Küssen will gelernt sein
Roman
Delaney muss wegen einer Erbschaft ein Jahr in ihrer verhassten Heimatstadt verbringen. Zu allem Überfluss lebt dort Frauenheld Nick.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Küssen will gelernt sein “
Delaney muss wegen einer Erbschaft ein Jahr in ihrer verhassten Heimatstadt verbringen. Zu allem Überfluss lebt dort Frauenheld Nick.
Klappentext zu „Küssen will gelernt sein “
Ein Buch so prickelnd wie ein Flirt!"Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg", denkt sich Delaney Shaw und beschliesst, die Zähne zusammenzubeissen und ihrem verstorbenen Stiefvater Henry seinen letzten Willen zu erfüllen. Um an ihr Erbe zu kommen, muss sie für ein Jahr in ihre verhasste Heimatstadt zurückkehren. Doch damit nicht genug, denn auch der stadtbekannte Gigolo Nick, Henrys unehelicher Sohn, erbt nur unter einer Bedingung: Er muss in dieser Zeit die Finger von Delaney lassen. Und schon bald merken beide, wie unglaublich lang ein Jahr sein kann ...
Lese-Probe zu „Küssen will gelernt sein “
Küssen will gelernt sein von Rachel Gibson Eins
»Der Tod kommt zu uns allen und damit auch die unvermeidliche Trennung von geliebten Menschen«, sprach Reverend Tippet mit eintöniger, ernster Stimme. »Henry Shaw, unser geliebter Ehemann, Vater und tragendes Mitglied unserer Gemeinde, wird uns fehlen.« Der Pfarrer hielt inne und ließ den Blick über die große Trauergemeinde schweifen, die sich eingefunden hatte, um Abschied zu nehmen. »Henry würde sich freuen, hier so viele Freunde versammelt zu sehen.«
Henry Shaw hätte einen kurzen Blick auf die Autos geworfen, die rückwärts am geschlossenen Friedhofstor parkten, und festgestellt, dass die beachtliche Anteilnahme hinter seinen Erwartungen zurückblieb. Schließlich war er über vierundzwanzig Jahre lang Bürgermeister von Truly, Idaho, gewesen, bis man ihn letztes Jahr zu Gunsten des eingefleischten Demokraten George Tanasee abgewählt hatte.
... mehr
In der kleinen Gemeinde war Henry ein hohes Tier gewesen. Er hatte die Hälfte der Geschäfte besessen und mehr Geld als die ganze Stadt zusammen. Kurz nachdem seine erste Frau sich vor sechsundzwanzig Jahren von ihm hatte scheiden lassen, hatte er sie durch die hübscheste Frau ersetzt, die er auftreiben konnte. Ihm hatten Duke und Dolores, die schönsten zwei Weimaraner im ganzen Staat, gehört, und noch bis vor Kurzem hatte er im größten Haus der Stadt gewohnt. Doch das war, bevor die verdammten Allegrezza-Jungs begonnen hatten, überall in der Stadt zu bauen. Er hatte auch eine Stieftochter, mit der er jedoch seit Jahren nicht mehr gesprochen hatte.
Henry hatte seine herausragende Stellung in der Gemeinde genossen. Zu den Menschen, die mit ihm einer Meinung waren, war er herzlich und großzügig, doch wer nicht Henrys Freund war, war sein Feind. Wer es wagte, ihn herauszufordern, bereute es normalerweise. Er war ein aufgeblasener, hinterwäldlerischer Scheißkerl gewesen, und als man seinen verkohlten Leichnam aus dem Inferno gezogen hatte, das ihn das Leben gekosten hatte, wurden in der Gemeinde Stimmen laut, dass Henry Shaw genau das bekommen hatte, was er verdiente.
