Die Tochter des Imam
Er nahm mir die Freiheit, nun kämpfe ich für meine Freiheit
Das ergreifende Schicksal einer mutigen jungen Frau, die für ihre Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben kämpft.
Seit ihrer Kindheit erträgt Hannan die grausamen Misshandlungen durch ihren Vater, einen...
- Kreditkarte, Paypal, Rechnungskauf
- 30 Tage Widerrufsrecht
Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Tochter des Imam “
Das ergreifende Schicksal einer mutigen jungen Frau, die für ihre Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben kämpft.
Seit ihrer Kindheit erträgt Hannan die grausamen Misshandlungen durch ihren Vater, einen strenggläubigen Imam aus Pakistan. Als sie mit 16 Jahren von ihrer Heimat England nach Pakistan gebracht und mit einem Cousin zwangsverheiratet werden soll, wagt Hannan die Flucht in ein neues Leben - und wird zur Christin Hannah.
Heute ist sie glücklich verheiratet.
Klappentext zu „Die Tochter des Imam “
Seit ihrer Kindheit erträgt Hannan die grausamen Misshandlungen durch ihren Vater, einen strenggläubigen Imam aus Pakistan. Als sie mit 16 Jahren von ihrer Heimat England nach Pakistan gebracht und mit einem Cousin zwangsverheiratet werden soll, wagt Hannan die Flucht in ein neues Leben - und wird zur Christin Hannah.Das ergreifende Schicksal einer mutigen jungen Frau, die für ein selbstbestimmtes Leben kämpft.
Lese-Probe zu „Die Tochter des Imam “
Die Tochter des Imam von Hannah ShahAus dem Englischen von Angela Schumitz
1
Am richtigen Ende der Straße
Aus meiner Kindheit weiß ich nicht mehr viel. Die Bilder sind verschwommen, schemenhaft, ab und zu taucht inmitten der Dunkelheit ein Farbklecks auf.
Nur an eines erinnere ich mich noch deutlich: an meine Straße, die East Street in Bermford, einer Kleinstadt in Nordengland. Sie war gesäumt von zwei Reihen identischer viktorianischer Backsteinhäuser, am Ende lag ein schattiger Park, der aussah wie eine grüne Baumkrone auf einem blutroten Stamm. Die knorrigen Bäume dort kamen mir vor wie mit Fangzähnen bewehrte Ungeheuer. Wir spielten in ihren verschlungenen, unheimlichen Schatten.
Ich huschte verspielt von Haus zu Haus, mit meinen Zöpfchen und in alten, vererbten Kinderschuhen, mit denen ich den endlosen Randstein des rissigen Bürgersteigs entlangtrapste.
Die Türen standen immer offen, Angst vor Einbrechern hatte hier keiner. Ich konnte zu meiner Freundin Amina schlendern, wann immer ich wollte. Und ich konnte bleiben, so lange ich wollte. War ich länger als drei oder vier Stunden weg, kam mich jemand suchen - meine Mutter oder einer meiner Brüder. Für ein kleines Kind war das viel Freiheit.
Man bot mir pakistanischen Tee an, bei dem die Teeblätter aufgekocht werden, dann kommt heiße Milch dazu, reichlich Zucker und manchmal eine Prise Kardamom. Auch zu essen wurde mir angeboten - an manchen Tagen Schokoladenkekse oder Teegebäck, an anderen ein Currygericht und chapatis. Erst viele Stunden später machte ich mich wieder auf den Heimweg und hüpfte an den Fenstern vorbei, die in der dunklen Nacht gelb leuchteten.
Das war in den achtziger Jahren. Wir waren Pakistaner, wir waren Engländer. Wir waren die East Street.
... mehr
Meine Mutter stellte unsere chapatis aus Vollkornmehl her. Das Mehl wurde mit Wasser zu einem Teig verknetet und in faustgroße Kugeln aufgeteilt. Die Kugeln rollte Mutter dann auf einer Eisenplatte zu kleinen runden Fladen aus und erhitzte sie über dem Feuer, bis sich auf der Oberfläche dunkle Flecken zeigten. Wenn sie parathas machte, formte sie Kugeln aus dem Teig, drückte sie flach und legte sie auf eine tava - eine langstielige Pfanne. Ins heiße Öl geworfen, blähten sie sich auf wie kleine Teigballons.
Wir aßen mit der Hand, wobei chapati oder paratha als Löffel dienten. Meine Mutter machte auch samosas mit einer Füllung aus würzigem Hackfleisch oder Kartoffeln und Erbsen. Pakoras wurden aus Zwiebelscheiben und frischen Chilis zubereitet, die in einen Teig aus Kichererbsenmehl getunkt und in einer Fritteuse in zischend heißem Öl gebacken wurden. Wenn sie fertig waren, stiegen sie zur Oberfläche, goldbraun wie Fischstäbchen.
Uns gegenüber lebte eine armenische Familie, eine Mutter mit ihrem Sohn. Sie gehörten zu den wenigen Leuten aus unserer Straße, die nicht aus Pakistan oder einem anderen muslimischen Land stammten. Die Armenierin versuchte gelegentlich, sich mit meiner Mutter zu unterhalten, doch die beiden sprachen kaum Englisch. Mama erklärte uns, dass wir sie »Auntie«, also Tante, nennen sollten, was bei uns eine respektvolle Bezeichnung ist.
Mein Vater billigte das nicht. Er weigerte sich, Menschen, die nicht aus Pakistan stammten und keine Muslime waren, Respekt zu zollen. Selbst die indischen Muslime, die gleich um die Ecke in der Jenna Street lebten, respektierte er nicht.
Die armenische Tante brachte uns oft ein paar Kostproben aus ihrer Küche vorbei, und Mutter überreichte ihr dann als Gegengeschenk ein paar pakistanische Köstlichkeiten. Meist kam sie mit vegetarischen Eintöpfen an, zum Beispiel Auberginen, Kartoffeln und Karotten in einer salzigen, pfeffrigen Soße. Bevor wir sie kosten durften, durchsuchte meine Mutter die Gabe nach verdächtigen Fleischstückchen. Wenn sie keine fand, wurde uns erlaubt zuzulangen.
Wenn die Sonne schien, stellte unsere armenische Tante Stühle in ihren Vorgarten. Dort saß sie dann zusammen mit ihrem Sohn, genoss die Wärme und schälte Kartoffeln. Wenn wir vorbeikamen, blieben wir an ihrem grünen Lattenzaun auf einen kleinen Plausch stehen, aber wir betraten nie ihr Haus. Offenbar hatte sie gemerkt, dass sie bei uns zu Hause nicht willkommen war, und lud uns deshalb auch nicht in ihr Haus ein. Zum Glück wusste sie nicht, dass der Grund unserer mangelnden Gastfreundschaft der Hass meines Vaters auf die Weißen war.
Ein paar Häuser weiter wohnte noch eine armenische Familie: Mutter, Vater und Tochter. Sie gingen zur Messe in eine christlichorthodoxe Kirche und begegneten allen Leuten in unserer Straße nur abweisend. In anderen Häusern wechselten die Bewohner häufig: schwarze Studenten aus dem Kongo, aus Kamerun und Algerien.
Abgesehen von diesen wenigen Personen waren alle in unserer Straße Muslime aus Pakistan. Die Erwachsenen kleideten sich mehr oder weniger so, wie sie es auch in einem Dorf in Pakistan getan hätten.
Frauen und Männer trugen einen salwar kamiz, bestehend aus einem lose fallenden, wadenlangen Oberteil und einer dazu passenden Hose. Die Kleidung der Frauen bestand aus bunteren Stoffen, die Hosen der Männer waren weiter geschnitten und in nüchternen, maskulinen Farben gehalten - braun, grau, weiß. Mein Vater trug stets einen weißen salwar kamiz und dazu ein topi, das traditionelle Scheitelkäppchen des Punjab, einer Gegend im indischpakistanischen Grenzgebiet.
Die meisten Männer zogen sich um, wenn sie zur Arbeit gingen. Sie hatten eine Art westliche Hülle, die sie anlegten, wenn sie unsere Straße verließen und in die Stadt gingen, um dort als Taxifahrer, Polizist, Ingenieur oder Verkäufer zu arbeiten.
Aus der Generation meiner Eltern war keine Frau erwerbstätig, aber manche der jüngeren Frauen nahmen eine Stelle als Sekretärin oder Verkäuferin an, zumindest bis zu ihrer Hochzeit. Sie kleideten sich dann zwar eher westlich, hielten sich jedoch stets vorschriftsmäßig bedeckt, und ihr Verhalten war von angemessener Sittsamkeit.
Vier Häuser von uns entfernt lebten mein Großonkel Kramat und meine Großtante Sakina. Sie waren für uns Ersatzgroßeltern, denn unsere richtigen Großeltern lebten in unserem Dorf in Pakistan. Aber ich besuchte sie nicht gern. Ich hatte Angst vor Onkel Kramat, der sehr streng wirkte mit seinem langen, weißen Bart und den buschigen Augenbrauen, die in der Mitte zusammengewachsen waren. Er und auch Auntie Sakina zogen beim Fernsehen und Teetrinken über meine Eltern her.
Onkel Kramat und Auntie Sakina hatten drei erwachsene Kinder: zwei verheiratete Söhne, Ahmed und Saghir, und eine verheiratete Tochter, Kumar. Sie alle lebten mit den Eltern unter einem Dach. Doch das war in unserer Straße nicht unüblich.
Keines der Kinder von Onkel Kramat und Auntie Sakina hatte eigene Kinder. Manche Leute aus unserer Straße munkelten düster, das sei eine Strafe Allahs. Onkel Kramat war nicht besonders gläubig - zumindest nicht nach den Standards unserer Straße. Er ging nicht regelmäßig in die Moschee. Und er rauchte die ganze Zeit, obwohl er wusste, was im Koran stand: »Stürzt euch nicht durch eigener Hände Werk ins Verderben. « Und: »Tötet nicht euch selbst.«
In unserer Gemeinschaft wurden Glück oder Pech oft auf das moralische oder spirituelle Verhalten zurückgeführt. Onkel Kramats Mangel an Gläubigkeit galt als Ursache für die Unfruchtbarkeit seiner Kinder. Allerdings sah man bei all dem Klatsch darüber hinweg, dass Ahmed, Saghir und Kumar ihre Cousinen bzw. ihren Cousin ersten Grades geheiratet hatten. Wie dem auch sei - man war sich einig, dass die ganze Familie Allahs Willen hinnehmen und nicht so einen Unfug wie eine künstliche Befruchtung ausprobieren sollte.
Im Islam geht es vor allem um die Unterwerfung unter Allahs Willen; ein Gläubiger wird oft als »Sklave Gottes« bezeichnet. Oft wird irrtümlich angenommen, dass der Begriff Islam in erster Linie »Frieden« bedeute, aber das gilt nur insoweit, als dass der Gläubige Frieden findet, wenn er sich Allahs Willen unterwirft.
Meine beste Freundin in unserer Straße hieß Amina. Sie hatte widerspenstiges dunkles Haar, das ihr in wilden Zotteln bis zu den Schultern reichte. Keiner fand das besonders hübsch, aber sie musste eben damit leben. Aminas Schwester Ruhama galt mit ihren üppigen, lockigen Haaren als die weitaus hübschere. Beide Mädchen hatten hellere Haut als meine Schwestern und ich.
»Sie ist so hübsch«, sagten die Leute auf der Straße und in der Schule über Ruhama. »Sie hat so schöne Haare und so eine helle Haut!« Wenn ich so etwas hörte, dachte ich immer, dass dunkle Haut weniger schön ist.
