Abarat
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Der neue Fantasy-Roman von Clive Barker: jetzt mit 32 Seiten Farbillustrationen und vielen Schwarz-Weiß-Abbildungen.
Der neue Fantasy-Roman von Clive Barker: jetzt mit 32 Seiten Farbillustrationen und vielen Schwarz-Weiss-Abbildungen.
Abarat von CliveBarker
LESEPROBE
Der Sturm zog von Südwesten auf wieein Unhold, der sich
auf blitzgezackten Beinen an seineBeute heranpirscht.
Der Wind, den er mitbrachte, war sofaulig wie der Atem des
Teufels selbst und er wühlte diefriedliche Oberfläche des Meeres
auf. Als das kleine rote Boot, dasdie drei Frauen für ihre gefahrvolle
Reise gewählt hatten, den Schutz derInseln verlassen
und offenes Gewässer erreicht hatte,waren die Wellen schon
steil wie Felsklippen aufgetürmt,acht, neun Meter hoch.
»Diesen Sturm hat jemand geschickt«,sagte Joephi, die das
Lyra genannte Boot nach besten Kräften zusteuern versuchte.
Das Segel zitterte wie Laub imOrkan, wild hin und her schlagend,
kaum noch zu beherrschen. »Ichschwöre dir, Diamanda,
das ist kein natürlicher Sturm!«
Diamanda, die älteste der dreiFrauen, sass in der Mitte des
winzigen Gefährts. Sie hatte ihredunkelblauen Gewänder zusammengerafft
und die kostbare Ladung fest an denBusen gepresst.
»Wir wollen mal nicht hysterischwerden«, sagte sie zu Joephi
und Mespa. Sie wischte sich einlanges weisses Haar aus den
Augen. »Niemand hat uns aus demPalast von Bowers herausgehen
sehen. Wir sind unbemerkt entwischt,da bin ich mir
sicher.«
»Warum dann dieser Sturm?«, sagteMespa, eine schwarze
Frau, die für ihre Unverwüstlichkeitberühmt war, im Augenblick
aber Gefahr zu laufen schien, vomRegen, der auf die Häupter der
Frauen niederprasselte,hinweggeschwemmt zu werden.
»Warum seid ihr so überrascht, dassder Himmel sich beschwert?
«, sagte Diamanda. »Wussten wir dennnicht, dass die
Welt von dem, was gerade geschehenist, auf den Kopf gestellt
wird?«
Joephi kämpfte fluchend mit demSegel. Ihr weisses Gesicht
bildete einen schroffen Kontrast zurSchwärze des kurz geschnittenen
Haars.
»Ja, mussten wir nicht genau dasalles von Anfang an erwarten?
«, fuhr Diamanda fort. »Ist es nichtvollkommen richtig,
dass der Himmel in Fetzen gerissenwird und das Meer in Raserei
gerät? Hätten wir es denn lieber,wenn die Welt gar keine
Notiz nehmen würde?«
»Nein, nein, natürlich nicht«, sagteMespa, die sich am Rand
des stampfenden Bootesfestklammerte. »Mir wäre es nur lieber,
wir würden nicht genau mittendrinstecken.«
»Nun, das tun wir aber«, sagte diealte Frau. »Und daran
lässt sich nicht das Geringsteändern. Ich würde also vorschlagen,
dass du deinen Magen zu Endeentleerst, Mespa «
»Er ist leer«, sagte die vonÜbelkeit Geschlagene. »Nichts
mehr da, was noch rauskommenkönnte.«
» und dass du, Joephi, dich um dasSegel kümmerst «
»O Göttin «, murmelte Joephi. »Sehtnur!«
»Was ist denn los?«, sagte Diamanda.
Joephi zeigte hinauf zum Himmel.
Mehrere Sterne waren vom Firmamentgeschüttelt worden -
grosse weisse Feuerklumpen, die durchdie Wolken stiessen und
aufs Meer herunterfielen. Einerdavon steuerte genau auf die
Lyra zu.
»Runter!«, schrie Joephi, packteDiamandas Gewänder von
hinten und stiess die Alte von ihremSitz.
Diamanda liess sich nicht gernberühren, schon gar nicht herumschubsen,
wie sie es nannte. Sie schickte sichan, Joephi
einen strengen Verweis zu erteilen,doch wurden ihre Worte von
dem Getöse des herabstürzendenSterns verschluckt, der sich
dem Boot mit grosser Geschwindigkeitnäherte. Er schlug durch
das sich bauschende Segel der Lyra,hinterliess dort ein rau-
chendes Loch und klatschte dann insMeer, wo er unter mächtigem
Zischen erlosch.
»Ich schwöre euch, der war für unsgedacht«, sagte Mespa,
nachdem alle wieder den Kopf erhobenhatten. Sie half Diamanda
auf die Beine.
»Na gut«, meinte die alte Dame,indem sie den Lärm des aufgewühlten
Wassers überschrie, »das warknapper, als ich mir
gewünscht hätte.«
»Dann glaubst du also auch, dass wirunter Beschuss stehen?
