenflügel begannen zu beben. Im nächsten Moment entspannte er sich wieder, weil er erkannt hatte, wer sich nebenan aufhielt, wo inzwischen ein leises Rascheln zu hören war. In einer geschmeidigen Bewegung griff Matthew nach dem Buch, stand auf und zog mich hoch. Dann nahm er mich an der Hand und führte mich zur Tür.
Im Zimmer nebenan stand ein Mann mit zerzaustem braunem Haar an einem mit Briefen übersäten Tisch. Der Fremde, der uns den Rücken zukehrte, war durchschnittlich groß und schlank und trug teure, maßgeschneiderte Kleider. Er summte eine mir unbekannte Melodie und durchsetzte sie mit einzelnen Worten, die er allerdings zu leise sang, als dass ich sie hätte verstehen können. »Wo versteckt Ihr Euch nur, mein holder Matt?<< Der Mann hielt ein Blatt Papier gegen das Licht.
»Sucht Ihr etwas, Kit?<< Auf Matthews Frage hin ließ der junge Mann das Blatt fallen und wandte sich zu uns um. Sein Gesicht erstrahlte. Ich hatte dieses Gesicht schon einmal gesehen, auf meiner Taschenbuchausgabe von Christopher Marlowes Der Jude von Malta.
»Matt! Pierre sagte, Ihr wärt in Chester und würdet vielleicht nicht rechtzeitig heimkehren. Aber ich wusste, dass Ihr unsere jährliche Zusammenkunft nicht missen wolltet.<< Die Worte klangen vertraut, wurden aber in einem so fremdartigen Tonfall vorgetragen, dass ich konzentriert zuhören musste, um alles zu verstehen. Das elisabethanische Englisch unterschied sich längst nicht so sehr von dem der Moderne wie allgemein angenommen, aber es war auch nicht so leicht zu verstehen, wie ich aufgrund meiner intensiven Beschäftigung mit den Stücken Shakespeares gehofft hatte.
»Wo ist Euer Bart abgeblieben? Wart Ihr krank?<< Marlowes Blick fiel auf mich, und ich spürte jenen sanften Druck auf meiner Haut, der den Dämon verriet.
Ich musste mich beherrschen, um nicht auf einen der größten Dramatiker Englands zuzustürmen, seine Hand zu schütteln und ihn mit Fragen zu bombardieren. Selbst das Wenige, das ich über ihn wusste, war wie weggeblasen, als ich ihn so vor mir stehen sah. Waren seine Stücke im Jahr 1590 schon aufgeführt worden? Wie alt war er? Sicherlich jünger als Matthew und ich. Marlowe konnte noch keine dreißig sein. Ich lächelte ihn freundlich an.
»Wo in aller Welt habt Ihr das da aufgetrieben?« Marlowe streckte den Zeigefinger in unsere Richtung, und seine Stimme triefte vor Verachtung. Ich rechnete fest damit, hinter mir ein misslungenes Kunstwerk vorzufinden, und drehte mich um. Aber da war nur Leere.
Er meinte mich. Mein Lächeln erstarb.
»Sachte, Kit«, warnte Matthew ihn finster.
Marlowe tat die Ermahnung mit einem Achselzucken ab. »Spielt ja auch keine Rolle. Wenn Ihr müsst, dann tut Euch an ihr gütlich, bis die anderen kommen. George ist natürlich schon länger hier, verschlingt Euer Essen und Eure Bücher. Er ist immer noch auf der Suche nach einem Förderer und nach wie vor ohne einen roten Heller.«
»Selbstverständlich darf sich George an allem, was mir gehört, gütlich tun.« Mit ernster Miene und ohne den jungen Mann aus den Augen zu lassen, hob Matthew unsere verschränkten Finger an seine Lippen. »Diana, dies ist mein teurer Freund Christopher Marlowe.«
Matthews Bemerkung gab Marlowe Gelegenheit, mich offen zu taxieren. Sein Blick kroch von meinen Zehenspitzen aufwärts bis zum Scheitel. Die Verachtung war ihm deutlich anzusehen, seine Eifersucht dagegen verstand er zu verbergen. Marlowe war tatsächlich in meinen Gemahl verliebt. Der Verdacht war mir schon in Madison gekommen, als ich mit den Fingern über die Widmung in Matthews Ausgabe des Doktor Faustus gefahren war.
»Ich wusste gar nicht, dass es in Woodstock ein Bordell gibt, das sich auf Riesinnen spezialisiert hat. Sonst sind Eure Huren deutlich feingliedriger und attraktiver, Matthew. Die hier ist eindeutig eine Amazone.« Kit drehte sich schniefend zu den Papieren um, die sich
auf dem Tisch häuften. »Der alte Fuchs hat berichtet, Euch hätte Geschäftliches und nicht die Lust gen Norden geführt. Wie habt Ihr die Zeit gefunden, Euch ihre Dienste zu sichern?«
»Es ist schon bemerkenswert, Kit, wie schnell Ihr jede Zuneigung zu ersticken versteht«, antwortete Matthew gedehnt, aber mit warnendem Unterton. Marlowe gab vor, sich ganz auf die Schriftstücke zu konzentrieren, schmunzelte in sich hinein und tat so, als wäre nichts gewesen. Matthews Finger schlossen sich fester um meine.
»Heißt sie wirklich Diana, oder hat sie diesen Namen angenommen, damit ihre Kunden sie reizvoller finden? Vielleicht sollte sie ihre rechte Brust entblößen oder sich mit Pfeil und Bogen ausstaffieren«, schlug Marlowe vor, während er nach einem Blatt griff. »Wisst Ihr noch, wie Bess aus Blackfriars von uns verlangte, sie Aphrodite zu nennen, bevor sie sich uns ...«
»Diana ist meine Gemahlin.« Matthew hatte mich stehen lassen, und seine Hand umklammerte nicht mehr meine Finger, sondern Marlowes Kragen.
»Nein.« Kit war anzusehen, wie entsetzt er war.
»Doch. Das heißt, dass sie die Herrin dieses Hauses ist, meinen Namen trägt und unter meinem persönlichen Schutz steht. In Anbetracht all dessen - und unserer langjährigen Freundschaft natürlich - wird fortan kein unziemliches Wort und kein Zweifel an ihrer Tugend mehr über Eure Lippen kommen.«
Ich bewegte die schmerzenden Finger. Matthew hatte so wütend zugedrückt, dass sich der Ring an meiner linken Hand ins Fleisch gepresst und einen hellroten Abdruck hinterlassen hatte. Obwohl der Diamant in der Fassung facettenlos geschliffen war, fing er die Wärme des Kaminfeuers ein. Den Ring hatte ich ganz unerwartet von Matthews Mutter Ysabeau geschenkt bekommen. Vor wenigen Stunden - vor einigen hundert Jahren? - in einigen hundert Jahren? - hatte Matthew ein uraltes Ehegelöbnis gesprochen und den Diamantring auf meinen Ringfinger geschoben.