Bei Amina ging es wesentlich lockerer zu als bei mir zu Hause. Ihre Eltern beteten nicht regelmäßig und hielten ihre Töchter außerhalb der Koranschule, die sie besuchten, nicht dazu an, in dem heiligen Buch zu lesen. Weder sie noch Ruhama mussten ein hijab - die muslimische Kopfbedeckung für Frauen und Mädchen - tragen, wenn sie das Haus verließen. Da mein Vater der Imam unserer Gemeinde war, musste ich im Gegensatz zu ihnen meinen Kopf ständig bedecken.
Amina, Ruhama und ich spielten gern Kästchenhüpfen. Die Pflastersteine waren quadratisch gelegt, sodass wir sie nur mit Zahlen beschriften mussten. Wenn man die Ritzen zwischen den Steinen berührte, hatte man verloren. Wir fingen sogar an, die beste Zeit zu ermitteln - wir zählten von eins bis hundert und stellten so fest, wer es am schnellsten schaffte. Mitten im Hüpfen ließ meine Aufmerksamkeit oft nach, ich konnte Amina und Ruhama nie schlagen.
Nicht alles in meiner Welt war eitel Sonnenschein, und meine einzige Ausflucht bestand darin, mir eine andere Welt zu erschaffen. Einen Großteil meiner Freizeit verbrachte ich deswegen in meinem Zimmer und las. Ich erfand Geschichten und zeichnete immer wieder dasselbe: ein kleines Häuschen mit einem hübschen Blumengarten. Wir hatten nur einen winzigen Hinterhof, in dem meine Mutter Minze und Koriander zog. Sie hatte weder Zeit noch Platz für einen Blumengarten.
Jedes Jahr am 5. November veränderte die Bonfire Night unsere Straße. An diesem Tag finden überall in Großbritannien zum Gedenken an die Taten von Guy Fawkes Fackelzüge statt. Vor dem Fest packten tagelang alle mit an, um aus Restholz, heruntergefallenen Ästen und alten Holzkisten einen riesigen Haufen zu errichten. Jede Familie kaufte so viel Feuerwerk und Wunderkerzen, wie sie sich leisten konnte.
Im November war es immer kalt, deshalb hüllten wir uns in dicke Wollschals und setzten Wollmützen auf, während wir darauf warteten, dass das Feuer entzündet wurde. Diesen Moment fand ich am herrlichsten - die wunderbare, kitzelnde Vorfreude darauf, dass sich der Holzstoß gleich in ein riesiges Flammenmeer verwandeln würde.
Die Männer tränkten das Holz mit etwas Altöl und forderten uns auf, zurückzutreten. Plötzlich schossen dann mit einem dumpfen Knall die Flammen hoch, brennende Hitze schlug uns entgegen, Funken flogen uns ins Gesicht und stoben in den dunklen Himmel. Wir warfen Kartoffeln ins Feuer und rösteten Marshmallows über den Flammen, wärmten die Hände und die Gesichter und naschten BonfireBonbons.
Das war der einzige Tag im Jahr, an dem alle in unserer Straße wirklich vereint waren - pakistanische Muslime, Christen, Armenier, afrikanische Studenten.
Alle bis auf meinen Vater. Er stand mit verschränkten Armen vor unserem Haus und beobachtete mit einem Ausdruck des Missfallens das Feuer, das flackernde Schatten auf seine Stirn zeichnete.
Vater hasste es, wenn die Menschen Spaß hatten.
Da Weihnachten und Ostern christliche Feiertage waren, durfte unsere Gemeinde diese Tage nicht mit einem Fest begehen. Vater ahnte auch nicht, worum es bei der Bonfire Night eigentlich ging. Über das Land, das er zu seiner Wahlheimat gemacht hatte, wusste er nur, dass überall Unmoral herrschte und dass seine Einwohner Ungläubige waren.
In den Augen meines Vaters war die Bonfire Night etwas, was eigentlich nur die weißen Engländer feiern sollten, aber ihm fiel keine religiöse Begründung ein, um das Fest zu verbieten. Alle hatten so viel Spaß, dass es einen langen Kampf seinerseits erfordert hätte, dem Treiben Einhalt zu gebieten. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als sich fernzuhalten und alle wissen zu lassen, dass er ihr Tun missbilligte.
Fast am Ende unserer Straße lebte die letzte weiße Britin unseres Viertels. Sie hatte einen schwarzen JackRussellTerrier, der - wie konnte es anders sein - Jack hieß. Sobald er einen von uns entdeckte, raste er kläffend und hechelnd aus dem Haus und verfolgte uns. Eines Tages erwischte Jack meine Freundin Saira und biss sie ins Bein.
Sobald wir erfuhren, was passiert war, statteten Mama und ich dem armen Opfer einen Besuch ab. Saira löste vorsichtig den Verband, um uns den Schaden zu zeigen. Es gab rote Bissspuren, und die Wunde hatte genäht werden müssen. Ich war tief beeindruckt. Saira hatte sogar eine Tetanusspritze bekommen, was bei Hundebissen stets ratsam ist.
Sairas Eltern waren ziemlich aufgebracht. In einer Nachbarstraße lebte ein pakistanischer Muslim, der bei der Polizei arbeitete. Jeder, der in unserem Viertel ein ernstes Problem hatte, wandte sich an ihn. Er erklärte Jacks Besitzerin, dass der Hund ab sofort einen Maulkorb tragen müsse. Aber dazu kam es natürlich nicht.
Gegenüber von Jacks Zuhause gab es ein ziemlich heruntergekommenes Haus inmitten dichter Büsche. Es wirkte düster und geheimnisvoll, und meine Brüder behaupteten immer, dass dort ein Ungeheuer hauste, der Bogeyman. An diesem Haus ging ich nur äußerst ungern vorbei.
Ich stellte mir den Bogeyman als jemanden vor, dessen Gesicht grässlich verunstaltet war. Warum sonst sollte er sein Haus nie verlassen? Und ich dachte, er sei ein Weißer, denn einmal hatte jemand behauptet: »Ich habe den Bogeyman gesehen, er ist weiß wie ein Gespenst.« Wir erzählten einander Gruselgeschichten, was der Bogeyman mit uns anstellen würde, wenn er uns erwischte. Zakir, mein ältester Bruder, meinte sogar, der Bogeyman verspeise Kinder zum Frühstück.
Mit dem Park und seinen Baummonstern, mit Jack und dem Bogeyman machte mir das nördliche Ende unserer Straße große Angst. Sobald ich in diese Gegend kam, begann ich zu rennen und hörte erst auf, wenn ich unser »sicheres « Ende erreicht hatte.
Aber in Wahrheit gelangte ich nie ans sichere Ende; denn ich lebte mit dem Bogeyman unter einem Dach.
2
Geliebtes Pakistan
Meine Eltern kamen aus einer sehr ländlichen Gegend Pakistans. In Großbritannien lebten sie in der Stadt, eingeengt von Steinwänden und Asphalt. Monatelang beschränkte sich ihr Leben fast ausschließlich auf unser Haus, unsere Straße und die nahe gelegene Moschee.
Meine Mutter verließ sich auf die Läden in der Nachbarschaft, in denen es halal-Fleisch gab, das von Tieren stammte, die nach islamischem Ritus geschächtet worden waren, sowie die Gewürze, das Gemüse und das chapatiMehl, die sie für ihre Küche brauchte.
Die East Street war ein pakistanisches Dorf aus Ziegeln und Zement, zusammengeschrumpft auf die Größe eines britischen Stadtviertels. Meine Mutter kam nur selten über diese Straße hinaus, ja, sie kam kaum aus dem Haus, ihr Pflichtbewusstsein war größer als ihre Liebe zur freien Natur.
Meine Eltern waren vor der Armutsfalle des ländlichen Pakistan geflohen. In jedem englischen Ort gibt es fließendes Wasser, Strom, kostenlose Bildung und Geschäfte, in denen man alles bekommt, was das Herz begehrt. In ihren Heimatdörfern gab es nichts dergleichen.
Mein Vater hatte bis zum Alter von elf Jahren nur eine rudimentäre Schulbildung erfahren. Danach besuchte er die Koranschule, auf der die Kinder ausschließlich im Koran unterwiesen werden. Meine Mutter war nur ein knappes Jahr zur Schule gegangen und hatte in der Zeit kaum lesen oder schreiben gelernt. Wir Kinder sprachen Punjabi mit unseren Eltern, manchmal auch Urdu, aber nie Englisch.
Mein Vater war Ende zwanzig, als er nach England kam. Zuvor hatte er im Punjab, einer geografischen Region, die politisch zwischen Indien und Pakistan aufgeteilt ist, auf dem Land gearbeitet. Er war ein sogenannter Deobandi, ein Anhänger einer sunnitischen Islamrichtung, die 1866 im indischen Deoband gegründet wurde und den Koran sehr streng auslegt. Diese Glaubensrichtung ist in den Stammesgebieten Nordindiens, Pakistans und Afghanistans sehr stark vertreten.
In Großbritannien lebte mein Vater anfangs in einem Mietshaus in Lancashire zusammen mit einem guten Dutzend anderer Pakistaner aus seinem Stammesgebiet. Keiner von ihnen sprach Englisch, aber das brauchten sie auch nicht, weder zu Hause noch in der Arbeit waren englische Sprachkenntnisse erforderlich.
Die Männer arbeiteten in den Textilfabriken. Sobald sie genug gespart hatten, kauften sie mit Hilfe von Freunden ein Haus. Abgesehen von dem, was sie für Essen und Unterkunft benötigten, gaben sie kaum Geld aus. Mein Vater und einer seiner Freunde sparten ihren Lohn mehrere Jahre lang, bis sie sich gemeinsam und in bar ein Haus in dem Ort kaufen konnten, in dem dann auch ich zur Welt kam. Zwei Jahre später holten sie ihre Frauen nach England.
Meine Mutter und mein Vater hatten geheiratet, bevor er nach England gegangen war. Wie bei uns üblich, war die Ehe arrangiert worden.
Meine Mutter stammte aus einer sehr armen ländlichen Gegend. Ohne zu zögern, nutzte sie die Gelegenheit, ins Ausland und in ein besseres Leben zu ziehen.
Mit der Zeit wurde auf diese Weise die gesamte East Street von pakistanischen Immigranten übernommen, und die weißen Engländer zogen weg.
Mein Vater hegte eine ausgesprochene Abneigung gegen alle NichtMuslime. Die 1960erund 1970erJahre standen im Zeichen der sogenannten Blumenkinder, die Menschen experimentierten mit Drogen und der freien Liebe, trugen verrückte Kleidung, und sogar die Männer ließen sich die Haare lang wachsen.
Meine Eltern fanden das alles schrecklich. Sie mochten auch die »respektlose« Art nicht, mit der die englischen Kinder ihren Eltern begegneten. In ihren Augen fehlte es den Engländern auch an »Gemeinschaftssinn«, weshalb sie ihre eigene pakistanischmuslimische Gemeinschaft schufen. Obwohl sie die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die ihnen England bot, durchaus schätzten, wehrten sie sich entschlossen dagegen, dass die englische Kultur ihr traditionelles Gemeinschaftsleben untergrub.
Zu Hause war Vater kaum für uns da. Er verbrachte die meiste Zeit mit seinem heiligen Buch hinter verschlossenen Türen. Ständig murmelte er Koranverse und betete mit seinem tasbih, seiner Gebetskette. Der tasbih sieht fast genauso aus wie ein katholischer Rosenkranz. Er besteht aus neunundneunzig Holzoder Steinperlen, von denen auf vier gleich große Perlen stets eine etwas größere folgt.
Stundenlang ließ mein Vater den tasbih durch die Finger gleiten. Er hatte ihn ständig in der Hand, selbst wenn er unterwegs war. Für meine Brüder und mich ließ er kleine tasbihs aus Pakistan kommen. Im Alter von vier Jahren brachte er mir bei, die Perlen durch die Finger gleiten zu lassen und dabei die neunundneunzig Namen Allahs zu rezitieren - Irahma, der Gnädige, Rahim, der Verzeihende, Malik, der Allmächtige. Meine schmalen Lippen und noch schmaleren Finger konzentrierten sich auf die heilige Arbeit.