»Wir übergeben den Körper unseres geliebten Menschen der Erde. Henrys Leben ...«
Delaney Shaw, Henrys Stieftochter, lauschte der nichts sagend dahinplätschernden Stimme von Reverend Tippet und sah ihre Mutter verstohlen von der Seite an. Die leichten Spuren der Trauer standen Gwen Shaw gut, doch das überraschte Delaney nicht. Ihrer Mutter stand grundsätzlich alles. Schon immer. Delaney richtete den Blick wieder auf den gelben Rosenstrauß auf Henrys Sarg. Die helle Junisonne sprühte Funken von den glänzenden Messingbeschlägen auf dem polierten Mahagoniholz. Sie griff in die Tasche des minzgrünen Kostüms, das sie sich von ihrer Mutter geborgt hatte, und suchte nach ihrer Sonnenbrille. Sie schob sich das Horngestell auf die Nase und verbarg ihre Augen vor den stechenden Sonnenstrahlen und den neugierigen Blicken. Sie straffte die Schultern und atmete tief durch. Sie war seit zehn Jahren nicht mehr zu Hause gewesen. Sie hatte immer zurückkommen und mit Henry Frieden schließen wollen. Dafür war es jetzt zu spät.
Die leichte Brise wehte ihr die rotgold gesträhnten Locken ins Gesicht, und sie strich sich ihr kinnlanges Haar hinter die Ohren. Sie hätte es versuchen müssen. Sie hätte nicht so lange
wegbleiben sollen. Sie hätte nicht so viele Jahre ins Land ziehen lassen dürfen, doch ihr war nie in den Sinn gekommen, dass er sterben könnte. Nicht Henry. Bei ihrer letzten Begegnung hatten sie sich schreckliche Dinge an den Kopf geworfen, und seine Wut war so erbittert gewesen, dass sie sich ihr ins Gedächtnis eingebrannt hatte.
In der Ferne grollte ein Geräusch wie der Zorn Gottes. Delaney hob den Blick gen Himmel und hätte sich nicht über Blitz und Donner gewundert, so überzeugt war sie, dass die Ankunft eines Mannes wie Henry im Paradies Turbulenzen auslösen würde. Doch obwohl der Himmel strahlend blau blieb, ging das Grollen weiter und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Eisentore des Friedhofs.
Ein breitschultriger Motorradfahrer mit vom Wind zerzaustem Haar heizte direkt auf die Menschenmenge zu, die sich zum Abschiednehmen versammelt hatte. Das Monstrum von Motor ließ den Boden vibrieren und die Luft erbeben, sodass die Grabrede von einer »Bad-Dog«-Auspuffanlage über- tönt wurde. Mit einer verblichenen Jeans und einem weißen T-Shirt bekleidet, fuhr der Motorradfahrer langsamer und brachte die Harley grollend vor dem grauen Leichenwagen zum Stehen. Der Motor erstarb, und der Stiefelabsatz des Bikers kratzte über den Asphalt, als er das Motorrad auf seinen Ständer stellte. Dann richtete er sich mit einer geschmeidigen Bewegung auf. Ein Dreitagebart verdunkelte seinen markanten Kiefer und seine Wangen und lenkte die Aufmerksamkeit auf seinen entschlossenen Mund. Am Ohrläppchen trug er einen kleinen goldenen Ring, und eine Oakley's aus Platin verbarg seine Augen.
Irgendwas an dem knallharten Biker kam ihr bekannt vor. Irgendwas an seiner glatten dunklen Haut und dem schwarzen Haar, doch Delaney konnte ihn nicht einordnen.
»0 Gott«, stieß ihre Mutter neben ihr hervor. »Ich kann nicht glauben, dass er es wagt, in diesem Aufzug hier aufzukreu- zen.«
Ihre Fassungslosigkeit wurde von anderen Trauergästen geteilt, die die schlechten Manieren hatten, in lautes Flüstern zu verfallen.
»Der macht bloß Ärger.«
»Schon als Kind war er von Grund auf verdorben.«
Der weiche Jeansstoff seiner Levi's brachte seine festen Schenkel, seine Lenden und seine langen Beine bestens zur Geltung. Seine breite, muskulöse Brust zeichnete sich durch sein Hemd ab. Delaney hob den Blick wieder zu seinem Gesicht. Langsam nahm er die Sonnenbrille von seiner geraden Nase und schob sie in die Brusttasche seines T-Shirts. Seine hellgrauen Augen erwiderten ihren Blick.
