Warrior Cats Staffel 2 Band 6: Sonnenuntergang
Die neue Prophezeiung
Eine schreckliche Schlacht gegen eine Meute von Dachsen hat den Donner-Clan große Verluste gekostet. Der junge Krieger Brombeerkralle will Zweiter Anführer werden. Doch seine Gedanken sind vergiftet und ein furchtbarer, blutiger Plan reift heran.
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Produktinformationen zu „Warrior Cats Staffel 2 Band 6: Sonnenuntergang “
Eine schreckliche Schlacht gegen eine Meute von Dachsen hat den Donner-Clan große Verluste gekostet. Der junge Krieger Brombeerkralle will Zweiter Anführer werden. Doch seine Gedanken sind vergiftet und ein furchtbarer, blutiger Plan reift heran.
Klappentext zu „Warrior Cats Staffel 2 Band 6: Sonnenuntergang “
Eine schreckliche Schlacht gegen eine Meute von Dachsen hat den DonnerClan grosse Verluste gekostet. Und noch immer ist der Clan ohne Zweiten Anführer. Der junge Krieger Brombeerkralle ist wütend: Feuerstern muss endlich einen Stellvertreter ernennen - und er wäre genau der Richtige! In seinen Träumen wird Brombeerkralle von seinem Vater Tigerstern und seinem Halbbruder Habichtfrost heimgesucht, die seine Gedanken vergiften. Ein furchtbarer Plan nimmt Gestalt an ...
Lese-Probe zu „Warrior Cats Staffel 2 Band 6: Sonnenuntergang “
Warrior Cats - Sonnenuntergang von Erin HunterPROLOG
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FINSTERE NACHT LAG über dem Wald. Kein Lüftchen regte sich im hohen Gras am Wegesrand, wo der kräftige, getigerte Kater durch die Schatten stolzierte. Er hielt inne, spitzte die Ohren, kniff die Augen zusammen. Weder Mond noch Sterne leuchteten am Himmel über ihm, trotzdem warfen die dicht bemoosten Stämme ein unheimliches Licht auf die nackte Erde unter seinen Pfoten.
Der stattliche Kater öffnete das Maul, um die Luft tief einzuatmen, auch wenn er nicht damit rechnete, Beutegeruch zu entdecken. Er wusste, dass das Zittern der Farnwedel nichts zu bedeuten hatte und die Schatten, die er aus dem Augenwinkel zucken sah, sich wie Nebel auflösen würden, falls er versuchte, ihnen nachzujagen. Hunger gab es an diesem Ort nicht, aber er sehnte sich nach dem aufregenden Gefühl, wenn er seine Krallen in Beute schlug und nach einer erfolgreichen Jagd den ersten warmen Bissen verzehrte.
Sein Nackenfell sträubte sich, als ihm ein neuer Geruch entgegenwehte: der Geruch von Katzen, und zwar nicht von den beiden, mit denen er sich hier schon einmal getroffen hatte. Jetzt näherte sich ein Kater, den er aus längst vergangenen Zeiten kannte. Er lief weiter, immer auf den Geruch zu, bis die Bäume spärlicher wurden und er am Rand einer schwach beleuchteten Lichtung stehen blieb. Der andere Kater kam über die freie Fläche auf ihn zugesprungen, die Ohren flach angelegt und die Augen in Panik weit aufgerissen.
»Tigerstern!«, keuchte er, blieb vor ihm stehen und duckte sich. »Wo kommst du her? Ich dachte, ich wäre hier ganz allein.«
»Steh auf, Dunkelstreif«, knurrte sein Gegenüber angewidert mit tiefer Stimme. »Hör auf, dich wie ein unterwürfiges Junges zu benehmen.«
Dunkelstreif erhob sich auf die Pfoten und leckte sich ein paar Mal kurz übers Fell. Sein Pelz, der früher glatt wie die Haut eines wohlgenährten Fisches gewesen war, sah jetzt dünn und verfilzt aus und hing voller Kletten.
»Ich weiß nicht, was für ein Ort das hier ist«, miaute er. »Wo sind wir? Wo ist der SternenClan?«
»Hier wandelt kein SternenClan.«
Dunkelstreif riss die Augen noch weiter auf.
»Warum nicht? Und warum ist es hier immer so finster? Wo ist der Mond?« Er schauderte. »Ich dachte, wir würden mit unseren Kriegerahnen am Himmel jagen und über unsere Clan-Gefährten wachen.«
Tigerstern schnaubte verächtlich. »Das ist nichts für uns. Und um meinem Pfad zu folgen, brauchen wir kein Sternenlicht. Wenn der SternenClan glaubt, er kann uns einfach vergessen, dann täuscht er sich.«
Er kehrte Dunkelstreif den Rücken zu und bahnte sich seinen Weg durch den Farn, ohne sich darum zu kümmern, ob ihm der andere Kater folgte oder nicht.
»Warte«, rief Dunkelstreif und stolperte keuchend hinter ihm her. »Das musst du mir erklären.«
Der riesige Kater blickte sich um, seine Bernsteinaugen funkelten im blassen Licht.
»Feuerstern glaubt, er habe gesiegt, als mir Geißel meine neun Leben genommen hat. Er ist ein Narr. Wir sind noch nicht miteinander fertig.«
»Aber was kannst du jetzt noch gegen Feuerstern tun?«, protestierte Dunkelstreif. »Aus diesem Wald kommst du nicht heraus. Ich weiß es - ich habe es selbst versucht. Ich kann gehen, so weit ich will, der Wald hört nirgendwo auf und nirgendwo gibt es Licht.«
Tigerstern antwortete nicht sofort. Mit Dunkelstreif dicht auf seinen Pfoten trottete er weiter durchs Unterholz. Der kleinere Kater zuckte jedes Mal zusammen, wenn es im Farn raschelte oder ein flackernder Schatten auf seinen Weg fiel. Plötzlich blieb er stehen, blickte verängstigt um sich und öffnete das Maul, um die Luft zu prüfen.