Für mich, die ich in der East Street zur Welt gekommen war, bestand das Gebet nur aus seltsamen Worten, Silben, die ich aufsagen, aber nicht verstehen konnte. Mein Vater befahl mir, gläubig zu sein. Ich lernte die geheimnisvollen Laute auswendig, um ihm eine Freude zu machen. Aber als ich es eines Tages tatsächlich schaffte, die neunundneunzig Namen aufzuzählen, blieb er ungerührt. Er schubste mich nur vor seine Gäste und ließ mich alles aufsagen. Je weniger er mich spüren ließ, dass er mich mochte, desto verzweifelter sehnte ich mich danach, endlich von ihm gelobt zu werden.
Wie bei vielen Männern aus unserer Straße, drehte sich Vaters gesamtes Leben um die Erfüllung seiner religiösen Pflichten. Am wichtigsten war ihm, fünfmal am Tag zu beten und zum Predigen in die Moschee zu gehen. Oft fuhr er nach Lancaster, Manchester oder Birmingham, wenn in den Moscheen dort religiöse Feste gefeiert wurden.
Er hatte keine Hobbys bis aufs Fernsehen, doch selbst im Fernsehen sah er sich am liebsten Aufzeichnungen von Vorträgen heiliger Männer an, oder Sendungen mit qawwaliMusik, einer Gesangsform, die in Pakistan sehr beliebt ist. Seine sozialen Kontakte beschränkten sich auf Gespräche mit seinen Freunden, die meist im Männerraum unseres Hauses stattfanden.
Er führte ein schlichtes, ernstes Leben und ärgerte sich über jegliche Störung von außerhalb.
Mein Vater war kein praktischer Mensch. Wenn eine Glühbirne kaputtging, befahl mein Vater einem meiner Brüder, sie zu ersetzen, oder er rief Onkel Ahmed an. Solche weltlichen Dinge schienen unter seiner Würde. Denn Imam war ein weitaus würdigerer Beruf als beispielsweise Busfahrer oder Handwerker.
Die Ehre, die Ahmed allein dadurch zukam, dass mein Vater sein Imam war, war größer als die Ehre, die Ahmed meinem Vater erwies, wenn er kleinere Reparaturen für ihn erledigte.
Als ich drei Jahre alt war, nahmen meine Eltern mich mit nach Pakistan. Wir reisten in die Heimat meines Vaters, nach Pindi Khan, einem kleinen, aus Lehmhäusern bestehenden Dorf im Punjab, das zwischen der nordwestlichen Grenzprovinz und Kaschmir liegt.
Es herrschte gerade Regenzeit. Ich weiß noch, dass das Dorf inmitten grüner Felder lag und von einem rauschenden, klaren Bach durchquert wurde. Alle Bewohner waren miteinander verwandt - Cousins und Cousinen ersten, zweiten, dritten Grades -, weil die Leute nur innerhalb ihres Klans heirateten. Solche Ehen gehörten zu dem Verteidigungssystem der Klans, die ständig gegeneinander Krieg zu führen schienen.
Das Leben in Pindi Khan war sehr schlicht. Die Menschen verdienten sich ein paar Münzen durch den Verkauf von Getreide, Milch, Kühen, Ziegen und Eiern. Die Felder wurden noch überwiegend mit Hilfe von Tieren bestellt, die man beim Pflügen, beim Säen und bei der Ernte einsetzte.
Die Jungen aus dem Dorf besuchten entweder eine Koranschule oder die Dorfschule, die Mädchen bekamen kaum jemals Unterricht. Die Koranschule hatte mehr Geld als die Dorfschule und stand im Ruf, die bessere Bildung zu bieten.
Wir fuhren in einer tonga umher, einem traditionellen Pferdekarren. Mein Vater besaß ein Haus in diesem Dorf. Es war aus Ziegelsteinen gebaut und bestand aus mehreren, um einen zentralen Innenhof gruppierten Räumen, die alle ein Flachdach hatten, sodass man draußen sitzen und sogar im Freien schlafen konnte.
Kurz nach unserer Ankunft tranken meine Eltern ihren morgendlichen Tee im Hof. Das Tor stand offen, und ich wanderte hinaus. Als meine Mutter mich suchen ging, entdeckte sie mich mitten auf dem Feld, friedlich unter einer riesigen Kuh sitzend. Die Kuh schien über mich zu wachen, als wäre ich ihr Kalb. Mutter und eine Schwester meines Vaters fingen an zu lachen, beeilten sich jedoch, mich vor der Gefahr zu retten, von der Kuh zertrampelt zu werden.
Ein paar Tage später saßen wir alle zusammen auf dem Feld, umringt von grasenden Ziegen. Ich spielte im Gras mit ein paar Münzen. Als eine neugierige Ziege zu mir kam, bot ich ihr eine Münze an. Die Ziege schleckte mir die Münze - es war ein paisa, weniger wert als ein Penny - aus der Hand und verschluckte sie. Mutter erzählte es allen im Dorf und lachte jedes Mal lauter, wenn sie es noch einmal erzählte.
Am Ende unseres Aufenthalts hatte meine Mutter mich dem ganzen Dorf vorgestellt und viele Geschichten über das Leben in einem fremden Land erzählt, einem Land, das den Dorfbewohnern wie eine Traumwelt vorgekommen sein muss.
Wieder zurück in England, war Mutter sehr stolz darauf, dass sie ihre älteste Tochter mit nach Hause in die alte Heimat genommen hatte. Sie erzählte allen unseren Gästen davon: »Hannan hat unser Dorf besucht. Sie wurde von einer Kuh adoptiert und hat eine Ziege mit einem paisa gefüttert. Sie fühlte sich dort sofort zu Hause!«
Stimmte das?
In meiner Kindheit fiel dieser Satz immer wieder: »Sie fühlte sich dort sofort zu Hause.«
Aber ich konnte das nicht so richtig bestätigen. Meine Erinnerungen an das Dorf waren eine verschwommene Mischung aus den Erlebnissen einer Dreijährigen und den Geschichten meiner Mutter aus ihrer eigenen Kindheit.
Mutter schwelgte ständig in Berichten über die Vergangenheit. Sie malte das Dorf in magischen Farben: Die Nachbarn teilten ihre Häuser und halfen sich auf den Feldern bei der Ernte, und die Frauen kochten unter Lachen und voller Freude Currygerichte und chapatis füreinander. Am liebsten erzählte sie die Geschichte, wie sie ihr Dorf verlassen hatte und nach Nordengland gekommen war. Dabei nahm ihre Stimme stets einen sehnsüchtigen Ton an.
Alle Leute in der East Street schienen die romantische Überzeugung zu teilen, dass die Dorfbewohner eine einzige große, glückliche Familie waren.
Doch die Briefe von Tanten, Onkel und Cousinen aus Pakistan, die überall herumgereicht wurden, vermittelten uns ein realistischeres Bild von der Lebensweise und den Verhältnissen in Pakistan. Wir erfuhren, dass manch ein Onkel nach Dubai oder SaudiArabien gegangen war, weil es im Dorf keine Arbeit gab. Wir hörten von Geburten, Hochzeiten und Todesfällen in unserer Großfamilie.
Der Großteil der Berichte bedeutete mir ebenso wenig wie das, was ich über Fremde in den Schlagzeilen erfuhr, die ich an dem Zeitungsstand Ecke East und Jenna Street las, an dem ich täglich vorbeikam.
Meine Eltern wollten uns Pakistan näherbringen. Wir sollten Bücher auf Urdu lesen über die postkoloniale Teilung Indiens, durch die Pakistan entstanden war. Wir sollten vom Leben Muhammad Ali Jinnahs erfahren, des Mannes, der an dieser Teilung beteiligt gewesen und zum ersten Generalgouverneur Pakistans geworden war.
Aber ich lebte in England, für mich fühlte sich England wie meine Heimat an.
Wenn wir Nachrichten von unserer Familie aus Pakistan erhielten, murmelten meine Brüder stets: »Meine Güte, sind wir froh, dass wir nicht dort leben!«
Sie achteten natürlich darauf, das auf Englisch zu sagen, damit meine Eltern es nicht mitbekamen. Aber sie sprachen mir aus der Seele. Im Vergleich zum ländlichen Pakistan war Großbritannien für meine Brüder ein Land voller Möglichkeiten. Annehmlichkeiten wie fließendes Wasser, Strom und asphaltierte Straßen waren nicht zu verachten, und meinen Brüdern war klar, dass sie in Pakistan unter vielen Einschränkungen hätten leiden müssen.
Dann wäre nämlich Schluss gewesen mit Fußballübertragungen im Fernsehen, mit dem Treffen von Schulfreunden und mit dem Tragen westlicher Kleidung und dem Hören von Popmusik. In Pakistan hätten sie ihre Zeit in der Koranschule verbracht, sie hätten den Koran auswendig gelernt, in der Moschee gebetet und auf den Feldern gearbeitet. Wir hatten viele Cousins in Pakistan, die ein solches Leben führten, und keiner von uns beneidete sie darum.
Aber es gab Leute in unserer Straße, die sich ganz offenkundig nach einem solchen Leben sehnten. Wir nannten diese Leute, die so fest in den alten Bräuchen verwurzelt waren, »Pakis«. Meine Schwester Sabina stellte sich als eine richtige »Paki« heraus - nachdem sie mit unseren Eltern einmal ihr Dorf besucht hatte, hörte sie nie mehr auf, davon zu schwärmen. »Ach, ich fand es herrlich dort«, erklärte sie uns. »Alle sind so religiös.«
In Pakistan gibt es dies, in Pakistan gibt es das. Wir anderen hatten ihre Schwärmerei bald satt. Manchmal nannten wir sie sogar ganz offen eine »Paki«, worauf sie fast stolz war.
Wenn uns ein Außenstehender so genannt hätte, hätte es natürlich Ärger gegeben. »Paki« war auch ein rassistisches Schimpfwort, das jeder von uns gelegentlich zu hören bekam.
Wir dagegen hatten für die Weißen einen Begriff - gora. Wie »Paki« konnte auch gora mehrere Dinge bedeuten. Wenn ich zu meiner Schwester von dem gora am Ende unserer Straße sprach, beschrieb ich diese Person nur - gora bedeutete in diesem Zusammenhang einfach nur »weiße Person«.
Doch aus dem Mund meines Vaters war gora ein rassistisches Schimpfwort. Vor uns verhehlte er nicht, dass er die Weißen und ihre Lebensweise verabscheute; in der Öffentlichkeit jedoch schien er nichts dagegen zu haben, mit Leuten der unterschiedlichsten Abstammung zu verkehren.
Die ländliche Bevölkerung in Pakistan sah den Westen schon immer sehr ambivalent. Einerseits verabscheute man alles, was aus dem Westen kam, andererseits galt es als Zeichen von Erfolg, wenn man Verwandte hatte, die im Westen lebten und arbeiteten. »Ali geht es ausgezeichnet«, hieß es dann. »Sein Sohn hat in England Arbeit gefunden und dort sogar geheiratet.«
Egal, welche Arbeit ein Mann in Übersee verrichtete - selbst als Pizzabote verdiente er genug, um als »reicher Mann« nach Pakistan heimzukehren.
Wenn meine Eltern ihr Dorf besuchten, wurden sie wie Stars behandelt. Auszuwandern ist einer der wenigen Wege, der bitteren Armut des Landlebens zu entgehen, das ansonsten seit Generationen unverändert weitergeführt wird.