Wir hörten Geschirr klappern, und im selben Moment betraten zwei Vampire den Raum. Der eine war ein schlanker Mann mit
ausdrucksvollem, wettergegerbtem Gesicht, schwarzem Haar und schwarzen Augen. In seinen haselnussbraunen Händen hielt er eine Weinkaraffe und ein Weinglas mit einem Delfin als Stiel, auf dessen Schwanzflosse der Kelch aufsaß. Begleitet wurde der Mann von einer grobknochigen Frau, die eine Platte mit Brot und Käse trug.
»Ihr seid zu Hause, Milord.« Der Mann war offenkundig überrascht. Merkwürdigerweise konnte ich ihn wegen seines französischen Akzents besser verstehen als Marlowe. »Der Bote sagte am Donnerstag noch ...«
»Meine Pläne haben sich geändert, Pierre.« Matthew wandte sich an die Frau. »Meine Gemahlin verlor auf der Reise ihr ganzes Hab und Gut, Françoise, und die Kleider, die sie trug, waren so verschmutzt, dass ich sie verbrennen musste.« Er log dreist und ohne jeden Skrupel. Weder die Vampire noch Kit sahen aus, als würden sie ihm ein Wort glauben.
»Eure Gemahlin?« Françoises französischer Akzent war genauso ausgeprägt wie der von Pierre. »Aber sie ist eine ...«
»Warmblüterin«, fiel ihr Matthew ins Wort und nahm Pierre den Weinkelch ab. » Sagt Charles, dass wir einen weiteren Magen zu füllen haben. Diana fühlt sich in letzter Zeit nicht recht wohl und muss auf Anraten ihres Arztes viel frisches Fleisch und frischen Fisch essen. Jemand wird auf den Markt gehen müssen, Pierre.«
Pierre blinzelte. »Sehr wohl, Milord.« Er sprach das englische »Mylord« mit französischem I aus.
»AuBerdem wird sie etwas anzuziehen brauchen«, bemerkte Françoise und schätzte gleichzeitig meine Maße ab. Auf Matthews Nicken hin verschwand sie, dicht gefolgt von Pierre.
»Was ist mit deinem Haar passiert?« Matthew hielt eine rötliche Haarsträhne zwischen den Fingern.
»O nein«, murmelte ich und fasste mir an den Kopf. Statt in mein gewohntes schulterlanges, strohblondes Haar griff ich in rotgoldene Locken, die mir bis zur Taille reichten. Das letzte Mal hatten meine Haare ein solches Eigenleben entwickelt, als ich am College in einer Hamlet-Aufführung die Ophelia spielen sollte. Damals wie jetzt waren das plötzliche Wachstum und die Farbveränderung kein gutes Zeichen. Offenbar war auf unserer Reise in die Vergangenheit die Hexe in mir erwacht. Und niemand konnte wissen, welche Magie dabei entfesselt worden war.
Vampire hätten vielleicht das einschießende Adrenalin und meine plötzliche Angst gerochen, oder sie hätten gehört, wie mein Blut zu singen begann. Kit als Dämon hingegen spürte, wie meine Hexenenergie anstieg.
»Beim Grab unseres Erlösers.<< Marlowe lächelte schadenfroh. »Ihr habt eine Hexe mitgebracht. Was hat sie denn angestellt?<<
»Lasst es gut sein, Kit. Das soll nicht Eure Sorge sein.<< Matthews Stimme klang sofort energisch, aber seine Finger strichen weiter liebevoll durch mein Haar. »Mach dir keine Sorgen, mon cœur. Das ist bestimmt nur die Erschöpfung.<<
Mein sechster Sinn widersprach ihm heftig. Diese Veränderung ließ sich nicht mit schlichter Müdigkeit erklären. Ich war zwar von der Abstammung her eine Hexe, aber ich hatte nie Gelegenheit gehabt herauszufinden, welche Kräfte ich eigentlich von meinen Eltern geerbt hatte. Nicht einmal meine Tante Sarah und ihre Lebensgefährtin Emily Mather - beides Hexen - hatten mit Sicherheit sagen können, welche magischen Fähigkeiten ich besaß und wie ich sie beherrschen konnte. Matthew hatte zwar mein Blut analysiert und dabei die verschiedenen genetischen Marker für mein magisches Potential herausgefiltert, aber niemand konnte sagen, ob oder wann diese Erbanlagen aktiv würden.
Bevor ich mir noch mehr Sorgen machen konnte, kehrte Françoise mit etwas zurück, das wie eine lange Stopfnadel aussah. Zwischen ihren Lippen klemmten zahllose Stecknadeln. Begleitet wurde sie von einem wandelnden Berg an Samt, Wolle und Leinen, unter dem Pierres schlanke braune Beine hervorschauten.
»Wofür sind die?<<, fragte ich misstrauisch und deutete auf die Nadeln.
»Dafür, dass wir Madame hier hineinbekommen natürlich.<< Françoise zog eine Art braunen Mehlsack von dem Kleiderstapel. Das Gewand sah nicht gerade besonders vornehm oder elegant aus, aber da ich in Sachen elisabethanischer Mode nicht auf dem Laufenden war, verkniff ich mir jeglichen Kommentar.
»Geht nach unten, wo Ihr hingehört, Kit«, befahl Matthew seinem Freund. »Wir kommen in Kürze nach. Und hütet Eure Zunge. Es ist nicht an Euch, diese Geschichte zu erzählen.«
»Wie Ihr wünscht.« Marlowe zupfte am Saum seines rotbraunen Wamses, eine scheinbar lässige Geste, bei der ihn nur das Zittern seiner Hände verriet, und verbeugte sich knapp und ironisch.
Als der Dämon gegangen war, legte Françoise den Mehlsack über eine Bank, begann mich zu umkreisen und inspizierte mich, um festzustellen, wo sie ihren Angriff am besten starten sollte. Mit einem verärgerten Seufzen begann sie mich anzukleiden. Matthew trat an den Tisch und beugte sich über die Papiere, die darauf verstreut lagen. Er öffnete ein korrekt gefaltetes rechteckiges Päckchen, das mit einem rosa Wachsklecks versiegelt war, und überflog dann die eng beschriebenen Zeilen.
»Dieu. Das hatte ich ganz vergessen. Pierre!«
»Milord?«, drang eine gedämpfte Stimme aus dem Stoffberg.
»Leg das ab, und erzähl mir, worüber Lady Cromwell sich diesmal beschwert.« Matthew behandelte Pierre und Françoise mit einer perfekten Mischung aus Vertraulichkeit und Autorität. Wenn man im sechzehnten Jahrhundert so mit seinen Bediensteten umging, würde ich noch einige Zeit brauchen, bevor ich diese Kunst beherrschte.