»Ich rieche Braunstern!«, rief er. »Ist er auch hier? Braunstern, wo bist du? «
Tigerstern blieb ebenfalls stehen und sah hinter sich. »Spar dir die Luft. Braunstern wird dir nicht antworten. Du wirst hier Spuren von vielen Katzen finden, aber von Angesicht zu Angesicht wirst du ihnen nur selten begegnen. Wir mögen am gleichen Ort gefangen sein, aber jeder ist für sich allein.«
»Wie willst du dann mit Feuerstern abrechnen?«, fragte Dunkelstreif. »Er kommt doch gar nicht in diesen Wald.«
»Das werde ich nicht selbst tun.« Tigerstern redete mit leiser, bedrohlicher Stimme. »Meine Söhne erledigen das für mich. Habichtfrost und Brombeerkralle werden Feuerstern zeigen, dass die Schlacht noch lange nicht gewonnen ist.«
Dunkelstreif riskierte einen kurzen Blick in die Augen seines ehemaligen Anführers. »Aber wie willst du es anstellen, dass Habichtfrost und Brombeerkralle tun, was du willst?«
Mit einem einzigen Schlag seines Schwanzes brachte Tigerstern Dunkelstreif zum Schweigen. Er fuhr die Krallen aus, zog Furchen in die Erde unter seinen Pfoten.
»Ich kann in ihren Träumen wandeln«, fauchte er. »Außerdem habe ich Zeit. Alle Zeit der Welt. Wenn sie dieses räudige Hauskätzchen vernichtet haben, werde ich sie zu Anführern ihrer Clans machen und ihnen zeigen, was es bedeutet, wirklich mächtig zu sein.«
Dunkelstreif duckte sich im Schatten eines Farnbüschels. »Einen besseren Lehrer könnten sie nicht finden«, miaute
er.
»Sie werden die besten Kampftechniken des Waldes erlernen«, fuhr Tigerstern fort. »Sie werden lernen, keine Gnade walten zu lassen, falls irgendeine Katze gegen sie aufzubegehren wagt. Und am Ende werden sie das ganze Territorium um den See unter sich aufteilen.«
»Es gibt aber doch vier Clans ...«
»Und bald wird es nur noch zwei geben. Zwei Clans aus unverfälschten Kriegern, in denen es weder schwächliche Hauskätzchen noch HalbClan-Katzen gibt. Jetzt hat Feuerstern auch noch dieses nutzlose Fellbündel vom Pferdeort mit seinen jämmerlichen Jungen aufgenommen. So kann man doch keinen Clan führen!«
Dunkelstreif neigte den Kopf und legte bestätigend die Ohren an.
»Habichtfrost kennt keine Furcht«, knurrte Tigerstern anerkennend. »Das hat er gezeigt, als er einen Dachs aus dem Territorium des FlussClans verjagte. Und er hat Weitsicht bewiesen, als er seiner Schwester half, Heiler-Katze zu werden. Sie wird ihm den Weg zum Anführer ebnen und Habichtfrost weiß das. Er weiß, dass eine Katze nur dann an die Macht kommt, wenn sie unbeirrbar bleibt.«
»Ja, er ist ganz und gar dein Sohn.« Die Worte rannen Dunkelstreif von den Lippen wie Regenwasser von einem herunterhängenden Blatt. Aber falls Tigerstern einen falschen Unterton bemerkt haben sollte, ignorierte er ihn.
»Was Brombeerkralle angeht ...« Tigerstern kniff die Augen zusammen. »Auch er ist mutig, aber seine Loyalität zu dem Schwachkopf Feuerstern steht ihm im Weg. Er muss lernen, sich durch nichts und niemanden - weder seinen Anführer noch das Gesetz der Krieger, noch den SternenClan - aus der Bahn bringen zu lassen. Mit seiner Reise zum Wassernest der Sonne und der Führung der Clans in ihr neues Zuhause hat er sich den Respekt jeder Katze verdient. Sein guter Ruf allein müsste schon ausreichen, um die Kontrolle zu übernehmen. « Er streckte sich und ließ seine kraftvollen Schultermuskeln spielen. »Das werde ich ihm jetzt zeigen.«
»Ich könnte dir dabei helfen«, bot Dunkelstreif an.
Tigerstern sah ihn mit kalten, selbstgefälligen Augen an. »Ich brauche keine Hilfe. Hast du nicht zugehört, als ich dir sagte, dass jede Katze allein in diesem Wald der Finsternis wandelt?«
Dunkelstreif begann zu zittern. »Aber es ist hier so still und verlassen ... Tigerstern, lass mich bei dir bleiben.«
»Nein.« Ein Anflug von Mitgefühl lag in Tigersterns Stimme, aber er zögerte nicht. »Versuch nicht, mir zu folgen. Katzen haben hier keine Freunde oder Verbündete. Sie müssen ihren Weg in den Schatten allein suchen.«
Dunkelstreif setzte sich auf, den Schwanz um die Vorderpfoten gelegt. »Und wohin gehst du jetzt?«
»Ich treffe mich mit meinen Söhnen.« Er sprang auf dem Weg davon und sein Pelz schimmerte im matten, gelblichen Licht. Im Schatten des Farns blieb Dunkelstreif allein zurück.
Tigerstern drehte sich noch einmal um, bevor er zwischen den Bäumen verschwand, und verkündete: »Feuerstern wird schon sehen, dass meine Zeit noch nicht um ist. Sieben Leben sind ihm zwar noch geblieben, aber mit der Hilfe meiner Söhne werde ich ihn verfolgen, bis er jedes einzelne ausgehaucht hat. Diese Schlacht wird er nicht gewinnen.«
1. KAPITEL
BROMBEERKRALLE STAND in der Mitte der Lichtung und nahm in Augenschein, was vom DonnerClan-Lager noch übrig war. Eine schmale Mondsichel, dünn wie eine Kralle, zog hinter den Bäumen über dem Felskessel ihre Bahn. Ihr fahles Licht fiel auf die niedergetrampelten Baue, auf die zerfetzte, zur Seite geschleuderte Dornenbarriere am Eingang und die verwundeten DonnerClan-Katzen, die langsam mit gesträubtem Fell und vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen aus den Schat ten gekrochen kamen. Brombeerkralle konnte das Getrampel der Dachse in der Ferne noch immer hören. Beim Ein gang bebte das Unterholz nach, wo sie durchgebrochen waren, nachdem Kurzstern mit seinen WindClan-Kriegern gerade noch rechtzeitig eingetroffen war, um dem DonnerClan beizustehen und die Eindringlinge zu vertreiben.