Delaney blieb das Herz stehen, und ihre Knie gaben nach. Sie kannte diese Augen, die sie durchbohrten. Es waren exakt die seines irischen Vaters, nur noch viel aufregender, weil sie sich in einem Gesicht wiederfanden, das für seine baskische Herkunft so typisch war.
Nick Allegrezza, Objekt ihrer Mädchenschwärmereien und Grund ihrer totalen Desillusionierung. Nick, die schlüpfrig sprechende, schmeichlerische Schlange. Er stand da, das Gewicht auf einen Fuß verlagert, als fiele ihm gar nicht auf, was für ein Aufsehen er erregte. Doch viel wahrscheinlicher fiel es ihm durchaus auf und war ihm schlicht egal. Delaney war zehn Jahre fort gewesen, doch manches war noch genau wie früher. Nicks Gesicht war zwar fülliger geworden, seine Züge reifer, doch sein Auftreten erregte immer noch Aufsehen.
Reverend Tippet senkte den Kopf. »Lasst uns für Henry Shaw beten«, begann er. Delaney zog ihr Kinn ein und schloss die Augen. Schon als Kind hatte Nick mehr Aufmerksamkeit
auf sich gezogen, als ihm zustand. Sein älterer Bruder Louie war zwar auch sehr wild gewesen, aber nie so schlimm wie Nick. Alle wussten, dass die Allegrezza-Brüder durchgeknallte, impulsive Bascos waren, mit flinken Fingern und geil wie Strafgefangene auf Kurzurlaub.
Alle Mädchen in der Stadt waren gewarnt worden, sich so weit wie möglich von den Brüdern fernzuhalten, doch wie die Lemminge, die sich blindlings ins Meer stürzen, waren viele dem Ruf der Wildnis erlegen und hatten sich »diesen Baskenkerlen« an den Hals geworfen. Nick hatte sich noch zusätzlich den schlechten Ruf erworben, Jungfrauen ihre Höschen abzuschmeicheln. Doch Delaney hatte er nicht rumgekriegt. Entgegen der weit verbreiteten Meinung hatte sie nicht mit Nick Allegrezza geschlafen. Ihre Unschuld hatte er ihr nicht geraubt.
Jedenfalls nicht technisch gesehen.
»Amen«, sagten die Trauergäste im Chor.
»Ja. Amen«, stimmte Delaney zu und hatte wegen ihrer pietätlosen Gedanken beim Gebet Schuldgefühle. Sie spähte über den Rand ihrer Sonnenbrille, und ihre Augen verengten sich, als sie beobachtete, wie Nick die Lippen bewegte und sich rasch bekreuzigte. Natürlich war er katholisch, genau wie die anderen baskischen Familien in der Gegend. Trotzdem kam ihr der Anblick gotteslästerlich vor, wie sich ein langhaariger und einen Ohrring tragender Biker mit einer so unverhohlen sexuellen Ausstrahlung bekreuzigte wie ein Priester. Und dann, als hätte er den ganzen Tag Zeit, musterte er Delaney eingehend, betrachtete erst ihr Kostüm und sah dann hoch zu ihrem Gesicht. In seinen Augen flackerte etwas auf, das jedoch genauso schnell wieder erlosch, und er wurde von einer blonden Frau mit einem pinkfarbenen Trägerkleid abgelenkt, die neben ihm stand. Sie reckte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Die Trauergäste drängten sich um Delaney und ihre Mutter, um ihnen ihr Beileid auszusprechen, bevor sie zu ihren Wagen gingen. Sie verlor Nick aus den Augen und wandte sich den Menschen zu, die an ihr vorbeischritten. Sie kannte die meisten von Henrys Freunden, die stehen blieben, um ein paar Worte mit ihr zu wechseln, sah jedoch nur wenige Gesichter unter fünfzig. Sie lächelte, nickte und schüttelte Hände und hasste jede Minute, in der sie mit prüfenden Blicken gemustert wurde. Sie wollte allein sein, damit sie über Henry und die guten Zeiten mit ihm nachdenken konnte. Sie wollte sich an Henry er- innern, bevor sie sich gegenseitig so furchtbar enttäuscht hatten. Doch sie wusste, dass sie erst viel später dazu Gelegenheit hätte. Sie war emotional erschöpft, und als ihre Mutter und sie sich endlich zu der Limousine begaben, die sie wieder nach Hause fahren sollte, wollte sie nichts lieber, als sich in einer Höhle verkriechen.