Die beiden Männer unterhielten sich leise am Kamin, während ich in etwas Vorzeigbares gesteckt, geheftet und geschnürt wurde. Françoise schüttelte den Kopf, als sie meinen Ohrring mit den verschlungenen Golddrähten sah, an denen Edelsteine hingen, die ursprünglich Ysabeau gehört hatten. Zusammen mit Matthews Ausgabe des Doktor Faustus und der kleinen silbernen Dianastatue hatte der Ohrring uns in dieses Jahr zurückgelotst. Françoise kramte in einer Kommode und hatte im Handumdrehen das passende Gegenstück gefunden. Nachdem die Schmuckfrage geregelt war, rollte sie dicke Strümpfe über meine Knie und befestigte sie mit scharlachroten Bändern.
»Ich glaube, ich bin so weit.<< Ich konnte es kaum erwarten, ins Erdgeschoss zu gehen und unseren Besuch im sechzehnten Jahrhundert zu beginnen. Bücher über die Vergangenheit zu lesen war etwas ganz anderes, als sie zu erleben, wie mein kurzer Kontakt mit Françoise und mein Crashkurs in elisabethanischer Kleidung bewiesen.
Matthew begutachtete meine Aufmachung. »Damit ist sie vorzeigbar - fürs Erste.<<
»Damit ist sie nicht nur vorzeigbar, sondern vor allem so unauffällig, dass man sie gleich wieder vergisst<<, verbesserte Françoise, »und genauso sollte eine Hexe in diesem Hause aussehen.<<
Matthew überging Françoise' Bemerkung und wandte sich mir zu. »Wenn wir gleich nach unten gehen, dann sprich nur das Nötigste, Diana. Kit ist ein Dämon, und George weiß, dass ich ein Vampir bin, aber selbst der aufgeschlossenste Geist wird argwöhnisch, wenn er unerwartet auf jemand Neuen und Andersartigen trifft.<<
Unten im großen Saal wünschte ich George - Matthews groschen- und gönnerlosem Freund - formvollendet und, wie ich glaubte, in perfektem elisabethanischem Englisch einen guten Abend.
»Spricht die Frau Englisch?« George sah mich mit weit aufgerissenem Mund an und spähte dabei durch dicke runde Brillengläser, die seine blauen Augen grotesk verzerrten. Die eine Hand hatte er in die Hüfte gestemmt. So eine Pose hatte ich zum letzten Mal auf einem Gemälde im Victoria and Albert Museum gesehen.
»Sie kommt aus Chester<<, erklärte Matthew eilig. George wirkte nicht überzeugt. Offenbar konnte nicht einmal die Wildnis Nordenglands meine merkwürdige Sprechweise erklären. Matthew hatte sich automatisch dem Tonfall und Sprachmuster der damaligen Zeit angepasst, aber ich klang unüberhörbar modern und amerikanisch.
»Sie ist eine Hexe<<, korrigierte Kit und nahm einen Schluck Wein.
»Wahrhaftig?<< George studierte mich mit neu erwachtem Interesse. Ich spürte keinen leisen Druck, der darauf hingedeutet hätte, dass der Mann ein Dämon war, kein hexentypisches Kribbeln und auch nicht die frostige Kälte eines Vampirblicks. George war ein ganz gewöhnlicher, warmblütiger Mensch - der schon etwas älter und
müder war, offenbar hatte das Leben an ihm gezehrt. »Aber Ihr mögt Hexen genauso wenig wie Kit, Matthew. Ihr habt mir stets abgeraten, mich mit diesem Thema zu befassen. Als ich ein Gedicht über Hekate verfassen wollte, meintet Ihr ...<<
»Diese Hexe hier mag ich aber. Und zwar so sehr, dass ich sie geheiratet habe<<, unterbrach ihn Matthew und setzte einen festen Kuss auf meine Lippen, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
»Geheiratet!<< George warf Kit einen kurzen Blick zu. Dann räusperte er sich. » Demnach gibt es also gleich zwei unerwartete Ereignisse zu feiern: Ihr wurdet nicht in Geschäften aufgehalten, wie Pierre glaubte, und Ihr seid mit einer Gemahlin zu uns zurückgekehrt. Meine Glückwünsche!<< Sein bräsiger Tonfall erinnerte mich an eine Abschlussrede an der Universität. Ich verkniff mir ein Schmunzeln, und George reagierte mit einem strahlenden Lächeln und einer Verbeugung. »Ich bin George Chapman, Mistress Roydon.<<
Der Name klang vertraut. Ich durchforstete das unsortierte Wissen in meinem Historikerhirn. Chapman war jedenfalls kein Alchemist - das war mein Fachgebiet, und sein Name tauchte nicht in den Arealen auf, die mein Hirn für dieses obskure Fach reserviert hatte. Sicher war er Schriftsteller, genau wie Marlowe, aber mir wollte keines seiner Werke einfallen.
Nachdem wir einander vorgestellt worden waren, bat Matthew uns an den Kamin. Dort sprachen die Männer über Politik, wobei George sich redlich bemühte, mich in die Unterhaltung einzubeziehen, indem er sich nach dem Zustand der Straßen und dem Wetter auf meiner Reise erkundigte. Ich antwortete so ausweichend wie möglich und bemühte mich gleichzeitig, mir all die kleinen Gesten und Ausdrücke einzuprägen, die mir helfen würden, als Elisabethanerin durchzugehen. George sonnte sich in meiner Aufmerksamkeit und belohnte sie mit einer langen Abhandlung über seine neuesten literarischen Bemühungen. Kit, dem es gar nicht gefiel, in eine Nebenrolle gedrängt zu werden, fuhr George in die Parade, indem er anbot, aus seinem Doktor Faustus vorzulesen.
»Eine Lesung unter Freunden<<, verkündete der Dämon mit glän-
zenden Augen. » Als Test gewissermaßen vor einer späteren Aufführung.«
»Nicht heute, Kit. Es ist schon nach Mitternacht, und Diana ist müde nach der langen Reise«, sagte Matthew und half mir aus meinem Sessel.
Kit ließ uns nicht aus den Augen, bis wir den Raum verlassen hat-ten. Er wusste, dass wir etwas verheimlichten. Bei jeder unzeitgemäßen Redewendung, die mir im Laufe des Gesprächs entschlüpft war, hatte er aufgehorcht, und besonders nachdenklich war er geworden, als Matthew sich nicht erinnern konnte, wo seine Laute lag.
Bevor wir aus Madison aufgebrochen waren, hatte Matthew mich gewarnt, dass Kit außergewöhnlich scharfsichtig war, sogar für einen Dämon. Ich fragte mich, wie lange es wohl dauern würde, bis Marlowe herausfand, was wir tatsächlich verbargen. Meine Frage sollte innerhalb weniger Stunden beantwortet werden.