Der Anblick der Verwüstung war es jedoch nicht, der Brombeerkralle wie angewurzelt dastehen ließ. Zwei Katzen, von denen er geglaubt hatte, er würde sie nie mehr wiedersehen, bewegten sich vorsichtig zwischen dem Dornengestrüpp am Eingang auf ihn zu. Sie waren unverletzt, ihre Pelze waren glatt und ihre Augen leuchteten wachsam.
»Sturmpelz! Was machst du denn hier?«, rief Brombeerkralle.
Der kräftige, graue Kater schritt weiter, bis er Brombeerkralle Nase an Nase begrüßen konnte.
»Wie schön, dich wiederzusehen«, miaute er. »Ich ... ich wollte nachsehen, ob ihr ein neues Zuhause gefunden habt. Aber was ist hier geschehen?«
»Dachse«, antwortete Brombeerkralle. Ratlos sah er sich um, während er sich fragte, wem seiner verletzten und verängstigten Clan-Gefährten er wohl zuerst helfen sollte.
Die schlanke, getigerte Kätzin an Sturmpelz' Seite fuhr mit ihrem Schwanz über einen langen Kratzer an Brombeerkralles Schulter.
»Du bist verletzt«, miaute sie.
Brombeerkralle zuckte mit den Ohren.
»Das ist nichts. Willkommen im DonnerClan, Bach. Es tut mir leid, dass ihr nach eurer weiten Reise unser Lager so vorfinden müsst.« Er hielt inne und blickte von einem zum anderen. »Ist beim Stamm des eilenden Wassers alles in Ordnung? Ich hätte nicht gedacht, dass ihr uns so bald besuchen würdet.«
Sturmpelz warf Bach einen Blick zu, so kurz, dass Brombeerkralle ihn fast übersehen hätte.
»Alles bestens«, schnurrte er. »Wir wollten bloß sicher sein, dass ihr einen Ort gefunden habt, an dem ihr leben könnt, wie es der SternenClan versprochen hat.«
Brombeerkralle ließ den Blick über das verwüstete Lager schweifen, wo die verschreckten Katzen zwischen den Überresten ihres Zuhauses umhertaumelten.
»Ja, wir haben diesen Ort gefunden«, flüsterte er.
»Hast du gesagt, ihr seid von Dachsen angegriffen worden?«, erkundigte sich Bach verwundert.
»Eine ganze Horde ist über uns hergefallen«, erklärte Brom beerkralle. »Weiß der SternenClan, wo sie alle hergekommen sind. Nie im Leben habe ich so viele Dachse gesehen. Sie hätten uns alle umgebracht, wenn der WindClan nicht aufgetaucht wäre.« Seine Pfoten zitterten, und er klammerte sich mit den Krallen im blutgetränkten Boden fest, um nicht umzukippen.
Sturmpelz nickte. »Das alles kannst du uns später erzählen. Wie können wir euch helfen?«
Brombeerkralle schickte ein stilles Dankesgebet zum SternenClan, dass er diesen Moment gewählt hatte, um seine alten Freunde zu den Clans zurückzuschicken. Er und Sturmpelz hatten auf ihrer Reise zum Wassernest der Sonne so vieles gemeinsam durchgestanden, dass ihm nur wenige Katzen einfielen, die er jetzt lieber an seiner Seite wüsste.
Er wandte den Kopf, als er in einem Farnbüschel am Rand der Kuhle ein leises Wimmern hörte.
»Wir müssen alle Katzen suchen, die verletzt sind. Einige befinden sich vermutlich bereits auf dem Weg zum Sternen-Clan«, warnte er und warf Bach einen Blick zu. »Die Dachse hatten nicht vor, uns zu vertreiben, sie wollten uns töten.«
Bach hielt seinem Blick stand. »Was sie auch getan haben mögen, ich will helfen. Ich kenne solche Gemetzel von Scharfzahn, vergiss das nicht.«
Scharfzahn war eine riesige Bergkatze gewesen, die den Stamm des eilenden Wassers viele Monde lang terrorisiert hatte, bis die Waldkatzen eintrafen. Sturmpelz' Schwester Federschweif war gestorben, als sie abgestürzt war und dabei das bestialische Tier getötet hatte.
»Wir werden tun, was getan werden muss«, versprach Sturmpelz. »Sag uns einfach, wo wir anfangen sollen. Bist du inzwischen Zweiter Anführer des DonnerClans? «
Brombeerkralle betrachtete einen Moosfetzen, der zwischen den Ballen einer Vorderpfote klemmte. »Nein«, gestand er. »Feuerstern hat noch keinen neuen Zweiten Anführer ernannt. Er will Graustreif mehr Zeit geben, zurückzukehren.«
»Das ist hart.« Eine Spur Mitleid lag in Sturmpelz' Stimme und Brombeerkralle zuckte zusammen. Er wollte von keiner Katze bemitleidet werden.
Plötzlich erstarrte Bach. »Hattest du nicht gesagt, die Dachse wären weg? «, fauchte sie leise.
Brombeerkralle fuhr herum, entspannte sich aber, als er ein wohlbekanntes spitzes, schwarz-weißes Gesicht im trockenen Farnkraut auftauchen sah.
Sturmpelz tippte Bach mit der Schwanzspitze an die Schul-
ter.
»Das ist Mitternacht«, miaute er. »Sie tut keiner Katze was.« Er sprang auf die alte Dächsin zu, um sie zu begrüßen.
Mitternacht musterte Sturmpelz mit ihren kurzsichtigen Augen. Dann nickte sie knapp.
»Katzenfreund von Reise«, polterte sie. »Gut ist es, dich wiederzusehen. Und dies ist Katze von Bergstamm, nicht wahr?« Sie wies mit der Schnauze auf Bach.