Wie bei vielen Immigranten war für meine Eltern der Aufenthalt in England ursprünglich nur vorübergehender Natur: Sie hatten vor, Geld zu verdienen und dann wieder heimzukehren. Aber wie viele andere beschlossen sie im Lauf der Zeit, sich endgültig in der Fremde niederzulassen. Trotzdem lehnten sie die britische Kultur ab und versuchten, sich abzuschotten.
Mein Vater merkte rasch, dass das britische Bildungswesen weitaus besser war als alles, was es im ländlichen Pakistan gegeben hätte. Er wusste, dass seine Söhne dadurch bessere Aussichten auf materiellen Erfolg im Leben haben würden. Die Bildung seiner Töchter lag ihm weniger am Herzen. Töchter galt es nur zu verheiraten, damit sie selber Kinder bekamen. Aber seine Söhne sollten es zu etwas bringen.
Ich war das vierte Kind meiner Eltern und die erste Tochter. Und anfangs waren meine Brüder auch sehr glücklich über ihre kleine Schwester.
Zakir war mein ältester Bruder, der Liebling meiner Mutter und der Schlaukopf in unserer Familie. Er verteidigte mich, wenn er in der Schule oder auf der Straße mitbekam, dass jemand garstig zu mir war. Zu Hause jedoch waren mein Vater und alle meine Brüder garstig zu mir, denn ich war ja nur ein Mädchen.
Als Zweitältester kam Raz, er war der Gläubigste meiner Brüder. Allerdings war Raz nicht radikal, nur sehr vergeistigt. Von klein auf verbrachte er sein halbes Leben in der Moschee. In der Schule war er nicht besonders gut, denn er interessierte sich einfach nicht für das, was man in der Schule so lernt.
Mein dritter Bruder war Billy, mein Lieblingsbruder. Billy war eigentlich sein Spitzname, auf Punjabi bedeutet billi nämlich »Katze«. Diesen Namen hatte er bekommen, weil er gelenkig und geschmeidig war wie eine Katze und dazu noch ausnehmend gut aussah. Er war aber auch charmant und fürsorglich. Wenn Billy versuchte, im Haushalt mitzuhelfen, hielt ihn mein Vater davon ab. Das war nicht die richtige Arbeit für einen Jungen. Billy war der Einzige, der auch nur annähernd nett zu mir war. Außerdem versuchte er sich in unserer Familie immer als Friedensstifter. Wir kämpften ständig um das Fernsehprogramm, und Billy bemühte sich dann, uns dazu zu bringen, abwechselnd ein Programm zu wählen.
Nach mir bekamen meine Eltern noch zwei Töchter. Die erste war Sabina. Wie Raz war sie sehr gläubig, obwohl ihr Glaube viel konservativer war. Sabina entwickelte eine ausgesprochene Abneigung gegen die englische Kultur. Sie ging nicht gern zur Schule und mochte die Gesellschaft von Jungs nicht. Sie hatte fast keine weißen Freundinnen. Durch ihre angeborene Liebe zur traditionellen pakistanischen Kultur war sie die perfekte Tochter für meine Eltern - ganz im Gegensatz zu mir.
Nach Sabina kam eine größere Pause, dann brachte meine Mutter Aliya zur Welt. Sie war sehr hübsch und zart und wurde zur Lieblingstochter meines Vaters. Er ging ausgesprochen sanft mit ihr um. Sie setzte sich gern auf seinen Schoß und bestürmte ihn mit Fragen: »Wenn du auf diese Art betest, was passiert dann?« Zu meiner Verwunderung ließ er sich sogar häufig dazu herab, ihr zu antworten.
In unserer Kultur freuen sich die Eltern über Töchter nicht so wie über Söhne. Mädchen, so heißt es, muss man ständig beschützen - nicht nur ihnen zuliebe, sondern vor allem wegen der Familienehre. Wenn eine Tochter aus dem Ruder läuft, bringt das mehr Schande über die Familie, als wenn ein Sohn das tut. Bei Pakistanern dreht sich deswegen auch der Klatsch immer nur um die Mädchen.
In unserer Straße ging es meist darum, wie man Ehre erringen und sie behalten konnte und wie man es vermied, Schande über sich oder seine Familie zu bringen. Die Frauen waren richtig besessen von den Themen Ehre und Schande, weil sie wussten, dass in der pakistanischen Kultur die Ehre der Gemeinschaft von jeder einzelnen Frau dieser Gemeinschaft abhing. Wir lernten aus dem Klatsch, was sich gehörte und was nicht. Und wir lernten auch, Ehre erstrebenswert zu finden und Schande zu fürchten.
Als ich zur Welt kam, gab mein Vater seinen Arbeitsplatz in der Fabrik auf und fing an, das Amt des Imam zu versehen. Er wurde dafür allerdings nicht bezahlt, sondern lebte von den Spenden der Gemeinde und von staatlicher Unterstützung.
Wir hatten zu Hause wenig Luxus. Die Kleidung stammte aus zu einem Großteil aus Secondhandläden. Die weiblichen Mitglieder meiner Familie schliefen in einem Zimmer. Wie viele pakistanische Ehepaare hatten meine Eltern kein gemeinsames Schlafzimmer. Vater schlief im vorderen Wohnzimmer, Zakir hatte ein eigenes Zimmer, Raz und Billy teilten sich einen weiteren Raum.
Meine Schwestern und ich trugen ausschließlich den traditionellen salwar kamiz. Unsere Kleidung nähte Mutter auf ihrer Nähmaschine. Wenn wir in der Schule waren, saß sie in der Küche und nähte. Die Frauen in unserer Straße bestellten bei ihr auch Kleider für Hochzeiten oder andere Feste. Wenn das Geld knapp war, legte Mutter das mit ihren Näharbeiten verdiente Geld in die Haushaltskasse; wenn genug Geld da war, kaufte sie uns manchmal eine Kleinigkeit. Doch für sich gab sie nie Geld aus.
Vom Tag meiner Geburt an war ich vom Islam umhüllt. Er beherrschte unser Leben von früh bis spät. Mein Vater erklärte mir die fünf Säulen des Islam, die Grundlage unseres Glaubens. Diese fünf Säulen werden gebildet durch das Glaubensbekenntnis, die regelmäßige Gabe von Almosen, das Fasten im heiligen Monat Ramadan, die Pilgerreise nach Mekka und das täglich fünfmalige Gebet. Jeder, der die fünf Säulen einhält, sei auf dem Weg ins Paradies, sagte mein Vater.
Mit drei Jahren bekam ich die Aufgabe, mich mit dem Koran zu beschäftigen, um unserer Familie Ehre zu machen. Der Koran muss in arabischer Sprache, der Sprache, in der er verfasst wurde, studiert und aufgesagt werden. Meine Eltern sprechen Urdu und Punjabi, zu Hause unterhielten wir uns meist auf Punjabi. Mein Vater hielt Koranstunden für alle Kinder unter fünf Jahren aus unserer Straße ab. Jeden Tag drängten wir uns in dem Zimmer, in dem auch unsere Gäste empfangen wurden, und wehe dem, der die Lektionen meines Vaters nicht richtig gelernt hatte.
An einer Wand des Zimmers hing ein Bild von der Kaaba, dem zentralen Heiligtum des Islam. Die Kaaba ist ein würfelförmiges Gebäude in Mekka. Sie ist gut dreizehn Meter hoch, etwa zwölf Meter breit und in ein schwarzes Brokattuch gehüllt, das kiswa, das mit Versen aus dem Koran bestickt ist. Abraham oder Ismael sollen die Kaaba errichtet haben.
Mein Vater erklärte uns, dass die Kaaba verehrt wird, weil in ihr der erste Koran liegt, in dem der Prophet Mohammed die heiligen Worte Gottes festgehalten hat. In Wahrheit enthält die Kaaba nur einen Meteoriten, der als schwarzer Stein bezeichnet wird und in der südöstlichen Ecke liegt. Als Kind waren mir die Lücken im Wissen und in der Religionskenntnis meines Vaters freilich ebenso wenig bewusst wie ihm selbst.
An der Wand gegenüber des Fotos von der Kaaba hing ein gerahmtes Bild, auf dem in goldenen Lettern auf Arabisch stand: »Mohammed, Friede sei mit ihm.« Darunter befand sich ein Schränkchen, in dem unter anderem Geschirr für besondere Gelegenheiten und zwei Schneekugeln aufbewahrt wurden. Wenn man die Schneekugeln schüttelte, wirbelte in der einen Schnee über der Kaaba und in der anderen um den Namen des Propheten Mohammed auf. Wir holten sie jedoch nie heraus, um mit ihnen zu spielen. Das wäre höchst respektlos gewesen und hätte den Zorn meines Vaters erregt. Und das war tunlichst zu vermeiden, wie ich nur allzu gut wusste.
Im obersten Fach des Schränkchens lagen mehrere Koranausgaben. Es gilt als Zeichen von Respekt, das heilige Buch an einem erhöhten Ort aufzubewahren. Jedes Buch war in einen Umschlag gehüllt, den meine Mutter aus Stoffresten genäht hatte.
Während des Koranunterrichts setzten wir uns zu zwölft im Viereck hin und blickten in die Mitte, während mein Vater an einem Ende des Raums saß. Jeder hatte eine hölzerne Buchstütze vor sich, auf der ein arabisches Wörterbuch oder ein Koranvers lagen. Jungen und Mädchen saßen beisammen, wir trugen keine Uniformen, aber der Unterricht war trotzdem freudlos. Einer nach dem anderen musste sich neben meinen Vater setzen und die Lektion des Tages aufsagen.
Mein Vater war sehr streng. Niemand benahm sich daneben. Selbst wenn man nur mit einer Freundin flüsterte, wurde man sofort von ihm geschlagen. Der Besenstiel, der gut sichtbar in einer Ecke stand, machte uns fügsam.
Wenn wir den arabischen Text fehlerhaft aufsagten, wurden wir ebenfalls geschlagen. Uns war erklärt worden, dass die Worte auf Arabisch eine besondere spirituelle Bedeutung hatten, die verlorenging, wenn man sie in eine andere Sprache übersetzte, ins Englische etwa, das wir alle verstanden hätten.
Doch die Bedeutung der Worte, die wir rezitierten, wurde uns nie erklärt, sondern nur die perfekte arabische Aussprache. Wenn wir denselben Satz stundenlang herunterleierten, erkannte ich Eigennamen wie Allah und Mohammed, doch abgesehen davon hatte ich nicht die geringste Ahnung, was die Worte besagten. Aber keiner von uns hinterfragte diesen Unterricht oder verlangte nach einer Erklärung, wir hatten viel zu viel Angst vor meinem Vater.
Mit fünf Jahren konnte ich die erste Sure des Korans fehlerfrei lesen; ich war eine der Ersten damit in meiner Klasse. Mein Vater ermunterte alle anderen ständig, mich jedoch nie. Ich lernte diese Sure sogar auswendig, um ihm zu gefallen, aber die Mühe hätte ich mir sparen können.
Mein Vater machte kein Hehl daraus, dass er nie eine Tochter hatte haben wollen. Wenn wir alleine waren, sagte er mir, ich sei ein böses, verfluchtes Mädchen. Es läge an mir, zu beweisen, dass ich Allahs würdig sei.
Weil mein Vater der Imam war, waren meine Eltern die Stützen der Gemeinde. Mein Vater hatte einen gehobenen gesellschaftlichen Status. Zu Außenstehenden war er ausgesprochen freundlich. Er sprach fast nur im Flüsterton, lächelte viel und spielte die Rolle eines wahrhaft spirituellen und friedliebenden Menschen.
»Du hast wirklich einen wundervollen Vater«, bekam ich immer wieder zu hören.
Doch im Kreis der Familie war mein Vater ein grausamer, hasserfüllter Mann, der zu Wutund Gewaltausbrüchen neigte. Er schlug meine Mutter. Selbst im Alter von vier Jahren musste mir niemand sagen, dass das falsch war. Doch wie jedes Kind wollte ich, dass mein Vater mich liebte und stolz auf mich war.