Am nächsten Morgen lagen wir plaudernd und geborgen in unserem warmen Bett, während der Haushalt allmählich erwachte.
Anfangs beantwortete Matthew bereitwillig meine Fragen nach Kit (dem Sohn eines Schusters, wie sich herausstellte) und George (der zu meiner Überraschung nicht viel älter war als Marlowe). Doch als ich mich nach den praktischen Aspekten der Haushaltsführung erkundigte und wissen wollte, wie sich eine elisabethanische Frau zu verhalten hatte, begann er sich schon bald zu langweilen.
»Was ist mit meinen Kleidern?« Ich gab mir alle Mühe, ihn für meine Sorgen zu interessieren.
»Ich glaube nicht, dass verheiratete Frauen in so etwas schlafen«, sagte Matthew und begann an dem feinen Leinen meines Nachthemds herumzuspielen. Er löste das Band des Rüschenkragens und wollte gerade einen Kuss unter mein Ohr setzen, um mich zu überzeugen, dass meine Kleidung nicht weiter wichtig war, als jemand den Vorhang unseres Himmelbettes zur Seite riss. Ich blinzelte gegen die Sonnenstrahlen an.
»Und?«, wollte Marlowe wissen.
Ein zweiter dunkelhäutiger Dämon schielte über Marlowes Schulter. Mit seinem dünnen Körper und dem spitzen Kinn, an dem ein ebenso spitzer brauner Bart spross, erinnerte er an einen energiegeladenen Kobold. Seine Haare hatten offensichtlich seit Wochen keinen Kamm gesehen. Notdürftig bedeckte ich meinen Körper mit den Händen, denn mir war schlagartig bewusst, wie dünn mein Nachthemd war und dass ich nichts darunter trug.
»Ihr habt Master Whites Zeichnungen aus Roanoke gesehen, Kit. Die Hexe sieht ganz und gar nicht aus wie eine Ureinwohnerin aus Virginia<<, erwiderte der fremde Dämon enttäuscht. Erst jetzt bemerkte er Matthew, der ihn wutentbrannt fixierte. » Ah. Guten Morgen, Matthew. Gestattet Ihr, dass ich mir Euren geometrischen Kompass ausleihe? Ich verspreche auch, ihn diesmal nicht an den Fluss mitzunehmen.<<
Matthew ließ die Stirn auf meine Schulter sinken und schloss stöhnend die Augen.
»Sie muss aus der Neuen Welt stammen - oder aus Afrika.<< Marlowe weigerte sich beharrlich, meinen Namen in den Mund zu nehmen. »Sie kommt weder aus Chester, noch stammt sie aus Schott-land, Irland, Wales, Frankreich oder den Kolonien. Und ich glaube nicht, dass sie eine Holländerin oder Spanierin ist.<<
»Euch auch einen guten Morgen, Tom. Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb Ihr um diese Zeit und in meinem Schlafzimmer über Dianas Herkunft streiten müsst?<< Matthew zog die Bänder meines Nachthemds wieder zu.
»Das Wetter ist viel zu schön, um im Bett zu liegen, selbst wenn einen der Schüttelfrost um den Verstand bringt. Kit behauptet, Ihr hättet die Hexe im Fieberwahn geheiratet. Anders ließe sich diese Torheit nicht erklären.<< Tom plapperte auf Dämonenart los und machte keine Anstalten, Matthews Frage zu beantworten. »Die Straßen waren trocken, und wir sind bereits vor Stunden eingetroffen.<<
»Und schon jetzt ist der Wein aus<<, beschwerte sich Marlowe.
»Wir<<? Es waren also noch mehr Gäste gekommen? Dabei hatte ich schon jetzt das Gefühl, dass es in der Old Lodge entschieden zu voll war.
Übersetzung: Christoph Göhler
Copyright © der Originalausgabe 2012 by Deborah Harkness
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2013 by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
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Wir landeten wenig elegant in einem Haufen aus Hexe und Vampir. Matthew kam unter mir zu liegen, die Arme und
Beine unnatürlich abgewinkelt. Ein dickes Buch klemmte zwischen uns, und durch den heftigen Aufschlag wurde mir die kleine Silberfigur aus der Hand geschlagen und schlitterte über den Boden davon.
»Haben wir es geschafft?<< Ich kniff die Augen zu, aus Angst, wir könnten uns immer noch in Sarahs ländlicher Hopfenscheune im Amerika des 21. Jahrhunderts befinden und nicht im Oxfordshire des 16. Jahrhunderts. Allerdings sagten mir die ungewohnten Düfte, dass wir nicht mehr in meiner Zeit und meiner Heimat waren. Nach süßem Gras roch es hier und sommerlich nach Wachs. Gleichzeitig lag ein Anflug von Holzrauch in der Luft, und ich hörte ein Feuer knistern.
»Sieh dich um, Diana, und überzeuge dich selbst.<< Federleicht strichen kühle Lippen über meine Wange, dann hörte ich ein leises Lachen. Augen, grau wie das Meer im Sturm, blickten mich aus einem Gesicht an, das so bleich war, dass es nur einem Vampir gehören konnte. Matthews Hände strichen von meinem Hals abwärts über meine Schultern. »Ist bei dir alles in Ordnung?<<
Nach der weiten Reise in Matthews Vergangenheit fühlte ich mich, als würde mein Körper beim leisesten Windstoß in tausend Teile zerstieben. So hatte sich das nach unseren kurzen Zeitreise-Übungen im Haus meiner Tante ganz und gar nicht angefühlt.
»Es geht schon. Was ist mit dir?<< Ich hatte immer noch Angst, mich umzusehen, und blickte weiterhin ausschließlich den unter mir liegenden Matthew an, der es seinerseits offensichtlich nicht eilig hatte, seine Last loszuwerden.
»Ich bin froh, wieder daheim zu sein.<< Matthew ließ den Kopf auf den Holzboden sinken und sog gierig den Duft der darauf verstreuten Binsen und Lorbeerzweige ein. Auch im Jahr 1590 fühlte er sich in der Old Lodge sichtlich zu Hause.
Allmählich gewöhnten sich meine Augen an das matte Licht. Ein stabiles Bett, ein kleiner Tisch, schmale Bänke und ein einzelner Sessel schälten sich aus dem Dunkel heraus. Hinter den mit Schnitzereien verzierten Pfosten des Himmelbetts sah ich einen Durchgang in einen weiteren Raum. Von dort aus ergoss sich in einem verzerrten goldenen Rechteck Licht über den Boden und die Bettdecke. Die Wände waren mit denselben gefalteten Holzpaneelen vertäfelt, die mir schon im 21. Jahrhundert bei meinen Besuchen in Matthews Heim in Woodstock aufgefallen waren. Ich legte den Kopf in den Nacken und sah zur Decke hoch. Sie war dick verputzt, in Kassetten unterteilt, und jede Vertiefung war golden grundiert und mit einer strahlend rot-weif3en Tudor-Rose verziert.