»Stimmt«, miaute Sturmpelz. »Das ist Bach, eine Beutejägerin vom Stamm des eilenden Wassers.«
Mit dem Schwanz bedeutete er Bach, näherzutreten, was sie nur zögernd tat. Sie schien nicht so recht an die Ungefährlichkeit dieser Dächsin glauben zu können. Brombeerkralle konnte das nachvollziehen. Keine Katze kannte Mitternacht besser als er, aber wenn man ihre stämmige Gestalt sah, musste man unwillkürlich an schnappende Kiefer, boshaft funkelnde Augen und Klauen denken, die Katzenpelze wie Blätter in der Blattgrüne zerfetzen konnten.
Mit schweren Pfoten näherte sich Mitternacht und blieb neben ihm stehen. Trauer und Wut leuchteten aus ihren Beerenaugen.
»Zu spät meine Warnung«, krächzte sie. »Nicht genug konnte ich tun.«
»Du hast uns den WindClan zu Hilfe geschickt«, sagte Brombeerkralle. »Ohne dich wäre unser Clan ausgelöscht worden.«
Mitternacht senkte den Kopf, der weiße Streifen auf ihrer Nase schimmerte im fahlen Mondlicht. »Scham fühle ich für meinesgleichen.«
»Jede Katze weiß, dass du mit diesem Überfall nichts zu tun hast«, betonte Brombeerkralle. »In unserem Clan wirst du stets willkommen sein.«
Mitternacht sah immer noch betrübt aus. Hinter ihr entdeckte Brombeerkralle in der Mitte der Lichtung seinen Anführer zusammen mit Kurzstern und den WindClan-Kriegern. Er trottete zu ihnen hinüber und bedeutete Sturmpelz und Bach mit dem Schwanz, ihm zu folgen. Eine Fuchslänge weiter, hinter einem ausgerissenen Dornbusch, beugte sich Blattsee über den reglosen Körper von Aschenpelz. Einen Herzschlag lang fürchtete Brombeerkralle, der graue Krieger sei tot, bis er seine Schwanzspitze zucken sah. Der SternenClan wird heute Abend nicht alle unsere Krieger zu sich nehmen, redete er sich entschlossen zu.
Feuerstern atmete immer noch schwer nach dem anstrengenden Kampf. Sein flammenfarbener Pelz war zerfetzt und aus einem langen Kratzer an der Flanke tropfte Blut. Brombeerkralle erschrak. Hatte sein Anführer wieder ein Leben verloren? Jedenfalls war er schwer verletzt. Ich werde ihm bis zum letzten Atemzug beistehen, schwor sich Brombeerkralle. Gemeinsam schaffen wir es, den Clan durchzubringen und ihn stärker zu machen, als er je gewesen ist.
Trotz seiner Wunden saß Feuerstern kerzengerade und mit leuchtenden Augen Kurzstern, dem Anführer des WindClans, gegenüber.
»Der Dank des ganzen DonnerClans wird euch begleiten«, miaute er.
»Die Dachse werden euch vermutlich nicht weiter belästigen«, antwortete Kurzstern. »Aber ich kann gern ein paar Krieger als Wachen hierlassen, wenn du willst.«
»Nein, danke, das wird nicht nötig sein.« Die Wärme in Feuersterns Augen zeigte die lange Freundschaft zwischen diesen beiden Katzen. Brombeerkralle dankte dem Sternen-Clan im Stillen, dass die Spannung, die jeder seit Kurzsterns Ernennung zum Anführer zwischen den beiden gespürt hatte, endlich beseitigt war.
»Brauchen deine Krieger die Hilfe unserer Heiler-Katze, bevor ihr geht?«, fügte der Anführer des DonnerClans hinzu. »Falls einer oder mehrere schwerer verletzt sein sollten, können sie gern hierbleiben.«
Brombeerkralle sah zu Blattsee hinüber, die immer noch bei Aschenpelz saß. Als sie Feuerstern reden hörte, hob sie den Kopf und musterte die WindClan-Krieger auf der Lichtung. Voller Mitgefühl bemerkte Brombeerkralle, wie ihr Blick eine bestimmte Katze suchte. Vor zwei Sonnenaufgängen hatten Krähenfeder und Blattsee ihre Clans verlassen, um zusammen zu sein, aber als sie von den Dachsen erfuhren, waren sie heimgekehrt. Brombeerkralle hoffte, dass Blattsee für immer zurückgekehrt war, denn der DonnerClan brauchte sie nach dem bösartigen Angriff, bei dem so viele Katzen verwundet worden waren, mehr denn je.
Krähenfeder starrte auf seine Pfoten, um Blattsees Blick auszuweichen. An seiner Flanke war ein langer Riss, und gan - ze Fetzen von Fell fehlten, aber die Wunde hatte bereits aufgehört zu bluten und er stand sicher auf allen vier Pfoten. Spinnenfuß hatte ein zerfetztes Ohr, und Aschenfuß, die Zweite Anführerin des WindClans, blutete an einer Schulter, aber keine der Verletzungen sah so ernsthaft aus, dass sie die Krieger von der Rückkehr ins WindClan-Lager abhalten könnte.
»Ich glaube, dank SternenClan sind wir alle stark genug für die Reise«, antwortete Kurzstern dem Anführer des DonnerClans. »Wenn du sicher bist, dass du unsere Hilfe nicht mehr brauchst, kehren wir jetzt in unser eigenes Territorium zurück.«
Krähenfeder hob den Kopf und sah Blattsee wehmütig an. Mühsam erhob sie sich auf die Pfoten, ließ Aschenpelz allein und trottete zu dem WindClan-Krieger. Etwas abseits von den übrigen Katzen blieben sie stehen und steckten die Köpfe zusammen. Brombeerkralle, der sich im Schatten in der Nähe aufhielt, blieb nichts anderes übrig, als ihr Gespräch mit-anzuhören.
»Leb wohl, Krähenfeder«, flüsterte Blattsee mit erstickter Stimme. »Es ... es ist besser, wenn wir uns nicht wiedersehen.«
Krähenfeders Augen blitzten auf, und einen Herzschlag lang glaubte Brombeerkralle, er würde ihr widersprechen. Aber dann schüttelte er den Kopf.