Das Grollen von Nicks Harley erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie warf ihm noch einen Blick über die Schulter zu. Er ließ den Motor zweimal aufheulen, wendete und brauste mit der großen Maschine davon. Delaney zog irritiert die Augenbrauen zusammen, als er an ihr vorbeischoss, und fixierte die Blondine, die sich fest an seinen Rücken drückte. Er hatte doch tatsächlich auf Henrys Beerdigung eine Frau aufgerissen, sie abgeschleppt wie auf einer Kneipentour. Delaney kannte sie nicht, war im Grunde aber nicht überrascht, dass Nick die Beerdigung mit einer Tussi im Schlepptau verließ. Ihm war nichts heilig. Für ihn galten keine Verbote.
Sie stieg in die Limousine und versank in den eleganten Samtsitzen. Henry war tot, und nichts hatte sich geändert.
© Goldmann Verlag
Übersetzung: Antje Althans
Henry hatte seine herausragende Stellung in der Gemeinde genossen. Zu den Menschen, die mit ihm einer Meinung waren, war er herzlich und großzügig, doch wer nicht Henrys Freund war, war sein Feind. Wer es wagte, ihn herauszufordern, bereute es normalerweise. Er war ein aufgeblasener, hinterwäldlerischer Scheißkerl gewesen, und als man seinen verkohlten Leichnam aus dem Inferno gezogen hatte, das ihn das Leben gekosten hatte, wurden in der Gemeinde Stimmen laut, dass Henry Shaw genau das bekommen hatte, was er verdiente.
»Wir übergeben den Körper unseres geliebten Menschen der Erde. Henrys Leben ...«
Delaney Shaw, Henrys Stieftochter, lauschte der nichts sagend dahinplätschernden Stimme von Reverend Tippet und sah ihre Mutter verstohlen von der Seite an. Die leichten Spuren der Trauer standen Gwen Shaw gut, doch das überraschte Delaney nicht. Ihrer Mutter stand grundsätzlich alles. Schon immer. Delaney richtete den Blick wieder auf den gelben Rosenstrauß auf Henrys Sarg. Die helle Junisonne sprühte Funken von den glänzenden Messingbeschlägen auf dem polierten Mahagoniholz. Sie griff in die Tasche des minzgrünen Kostüms, das sie sich von ihrer Mutter geborgt hatte, und suchte nach ihrer Sonnenbrille. Sie schob sich das Horngestell auf die Nase und verbarg ihre Augen vor den stechenden Sonnenstrahlen und den neugierigen Blicken. Sie straffte die Schultern und atmete tief durch. Sie war seit zehn Jahren nicht mehr zu Hause gewesen. Sie hatte immer zurückkommen und mit Henry Frieden schließen wollen. Dafür war es jetzt zu spät.
Die leichte Brise wehte ihr die rotgold gesträhnten Locken ins Gesicht, und sie strich sich ihr kinnlanges Haar hinter die Ohren. Sie hätte es versuchen müssen. Sie hätte nicht so lange
wegbleiben sollen. Sie hätte nicht so viele Jahre ins Land ziehen lassen dürfen, doch ihr war nie in den Sinn gekommen, dass er sterben könnte. Nicht Henry. Bei ihrer letzten Begegnung hatten sie sich schreckliche Dinge an den Kopf geworfen, und seine Wut war so erbittert gewesen, dass sie sich ihr ins Gedächtnis eingebrannt hatte.
In der Ferne grollte ein Geräusch wie der Zorn Gottes. Delaney hob den Blick gen Himmel und hätte sich nicht über Blitz und Donner gewundert, so überzeugt war sie, dass die Ankunft eines Mannes wie Henry im Paradies Turbulenzen auslösen würde. Doch obwohl der Himmel strahlend blau blieb, ging das Grollen weiter und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Eisentore des Friedhofs.