»Die Rosen waren eine Auflage, damit ich das Haus bauen durfte<<, kommentierte Matthew spröde. »Ich finde sie schrecklich. Wir werden sie weiß überstreichen, sobald es sich machen lässt.<<
Die Flammen über der Kerze auf dem Tisch flackerten in einem Luftzug, beleuchteten dabei die untere Ecke eines sattbunten Wandteppichs und brachten die dunklen, glänzenden Fäden zum Leuchten, mit denen das Blätter- und Früchtemuster der hellen Tagesdecke auf dem Bett eingefasst war. So schimmerten keine modernen Stoffe.
Plötzlich war ich sehr aufgeregt und musste unwillkürlich lächeln. »Ich habe es wirklich geschafft. Ich habe nicht gepatzt oder uns sonstwohin geschickt, nach Monticello zum Beispiel oder ...<<
»Nein.<< Er lächelte ebenfalls. »Du hast das ganz wunderbar gemacht. Willkommen im England Elisabeths I.<<
Zum ersten Mal in meinem Leben war ich überglücklich, eine Hexe zu sein. Als Historikerin hatte ich die Vergangenheit studiert. Als Hexe konnte ich sie tatsächlich besuchen. Wir waren ins Jahr 1590 gereist, weil ich in der vergessenen Kunst der Magie unterrichtet werden sollte, doch es gab hier für mich noch so viel mehr zu lernen.
Ich wollte mich gerade vorbeugen, um das mit einem Kuss zu feiern, als eine Tür quietschte und mich innehalten ließ.
Matthew legte einen Finger auf meine Lippen. Er drehte den Kopf zur Seite, und seine Nasenflügel begannen zu beben. Im nächsten Moment entspannte er sich wieder, weil er erkannt hatte, wer sich nebenan aufhielt, wo inzwischen ein leises Rascheln zu hören war. In einer geschmeidigen Bewegung griff Matthew nach dem Buch, stand auf und zog mich hoch. Dann nahm er mich an der Hand und führte mich zur Tür.
Im Zimmer nebenan stand ein Mann mit zerzaustem braunem Haar an einem mit Briefen übersäten Tisch. Der Fremde, der uns den Rücken zukehrte, war durchschnittlich groß und schlank und trug teure, maßgeschneiderte Kleider. Er summte eine mir unbekannte Melodie und durchsetzte sie mit einzelnen Worten, die er allerdings zu leise sang, als dass ich sie hätte verstehen können. »Wo versteckt Ihr Euch nur, mein holder Matt?<< Der Mann hielt ein Blatt Papier gegen das Licht.
»Sucht Ihr etwas, Kit?<< Auf Matthews Frage hin ließ der junge Mann das Blatt fallen und wandte sich zu uns um. Sein Gesicht erstrahlte. Ich hatte dieses Gesicht schon einmal gesehen, auf meiner Taschenbuchausgabe von Christopher Marlowes Der Jude von Malta.
»Matt! Pierre sagte, Ihr wärt in Chester und würdet vielleicht nicht rechtzeitig heimkehren. Aber ich wusste, dass Ihr unsere jährliche Zusammenkunft nicht missen wolltet.<< Die Worte klangen vertraut, wurden aber in einem so fremdartigen Tonfall vorgetragen, dass ich konzentriert zuhören musste, um alles zu verstehen. Das elisabethanische Englisch unterschied sich längst nicht so sehr von dem der Moderne wie allgemein angenommen, aber es war auch nicht so leicht zu verstehen, wie ich aufgrund meiner intensiven Beschäftigung mit den Stücken Shakespeares gehofft hatte.
»Wo ist Euer Bart abgeblieben? Wart Ihr krank?<< Marlowes Blick fiel auf mich, und ich spürte jenen sanften Druck auf meiner Haut, der den Dämon verriet.
Ich musste mich beherrschen, um nicht auf einen der größten Dramatiker Englands zuzustürmen, seine Hand zu schütteln und ihn mit Fragen zu bombardieren. Selbst das Wenige, das ich über ihn wusste, war wie weggeblasen, als ich ihn so vor mir stehen sah. Waren seine Stücke im Jahr 1590 schon aufgeführt worden? Wie alt war er? Sicherlich jünger als Matthew und ich. Marlowe konnte noch keine dreißig sein. Ich lächelte ihn freundlich an.
»Wo in aller Welt habt Ihr das da aufgetrieben?« Marlowe streckte den Zeigefinger in unsere Richtung, und seine Stimme triefte vor Verachtung. Ich rechnete fest damit, hinter mir ein misslungenes Kunstwerk vorzufinden, und drehte mich um. Aber da war nur Leere.
Er meinte mich. Mein Lächeln erstarb.
»Sachte, Kit«, warnte Matthew ihn finster.
Marlowe tat die Ermahnung mit einem Achselzucken ab. »Spielt ja auch keine Rolle. Wenn Ihr müsst, dann tut Euch an ihr gütlich, bis die anderen kommen. George ist natürlich schon länger hier, verschlingt Euer Essen und Eure Bücher. Er ist immer noch auf der Suche nach einem Förderer und nach wie vor ohne einen roten Heller.«
»Selbstverständlich darf sich George an allem, was mir gehört, gütlich tun.« Mit ernster Miene und ohne den jungen Mann aus den Augen zu lassen, hob Matthew unsere verschränkten Finger an seine Lippen. »Diana, dies ist mein teurer Freund Christopher Marlowe.«
Matthews Bemerkung gab Marlowe Gelegenheit, mich offen zu taxieren. Sein Blick kroch von meinen Zehenspitzen aufwärts bis zum Scheitel. Die Verachtung war ihm deutlich anzusehen, seine Eifersucht dagegen verstand er zu verbergen. Marlowe war tatsächlich in meinen Gemahl verliebt. Der Verdacht war mir schon in Madison gekommen, als ich mit den Fingern über die Widmung in Matthews Ausgabe des Doktor Faustus gefahren war.
»Ich wusste gar nicht, dass es in Woodstock ein Bordell gibt, das sich auf Riesinnen spezialisiert hat. Sonst sind Eure Huren deutlich feingliedriger und attraktiver, Matthew. Die hier ist eindeutig eine Amazone.« Kit drehte sich schniefend zu den Papieren um, die sich
auf dem Tisch häuften. »Der alte Fuchs hat berichtet, Euch hätte Geschäftliches und nicht die Lust gen Norden geführt. Wie habt Ihr die Zeit gefunden, Euch ihre Dienste zu sichern?«
»Es ist schon bemerkenswert, Kit, wie schnell Ihr jede Zuneigung zu ersticken versteht«, antwortete Matthew gedehnt, aber mit warnendem Unterton. Marlowe gab vor, sich ganz auf die Schriftstücke zu konzentrieren, schmunzelte in sich hinein und tat so, als wäre nichts gewesen. Matthews Finger schlossen sich fester um meine.