Übersetzung: Friederike Levin
© 2012 Beltz & Gelberg
FINSTERE NACHT LAG über dem Wald. Kein Lüftchen regte sich im hohen Gras am Wegesrand, wo der kräftige, getigerte Kater durch die Schatten stolzierte. Er hielt inne, spitzte die Ohren, kniff die Augen zusammen. Weder Mond noch Sterne leuchteten am Himmel über ihm, trotzdem warfen die dicht bemoosten Stämme ein unheimliches Licht auf die nackte Erde unter seinen Pfoten.
Der stattliche Kater öffnete das Maul, um die Luft tief einzuatmen, auch wenn er nicht damit rechnete, Beutegeruch zu entdecken. Er wusste, dass das Zittern der Farnwedel nichts zu bedeuten hatte und die Schatten, die er aus dem Augenwinkel zucken sah, sich wie Nebel auflösen würden, falls er versuchte, ihnen nachzujagen. Hunger gab es an diesem Ort nicht, aber er sehnte sich nach dem aufregenden Gefühl, wenn er seine Krallen in Beute schlug und nach einer erfolgreichen Jagd den ersten warmen Bissen verzehrte.
Sein Nackenfell sträubte sich, als ihm ein neuer Geruch entgegenwehte: der Geruch von Katzen, und zwar nicht von den beiden, mit denen er sich hier schon einmal getroffen hatte. Jetzt näherte sich ein Kater, den er aus längst vergangenen Zeiten kannte. Er lief weiter, immer auf den Geruch zu, bis die Bäume spärlicher wurden und er am Rand einer schwach beleuchteten Lichtung stehen blieb. Der andere Kater kam über die freie Fläche auf ihn zugesprungen, die Ohren flach angelegt und die Augen in Panik weit aufgerissen.
»Tigerstern!«, keuchte er, blieb vor ihm stehen und duckte sich. »Wo kommst du her? Ich dachte, ich wäre hier ganz allein.«
»Steh auf, Dunkelstreif«, knurrte sein Gegenüber angewidert mit tiefer Stimme. »Hör auf, dich wie ein unterwürfiges Junges zu benehmen.«
Dunkelstreif erhob sich auf die Pfoten und leckte sich ein paar Mal kurz übers Fell. Sein Pelz, der früher glatt wie die Haut eines wohlgenährten Fisches gewesen war, sah jetzt dünn und verfilzt aus und hing voller Kletten.
»Ich weiß nicht, was für ein Ort das hier ist«, miaute er. »Wo sind wir? Wo ist der SternenClan?«
»Hier wandelt kein SternenClan.«
Dunkelstreif riss die Augen noch weiter auf.
»Warum nicht? Und warum ist es hier immer so finster? Wo ist der Mond?« Er schauderte. »Ich dachte, wir würden mit unseren Kriegerahnen am Himmel jagen und über unsere Clan-Gefährten wachen.«
Tigerstern schnaubte verächtlich. »Das ist nichts für uns. Und um meinem Pfad zu folgen, brauchen wir kein Sternenlicht. Wenn der SternenClan glaubt, er kann uns einfach vergessen, dann täuscht er sich.«
Er kehrte Dunkelstreif den Rücken zu und bahnte sich seinen Weg durch den Farn, ohne sich darum zu kümmern, ob ihm der andere Kater folgte oder nicht.
»Warte«, rief Dunkelstreif und stolperte keuchend hinter ihm her. »Das musst du mir erklären.«
Der riesige Kater blickte sich um, seine Bernsteinaugen funkelten im blassen Licht.
»Feuerstern glaubt, er habe gesiegt, als mir Geißel meine neun Leben genommen hat. Er ist ein Narr. Wir sind noch nicht miteinander fertig.«
»Aber was kannst du jetzt noch gegen Feuerstern tun?«, protestierte Dunkelstreif. »Aus diesem Wald kommst du nicht heraus. Ich weiß es - ich habe es selbst versucht. Ich kann gehen, so weit ich will, der Wald hört nirgendwo auf und nirgendwo gibt es Licht.«
Tigerstern antwortete nicht sofort. Mit Dunkelstreif dicht auf seinen Pfoten trottete er weiter durchs Unterholz. Der kleinere Kater zuckte jedes Mal zusammen, wenn es im Farn raschelte oder ein flackernder Schatten auf seinen Weg fiel. Plötzlich blieb er stehen, blickte verängstigt um sich und öffnete das Maul, um die Luft zu prüfen.
»Ich rieche Braunstern!«, rief er. »Ist er auch hier? Braunstern, wo bist du? «
Tigerstern blieb ebenfalls stehen und sah hinter sich. »Spar dir die Luft. Braunstern wird dir nicht antworten. Du wirst hier Spuren von vielen Katzen finden, aber von Angesicht zu Angesicht wirst du ihnen nur selten begegnen. Wir mögen am gleichen Ort gefangen sein, aber jeder ist für sich allein.«
»Wie willst du dann mit Feuerstern abrechnen?«, fragte Dunkelstreif. »Er kommt doch gar nicht in diesen Wald.«
»Das werde ich nicht selbst tun.« Tigerstern redete mit leiser, bedrohlicher Stimme. »Meine Söhne erledigen das für mich. Habichtfrost und Brombeerkralle werden Feuerstern zeigen, dass die Schlacht noch lange nicht gewonnen ist.«
Dunkelstreif riskierte einen kurzen Blick in die Augen seines ehemaligen Anführers. »Aber wie willst du es anstellen, dass Habichtfrost und Brombeerkralle tun, was du willst?«
Mit einem einzigen Schlag seines Schwanzes brachte Tigerstern Dunkelstreif zum Schweigen. Er fuhr die Krallen aus, zog Furchen in die Erde unter seinen Pfoten.
»Ich kann in ihren Träumen wandeln«, fauchte er. »Außerdem habe ich Zeit. Alle Zeit der Welt. Wenn sie dieses räudige Hauskätzchen vernichtet haben, werde ich sie zu Anführern ihrer Clans machen und ihnen zeigen, was es bedeutet, wirklich mächtig zu sein.«
Dunkelstreif duckte sich im Schatten eines Farnbüschels. »Einen besseren Lehrer könnten sie nicht finden«, miaute
er.