Ein breitschultriger Motorradfahrer mit vom Wind zerzaustem Haar heizte direkt auf die Menschenmenge zu, die sich zum Abschiednehmen versammelt hatte. Das Monstrum von Motor ließ den Boden vibrieren und die Luft erbeben, sodass die Grabrede von einer »Bad-Dog«-Auspuffanlage über- tönt wurde. Mit einer verblichenen Jeans und einem weißen T-Shirt bekleidet, fuhr der Motorradfahrer langsamer und brachte die Harley grollend vor dem grauen Leichenwagen zum Stehen. Der Motor erstarb, und der Stiefelabsatz des Bikers kratzte über den Asphalt, als er das Motorrad auf seinen Ständer stellte. Dann richtete er sich mit einer geschmeidigen Bewegung auf. Ein Dreitagebart verdunkelte seinen markanten Kiefer und seine Wangen und lenkte die Aufmerksamkeit auf seinen entschlossenen Mund. Am Ohrläppchen trug er einen kleinen goldenen Ring, und eine Oakley's aus Platin verbarg seine Augen.
Irgendwas an dem knallharten Biker kam ihr bekannt vor. Irgendwas an seiner glatten dunklen Haut und dem schwarzen Haar, doch Delaney konnte ihn nicht einordnen.
»0 Gott«, stieß ihre Mutter neben ihr hervor. »Ich kann nicht glauben, dass er es wagt, in diesem Aufzug hier aufzukreu- zen.«
Ihre Fassungslosigkeit wurde von anderen Trauergästen geteilt, die die schlechten Manieren hatten, in lautes Flüstern zu verfallen.
»Der macht bloß Ärger.«
»Schon als Kind war er von Grund auf verdorben.«
Der weiche Jeansstoff seiner Levi's brachte seine festen Schenkel, seine Lenden und seine langen Beine bestens zur Geltung. Seine breite, muskulöse Brust zeichnete sich durch sein Hemd ab. Delaney hob den Blick wieder zu seinem Gesicht. Langsam nahm er die Sonnenbrille von seiner geraden Nase und schob sie in die Brusttasche seines T-Shirts. Seine hellgrauen Augen erwiderten ihren Blick.
Delaney blieb das Herz stehen, und ihre Knie gaben nach. Sie kannte diese Augen, die sie durchbohrten. Es waren exakt die seines irischen Vaters, nur noch viel aufregender, weil sie sich in einem Gesicht wiederfanden, das für seine baskische Herkunft so typisch war.
Nick Allegrezza, Objekt ihrer Mädchenschwärmereien und Grund ihrer totalen Desillusionierung. Nick, die schlüpfrig sprechende, schmeichlerische Schlange. Er stand da, das Gewicht auf einen Fuß verlagert, als fiele ihm gar nicht auf, was für ein Aufsehen er erregte. Doch viel wahrscheinlicher fiel es ihm durchaus auf und war ihm schlicht egal. Delaney war zehn Jahre fort gewesen, doch manches war noch genau wie früher. Nicks Gesicht war zwar fülliger geworden, seine Züge reifer, doch sein Auftreten erregte immer noch Aufsehen.
Reverend Tippet senkte den Kopf. »Lasst uns für Henry Shaw beten«, begann er. Delaney zog ihr Kinn ein und schloss die Augen. Schon als Kind hatte Nick mehr Aufmerksamkeit
auf sich gezogen, als ihm zustand. Sein älterer Bruder Louie war zwar auch sehr wild gewesen, aber nie so schlimm wie Nick. Alle wussten, dass die Allegrezza-Brüder durchgeknallte, impulsive Bascos waren, mit flinken Fingern und geil wie Strafgefangene auf Kurzurlaub.
Alle Mädchen in der Stadt waren gewarnt worden, sich so weit wie möglich von den Brüdern fernzuhalten, doch wie die Lemminge, die sich blindlings ins Meer stürzen, waren viele dem Ruf der Wildnis erlegen und hatten sich »diesen Baskenkerlen« an den Hals geworfen. Nick hatte sich noch zusätzlich den schlechten Ruf erworben, Jungfrauen ihre Höschen abzuschmeicheln. Doch Delaney hatte er nicht rumgekriegt. Entgegen der weit verbreiteten Meinung hatte sie nicht mit Nick Allegrezza geschlafen. Ihre Unschuld hatte er ihr nicht geraubt.