»Heißt sie wirklich Diana, oder hat sie diesen Namen angenommen, damit ihre Kunden sie reizvoller finden? Vielleicht sollte sie ihre rechte Brust entblößen oder sich mit Pfeil und Bogen ausstaffieren«, schlug Marlowe vor, während er nach einem Blatt griff. »Wisst Ihr noch, wie Bess aus Blackfriars von uns verlangte, sie Aphrodite zu nennen, bevor sie sich uns ...«
»Diana ist meine Gemahlin.« Matthew hatte mich stehen lassen, und seine Hand umklammerte nicht mehr meine Finger, sondern Marlowes Kragen.
»Nein.« Kit war anzusehen, wie entsetzt er war.
»Doch. Das heißt, dass sie die Herrin dieses Hauses ist, meinen Namen trägt und unter meinem persönlichen Schutz steht. In Anbetracht all dessen - und unserer langjährigen Freundschaft natürlich - wird fortan kein unziemliches Wort und kein Zweifel an ihrer Tugend mehr über Eure Lippen kommen.«
Ich bewegte die schmerzenden Finger. Matthew hatte so wütend zugedrückt, dass sich der Ring an meiner linken Hand ins Fleisch gepresst und einen hellroten Abdruck hinterlassen hatte. Obwohl der Diamant in der Fassung facettenlos geschliffen war, fing er die Wärme des Kaminfeuers ein. Den Ring hatte ich ganz unerwartet von Matthews Mutter Ysabeau geschenkt bekommen. Vor wenigen Stunden - vor einigen hundert Jahren? - in einigen hundert Jahren? - hatte Matthew ein uraltes Ehegelöbnis gesprochen und den Diamantring auf meinen Ringfinger geschoben.
Wir hörten Geschirr klappern, und im selben Moment betraten zwei Vampire den Raum. Der eine war ein schlanker Mann mit
ausdrucksvollem, wettergegerbtem Gesicht, schwarzem Haar und schwarzen Augen. In seinen haselnussbraunen Händen hielt er eine Weinkaraffe und ein Weinglas mit einem Delfin als Stiel, auf dessen Schwanzflosse der Kelch aufsaß. Begleitet wurde der Mann von einer grobknochigen Frau, die eine Platte mit Brot und Käse trug.
»Ihr seid zu Hause, Milord.« Der Mann war offenkundig überrascht. Merkwürdigerweise konnte ich ihn wegen seines französischen Akzents besser verstehen als Marlowe. »Der Bote sagte am Donnerstag noch ...«
»Meine Pläne haben sich geändert, Pierre.« Matthew wandte sich an die Frau. »Meine Gemahlin verlor auf der Reise ihr ganzes Hab und Gut, Françoise, und die Kleider, die sie trug, waren so verschmutzt, dass ich sie verbrennen musste.« Er log dreist und ohne jeden Skrupel. Weder die Vampire noch Kit sahen aus, als würden sie ihm ein Wort glauben.
»Eure Gemahlin?« Françoises französischer Akzent war genauso ausgeprägt wie der von Pierre. »Aber sie ist eine ...«
»Warmblüterin«, fiel ihr Matthew ins Wort und nahm Pierre den Weinkelch ab. » Sagt Charles, dass wir einen weiteren Magen zu füllen haben. Diana fühlt sich in letzter Zeit nicht recht wohl und muss auf Anraten ihres Arztes viel frisches Fleisch und frischen Fisch essen. Jemand wird auf den Markt gehen müssen, Pierre.«
Pierre blinzelte. »Sehr wohl, Milord.« Er sprach das englische »Mylord« mit französischem I aus.
»AuBerdem wird sie etwas anzuziehen brauchen«, bemerkte Françoise und schätzte gleichzeitig meine Maße ab. Auf Matthews Nicken hin verschwand sie, dicht gefolgt von Pierre.
»Was ist mit deinem Haar passiert?« Matthew hielt eine rötliche Haarsträhne zwischen den Fingern.
»O nein«, murmelte ich und fasste mir an den Kopf. Statt in mein gewohntes schulterlanges, strohblondes Haar griff ich in rotgoldene Locken, die mir bis zur Taille reichten. Das letzte Mal hatten meine Haare ein solches Eigenleben entwickelt, als ich am College in einer Hamlet-Aufführung die Ophelia spielen sollte. Damals wie jetzt waren das plötzliche Wachstum und die Farbveränderung kein gutes Zeichen. Offenbar war auf unserer Reise in die Vergangenheit die Hexe in mir erwacht. Und niemand konnte wissen, welche Magie dabei entfesselt worden war.
Vampire hätten vielleicht das einschießende Adrenalin und meine plötzliche Angst gerochen, oder sie hätten gehört, wie mein Blut zu singen begann. Kit als Dämon hingegen spürte, wie meine Hexenenergie anstieg.
»Beim Grab unseres Erlösers.<< Marlowe lächelte schadenfroh. »Ihr habt eine Hexe mitgebracht. Was hat sie denn angestellt?<<
»Lasst es gut sein, Kit. Das soll nicht Eure Sorge sein.<< Matthews Stimme klang sofort energisch, aber seine Finger strichen weiter liebevoll durch mein Haar. »Mach dir keine Sorgen, mon cœur. Das ist bestimmt nur die Erschöpfung.<<
Mein sechster Sinn widersprach ihm heftig. Diese Veränderung ließ sich nicht mit schlichter Müdigkeit erklären. Ich war zwar von der Abstammung her eine Hexe, aber ich hatte nie Gelegenheit gehabt herauszufinden, welche Kräfte ich eigentlich von meinen Eltern geerbt hatte. Nicht einmal meine Tante Sarah und ihre Lebensgefährtin Emily Mather - beides Hexen - hatten mit Sicherheit sagen können, welche magischen Fähigkeiten ich besaß und wie ich sie beherrschen konnte. Matthew hatte zwar mein Blut analysiert und dabei die verschiedenen genetischen Marker für mein magisches Potential herausgefiltert, aber niemand konnte sagen, ob oder wann diese Erbanlagen aktiv würden.
Bevor ich mir noch mehr Sorgen machen konnte, kehrte Françoise mit etwas zurück, das wie eine lange Stopfnadel aussah. Zwischen ihren Lippen klemmten zahllose Stecknadeln. Begleitet wurde sie von einem wandelnden Berg an Samt, Wolle und Leinen, unter dem Pierres schlanke braune Beine hervorschauten.
»Wofür sind die?<<, fragte ich misstrauisch und deutete auf die Nadeln.
»Dafür, dass wir Madame hier hineinbekommen natürlich.<< Françoise zog eine Art braunen Mehlsack von dem Kleiderstapel. Das Gewand sah nicht gerade besonders vornehm oder elegant aus, aber da ich in Sachen elisabethanischer Mode nicht auf dem Laufenden war, verkniff ich mir jeglichen Kommentar.