Die Leute aus unserer Gemeinschaft bezeichneten meinen Vater als Hadschi, also als einen Mann, der nach Mekka gepilgert war. Meine Mutter sprachen sie mit der weiblichen Form dieser Bezeichnung an und nannten sie Hadschin.
Diese Menschen sahen in meinem Vater eine Quelle der Führung und Weisheit, und sie kamen zu ihm, wenn sie einen Rat brauchten. Mein Vater reagierte stets prompt, nie war er unsicher, nie zweifelnd. Eine unfolgsame Tochter wäre für ihn die schlimmste Entehrung gewesen.
Ich hatte nicht den Hauch einer Chance, denn ich war die geborene Rebellin.
Copyright © 2010 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg Alle Rechte vorbehalten.
Meine Mutter stellte unsere chapatis aus Vollkornmehl her. Das Mehl wurde mit Wasser zu einem Teig verknetet und in faustgroße Kugeln aufgeteilt. Die Kugeln rollte Mutter dann auf einer Eisenplatte zu kleinen runden Fladen aus und erhitzte sie über dem Feuer, bis sich auf der Oberfläche dunkle Flecken zeigten. Wenn sie parathas machte, formte sie Kugeln aus dem Teig, drückte sie flach und legte sie auf eine tava - eine langstielige Pfanne. Ins heiße Öl geworfen, blähten sie sich auf wie kleine Teigballons.
Wir aßen mit der Hand, wobei chapati oder paratha als Löffel dienten. Meine Mutter machte auch samosas mit einer Füllung aus würzigem Hackfleisch oder Kartoffeln und Erbsen. Pakoras wurden aus Zwiebelscheiben und frischen Chilis zubereitet, die in einen Teig aus Kichererbsenmehl getunkt und in einer Fritteuse in zischend heißem Öl gebacken wurden. Wenn sie fertig waren, stiegen sie zur Oberfläche, goldbraun wie Fischstäbchen.
Uns gegenüber lebte eine armenische Familie, eine Mutter mit ihrem Sohn. Sie gehörten zu den wenigen Leuten aus unserer Straße, die nicht aus Pakistan oder einem anderen muslimischen Land stammten. Die Armenierin versuchte gelegentlich, sich mit meiner Mutter zu unterhalten, doch die beiden sprachen kaum Englisch. Mama erklärte uns, dass wir sie »Auntie«, also Tante, nennen sollten, was bei uns eine respektvolle Bezeichnung ist.
Mein Vater billigte das nicht. Er weigerte sich, Menschen, die nicht aus Pakistan stammten und keine Muslime waren, Respekt zu zollen. Selbst die indischen Muslime, die gleich um die Ecke in der Jenna Street lebten, respektierte er nicht.
Die armenische Tante brachte uns oft ein paar Kostproben aus ihrer Küche vorbei, und Mutter überreichte ihr dann als Gegengeschenk ein paar pakistanische Köstlichkeiten. Meist kam sie mit vegetarischen Eintöpfen an, zum Beispiel Auberginen, Kartoffeln und Karotten in einer salzigen, pfeffrigen Soße. Bevor wir sie kosten durften, durchsuchte meine Mutter die Gabe nach verdächtigen Fleischstückchen. Wenn sie keine fand, wurde uns erlaubt zuzulangen.
Wenn die Sonne schien, stellte unsere armenische Tante Stühle in ihren Vorgarten. Dort saß sie dann zusammen mit ihrem Sohn, genoss die Wärme und schälte Kartoffeln. Wenn wir vorbeikamen, blieben wir an ihrem grünen Lattenzaun auf einen kleinen Plausch stehen, aber wir betraten nie ihr Haus. Offenbar hatte sie gemerkt, dass sie bei uns zu Hause nicht willkommen war, und lud uns deshalb auch nicht in ihr Haus ein. Zum Glück wusste sie nicht, dass der Grund unserer mangelnden Gastfreundschaft der Hass meines Vaters auf die Weißen war.
Ein paar Häuser weiter wohnte noch eine armenische Familie: Mutter, Vater und Tochter. Sie gingen zur Messe in eine christlichorthodoxe Kirche und begegneten allen Leuten in unserer Straße nur abweisend. In anderen Häusern wechselten die Bewohner häufig: schwarze Studenten aus dem Kongo, aus Kamerun und Algerien.
Abgesehen von diesen wenigen Personen waren alle in unserer Straße Muslime aus Pakistan. Die Erwachsenen kleideten sich mehr oder weniger so, wie sie es auch in einem Dorf in Pakistan getan hätten.
Frauen und Männer trugen einen salwar kamiz, bestehend aus einem lose fallenden, wadenlangen Oberteil und einer dazu passenden Hose. Die Kleidung der Frauen bestand aus bunteren Stoffen, die Hosen der Männer waren weiter geschnitten und in nüchternen, maskulinen Farben gehalten - braun, grau, weiß. Mein Vater trug stets einen weißen salwar kamiz und dazu ein topi, das traditionelle Scheitelkäppchen des Punjab, einer Gegend im indischpakistanischen Grenzgebiet.
Die meisten Männer zogen sich um, wenn sie zur Arbeit gingen. Sie hatten eine Art westliche Hülle, die sie anlegten, wenn sie unsere Straße verließen und in die Stadt gingen, um dort als Taxifahrer, Polizist, Ingenieur oder Verkäufer zu arbeiten.
Aus der Generation meiner Eltern war keine Frau erwerbstätig, aber manche der jüngeren Frauen nahmen eine Stelle als Sekretärin oder Verkäuferin an, zumindest bis zu ihrer Hochzeit. Sie kleideten sich dann zwar eher westlich, hielten sich jedoch stets vorschriftsmäßig bedeckt, und ihr Verhalten war von angemessener Sittsamkeit.
Vier Häuser von uns entfernt lebten mein Großonkel Kramat und meine Großtante Sakina. Sie waren für uns Ersatzgroßeltern, denn unsere richtigen Großeltern lebten in unserem Dorf in Pakistan. Aber ich besuchte sie nicht gern. Ich hatte Angst vor Onkel Kramat, der sehr streng wirkte mit seinem langen, weißen Bart und den buschigen Augenbrauen, die in der Mitte zusammengewachsen waren. Er und auch Auntie Sakina zogen beim Fernsehen und Teetrinken über meine Eltern her.
Onkel Kramat und Auntie Sakina hatten drei erwachsene Kinder: zwei verheiratete Söhne, Ahmed und Saghir, und eine verheiratete Tochter, Kumar. Sie alle lebten mit den Eltern unter einem Dach. Doch das war in unserer Straße nicht unüblich.
Keines der Kinder von Onkel Kramat und Auntie Sakina hatte eigene Kinder. Manche Leute aus unserer Straße munkelten düster, das sei eine Strafe Allahs. Onkel Kramat war nicht besonders gläubig - zumindest nicht nach den Standards unserer Straße. Er ging nicht regelmäßig in die Moschee. Und er rauchte die ganze Zeit, obwohl er wusste, was im Koran stand: »Stürzt euch nicht durch eigener Hände Werk ins Verderben. « Und: »Tötet nicht euch selbst.«
In unserer Gemeinschaft wurden Glück oder Pech oft auf das moralische oder spirituelle Verhalten zurückgeführt. Onkel Kramats Mangel an Gläubigkeit galt als Ursache für die Unfruchtbarkeit seiner Kinder. Allerdings sah man bei all dem Klatsch darüber hinweg, dass Ahmed, Saghir und Kumar ihre Cousinen bzw. ihren Cousin ersten Grades geheiratet hatten. Wie dem auch sei - man war sich einig, dass die ganze Familie Allahs Willen hinnehmen und nicht so einen Unfug wie eine künstliche Befruchtung ausprobieren sollte.
Im Islam geht es vor allem um die Unterwerfung unter Allahs Willen; ein Gläubiger wird oft als »Sklave Gottes« bezeichnet. Oft wird irrtümlich angenommen, dass der Begriff Islam in erster Linie »Frieden« bedeute, aber das gilt nur insoweit, als dass der Gläubige Frieden findet, wenn er sich Allahs Willen unterwirft.
Meine beste Freundin in unserer Straße hieß Amina. Sie hatte widerspenstiges dunkles Haar, das ihr in wilden Zotteln bis zu den Schultern reichte. Keiner fand das besonders hübsch, aber sie musste eben damit leben. Aminas Schwester Ruhama galt mit ihren üppigen, lockigen Haaren als die weitaus hübschere. Beide Mädchen hatten hellere Haut als meine Schwestern und ich.
»Sie ist so hübsch«, sagten die Leute auf der Straße und in der Schule über Ruhama. »Sie hat so schöne Haare und so eine helle Haut!« Wenn ich so etwas hörte, dachte ich immer, dass dunkle Haut weniger schön ist.
Bei Amina ging es wesentlich lockerer zu als bei mir zu Hause. Ihre Eltern beteten nicht regelmäßig und hielten ihre Töchter außerhalb der Koranschule, die sie besuchten, nicht dazu an, in dem heiligen Buch zu lesen. Weder sie noch Ruhama mussten ein hijab - die muslimische Kopfbedeckung für Frauen und Mädchen - tragen, wenn sie das Haus verließen. Da mein Vater der Imam unserer Gemeinde war, musste ich im Gegensatz zu ihnen meinen Kopf ständig bedecken.
Amina, Ruhama und ich spielten gern Kästchenhüpfen. Die Pflastersteine waren quadratisch gelegt, sodass wir sie nur mit Zahlen beschriften mussten. Wenn man die Ritzen zwischen den Steinen berührte, hatte man verloren. Wir fingen sogar an, die beste Zeit zu ermitteln - wir zählten von eins bis hundert und stellten so fest, wer es am schnellsten schaffte. Mitten im Hüpfen ließ meine Aufmerksamkeit oft nach, ich konnte Amina und Ruhama nie schlagen.
Nicht alles in meiner Welt war eitel Sonnenschein, und meine einzige Ausflucht bestand darin, mir eine andere Welt zu erschaffen. Einen Großteil meiner Freizeit verbrachte ich deswegen in meinem Zimmer und las. Ich erfand Geschichten und zeichnete immer wieder dasselbe: ein kleines Häuschen mit einem hübschen Blumengarten. Wir hatten nur einen winzigen Hinterhof, in dem meine Mutter Minze und Koriander zog. Sie hatte weder Zeit noch Platz für einen Blumengarten.
Jedes Jahr am 5. November veränderte die Bonfire Night unsere Straße. An diesem Tag finden überall in Großbritannien zum Gedenken an die Taten von Guy Fawkes Fackelzüge statt. Vor dem Fest packten tagelang alle mit an, um aus Restholz, heruntergefallenen Ästen und alten Holzkisten einen riesigen Haufen zu errichten. Jede Familie kaufte so viel Feuerwerk und Wunderkerzen, wie sie sich leisten konnte.
Im November war es immer kalt, deshalb hüllten wir uns in dicke Wollschals und setzten Wollmützen auf, während wir darauf warteten, dass das Feuer entzündet wurde. Diesen Moment fand ich am herrlichsten - die wunderbare, kitzelnde Vorfreude darauf, dass sich der Holzstoß gleich in ein riesiges Flammenmeer verwandeln würde.
Die Männer tränkten das Holz mit etwas Altöl und forderten uns auf, zurückzutreten. Plötzlich schossen dann mit einem dumpfen Knall die Flammen hoch, brennende Hitze schlug uns entgegen, Funken flogen uns ins Gesicht und stoben in den dunklen Himmel. Wir warfen Kartoffeln ins Feuer und rösteten Marshmallows über den Flammen, wärmten die Hände und die Gesichter und naschten BonfireBonbons.