Jedenfalls nicht technisch gesehen.
»Amen«, sagten die Trauergäste im Chor.
»Ja. Amen«, stimmte Delaney zu und hatte wegen ihrer pietätlosen Gedanken beim Gebet Schuldgefühle. Sie spähte über den Rand ihrer Sonnenbrille, und ihre Augen verengten sich, als sie beobachtete, wie Nick die Lippen bewegte und sich rasch bekreuzigte. Natürlich war er katholisch, genau wie die anderen baskischen Familien in der Gegend. Trotzdem kam ihr der Anblick gotteslästerlich vor, wie sich ein langhaariger und einen Ohrring tragender Biker mit einer so unverhohlen sexuellen Ausstrahlung bekreuzigte wie ein Priester. Und dann, als hätte er den ganzen Tag Zeit, musterte er Delaney eingehend, betrachtete erst ihr Kostüm und sah dann hoch zu ihrem Gesicht. In seinen Augen flackerte etwas auf, das jedoch genauso schnell wieder erlosch, und er wurde von einer blonden Frau mit einem pinkfarbenen Trägerkleid abgelenkt, die neben ihm stand. Sie reckte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Die Trauergäste drängten sich um Delaney und ihre Mutter, um ihnen ihr Beileid auszusprechen, bevor sie zu ihren Wagen gingen. Sie verlor Nick aus den Augen und wandte sich den Menschen zu, die an ihr vorbeischritten. Sie kannte die meisten von Henrys Freunden, die stehen blieben, um ein paar Worte mit ihr zu wechseln, sah jedoch nur wenige Gesichter unter fünfzig. Sie lächelte, nickte und schüttelte Hände und hasste jede Minute, in der sie mit prüfenden Blicken gemustert wurde. Sie wollte allein sein, damit sie über Henry und die guten Zeiten mit ihm nachdenken konnte. Sie wollte sich an Henry er- innern, bevor sie sich gegenseitig so furchtbar enttäuscht hatten. Doch sie wusste, dass sie erst viel später dazu Gelegenheit hätte. Sie war emotional erschöpft, und als ihre Mutter und sie sich endlich zu der Limousine begaben, die sie wieder nach Hause fahren sollte, wollte sie nichts lieber, als sich in einer Höhle verkriechen.
Das Grollen von Nicks Harley erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie warf ihm noch einen Blick über die Schulter zu. Er ließ den Motor zweimal aufheulen, wendete und brauste mit der großen Maschine davon. Delaney zog irritiert die Augenbrauen zusammen, als er an ihr vorbeischoss, und fixierte die Blondine, die sich fest an seinen Rücken drückte. Er hatte doch tatsächlich auf Henrys Beerdigung eine Frau aufgerissen, sie abgeschleppt wie auf einer Kneipentour. Delaney kannte sie nicht, war im Grunde aber nicht überrascht, dass Nick die Beerdigung mit einer Tussi im Schlepptau verließ. Ihm war nichts heilig. Für ihn galten keine Verbote.
Sie stieg in die Limousine und versank in den eleganten Samtsitzen. Henry war tot, und nichts hatte sich geändert.
© Goldmann Verlag
Übersetzung: Antje Althans
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Autoren-Porträt von Rachel Gibson
Seit sie sechzehn Jahre alt ist, erfindet Rachel Gibson mit Begeisterung Geschichten. Mittlerweile hat sie nicht nur die Herzen zahlloser Leserinnen erobert, sie wurde auch mit dem Golden Heart Award der Romance Writers of America und dem National Readers Choice Award ausgezeichnet. Rachel Gibson lebt mit ihrem Ehemann, drei Kindern, zwei Katzen und einem Hund in Boise, Idaho.
Bibliographische Angaben
- Autor: Rachel Gibson
- 2009, 380 Seiten, Masse: 11,7 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Althans, Antje
- Übersetzer: Antje Althans
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442466849
- ISBN-13: 9783442466849
Rezension zu „Küssen will gelernt sein “
"Rachel Gibson hält perfekt die Balance zwischen frischem Witz und wahren Emotionen."
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