»Geht nach unten, wo Ihr hingehört, Kit«, befahl Matthew seinem Freund. »Wir kommen in Kürze nach. Und hütet Eure Zunge. Es ist nicht an Euch, diese Geschichte zu erzählen.«
»Wie Ihr wünscht.« Marlowe zupfte am Saum seines rotbraunen Wamses, eine scheinbar lässige Geste, bei der ihn nur das Zittern seiner Hände verriet, und verbeugte sich knapp und ironisch.
Als der Dämon gegangen war, legte Françoise den Mehlsack über eine Bank, begann mich zu umkreisen und inspizierte mich, um festzustellen, wo sie ihren Angriff am besten starten sollte. Mit einem verärgerten Seufzen begann sie mich anzukleiden. Matthew trat an den Tisch und beugte sich über die Papiere, die darauf verstreut lagen. Er öffnete ein korrekt gefaltetes rechteckiges Päckchen, das mit einem rosa Wachsklecks versiegelt war, und überflog dann die eng beschriebenen Zeilen.
»Dieu. Das hatte ich ganz vergessen. Pierre!«
»Milord?«, drang eine gedämpfte Stimme aus dem Stoffberg.
»Leg das ab, und erzähl mir, worüber Lady Cromwell sich diesmal beschwert.« Matthew behandelte Pierre und Françoise mit einer perfekten Mischung aus Vertraulichkeit und Autorität. Wenn man im sechzehnten Jahrhundert so mit seinen Bediensteten umging, würde ich noch einige Zeit brauchen, bevor ich diese Kunst beherrschte.
Die beiden Männer unterhielten sich leise am Kamin, während ich in etwas Vorzeigbares gesteckt, geheftet und geschnürt wurde. Françoise schüttelte den Kopf, als sie meinen Ohrring mit den verschlungenen Golddrähten sah, an denen Edelsteine hingen, die ursprünglich Ysabeau gehört hatten. Zusammen mit Matthews Ausgabe des Doktor Faustus und der kleinen silbernen Dianastatue hatte der Ohrring uns in dieses Jahr zurückgelotst. Françoise kramte in einer Kommode und hatte im Handumdrehen das passende Gegenstück gefunden. Nachdem die Schmuckfrage geregelt war, rollte sie dicke Strümpfe über meine Knie und befestigte sie mit scharlachroten Bändern.
»Ich glaube, ich bin so weit.<< Ich konnte es kaum erwarten, ins Erdgeschoss zu gehen und unseren Besuch im sechzehnten Jahrhundert zu beginnen. Bücher über die Vergangenheit zu lesen war etwas ganz anderes, als sie zu erleben, wie mein kurzer Kontakt mit Françoise und mein Crashkurs in elisabethanischer Kleidung bewiesen.
Matthew begutachtete meine Aufmachung. »Damit ist sie vorzeigbar - fürs Erste.<<
»Damit ist sie nicht nur vorzeigbar, sondern vor allem so unauffällig, dass man sie gleich wieder vergisst<<, verbesserte Françoise, »und genauso sollte eine Hexe in diesem Hause aussehen.<<
Matthew überging Françoise' Bemerkung und wandte sich mir zu. »Wenn wir gleich nach unten gehen, dann sprich nur das Nötigste, Diana. Kit ist ein Dämon, und George weiß, dass ich ein Vampir bin, aber selbst der aufgeschlossenste Geist wird argwöhnisch, wenn er unerwartet auf jemand Neuen und Andersartigen trifft.<<
Unten im großen Saal wünschte ich George - Matthews groschen- und gönnerlosem Freund - formvollendet und, wie ich glaubte, in perfektem elisabethanischem Englisch einen guten Abend.
»Spricht die Frau Englisch?« George sah mich mit weit aufgerissenem Mund an und spähte dabei durch dicke runde Brillengläser, die seine blauen Augen grotesk verzerrten. Die eine Hand hatte er in die Hüfte gestemmt. So eine Pose hatte ich zum letzten Mal auf einem Gemälde im Victoria and Albert Museum gesehen.
»Sie kommt aus Chester<<, erklärte Matthew eilig. George wirkte nicht überzeugt. Offenbar konnte nicht einmal die Wildnis Nordenglands meine merkwürdige Sprechweise erklären. Matthew hatte sich automatisch dem Tonfall und Sprachmuster der damaligen Zeit angepasst, aber ich klang unüberhörbar modern und amerikanisch.
»Sie ist eine Hexe<<, korrigierte Kit und nahm einen Schluck Wein.
»Wahrhaftig?<< George studierte mich mit neu erwachtem Interesse. Ich spürte keinen leisen Druck, der darauf hingedeutet hätte, dass der Mann ein Dämon war, kein hexentypisches Kribbeln und auch nicht die frostige Kälte eines Vampirblicks. George war ein ganz gewöhnlicher, warmblütiger Mensch - der schon etwas älter und
müder war, offenbar hatte das Leben an ihm gezehrt. »Aber Ihr mögt Hexen genauso wenig wie Kit, Matthew. Ihr habt mir stets abgeraten, mich mit diesem Thema zu befassen. Als ich ein Gedicht über Hekate verfassen wollte, meintet Ihr ...<<
»Diese Hexe hier mag ich aber. Und zwar so sehr, dass ich sie geheiratet habe<<, unterbrach ihn Matthew und setzte einen festen Kuss auf meine Lippen, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
»Geheiratet!<< George warf Kit einen kurzen Blick zu. Dann räusperte er sich. » Demnach gibt es also gleich zwei unerwartete Ereignisse zu feiern: Ihr wurdet nicht in Geschäften aufgehalten, wie Pierre glaubte, und Ihr seid mit einer Gemahlin zu uns zurückgekehrt. Meine Glückwünsche!<< Sein bräsiger Tonfall erinnerte mich an eine Abschlussrede an der Universität. Ich verkniff mir ein Schmunzeln, und George reagierte mit einem strahlenden Lächeln und einer Verbeugung. »Ich bin George Chapman, Mistress Roydon.<<
Der Name klang vertraut. Ich durchforstete das unsortierte Wissen in meinem Historikerhirn. Chapman war jedenfalls kein Alchemist - das war mein Fachgebiet, und sein Name tauchte nicht in den Arealen auf, die mein Hirn für dieses obskure Fach reserviert hatte. Sicher war er Schriftsteller, genau wie Marlowe, aber mir wollte keines seiner Werke einfallen.