Das war der einzige Tag im Jahr, an dem alle in unserer Straße wirklich vereint waren - pakistanische Muslime, Christen, Armenier, afrikanische Studenten.
Alle bis auf meinen Vater. Er stand mit verschränkten Armen vor unserem Haus und beobachtete mit einem Ausdruck des Missfallens das Feuer, das flackernde Schatten auf seine Stirn zeichnete.
Vater hasste es, wenn die Menschen Spaß hatten.
Da Weihnachten und Ostern christliche Feiertage waren, durfte unsere Gemeinde diese Tage nicht mit einem Fest begehen. Vater ahnte auch nicht, worum es bei der Bonfire Night eigentlich ging. Über das Land, das er zu seiner Wahlheimat gemacht hatte, wusste er nur, dass überall Unmoral herrschte und dass seine Einwohner Ungläubige waren.
In den Augen meines Vaters war die Bonfire Night etwas, was eigentlich nur die weißen Engländer feiern sollten, aber ihm fiel keine religiöse Begründung ein, um das Fest zu verbieten. Alle hatten so viel Spaß, dass es einen langen Kampf seinerseits erfordert hätte, dem Treiben Einhalt zu gebieten. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als sich fernzuhalten und alle wissen zu lassen, dass er ihr Tun missbilligte.
Fast am Ende unserer Straße lebte die letzte weiße Britin unseres Viertels. Sie hatte einen schwarzen JackRussellTerrier, der - wie konnte es anders sein - Jack hieß. Sobald er einen von uns entdeckte, raste er kläffend und hechelnd aus dem Haus und verfolgte uns. Eines Tages erwischte Jack meine Freundin Saira und biss sie ins Bein.
Sobald wir erfuhren, was passiert war, statteten Mama und ich dem armen Opfer einen Besuch ab. Saira löste vorsichtig den Verband, um uns den Schaden zu zeigen. Es gab rote Bissspuren, und die Wunde hatte genäht werden müssen. Ich war tief beeindruckt. Saira hatte sogar eine Tetanusspritze bekommen, was bei Hundebissen stets ratsam ist.
Sairas Eltern waren ziemlich aufgebracht. In einer Nachbarstraße lebte ein pakistanischer Muslim, der bei der Polizei arbeitete. Jeder, der in unserem Viertel ein ernstes Problem hatte, wandte sich an ihn. Er erklärte Jacks Besitzerin, dass der Hund ab sofort einen Maulkorb tragen müsse. Aber dazu kam es natürlich nicht.
Gegenüber von Jacks Zuhause gab es ein ziemlich heruntergekommenes Haus inmitten dichter Büsche. Es wirkte düster und geheimnisvoll, und meine Brüder behaupteten immer, dass dort ein Ungeheuer hauste, der Bogeyman. An diesem Haus ging ich nur äußerst ungern vorbei.
Ich stellte mir den Bogeyman als jemanden vor, dessen Gesicht grässlich verunstaltet war. Warum sonst sollte er sein Haus nie verlassen? Und ich dachte, er sei ein Weißer, denn einmal hatte jemand behauptet: »Ich habe den Bogeyman gesehen, er ist weiß wie ein Gespenst.« Wir erzählten einander Gruselgeschichten, was der Bogeyman mit uns anstellen würde, wenn er uns erwischte. Zakir, mein ältester Bruder, meinte sogar, der Bogeyman verspeise Kinder zum Frühstück.
Mit dem Park und seinen Baummonstern, mit Jack und dem Bogeyman machte mir das nördliche Ende unserer Straße große Angst. Sobald ich in diese Gegend kam, begann ich zu rennen und hörte erst auf, wenn ich unser »sicheres « Ende erreicht hatte.
Aber in Wahrheit gelangte ich nie ans sichere Ende; denn ich lebte mit dem Bogeyman unter einem Dach.
2
Geliebtes Pakistan
Meine Eltern kamen aus einer sehr ländlichen Gegend Pakistans. In Großbritannien lebten sie in der Stadt, eingeengt von Steinwänden und Asphalt. Monatelang beschränkte sich ihr Leben fast ausschließlich auf unser Haus, unsere Straße und die nahe gelegene Moschee.
Meine Mutter verließ sich auf die Läden in der Nachbarschaft, in denen es halal-Fleisch gab, das von Tieren stammte, die nach islamischem Ritus geschächtet worden waren, sowie die Gewürze, das Gemüse und das chapatiMehl, die sie für ihre Küche brauchte.
Die East Street war ein pakistanisches Dorf aus Ziegeln und Zement, zusammengeschrumpft auf die Größe eines britischen Stadtviertels. Meine Mutter kam nur selten über diese Straße hinaus, ja, sie kam kaum aus dem Haus, ihr Pflichtbewusstsein war größer als ihre Liebe zur freien Natur.
Meine Eltern waren vor der Armutsfalle des ländlichen Pakistan geflohen. In jedem englischen Ort gibt es fließendes Wasser, Strom, kostenlose Bildung und Geschäfte, in denen man alles bekommt, was das Herz begehrt. In ihren Heimatdörfern gab es nichts dergleichen.
Mein Vater hatte bis zum Alter von elf Jahren nur eine rudimentäre Schulbildung erfahren. Danach besuchte er die Koranschule, auf der die Kinder ausschließlich im Koran unterwiesen werden. Meine Mutter war nur ein knappes Jahr zur Schule gegangen und hatte in der Zeit kaum lesen oder schreiben gelernt. Wir Kinder sprachen Punjabi mit unseren Eltern, manchmal auch Urdu, aber nie Englisch.
Mein Vater war Ende zwanzig, als er nach England kam. Zuvor hatte er im Punjab, einer geografischen Region, die politisch zwischen Indien und Pakistan aufgeteilt ist, auf dem Land gearbeitet. Er war ein sogenannter Deobandi, ein Anhänger einer sunnitischen Islamrichtung, die 1866 im indischen Deoband gegründet wurde und den Koran sehr streng auslegt. Diese Glaubensrichtung ist in den Stammesgebieten Nordindiens, Pakistans und Afghanistans sehr stark vertreten.
In Großbritannien lebte mein Vater anfangs in einem Mietshaus in Lancashire zusammen mit einem guten Dutzend anderer Pakistaner aus seinem Stammesgebiet. Keiner von ihnen sprach Englisch, aber das brauchten sie auch nicht, weder zu Hause noch in der Arbeit waren englische Sprachkenntnisse erforderlich.
Die Männer arbeiteten in den Textilfabriken. Sobald sie genug gespart hatten, kauften sie mit Hilfe von Freunden ein Haus. Abgesehen von dem, was sie für Essen und Unterkunft benötigten, gaben sie kaum Geld aus. Mein Vater und einer seiner Freunde sparten ihren Lohn mehrere Jahre lang, bis sie sich gemeinsam und in bar ein Haus in dem Ort kaufen konnten, in dem dann auch ich zur Welt kam. Zwei Jahre später holten sie ihre Frauen nach England.
Meine Mutter und mein Vater hatten geheiratet, bevor er nach England gegangen war. Wie bei uns üblich, war die Ehe arrangiert worden.
Meine Mutter stammte aus einer sehr armen ländlichen Gegend. Ohne zu zögern, nutzte sie die Gelegenheit, ins Ausland und in ein besseres Leben zu ziehen.
Mit der Zeit wurde auf diese Weise die gesamte East Street von pakistanischen Immigranten übernommen, und die weißen Engländer zogen weg.
Mein Vater hegte eine ausgesprochene Abneigung gegen alle NichtMuslime. Die 1960erund 1970erJahre standen im Zeichen der sogenannten Blumenkinder, die Menschen experimentierten mit Drogen und der freien Liebe, trugen verrückte Kleidung, und sogar die Männer ließen sich die Haare lang wachsen.
Meine Eltern fanden das alles schrecklich. Sie mochten auch die »respektlose« Art nicht, mit der die englischen Kinder ihren Eltern begegneten. In ihren Augen fehlte es den Engländern auch an »Gemeinschaftssinn«, weshalb sie ihre eigene pakistanischmuslimische Gemeinschaft schufen. Obwohl sie die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die ihnen England bot, durchaus schätzten, wehrten sie sich entschlossen dagegen, dass die englische Kultur ihr traditionelles Gemeinschaftsleben untergrub.
Zu Hause war Vater kaum für uns da. Er verbrachte die meiste Zeit mit seinem heiligen Buch hinter verschlossenen Türen. Ständig murmelte er Koranverse und betete mit seinem tasbih, seiner Gebetskette. Der tasbih sieht fast genauso aus wie ein katholischer Rosenkranz. Er besteht aus neunundneunzig Holzoder Steinperlen, von denen auf vier gleich große Perlen stets eine etwas größere folgt.
Stundenlang ließ mein Vater den tasbih durch die Finger gleiten. Er hatte ihn ständig in der Hand, selbst wenn er unterwegs war. Für meine Brüder und mich ließ er kleine tasbihs aus Pakistan kommen. Im Alter von vier Jahren brachte er mir bei, die Perlen durch die Finger gleiten zu lassen und dabei die neunundneunzig Namen Allahs zu rezitieren - Irahma, der Gnädige, Rahim, der Verzeihende, Malik, der Allmächtige. Meine schmalen Lippen und noch schmaleren Finger konzentrierten sich auf die heilige Arbeit.
Für mich, die ich in der East Street zur Welt gekommen war, bestand das Gebet nur aus seltsamen Worten, Silben, die ich aufsagen, aber nicht verstehen konnte. Mein Vater befahl mir, gläubig zu sein. Ich lernte die geheimnisvollen Laute auswendig, um ihm eine Freude zu machen. Aber als ich es eines Tages tatsächlich schaffte, die neunundneunzig Namen aufzuzählen, blieb er ungerührt. Er schubste mich nur vor seine Gäste und ließ mich alles aufsagen. Je weniger er mich spüren ließ, dass er mich mochte, desto verzweifelter sehnte ich mich danach, endlich von ihm gelobt zu werden.
Wie bei vielen Männern aus unserer Straße, drehte sich Vaters gesamtes Leben um die Erfüllung seiner religiösen Pflichten. Am wichtigsten war ihm, fünfmal am Tag zu beten und zum Predigen in die Moschee zu gehen. Oft fuhr er nach Lancaster, Manchester oder Birmingham, wenn in den Moscheen dort religiöse Feste gefeiert wurden.
Er hatte keine Hobbys bis aufs Fernsehen, doch selbst im Fernsehen sah er sich am liebsten Aufzeichnungen von Vorträgen heiliger Männer an, oder Sendungen mit qawwaliMusik, einer Gesangsform, die in Pakistan sehr beliebt ist. Seine sozialen Kontakte beschränkten sich auf Gespräche mit seinen Freunden, die meist im Männerraum unseres Hauses stattfanden.
Er führte ein schlichtes, ernstes Leben und ärgerte sich über jegliche Störung von außerhalb.
Mein Vater war kein praktischer Mensch. Wenn eine Glühbirne kaputtging, befahl mein Vater einem meiner Brüder, sie zu ersetzen, oder er rief Onkel Ahmed an. Solche weltlichen Dinge schienen unter seiner Würde. Denn Imam war ein weitaus würdigerer Beruf als beispielsweise Busfahrer oder Handwerker.
Die Ehre, die Ahmed allein dadurch zukam, dass mein Vater sein Imam war, war größer als die Ehre, die Ahmed meinem Vater erwies, wenn er kleinere Reparaturen für ihn erledigte.
Als ich drei Jahre alt war, nahmen meine Eltern mich mit nach Pakistan. Wir reisten in die Heimat meines Vaters, nach Pindi Khan, einem kleinen, aus Lehmhäusern bestehenden Dorf im Punjab, das zwischen der nordwestlichen Grenzprovinz und Kaschmir liegt.