«
»Ich weiss es nicht, und es ist mirauch egal«, sagte Diamanda.
»Wir müssen einfach nur auf dieHeiligkeit unserer Mission
vertrauen.«
Mespa fuhr sich mit der Zunge überdie blassen Lippen,
bevor sie ihre nächsten Worteriskierte.
»Sind wir uns denn ganz sicher, dasssie wirklich heilig ist?«,
sagte sie. »Vielleicht begehen wirein Sakrileg. Vielleicht wäre es
besser, sie «
»In Frieden ruhen zu lassen?«, sagte Joephi.
»Ja«, antwortete Mespa.
»Sie war praktisch noch ein Mädchen,Mespa«, sagte Joephi.
»Sie hatte ein Leben voller Liebevor sich, und das wurde ihr
geraubt.«
»Joephi hat Recht«, sagte Diamanda.»Glaubst du, eine Seele
wie die ihre würde Ruhe finden, beiall dem ungelebten Leben?
Bei all den Träumen, die unerfülltgeblieben sind?«
Mespa nickte. »Das stimmt natürlich«,sagte sie. »Wir müssen
dieses Werk vollbringen, koste es,was es wolle.«
Die Gewitterwolke, die ihnen von denInseln aus gefolgt
war, stand nun genau über ihnen. Sieschleuderte einen widerlich
schleimartigen, eiskalten Regen nachunten, der wie
Trommelschläge auf den Planken der Lyradröhnte. Blitze
zuckten zu allen Seiten deszitternden Gefährts herab, und ihr
gespenstisches Licht liess die sichauftürmenden Wellen wie
Schattenrisse erscheinen, bevor sieüber dem Boot zusammenschlugen.
»Das Segel ist nicht mehr zugebrauchen«, sagte Joephi mit
Blick auf die zerfetzte Leinwand.
»Dann müssen wir eben andere Mittelfinden«, sagte Diamanda.
»Mespa. Nimm unsere Fracht mal kurzan dich. Aber sei
vorsichtig.«
Voller Ehrfurcht empfing Mespa denkleinen Kasten, dessen
Seiten und Deckel mit detailreichgestalteten magischen Bildnissen
verziert waren. Von ihrer Lastbefreit, begab sich Diamanda
zum Heck der Lyra, wobeideren heftiges Schwanken sie
mehrmals über Bord zu werfen drohte,bis sie schliesslich glücklich
zu dem kleinen Sitz gelangt war.Hier kniete sie nieder,
beugte sich vor und tauchte ihrearthritischen Hände ins eiskalte
Wasser.
»Pass lieber auf«, sagte Mespawarnend. »Da ist ein fünfzehn
Meter langer Mantizak, der uns seiteiner halben Stunde
nachschwimmt. Ich hab ihn gesehen,als ich mich übergeben
musste.«
»Kein Fisch, der etwas auf sichhält, ist hinter meinen alten
Knochen her«, sagte Diamanda.
Sie hatte die Worte kaumausgesprochen, da kam der gesprenkelte
Kopf eines Mantizaks - nicht ganzvon der Grösse,
die Mespa ausgemalt hatte, abertrotzdem riesig - an die
Wasseroberfläche geschossen. Seingewaltiger Rachen klaffte
kaum zwei Handbreit von Diamandasausgestrecktem Arm entfernt.
»Göttin!«, schrie die alte Dame, zog die Händeein und setzte
sich jäh aufrecht.
Der enttäuschte Fisch drängte vonhinten gegen das Boot, als
hoffte er, auf diese Weise einen derdarauf befindlichen menschlichen
Leckerbissen in sein Elementbugsieren zu können.
»Also «, sagte Diamanda. »Mirscheint, hier ist ein wenig
Mondzauber gefragt.«
»Warte«, sagte Joephi. »Du hast dochselbst gesagt, dass wir
nur Aufmerksamkeit erregen, wenn wirMagie anwenden.«
»Ja, hab ich«, erwiderte Diamanda.»Aber wie die Dinge jetzt
stehen, riskieren wir, entweder zuertrinken oder von dem Ding
da gefressen zu werden.« DerMantizak schwamm jetzt längsseits
der Lyra, hatte dengewaltigen Kopf erhoben und fixierte
die Frauen mit seinemsilbrig-scharlachroten Auge.
Mespa presste sich den kleinenKasten noch enger an die
Brust. »Der wird mich nichtkriegen«, sagte sie mit vor Angst
zitternder Stimme.
»Stimmt«, sagte Diamanda beruhigend.»Auf keinen Fall.«
Sie hob ihre vom Alter gezeichnetenHände. Dunkle Energiefäden
zogen durch ihre Adern und schossenaus den Fingerspitzen,
fügten sich in der Luft zu feinenGebilden und flogen dann
himmelwärts.
(...)
© Heyne Verlag
Übersetzung: Karsten Singelmann
- Autor: Clive Barker
- 2006, 430 Seiten, teilweise farbige Abbildungen, Masse: 12,3 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Singelmann, Karsten
- Übersetzer: Karsten Singelmann
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453532252
- ISBN-13: 9783453532250
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