»Sie werden die besten Kampftechniken des Waldes erlernen«, fuhr Tigerstern fort. »Sie werden lernen, keine Gnade walten zu lassen, falls irgendeine Katze gegen sie aufzubegehren wagt. Und am Ende werden sie das ganze Territorium um den See unter sich aufteilen.«
»Es gibt aber doch vier Clans ...«
»Und bald wird es nur noch zwei geben. Zwei Clans aus unverfälschten Kriegern, in denen es weder schwächliche Hauskätzchen noch HalbClan-Katzen gibt. Jetzt hat Feuerstern auch noch dieses nutzlose Fellbündel vom Pferdeort mit seinen jämmerlichen Jungen aufgenommen. So kann man doch keinen Clan führen!«
Dunkelstreif neigte den Kopf und legte bestätigend die Ohren an.
»Habichtfrost kennt keine Furcht«, knurrte Tigerstern anerkennend. »Das hat er gezeigt, als er einen Dachs aus dem Territorium des FlussClans verjagte. Und er hat Weitsicht bewiesen, als er seiner Schwester half, Heiler-Katze zu werden. Sie wird ihm den Weg zum Anführer ebnen und Habichtfrost weiß das. Er weiß, dass eine Katze nur dann an die Macht kommt, wenn sie unbeirrbar bleibt.«
»Ja, er ist ganz und gar dein Sohn.« Die Worte rannen Dunkelstreif von den Lippen wie Regenwasser von einem herunterhängenden Blatt. Aber falls Tigerstern einen falschen Unterton bemerkt haben sollte, ignorierte er ihn.
»Was Brombeerkralle angeht ...« Tigerstern kniff die Augen zusammen. »Auch er ist mutig, aber seine Loyalität zu dem Schwachkopf Feuerstern steht ihm im Weg. Er muss lernen, sich durch nichts und niemanden - weder seinen Anführer noch das Gesetz der Krieger, noch den SternenClan - aus der Bahn bringen zu lassen. Mit seiner Reise zum Wassernest der Sonne und der Führung der Clans in ihr neues Zuhause hat er sich den Respekt jeder Katze verdient. Sein guter Ruf allein müsste schon ausreichen, um die Kontrolle zu übernehmen. « Er streckte sich und ließ seine kraftvollen Schultermuskeln spielen. »Das werde ich ihm jetzt zeigen.«
»Ich könnte dir dabei helfen«, bot Dunkelstreif an.
Tigerstern sah ihn mit kalten, selbstgefälligen Augen an. »Ich brauche keine Hilfe. Hast du nicht zugehört, als ich dir sagte, dass jede Katze allein in diesem Wald der Finsternis wandelt?«
Dunkelstreif begann zu zittern. »Aber es ist hier so still und verlassen ... Tigerstern, lass mich bei dir bleiben.«
»Nein.« Ein Anflug von Mitgefühl lag in Tigersterns Stimme, aber er zögerte nicht. »Versuch nicht, mir zu folgen. Katzen haben hier keine Freunde oder Verbündete. Sie müssen ihren Weg in den Schatten allein suchen.«
Dunkelstreif setzte sich auf, den Schwanz um die Vorderpfoten gelegt. »Und wohin gehst du jetzt?«
»Ich treffe mich mit meinen Söhnen.« Er sprang auf dem Weg davon und sein Pelz schimmerte im matten, gelblichen Licht. Im Schatten des Farns blieb Dunkelstreif allein zurück.
Tigerstern drehte sich noch einmal um, bevor er zwischen den Bäumen verschwand, und verkündete: »Feuerstern wird schon sehen, dass meine Zeit noch nicht um ist. Sieben Leben sind ihm zwar noch geblieben, aber mit der Hilfe meiner Söhne werde ich ihn verfolgen, bis er jedes einzelne ausgehaucht hat. Diese Schlacht wird er nicht gewinnen.«
1. KAPITEL
BROMBEERKRALLE STAND in der Mitte der Lichtung und nahm in Augenschein, was vom DonnerClan-Lager noch übrig war. Eine schmale Mondsichel, dünn wie eine Kralle, zog hinter den Bäumen über dem Felskessel ihre Bahn. Ihr fahles Licht fiel auf die niedergetrampelten Baue, auf die zerfetzte, zur Seite geschleuderte Dornenbarriere am Eingang und die verwundeten DonnerClan-Katzen, die langsam mit gesträubtem Fell und vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen aus den Schat ten gekrochen kamen. Brombeerkralle konnte das Getrampel der Dachse in der Ferne noch immer hören. Beim Ein gang bebte das Unterholz nach, wo sie durchgebrochen waren, nachdem Kurzstern mit seinen WindClan-Kriegern gerade noch rechtzeitig eingetroffen war, um dem DonnerClan beizustehen und die Eindringlinge zu vertreiben.
Der Anblick der Verwüstung war es jedoch nicht, der Brombeerkralle wie angewurzelt dastehen ließ. Zwei Katzen, von denen er geglaubt hatte, er würde sie nie mehr wiedersehen, bewegten sich vorsichtig zwischen dem Dornengestrüpp am Eingang auf ihn zu. Sie waren unverletzt, ihre Pelze waren glatt und ihre Augen leuchteten wachsam.
»Sturmpelz! Was machst du denn hier?«, rief Brombeerkralle.
Der kräftige, graue Kater schritt weiter, bis er Brombeerkralle Nase an Nase begrüßen konnte.
»Wie schön, dich wiederzusehen«, miaute er. »Ich ... ich wollte nachsehen, ob ihr ein neues Zuhause gefunden habt. Aber was ist hier geschehen?«
»Dachse«, antwortete Brombeerkralle. Ratlos sah er sich um, während er sich fragte, wem seiner verletzten und verängstigten Clan-Gefährten er wohl zuerst helfen sollte.
Die schlanke, getigerte Kätzin an Sturmpelz' Seite fuhr mit ihrem Schwanz über einen langen Kratzer an Brombeerkralles Schulter.