Es herrschte gerade Regenzeit. Ich weiß noch, dass das Dorf inmitten grüner Felder lag und von einem rauschenden, klaren Bach durchquert wurde. Alle Bewohner waren miteinander verwandt - Cousins und Cousinen ersten, zweiten, dritten Grades -, weil die Leute nur innerhalb ihres Klans heirateten. Solche Ehen gehörten zu dem Verteidigungssystem der Klans, die ständig gegeneinander Krieg zu führen schienen.
Das Leben in Pindi Khan war sehr schlicht. Die Menschen verdienten sich ein paar Münzen durch den Verkauf von Getreide, Milch, Kühen, Ziegen und Eiern. Die Felder wurden noch überwiegend mit Hilfe von Tieren bestellt, die man beim Pflügen, beim Säen und bei der Ernte einsetzte.
Die Jungen aus dem Dorf besuchten entweder eine Koranschule oder die Dorfschule, die Mädchen bekamen kaum jemals Unterricht. Die Koranschule hatte mehr Geld als die Dorfschule und stand im Ruf, die bessere Bildung zu bieten.
Wir fuhren in einer tonga umher, einem traditionellen Pferdekarren. Mein Vater besaß ein Haus in diesem Dorf. Es war aus Ziegelsteinen gebaut und bestand aus mehreren, um einen zentralen Innenhof gruppierten Räumen, die alle ein Flachdach hatten, sodass man draußen sitzen und sogar im Freien schlafen konnte.
Kurz nach unserer Ankunft tranken meine Eltern ihren morgendlichen Tee im Hof. Das Tor stand offen, und ich wanderte hinaus. Als meine Mutter mich suchen ging, entdeckte sie mich mitten auf dem Feld, friedlich unter einer riesigen Kuh sitzend. Die Kuh schien über mich zu wachen, als wäre ich ihr Kalb. Mutter und eine Schwester meines Vaters fingen an zu lachen, beeilten sich jedoch, mich vor der Gefahr zu retten, von der Kuh zertrampelt zu werden.
Ein paar Tage später saßen wir alle zusammen auf dem Feld, umringt von grasenden Ziegen. Ich spielte im Gras mit ein paar Münzen. Als eine neugierige Ziege zu mir kam, bot ich ihr eine Münze an. Die Ziege schleckte mir die Münze - es war ein paisa, weniger wert als ein Penny - aus der Hand und verschluckte sie. Mutter erzählte es allen im Dorf und lachte jedes Mal lauter, wenn sie es noch einmal erzählte.
Am Ende unseres Aufenthalts hatte meine Mutter mich dem ganzen Dorf vorgestellt und viele Geschichten über das Leben in einem fremden Land erzählt, einem Land, das den Dorfbewohnern wie eine Traumwelt vorgekommen sein muss.
Wieder zurück in England, war Mutter sehr stolz darauf, dass sie ihre älteste Tochter mit nach Hause in die alte Heimat genommen hatte. Sie erzählte allen unseren Gästen davon: »Hannan hat unser Dorf besucht. Sie wurde von einer Kuh adoptiert und hat eine Ziege mit einem paisa gefüttert. Sie fühlte sich dort sofort zu Hause!«
Stimmte das?
In meiner Kindheit fiel dieser Satz immer wieder: »Sie fühlte sich dort sofort zu Hause.«
Aber ich konnte das nicht so richtig bestätigen. Meine Erinnerungen an das Dorf waren eine verschwommene Mischung aus den Erlebnissen einer Dreijährigen und den Geschichten meiner Mutter aus ihrer eigenen Kindheit.
Mutter schwelgte ständig in Berichten über die Vergangenheit. Sie malte das Dorf in magischen Farben: Die Nachbarn teilten ihre Häuser und halfen sich auf den Feldern bei der Ernte, und die Frauen kochten unter Lachen und voller Freude Currygerichte und chapatis füreinander. Am liebsten erzählte sie die Geschichte, wie sie ihr Dorf verlassen hatte und nach Nordengland gekommen war. Dabei nahm ihre Stimme stets einen sehnsüchtigen Ton an.
Alle Leute in der East Street schienen die romantische Überzeugung zu teilen, dass die Dorfbewohner eine einzige große, glückliche Familie waren.
Doch die Briefe von Tanten, Onkel und Cousinen aus Pakistan, die überall herumgereicht wurden, vermittelten uns ein realistischeres Bild von der Lebensweise und den Verhältnissen in Pakistan. Wir erfuhren, dass manch ein Onkel nach Dubai oder SaudiArabien gegangen war, weil es im Dorf keine Arbeit gab. Wir hörten von Geburten, Hochzeiten und Todesfällen in unserer Großfamilie.
Der Großteil der Berichte bedeutete mir ebenso wenig wie das, was ich über Fremde in den Schlagzeilen erfuhr, die ich an dem Zeitungsstand Ecke East und Jenna Street las, an dem ich täglich vorbeikam.
Meine Eltern wollten uns Pakistan näherbringen. Wir sollten Bücher auf Urdu lesen über die postkoloniale Teilung Indiens, durch die Pakistan entstanden war. Wir sollten vom Leben Muhammad Ali Jinnahs erfahren, des Mannes, der an dieser Teilung beteiligt gewesen und zum ersten Generalgouverneur Pakistans geworden war.
Aber ich lebte in England, für mich fühlte sich England wie meine Heimat an.
Wenn wir Nachrichten von unserer Familie aus Pakistan erhielten, murmelten meine Brüder stets: »Meine Güte, sind wir froh, dass wir nicht dort leben!«
Sie achteten natürlich darauf, das auf Englisch zu sagen, damit meine Eltern es nicht mitbekamen. Aber sie sprachen mir aus der Seele. Im Vergleich zum ländlichen Pakistan war Großbritannien für meine Brüder ein Land voller Möglichkeiten. Annehmlichkeiten wie fließendes Wasser, Strom und asphaltierte Straßen waren nicht zu verachten, und meinen Brüdern war klar, dass sie in Pakistan unter vielen Einschränkungen hätten leiden müssen.
Dann wäre nämlich Schluss gewesen mit Fußballübertragungen im Fernsehen, mit dem Treffen von Schulfreunden und mit dem Tragen westlicher Kleidung und dem Hören von Popmusik. In Pakistan hätten sie ihre Zeit in der Koranschule verbracht, sie hätten den Koran auswendig gelernt, in der Moschee gebetet und auf den Feldern gearbeitet. Wir hatten viele Cousins in Pakistan, die ein solches Leben führten, und keiner von uns beneidete sie darum.
Aber es gab Leute in unserer Straße, die sich ganz offenkundig nach einem solchen Leben sehnten. Wir nannten diese Leute, die so fest in den alten Bräuchen verwurzelt waren, »Pakis«. Meine Schwester Sabina stellte sich als eine richtige »Paki« heraus - nachdem sie mit unseren Eltern einmal ihr Dorf besucht hatte, hörte sie nie mehr auf, davon zu schwärmen. »Ach, ich fand es herrlich dort«, erklärte sie uns. »Alle sind so religiös.«
In Pakistan gibt es dies, in Pakistan gibt es das. Wir anderen hatten ihre Schwärmerei bald satt. Manchmal nannten wir sie sogar ganz offen eine »Paki«, worauf sie fast stolz war.
Wenn uns ein Außenstehender so genannt hätte, hätte es natürlich Ärger gegeben. »Paki« war auch ein rassistisches Schimpfwort, das jeder von uns gelegentlich zu hören bekam.
Wir dagegen hatten für die Weißen einen Begriff - gora. Wie »Paki« konnte auch gora mehrere Dinge bedeuten. Wenn ich zu meiner Schwester von dem gora am Ende unserer Straße sprach, beschrieb ich diese Person nur - gora bedeutete in diesem Zusammenhang einfach nur »weiße Person«.
Doch aus dem Mund meines Vaters war gora ein rassistisches Schimpfwort. Vor uns verhehlte er nicht, dass er die Weißen und ihre Lebensweise verabscheute; in der Öffentlichkeit jedoch schien er nichts dagegen zu haben, mit Leuten der unterschiedlichsten Abstammung zu verkehren.
Die ländliche Bevölkerung in Pakistan sah den Westen schon immer sehr ambivalent. Einerseits verabscheute man alles, was aus dem Westen kam, andererseits galt es als Zeichen von Erfolg, wenn man Verwandte hatte, die im Westen lebten und arbeiteten. »Ali geht es ausgezeichnet«, hieß es dann. »Sein Sohn hat in England Arbeit gefunden und dort sogar geheiratet.«
Egal, welche Arbeit ein Mann in Übersee verrichtete - selbst als Pizzabote verdiente er genug, um als »reicher Mann« nach Pakistan heimzukehren.
Wenn meine Eltern ihr Dorf besuchten, wurden sie wie Stars behandelt. Auszuwandern ist einer der wenigen Wege, der bitteren Armut des Landlebens zu entgehen, das ansonsten seit Generationen unverändert weitergeführt wird.
Wie bei vielen Immigranten war für meine Eltern der Aufenthalt in England ursprünglich nur vorübergehender Natur: Sie hatten vor, Geld zu verdienen und dann wieder heimzukehren. Aber wie viele andere beschlossen sie im Lauf der Zeit, sich endgültig in der Fremde niederzulassen. Trotzdem lehnten sie die britische Kultur ab und versuchten, sich abzuschotten.
Mein Vater merkte rasch, dass das britische Bildungswesen weitaus besser war als alles, was es im ländlichen Pakistan gegeben hätte. Er wusste, dass seine Söhne dadurch bessere Aussichten auf materiellen Erfolg im Leben haben würden. Die Bildung seiner Töchter lag ihm weniger am Herzen. Töchter galt es nur zu verheiraten, damit sie selber Kinder bekamen. Aber seine Söhne sollten es zu etwas bringen.
Ich war das vierte Kind meiner Eltern und die erste Tochter. Und anfangs waren meine Brüder auch sehr glücklich über ihre kleine Schwester.
Zakir war mein ältester Bruder, der Liebling meiner Mutter und der Schlaukopf in unserer Familie. Er verteidigte mich, wenn er in der Schule oder auf der Straße mitbekam, dass jemand garstig zu mir war. Zu Hause jedoch waren mein Vater und alle meine Brüder garstig zu mir, denn ich war ja nur ein Mädchen.
Als Zweitältester kam Raz, er war der Gläubigste meiner Brüder. Allerdings war Raz nicht radikal, nur sehr vergeistigt. Von klein auf verbrachte er sein halbes Leben in der Moschee. In der Schule war er nicht besonders gut, denn er interessierte sich einfach nicht für das, was man in der Schule so lernt.
Mein dritter Bruder war Billy, mein Lieblingsbruder. Billy war eigentlich sein Spitzname, auf Punjabi bedeutet billi nämlich »Katze«. Diesen Namen hatte er bekommen, weil er gelenkig und geschmeidig war wie eine Katze und dazu noch ausnehmend gut aussah. Er war aber auch charmant und fürsorglich. Wenn Billy versuchte, im Haushalt mitzuhelfen, hielt ihn mein Vater davon ab. Das war nicht die richtige Arbeit für einen Jungen. Billy war der Einzige, der auch nur annähernd nett zu mir war. Außerdem versuchte er sich in unserer Familie immer als Friedensstifter. Wir kämpften ständig um das Fernsehprogramm, und Billy bemühte sich dann, uns dazu zu bringen, abwechselnd ein Programm zu wählen.
Nach mir bekamen meine Eltern noch zwei Töchter. Die erste war Sabina. Wie Raz war sie sehr gläubig, obwohl ihr Glaube viel konservativer war. Sabina entwickelte eine ausgesprochene Abneigung gegen die englische Kultur. Sie ging nicht gern zur Schule und mochte die Gesellschaft von Jungs nicht. Sie hatte fast keine weißen Freundinnen. Durch ihre angeborene Liebe zur traditionellen pakistanischen Kultur war sie die perfekte Tochter für meine Eltern - ganz im Gegensatz zu mir.