Nachdem wir einander vorgestellt worden waren, bat Matthew uns an den Kamin. Dort sprachen die Männer über Politik, wobei George sich redlich bemühte, mich in die Unterhaltung einzubeziehen, indem er sich nach dem Zustand der Straßen und dem Wetter auf meiner Reise erkundigte. Ich antwortete so ausweichend wie möglich und bemühte mich gleichzeitig, mir all die kleinen Gesten und Ausdrücke einzuprägen, die mir helfen würden, als Elisabethanerin durchzugehen. George sonnte sich in meiner Aufmerksamkeit und belohnte sie mit einer langen Abhandlung über seine neuesten literarischen Bemühungen. Kit, dem es gar nicht gefiel, in eine Nebenrolle gedrängt zu werden, fuhr George in die Parade, indem er anbot, aus seinem Doktor Faustus vorzulesen.
»Eine Lesung unter Freunden<<, verkündete der Dämon mit glän-
zenden Augen. » Als Test gewissermaßen vor einer späteren Aufführung.«
»Nicht heute, Kit. Es ist schon nach Mitternacht, und Diana ist müde nach der langen Reise«, sagte Matthew und half mir aus meinem Sessel.
Kit ließ uns nicht aus den Augen, bis wir den Raum verlassen hat-ten. Er wusste, dass wir etwas verheimlichten. Bei jeder unzeitgemäßen Redewendung, die mir im Laufe des Gesprächs entschlüpft war, hatte er aufgehorcht, und besonders nachdenklich war er geworden, als Matthew sich nicht erinnern konnte, wo seine Laute lag.
Bevor wir aus Madison aufgebrochen waren, hatte Matthew mich gewarnt, dass Kit außergewöhnlich scharfsichtig war, sogar für einen Dämon. Ich fragte mich, wie lange es wohl dauern würde, bis Marlowe herausfand, was wir tatsächlich verbargen. Meine Frage sollte innerhalb weniger Stunden beantwortet werden.
Am nächsten Morgen lagen wir plaudernd und geborgen in unserem warmen Bett, während der Haushalt allmählich erwachte.
Anfangs beantwortete Matthew bereitwillig meine Fragen nach Kit (dem Sohn eines Schusters, wie sich herausstellte) und George (der zu meiner Überraschung nicht viel älter war als Marlowe). Doch als ich mich nach den praktischen Aspekten der Haushaltsführung erkundigte und wissen wollte, wie sich eine elisabethanische Frau zu verhalten hatte, begann er sich schon bald zu langweilen.
»Was ist mit meinen Kleidern?« Ich gab mir alle Mühe, ihn für meine Sorgen zu interessieren.
»Ich glaube nicht, dass verheiratete Frauen in so etwas schlafen«, sagte Matthew und begann an dem feinen Leinen meines Nachthemds herumzuspielen. Er löste das Band des Rüschenkragens und wollte gerade einen Kuss unter mein Ohr setzen, um mich zu überzeugen, dass meine Kleidung nicht weiter wichtig war, als jemand den Vorhang unseres Himmelbettes zur Seite riss. Ich blinzelte gegen die Sonnenstrahlen an.
»Und?«, wollte Marlowe wissen.
Ein zweiter dunkelhäutiger Dämon schielte über Marlowes Schulter. Mit seinem dünnen Körper und dem spitzen Kinn, an dem ein ebenso spitzer brauner Bart spross, erinnerte er an einen energiegeladenen Kobold. Seine Haare hatten offensichtlich seit Wochen keinen Kamm gesehen. Notdürftig bedeckte ich meinen Körper mit den Händen, denn mir war schlagartig bewusst, wie dünn mein Nachthemd war und dass ich nichts darunter trug.
»Ihr habt Master Whites Zeichnungen aus Roanoke gesehen, Kit. Die Hexe sieht ganz und gar nicht aus wie eine Ureinwohnerin aus Virginia<<, erwiderte der fremde Dämon enttäuscht. Erst jetzt bemerkte er Matthew, der ihn wutentbrannt fixierte. » Ah. Guten Morgen, Matthew. Gestattet Ihr, dass ich mir Euren geometrischen Kompass ausleihe? Ich verspreche auch, ihn diesmal nicht an den Fluss mitzunehmen.<<
Matthew ließ die Stirn auf meine Schulter sinken und schloss stöhnend die Augen.
»Sie muss aus der Neuen Welt stammen - oder aus Afrika.<< Marlowe weigerte sich beharrlich, meinen Namen in den Mund zu nehmen. »Sie kommt weder aus Chester, noch stammt sie aus Schott-land, Irland, Wales, Frankreich oder den Kolonien. Und ich glaube nicht, dass sie eine Holländerin oder Spanierin ist.<<
»Euch auch einen guten Morgen, Tom. Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb Ihr um diese Zeit und in meinem Schlafzimmer über Dianas Herkunft streiten müsst?<< Matthew zog die Bänder meines Nachthemds wieder zu.
»Das Wetter ist viel zu schön, um im Bett zu liegen, selbst wenn einen der Schüttelfrost um den Verstand bringt. Kit behauptet, Ihr hättet die Hexe im Fieberwahn geheiratet. Anders ließe sich diese Torheit nicht erklären.<< Tom plapperte auf Dämonenart los und machte keine Anstalten, Matthews Frage zu beantworten. »Die Straßen waren trocken, und wir sind bereits vor Stunden eingetroffen.<<
»Und schon jetzt ist der Wein aus<<, beschwerte sich Marlowe.
»Wir<<? Es waren also noch mehr Gäste gekommen? Dabei hatte ich schon jetzt das Gefühl, dass es in der Old Lodge entschieden zu voll war.
Übersetzung: Christoph Göhler
Copyright © der Originalausgabe 2012 by Deborah Harkness
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2013 by Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
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Autoren-Porträt von Deborah Harkness
Harkness, DeborahDeborah Harkness ist Professorin für europäische Geschichte an der University of Southern California in Los Angeles. Für ihre wissenschaftlichen Arbeiten erhielt sie bereits mehrfach Stipendien und Auszeichnungen. Sie schreibt ausserdem ein preisgekröntes Wein-Blog. Ihre »All-Souls«-Trilogie, bestehend aus den Romanen »Die Seelen der Nacht«, »Wo die Nacht beginnt« und »Das Buch der Nacht«, war ein grosser internationaler Erfolg. Der erste Band ist für Sky verfilmt worden, die deutsche Fassung wird im Frühjahr 2019 ausgestrahlt. Auch die Verfilmungen von »Wo die Nacht beginnt« und »Das Buch der Nacht« sind bereits in Planung.
Bibliographische Angaben
- Autor: Deborah Harkness
- 2013, 2. Aufl., 796 Seiten, Masse: 16 x 23,2 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Göhler, Christoph
- Übersetzer: Christoph Göhler
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3764504676
- ISBN-13: 9783764504670
- Erscheinungsdatum: 18.03.2013
Rezension zu „All Souls Trilogie Band 2: Wo die Nacht beginnt “
"Gekonnt mixt die Geschichtsprofessorin Harkness aus gängigen Erfolgselementen einen süffigen History-Cocktail. Packende Fantasy mit Niveau." Hörzu
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