»Du bist verletzt«, miaute sie.
Brombeerkralle zuckte mit den Ohren.
»Das ist nichts. Willkommen im DonnerClan, Bach. Es tut mir leid, dass ihr nach eurer weiten Reise unser Lager so vorfinden müsst.« Er hielt inne und blickte von einem zum anderen. »Ist beim Stamm des eilenden Wassers alles in Ordnung? Ich hätte nicht gedacht, dass ihr uns so bald besuchen würdet.«
Sturmpelz warf Bach einen Blick zu, so kurz, dass Brombeerkralle ihn fast übersehen hätte.
»Alles bestens«, schnurrte er. »Wir wollten bloß sicher sein, dass ihr einen Ort gefunden habt, an dem ihr leben könnt, wie es der SternenClan versprochen hat.«
Brombeerkralle ließ den Blick über das verwüstete Lager schweifen, wo die verschreckten Katzen zwischen den Überresten ihres Zuhauses umhertaumelten.
»Ja, wir haben diesen Ort gefunden«, flüsterte er.
»Hast du gesagt, ihr seid von Dachsen angegriffen worden?«, erkundigte sich Bach verwundert.
»Eine ganze Horde ist über uns hergefallen«, erklärte Brom beerkralle. »Weiß der SternenClan, wo sie alle hergekommen sind. Nie im Leben habe ich so viele Dachse gesehen. Sie hätten uns alle umgebracht, wenn der WindClan nicht aufgetaucht wäre.« Seine Pfoten zitterten, und er klammerte sich mit den Krallen im blutgetränkten Boden fest, um nicht umzukippen.
Sturmpelz nickte. »Das alles kannst du uns später erzählen. Wie können wir euch helfen?«
Brombeerkralle schickte ein stilles Dankesgebet zum SternenClan, dass er diesen Moment gewählt hatte, um seine alten Freunde zu den Clans zurückzuschicken. Er und Sturmpelz hatten auf ihrer Reise zum Wassernest der Sonne so vieles gemeinsam durchgestanden, dass ihm nur wenige Katzen einfielen, die er jetzt lieber an seiner Seite wüsste.
Er wandte den Kopf, als er in einem Farnbüschel am Rand der Kuhle ein leises Wimmern hörte.
»Wir müssen alle Katzen suchen, die verletzt sind. Einige befinden sich vermutlich bereits auf dem Weg zum Sternen-Clan«, warnte er und warf Bach einen Blick zu. »Die Dachse hatten nicht vor, uns zu vertreiben, sie wollten uns töten.«
Bach hielt seinem Blick stand. »Was sie auch getan haben mögen, ich will helfen. Ich kenne solche Gemetzel von Scharfzahn, vergiss das nicht.«
Scharfzahn war eine riesige Bergkatze gewesen, die den Stamm des eilenden Wassers viele Monde lang terrorisiert hatte, bis die Waldkatzen eintrafen. Sturmpelz' Schwester Federschweif war gestorben, als sie abgestürzt war und dabei das bestialische Tier getötet hatte.
»Wir werden tun, was getan werden muss«, versprach Sturmpelz. »Sag uns einfach, wo wir anfangen sollen. Bist du inzwischen Zweiter Anführer des DonnerClans? «
Brombeerkralle betrachtete einen Moosfetzen, der zwischen den Ballen einer Vorderpfote klemmte. »Nein«, gestand er. »Feuerstern hat noch keinen neuen Zweiten Anführer ernannt. Er will Graustreif mehr Zeit geben, zurückzukehren.«
»Das ist hart.« Eine Spur Mitleid lag in Sturmpelz' Stimme und Brombeerkralle zuckte zusammen. Er wollte von keiner Katze bemitleidet werden.
Plötzlich erstarrte Bach. »Hattest du nicht gesagt, die Dachse wären weg? «, fauchte sie leise.
Brombeerkralle fuhr herum, entspannte sich aber, als er ein wohlbekanntes spitzes, schwarz-weißes Gesicht im trockenen Farnkraut auftauchen sah.
Sturmpelz tippte Bach mit der Schwanzspitze an die Schul-
ter.
»Das ist Mitternacht«, miaute er. »Sie tut keiner Katze was.« Er sprang auf die alte Dächsin zu, um sie zu begrüßen.
Mitternacht musterte Sturmpelz mit ihren kurzsichtigen Augen. Dann nickte sie knapp.
»Katzenfreund von Reise«, polterte sie. »Gut ist es, dich wiederzusehen. Und dies ist Katze von Bergstamm, nicht wahr?« Sie wies mit der Schnauze auf Bach.
»Stimmt«, miaute Sturmpelz. »Das ist Bach, eine Beutejägerin vom Stamm des eilenden Wassers.«
Mit dem Schwanz bedeutete er Bach, näherzutreten, was sie nur zögernd tat. Sie schien nicht so recht an die Ungefährlichkeit dieser Dächsin glauben zu können. Brombeerkralle konnte das nachvollziehen. Keine Katze kannte Mitternacht besser als er, aber wenn man ihre stämmige Gestalt sah, musste man unwillkürlich an schnappende Kiefer, boshaft funkelnde Augen und Klauen denken, die Katzenpelze wie Blätter in der Blattgrüne zerfetzen konnten.
Mit schweren Pfoten näherte sich Mitternacht und blieb neben ihm stehen. Trauer und Wut leuchteten aus ihren Beerenaugen.