Nach Sabina kam eine größere Pause, dann brachte meine Mutter Aliya zur Welt. Sie war sehr hübsch und zart und wurde zur Lieblingstochter meines Vaters. Er ging ausgesprochen sanft mit ihr um. Sie setzte sich gern auf seinen Schoß und bestürmte ihn mit Fragen: »Wenn du auf diese Art betest, was passiert dann?« Zu meiner Verwunderung ließ er sich sogar häufig dazu herab, ihr zu antworten.
In unserer Kultur freuen sich die Eltern über Töchter nicht so wie über Söhne. Mädchen, so heißt es, muss man ständig beschützen - nicht nur ihnen zuliebe, sondern vor allem wegen der Familienehre. Wenn eine Tochter aus dem Ruder läuft, bringt das mehr Schande über die Familie, als wenn ein Sohn das tut. Bei Pakistanern dreht sich deswegen auch der Klatsch immer nur um die Mädchen.
In unserer Straße ging es meist darum, wie man Ehre erringen und sie behalten konnte und wie man es vermied, Schande über sich oder seine Familie zu bringen. Die Frauen waren richtig besessen von den Themen Ehre und Schande, weil sie wussten, dass in der pakistanischen Kultur die Ehre der Gemeinschaft von jeder einzelnen Frau dieser Gemeinschaft abhing. Wir lernten aus dem Klatsch, was sich gehörte und was nicht. Und wir lernten auch, Ehre erstrebenswert zu finden und Schande zu fürchten.
Als ich zur Welt kam, gab mein Vater seinen Arbeitsplatz in der Fabrik auf und fing an, das Amt des Imam zu versehen. Er wurde dafür allerdings nicht bezahlt, sondern lebte von den Spenden der Gemeinde und von staatlicher Unterstützung.
Wir hatten zu Hause wenig Luxus. Die Kleidung stammte aus zu einem Großteil aus Secondhandläden. Die weiblichen Mitglieder meiner Familie schliefen in einem Zimmer. Wie viele pakistanische Ehepaare hatten meine Eltern kein gemeinsames Schlafzimmer. Vater schlief im vorderen Wohnzimmer, Zakir hatte ein eigenes Zimmer, Raz und Billy teilten sich einen weiteren Raum.
Meine Schwestern und ich trugen ausschließlich den traditionellen salwar kamiz. Unsere Kleidung nähte Mutter auf ihrer Nähmaschine. Wenn wir in der Schule waren, saß sie in der Küche und nähte. Die Frauen in unserer Straße bestellten bei ihr auch Kleider für Hochzeiten oder andere Feste. Wenn das Geld knapp war, legte Mutter das mit ihren Näharbeiten verdiente Geld in die Haushaltskasse; wenn genug Geld da war, kaufte sie uns manchmal eine Kleinigkeit. Doch für sich gab sie nie Geld aus.
Vom Tag meiner Geburt an war ich vom Islam umhüllt. Er beherrschte unser Leben von früh bis spät. Mein Vater erklärte mir die fünf Säulen des Islam, die Grundlage unseres Glaubens. Diese fünf Säulen werden gebildet durch das Glaubensbekenntnis, die regelmäßige Gabe von Almosen, das Fasten im heiligen Monat Ramadan, die Pilgerreise nach Mekka und das täglich fünfmalige Gebet. Jeder, der die fünf Säulen einhält, sei auf dem Weg ins Paradies, sagte mein Vater.
Mit drei Jahren bekam ich die Aufgabe, mich mit dem Koran zu beschäftigen, um unserer Familie Ehre zu machen. Der Koran muss in arabischer Sprache, der Sprache, in der er verfasst wurde, studiert und aufgesagt werden. Meine Eltern sprechen Urdu und Punjabi, zu Hause unterhielten wir uns meist auf Punjabi. Mein Vater hielt Koranstunden für alle Kinder unter fünf Jahren aus unserer Straße ab. Jeden Tag drängten wir uns in dem Zimmer, in dem auch unsere Gäste empfangen wurden, und wehe dem, der die Lektionen meines Vaters nicht richtig gelernt hatte.
An einer Wand des Zimmers hing ein Bild von der Kaaba, dem zentralen Heiligtum des Islam. Die Kaaba ist ein würfelförmiges Gebäude in Mekka. Sie ist gut dreizehn Meter hoch, etwa zwölf Meter breit und in ein schwarzes Brokattuch gehüllt, das kiswa, das mit Versen aus dem Koran bestickt ist. Abraham oder Ismael sollen die Kaaba errichtet haben.
Mein Vater erklärte uns, dass die Kaaba verehrt wird, weil in ihr der erste Koran liegt, in dem der Prophet Mohammed die heiligen Worte Gottes festgehalten hat. In Wahrheit enthält die Kaaba nur einen Meteoriten, der als schwarzer Stein bezeichnet wird und in der südöstlichen Ecke liegt. Als Kind waren mir die Lücken im Wissen und in der Religionskenntnis meines Vaters freilich ebenso wenig bewusst wie ihm selbst.
An der Wand gegenüber des Fotos von der Kaaba hing ein gerahmtes Bild, auf dem in goldenen Lettern auf Arabisch stand: »Mohammed, Friede sei mit ihm.« Darunter befand sich ein Schränkchen, in dem unter anderem Geschirr für besondere Gelegenheiten und zwei Schneekugeln aufbewahrt wurden. Wenn man die Schneekugeln schüttelte, wirbelte in der einen Schnee über der Kaaba und in der anderen um den Namen des Propheten Mohammed auf. Wir holten sie jedoch nie heraus, um mit ihnen zu spielen. Das wäre höchst respektlos gewesen und hätte den Zorn meines Vaters erregt. Und das war tunlichst zu vermeiden, wie ich nur allzu gut wusste.
Im obersten Fach des Schränkchens lagen mehrere Koranausgaben. Es gilt als Zeichen von Respekt, das heilige Buch an einem erhöhten Ort aufzubewahren. Jedes Buch war in einen Umschlag gehüllt, den meine Mutter aus Stoffresten genäht hatte.
Während des Koranunterrichts setzten wir uns zu zwölft im Viereck hin und blickten in die Mitte, während mein Vater an einem Ende des Raums saß. Jeder hatte eine hölzerne Buchstütze vor sich, auf der ein arabisches Wörterbuch oder ein Koranvers lagen. Jungen und Mädchen saßen beisammen, wir trugen keine Uniformen, aber der Unterricht war trotzdem freudlos. Einer nach dem anderen musste sich neben meinen Vater setzen und die Lektion des Tages aufsagen.
Mein Vater war sehr streng. Niemand benahm sich daneben. Selbst wenn man nur mit einer Freundin flüsterte, wurde man sofort von ihm geschlagen. Der Besenstiel, der gut sichtbar in einer Ecke stand, machte uns fügsam.
Wenn wir den arabischen Text fehlerhaft aufsagten, wurden wir ebenfalls geschlagen. Uns war erklärt worden, dass die Worte auf Arabisch eine besondere spirituelle Bedeutung hatten, die verlorenging, wenn man sie in eine andere Sprache übersetzte, ins Englische etwa, das wir alle verstanden hätten.
Doch die Bedeutung der Worte, die wir rezitierten, wurde uns nie erklärt, sondern nur die perfekte arabische Aussprache. Wenn wir denselben Satz stundenlang herunterleierten, erkannte ich Eigennamen wie Allah und Mohammed, doch abgesehen davon hatte ich nicht die geringste Ahnung, was die Worte besagten. Aber keiner von uns hinterfragte diesen Unterricht oder verlangte nach einer Erklärung, wir hatten viel zu viel Angst vor meinem Vater.
Mit fünf Jahren konnte ich die erste Sure des Korans fehlerfrei lesen; ich war eine der Ersten damit in meiner Klasse. Mein Vater ermunterte alle anderen ständig, mich jedoch nie. Ich lernte diese Sure sogar auswendig, um ihm zu gefallen, aber die Mühe hätte ich mir sparen können.
Mein Vater machte kein Hehl daraus, dass er nie eine Tochter hatte haben wollen. Wenn wir alleine waren, sagte er mir, ich sei ein böses, verfluchtes Mädchen. Es läge an mir, zu beweisen, dass ich Allahs würdig sei.
Weil mein Vater der Imam war, waren meine Eltern die Stützen der Gemeinde. Mein Vater hatte einen gehobenen gesellschaftlichen Status. Zu Außenstehenden war er ausgesprochen freundlich. Er sprach fast nur im Flüsterton, lächelte viel und spielte die Rolle eines wahrhaft spirituellen und friedliebenden Menschen.
»Du hast wirklich einen wundervollen Vater«, bekam ich immer wieder zu hören.
Doch im Kreis der Familie war mein Vater ein grausamer, hasserfüllter Mann, der zu Wutund Gewaltausbrüchen neigte. Er schlug meine Mutter. Selbst im Alter von vier Jahren musste mir niemand sagen, dass das falsch war. Doch wie jedes Kind wollte ich, dass mein Vater mich liebte und stolz auf mich war.
Die Leute aus unserer Gemeinschaft bezeichneten meinen Vater als Hadschi, also als einen Mann, der nach Mekka gepilgert war. Meine Mutter sprachen sie mit der weiblichen Form dieser Bezeichnung an und nannten sie Hadschin.
Diese Menschen sahen in meinem Vater eine Quelle der Führung und Weisheit, und sie kamen zu ihm, wenn sie einen Rat brauchten. Mein Vater reagierte stets prompt, nie war er unsicher, nie zweifelnd. Eine unfolgsame Tochter wäre für ihn die schlimmste Entehrung gewesen.
Ich hatte nicht den Hauch einer Chance, denn ich war die geborene Rebellin.
Copyright © 2010 by Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg Alle Rechte vorbehalten.
... weniger
Autoren-Porträt von Hannah Shah
Hannah Shah ist Britin pakistanischer Abstammung. Sie ist heute verheiratet und arbeitet als Religionslehrerin und Sozialarbeiterin in England.
Bibliographische Angaben
- Autor: Hannah Shah
- 2012, 272 Seiten, Masse: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426784297
- ISBN-13: 9783426784297
- Erscheinungsdatum: 28.01.2014
Rezension zu „Die Tochter des Imam “
"Die Autobiographie ist eine ebenso anrührende wie lehrreiche Lektüre, insbesondere, da die Autorin ihr Leben sehr anschaulich und sachlich und ohne Pathos schildert und die Verhaltensweisen ihrer Familie, die vornehmlich von dem Bestreben gesteuert wird, die Familienehre zu bewahren und die Gesetze der Religion zu befolgen, mit der islamischen Tradition und den heiligen Schriften, dem Koran und dem Hadith, erklärt und damit zum besseren Verständnis dieses Glaubens beiträgt." Kemet, April 2014
Pressezitat
"Die Autobiographie ist eine ebenso anrührende wie lehrreiche Lektüre, insbesondere, da die Autorin ihr Leben sehr anschaulich und sachlich und ohne Pathos schildert und die Verhaltensweisen ihrer Familie, die vornehmlich von dem Bestreben gesteuert wird, die Familienehre zu bewahren und die Gesetze der Religion zu befolgen, mit der islamischen Tradition und den heiligen Schriften, dem Koran und dem Hadith, erklärt und damit zum besseren Verständnis dieses Glaubens beiträgt." Kemet, April 2014
Kommentare zu "Die Tochter des Imam"
0 Gebrauchte Artikel zu „Die Tochter des Imam“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
5 von 5 Sternen
5 Sterne 6Schreiben Sie einen Kommentar zu "Die Tochter des Imam".
Kommentar verfassen