»Zu spät meine Warnung«, krächzte sie. »Nicht genug konnte ich tun.«
»Du hast uns den WindClan zu Hilfe geschickt«, sagte Brombeerkralle. »Ohne dich wäre unser Clan ausgelöscht worden.«
Mitternacht senkte den Kopf, der weiße Streifen auf ihrer Nase schimmerte im fahlen Mondlicht. »Scham fühle ich für meinesgleichen.«
»Jede Katze weiß, dass du mit diesem Überfall nichts zu tun hast«, betonte Brombeerkralle. »In unserem Clan wirst du stets willkommen sein.«
Mitternacht sah immer noch betrübt aus. Hinter ihr entdeckte Brombeerkralle in der Mitte der Lichtung seinen Anführer zusammen mit Kurzstern und den WindClan-Kriegern. Er trottete zu ihnen hinüber und bedeutete Sturmpelz und Bach mit dem Schwanz, ihm zu folgen. Eine Fuchslänge weiter, hinter einem ausgerissenen Dornbusch, beugte sich Blattsee über den reglosen Körper von Aschenpelz. Einen Herzschlag lang fürchtete Brombeerkralle, der graue Krieger sei tot, bis er seine Schwanzspitze zucken sah. Der SternenClan wird heute Abend nicht alle unsere Krieger zu sich nehmen, redete er sich entschlossen zu.
Feuerstern atmete immer noch schwer nach dem anstrengenden Kampf. Sein flammenfarbener Pelz war zerfetzt und aus einem langen Kratzer an der Flanke tropfte Blut. Brombeerkralle erschrak. Hatte sein Anführer wieder ein Leben verloren? Jedenfalls war er schwer verletzt. Ich werde ihm bis zum letzten Atemzug beistehen, schwor sich Brombeerkralle. Gemeinsam schaffen wir es, den Clan durchzubringen und ihn stärker zu machen, als er je gewesen ist.
Trotz seiner Wunden saß Feuerstern kerzengerade und mit leuchtenden Augen Kurzstern, dem Anführer des WindClans, gegenüber.
»Der Dank des ganzen DonnerClans wird euch begleiten«, miaute er.
»Die Dachse werden euch vermutlich nicht weiter belästigen«, antwortete Kurzstern. »Aber ich kann gern ein paar Krieger als Wachen hierlassen, wenn du willst.«
»Nein, danke, das wird nicht nötig sein.« Die Wärme in Feuersterns Augen zeigte die lange Freundschaft zwischen diesen beiden Katzen. Brombeerkralle dankte dem Sternen-Clan im Stillen, dass die Spannung, die jeder seit Kurzsterns Ernennung zum Anführer zwischen den beiden gespürt hatte, endlich beseitigt war.
»Brauchen deine Krieger die Hilfe unserer Heiler-Katze, bevor ihr geht?«, fügte der Anführer des DonnerClans hinzu. »Falls einer oder mehrere schwerer verletzt sein sollten, können sie gern hierbleiben.«
Brombeerkralle sah zu Blattsee hinüber, die immer noch bei Aschenpelz saß. Als sie Feuerstern reden hörte, hob sie den Kopf und musterte die WindClan-Krieger auf der Lichtung. Voller Mitgefühl bemerkte Brombeerkralle, wie ihr Blick eine bestimmte Katze suchte. Vor zwei Sonnenaufgängen hatten Krähenfeder und Blattsee ihre Clans verlassen, um zusammen zu sein, aber als sie von den Dachsen erfuhren, waren sie heimgekehrt. Brombeerkralle hoffte, dass Blattsee für immer zurückgekehrt war, denn der DonnerClan brauchte sie nach dem bösartigen Angriff, bei dem so viele Katzen verwundet worden waren, mehr denn je.
Krähenfeder starrte auf seine Pfoten, um Blattsees Blick auszuweichen. An seiner Flanke war ein langer Riss, und gan - ze Fetzen von Fell fehlten, aber die Wunde hatte bereits aufgehört zu bluten und er stand sicher auf allen vier Pfoten. Spinnenfuß hatte ein zerfetztes Ohr, und Aschenfuß, die Zweite Anführerin des WindClans, blutete an einer Schulter, aber keine der Verletzungen sah so ernsthaft aus, dass sie die Krieger von der Rückkehr ins WindClan-Lager abhalten könnte.
»Ich glaube, dank SternenClan sind wir alle stark genug für die Reise«, antwortete Kurzstern dem Anführer des DonnerClans. »Wenn du sicher bist, dass du unsere Hilfe nicht mehr brauchst, kehren wir jetzt in unser eigenes Territorium zurück.«
Krähenfeder hob den Kopf und sah Blattsee wehmütig an. Mühsam erhob sie sich auf die Pfoten, ließ Aschenpelz allein und trottete zu dem WindClan-Krieger. Etwas abseits von den übrigen Katzen blieben sie stehen und steckten die Köpfe zusammen. Brombeerkralle, der sich im Schatten in der Nähe aufhielt, blieb nichts anderes übrig, als ihr Gespräch mit-anzuhören.
»Leb wohl, Krähenfeder«, flüsterte Blattsee mit erstickter Stimme. »Es ... es ist besser, wenn wir uns nicht wiedersehen.«
Krähenfeders Augen blitzten auf, und einen Herzschlag lang glaubte Brombeerkralle, er würde ihr widersprechen. Aber dann schüttelte er den Kopf.
Übersetzung: Friederike Levin
© 2012 Beltz & Gelberg
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Autoren-Porträt von Erin Hunter
Hunter, ErinHinter dem Namen Erin Hunter verbirgt sich ein ganzes Team von Autorinnen. Gemeinsam konzipieren und schreiben sie die erfolgreichen Tierfantasy-Reihen WARRIOR CATS, SEEKERS und SURVIVOR DOGS.
Bibliographische Angaben
- Autor: Erin Hunter
- Altersempfehlung: 10 - 12 Jahre
- 2016, 5. Aufl., 335 Seiten, mit Schwarz-Weiss-Abbildungen, Masse: 13,7 x 21,2 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Levin, Friederike
- Übersetzer: Friederike Levin
- Verlag: Julius Beltz GmbH
- ISBN-10: 3407811020
- ISBN-13: 9783407811028
- Erscheinungsdatum: 29.02.2016
Rezension zu „Warrior Cats Staffel 2 Band 6: Sonnenuntergang “
»Die >Warrior Cats< sind eine der erfolgreichsten Fantasy-Reihen der letzten Jahre.« Familie & Co»Können Sätze wie diese (lese)süchtig machen? Offenbar schon, denn die >Warrior Cats<-Serie im Beltz Verlag läuft und läuft und läuft: ein Jugendbuch gewordener Käfer.« General-Anzeiger
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